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  BFH-Urteil vom 4.9.1996 (XI R 57/94) BStBl. 1997 II S. 344

Der Gewinn, den ein Einzelunternehmer mit einem reprivatisierten Betrieb im Jahr 1990 erzielt hat, bleibt nicht nach § 3 Abs. 1 der 1. DV-ReprivG steuerfrei, wenn der Einzelunternehmer nicht Inhaber des enteigneten Betriebs war und auch nicht sein Erbe ist.

1. DV-ReprivG § 3.

Vorinstanz: FG Mecklenburg Vorpommern (EFG 1994, 1103)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt als Einzelunternehmer ein reprivatisiertes Baugeschäft, dessen Inhaber zu DDR-Zeiten sein Schwiegervater S war. Dieser Betrieb war zunächst enteignet und als VE Kreisbaubetrieb in B fortgeführt worden.

Am 2. April 1990 erteilte der Rat des Kreises B "Herrn S, Inhaber L" eine Gewerbegenehmigung für ein "Baugeschäft (Maurer und Holzbau) und Handel mit Baumaterialien und Baumaschinen". Eine nach dem Gesetz über die Gründung und Tätigkeit privater Unternehmen und über Unternehmensbeteiligungen (ReprivG) vom 7. März 1990 (Gesetzblatt der DDR - GBl DDR - 1990, 141) erforderliche Umwandlungserklärung wurde am 16. November 1990 notariell beurkundet. Am 29. April 1992 beantragte der Kläger die Eintragung des reprivatisierten Unternehmens beim Kreisgericht. Am gleichen Tag erklärte der Schwiegervater des Klägers vor einem Notar, daß er das am 1. Juli 1990 an ihn zurückgeführte Baugeschäft mit Wirkung vom gleichen Tage an seinen Schwiegersohn übertragen habe.

Im Rahmen seiner Jahreserklärung für Steuern der Handwerker im Beitrittsgebiet 1990 beantragte der Kläger die Steuerbefreiung des Gewinns aus seinem Baugeschäft gemäß § 3 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Gründung und Tätigkeit privater Unternehmen und über Unternehmensbeteiligungen vom 8. März 1990 - 1. DV-ReprivG - (GBl DDR 1990, 144). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte dies mit der Begründung ab, daß nur dem Schwiegervater als ehemaligem Inhaber des enteigneten Betriebs, nicht aber dem Kläger, auf den der Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übergegangen sei, die Steuerbefreiung gewährt werden könne. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) ging zwar davon aus, daß grundsätzlich auch dem Kläger die Steuerbefreiung zustehe, weil insoweit der Schwiegervater sein Recht wirksam an diesen abgetreten habe. Allerdings könne im Streitfall die Steuerbefreiung nicht gewährt werden, weil eine Reprivatisierung nach den §§ 17 bis 19 ReprivG nicht rechtswirksam vollzogen worden sei. Ob eine wirksame Umwandlung nach dem ReprivG bereits vorgelegen habe, bestimme § 13 Abs. 1 der Verordnung zum Vermögensgesetz über die Rückgabe von Unternehmen (URüV) vom 13. Juli 1991 (BGBl I 1991, 1542). Danach sei u. a. erforderlich, daß die Eintragung des Unternehmens durch das Registergericht erfolgt oder spätestens bis 30. Juni 1991 beantragt worden sei. Da dies nicht geschehen sei, sei nicht das ReprivG, sondern das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen - VermG - (Anlage II Kapitel III Sachgebiet B Abschn. I Nr. 5 des Einigungsvertrages - EinigVtr -, veröffentlicht in BGBl II 1990, 1148, 1159) anzuwenden, dessen § 6 eine Steuerbefreiung nicht vorsehe.

Mit seiner Revision rügt der Kläger, daß § 13 URüV rechtsfehlerhaft angewendet worden sei. Die Reprivatisierung nach dem ReprivG sei wirksam vollzogen worden.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Steuerrate 1990 auf 1.440 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet abzuweisen.

Es vertritt weiterhin die Auffassung, daß die Gewährung der Steuerbefreiung an höchstpersönliche Voraussetzungen anknüpfe, die in der Person des Klägers nicht vorgelegen hätten. Darüber hinaus sei mit dem FG davon auszugehen, daß im Streitfall das VermG anzuwenden sei.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß der Gewinn, den der Kläger im Streitjahr 1990 mit seinem Baugeschäft erwirtschaftet hat, nicht gemäß § 3 Abs. 1 der 1. DV-ReprivG i. V. m. §§ 17 bis 19 ReprivG steuerfrei bleibt.

1. Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG, daß im Streitfall das VermG anzuwenden sei, weil mangels Eintragung des Unternehmens die in § 13 Abs. 1 URüV geregelten Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine Unternehmensumwandlung nach dem ReprivG nicht erfüllt seien. Abgesehen davon, daß nach Auffassung des Senats dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 URüV eine solche Wirksamkeitsregelung nicht ohne weiteres entnommen werden kann, wäre diese jedenfalls nicht von der Ermächtigungsnorm des § 6 Abs. 9 VermG gedeckt. Denn § 6 VermG, der die Rückübertragung von in Volkseigentum der ehemaligen DDR überführten Unternehmen regelt, enthält in Abs. 9 lediglich die Ermächtigung zum Erlaß einer Verordnung zur Regelung des Verfahrens, der Zuständigkeit sowie zur Berechnung und Bewertung der nach den Gesetzeskriterien vorzunehmenden Ausgleichsleistungen (vgl. Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, Handbuch zur Durchsetzung und Abwehr von Ansprüchen, Teil 3 A I, § 6 VermG Rz. 212, m. w. N. in Fußnote 199).

2. Ob die Umwandlung bzw. Rückübertragung des Unternehmens wirksam vollzogen worden ist und ob der Gewinn dieses Unternehmens steuerfrei bleibt oder nicht, ist im Streitfall nach §§ 17 bis 19 ReprivG i. V. m. § 3 Abs. 1 der 1. DV-ReprivG zu beurteilen. Danach sind die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung des Gewinns in der Person des Klägers nicht gegeben.

a) Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 der 1. DV-ReprivG galt als Steuerrechtsnorm gemäß Art. 8 i. V. m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14 EinigVtr noch bis zum 31. Dezember 1990 im Beitrittsgebiet als - partielles und revisibles - Bundesrecht fort (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Dezember 1993 I R 75/93, BFHE 174, 122, BStBl II 1994, 578), wobei sich allerdings mangels Weitergeltung ab 1. Januar 1991 (vgl. § 58 des Einkommensteuergesetzes - EStG - i. d. F. des EinigVtr) der ursprünglich zweijährige Begünstigungszeitraum auf das Streitjahr 1990 beschränkt. Von dieser Fortgeltung waren durch Bezugnahme auch die §§ 17 bis 19 ReprivG - soweit sie die Unternehmen i. S. des § 3 Abs. 1 der 1. DV-ReprivG definieren - erfaßt, obwohl nach § 39 Nr. 10 VermG die §§ 17 bis 21 ReprivG außer Kraft traten (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juli 1994 I R 142/93, BFHE 175, 260, BStBl II 1995, 133).

b) Nach § 3 Abs. 1 der 1. DV-ReprivG sind die Gewinne der in den §§ 17 bis 19 ReprivG genannten Unternehmen bzw. die Einkommen ihrer Gesellschafter für die ersten zwei Jahre der wirtschaftlichen Tätigkeit steuerfrei. § 3 Abs. 1 der 1. DV-ReprivG bestimmt damit nur den sachlichen Umfang der Steuerbefreiung ("Gewinne der ... Unternehmen bzw. Einkommen der Gesellschafter"); der persönliche Umfang der Steuerbefreiung ist aufgrund der Verweisung durch Auslegung der §§ 17 bis 19 ReprivG unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der gesamten Regelungen des ReprivG zu ermitteln (ähnlich auch Urteil des FG Leipzig vom 2. September 1993 2 K 37/93, Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 46; sowie Grabau, Betrieb und Wirtschaft 1994, 221).

Bei den in §§ 17 bis 19 ReprivG genannten Unternehmen handelt es sich um ehemalige Betriebe mit staatlicher Beteiligung sowie um private Betriebe, die zunächst in Volkseigentum der DDR übergeleitet worden waren und die auf Antrag der ehemaligen privaten Gesellschafter oder Inhaber oder deren Erben wieder in Personengesellschaften oder Einzelunternehmen umgewandelt wurden. Antrags- und damit Rückgabeberechtigte sind nach § 17 Abs. 1 Satz 1 ReprivG - bezogen auf ein Einzelunternehmen - ausschließlich der frühere Einzelunternehmer oder dessen Erbe. Die persönliche Steuerbefreiung steht danach dem früheren Inhaber oder dessen Erben zu, wenn er bzw. der Erbe als Einzelunternehmer das reprivatisierte Unternehmen (fort-)führt. Ob die Steuerbefreiung darüber hinaus auch neuhinzutretenden Gesellschaftern zu gewähren ist, die sich neben dem früheren Einzelunternehmer oder dessen Erben an dem reprivatisierten Unternehmen beteiligen, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Jedenfalls sind Gewinne des Inhabers eines rückübereigneten Einzelunternehmens, der weder Inhaber des enteigneten Betriebs war noch dessen Erbe ist, nicht nach § 3 Abs. 1 der 1. DV-ReprivG steuerfrei.

Diese Auslegung nach dem Wortlaut entspricht dem Sinn und Zweck des ReprivG. Das nach seiner Präambel erklärte Ziel des Gesetzes liegt darin, die Gründung und Tätigkeit privatwirtschaftlicher Unternehmen durch staatliche Unterstützung zu fördern. Die Förderung durch Gewährung einer Steuerbefreiung, wie sie § 3 Abs. 1 der 1. DV-ReprivG enthält, stellt danach zwar vorrangig keine Entschädigungsmaßnahme gegenüber den enteigneten früheren Betriebsinhabern, sondern eine Wirtschaftsförderungsmaßnahme für die reprivatisierten Unternehmen dar (vgl. BFH in BFHE 175, 260, BStBl II 1995, 133; Drescher, Der Betrieb 1994, 346). Daraus kann aber nicht der Schluß gezogen werden, daß die Steuerbefreiung ausschließlich unternehmensbezogen zu sehen ist und jedem Steuerpflichtigen gewährt werden muß, der Inhaber eines reprivatisierten Betriebs geworden ist. Das ReprivG gilt nicht nur für reprivatisierte Unternehmen, sondern auch für die Neugründung von Unternehmen (§ 1 Abs. 1 ReprivG), für die Beteiligung an Unternehmen (§ 1 Abs. 1, § 4 ReprivG) und für den Kauf von Anteilen an staatlichen Unternehmen (§ 1 Abs. 1, § 5 ReprivG). Die Steuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 der 1. DV-ReprivG wird aber nur den reprivatisierten Unternehmen gewährt. Diese Differenzierung läßt erkennen, daß die Förderung des privaten Unternehmertums nicht der alleinige Grund der Steuerbefreiung ist; andernfalls müßte die Steuerbefreiung auch für neugegründete Unternehmen sowie für die Beteiligung an Unternehmen gewährt werden. Grund für die Steuerbefreiung ist danach auch, gerade den (enteigneten) Alteigentümern oder deren Erben den Start in das private Unternehmertum zu erleichtern. Diese personenbezogene Voraussetzung für die Steuerbefreiung erfüllt der Kläger nicht. Dabei kann offenbleiben, ob - wie der Kläger selbst vorbringt - sein Schwiegervater ihm das Unternehmen erst nach vollzogener Umwandlung (Reprivatisierung) übertragen hat, oder ob - wovon das FG ausgeht - der Schwiegervater sein Antragsrecht nach § 17 ReprivG auf den Kläger übertragen hat und das Unternehmen direkt an den Kläger rückübereignet worden ist.

Für die hier vorgenommene Auslegung spricht auch, daß andernfalls die Steuerfreiheit zur Disposition des Alteigentümers (oder seines Erben) stünde. Denn dieser könnte durch Übertragung seines reprivatisierten Einzelunternehmens einem Dritten die Steuerbefreiung für die mit dem Unternehmen erwirtschafteten Gewinne verschaffen.

3. Der Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht vom Urteil des I. Senats in BFHE 175, 260, BStBl II 1995, 133 ab. Abgesehen davon, daß der I. Senat über die Körperschaftsteuer einer Kapitalgesellschaft zu entscheiden hatte, waren an dieser Gesellschaft der frühere Alleineigentümer und dessen Tochter zu jeweils 25 % beteiligt. Im Streitfall ist hingegen eine Beteiligung des früheren Inhabers des Unternehmens oder dessen Erben nicht gegeben, vielmehr führt der Kläger das Unternehmen allein fort.