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  BFH-Urteil vom 18.12.1996 (XI R 52/95) BStBl. 1997 II S. 351

Barrengold kommt als gewillkürtes Betriebsvermögen jedenfalls für solche gewerblichen Betriebe nicht in Betracht, die nach ihrer Art oder Kapitalausstattung kurzfristig auf Liquidität für geplante Investitionen angewiesen sind.

EStG § 4 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1995, 795)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb bis zur Betriebsaufgabe 1991 ein Unternehmen für Garten- und Landschaftsbau. Sie ermittelte ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Im Oktober 1989 erwarb sie 5.000 g und im November 1989 nochmals 3.000 g Barrengold. Sie erfaßte die Einkäufe in ihrer Buchführung. Die Vorsteuerbeträge machte sie in den entsprechenden Umsatzsteuer-Voranmeldungen geltend.

Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung wurden die Zugehörigkeit des Goldes zum Betriebsvermögen der Klägerin und die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug verneint. Im Prüfungsbericht wurde Einigkeit über das Ergebnis vermerkt; für die Klägerin hatte deren Buchhalterin an der Schlußbesprechung teilgenommen. In der Umsatzsteuer-Jahreserklärung 1989 machte die Klägerin die Vorsteuerbeträge aus den Goldkäufen erneut geltend.

In den Bilanzen zum 31. Dezember 1989 und zum 31. Dezember 1990 wies die Klägerin das Barrengold als gewillkürtes Betriebsvermögen aus, 1989 mit den Anschaffungskosten und 1990 (Streitjahr) unter Berücksichtigung einer Teilwertabschreibung aufgrund gefallenen Goldpreises.

Das Barrengold veräußerte sie noch vor der Betriebsaufgabe im Juni 1991 und Juli 1991. Die Umsatzsteuer hieraus erklärte sie nicht. Dies rechtfertigte sie gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) damit, daß sich das Gold zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht mehr im Unternehmensvermögen befunden habe.

Bei einer Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1988 bis 1990 wurden die Goldbarren weder als notwendiges noch als gewillkürtes Betriebsvermögen anerkannt, da es sich um ein Risikogeschäft mit spekulativem Charakter gehandelt habe.

Gegen die betriebliche Veranlassung des Golderwerbs spreche die Entwicklung des Goldpreises 1989 sowie die Tatsache, daß letztlich - entgegen der behaupteten Absicht der Klägerin - keine betrieblichen Investitionen getätigt worden seien, das Gold vielmehr privat verwendet worden sei. Entsprechend setzte das FA die Einkommensteuer für das Streitjahr fest.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus:

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG könne bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens anstelle der Anschaffungskosten der niedrigere Teilwert angesetzt werden; nach § 141 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) i. V. m. § 253 Abs. 3 des Handelsgesetzbuches (HGB) seien bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens Abschreibungen vorzunehmen, um diese mit einem niedrigeren Wert anzusetzen, der sich aus einem Börsen- oder Marktpreis am Abschlußstichtag ergebe. Nach diesen Grundsätzen könne die Klägerin für das Barrengold eine Teilwertabschreibung mit steuermindernder Wirkung vornehmen. Es handele sich bei diesem Gold um betriebliches Umlaufvermögen. Die Klägerin habe es beim Erwerb - unter dem Gesichtspunkt der Bildung gewillkürten Betriebsvermögens zu Recht - in ihren Betrieb eingelegt.

Eine Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen komme in Betracht, wenn ein Wirtschaftsgut zwar nicht schon aufgrund seiner Funktion, aber doch objektiv geeignet und subjektiv dazu bestimmt sei, dem Betrieb zu dienen und diesen zu fördern. Die subjektive Bestimmung durch den Steuerpflichtigen setze voraus, daß das Wirtschaftsgut in der Buchführung und in der Bilanz in einem zeitnahen Akt ausgewiesen sei. Diese objektiven und subjektiven Voraussetzungen seien im Streitfall bezüglich des Barrengoldes erfüllt.

1. Das Barrengold sei objektiv geeignet, dem Betrieb der Klägerin zu dienen und ihn zu fördern. Dem stehe nicht entgegen, daß der Bundesfinanzhof (BFH) die Annahme gewillkürten Betriebsvermögens bei von einem Zahnarzt angeschafftem Feingold abgelehnt habe (BFH-Urteil vom 17. April 1986 IV R 115/84, BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607). Der BFH habe ausgeführt, daß ein Gewerbetreibender eine Finanzanlage zu gewillkürtem Betriebsvermögen machen könne, wenn dadurch die Lebenskraft des Unternehmens gestärkt werde.

Diese Voraussetzung sei im Streitfall gegeben. Die Klägerin habe erhebliche Geldmittel auf dem betrieblichen Kontokorrentkonto durch Ankauf von Barrengold umgeschichtet. Das Gold habe sie nicht zu privaten Zwecken erworben, sondern als betriebliche Liquiditätsreserve.

Der Senat glaube der Klägerin, daß zum Zeitpunkt der Anschaffung die Bevorratung bis zur Tätigung betrieblicher Investitionen beabsichtigt gewesen sei. Es entspreche vernünftigen kaufmännischen Überlegungen, im Herbst eines Jahres keine Maschinen anzuschaffen, die bei einem Gartenbaubetrieb erst rund ein halbes Jahr später erstmals eingesetzt werden könnten. Dem stehe nicht entgegen, daß es vor der Veräußerung des Goldes zu diesen Investitionen nicht mehr gekommen sei, da die Klägerin 1991 ihren Betrieb veräußert habe und daher zu diesem Zeitpunkt keine Notwendigkeit mehr bestanden habe, das Gold weiter im Betriebsvermögen zu halten. Im übrigen sei allein die Absicht zur Zeit der Anschaffung maßgeblich.

2. Die Klägerin habe auch eine subjektive Bestimmung dahingehend getroffen, das Barrengold dem Betriebsvermögen zuzuordnen. Dies habe sie durch die zeitnahe Einbuchung des Goldankaufs unter Anlage eines gesonderten Kontos "Wertpapiere, Gold" in ihrer Buchführung hinreichend deutlich gemacht.

Über den Buchungsakt hinaus habe die Klägerin auch durch die Aufnahme der Vorsteuerbeträge aus den Goldkäufen in die Umsatzsteuer-Voranmeldungen der Monate Oktober und November 1989 eindeutig den Willen zur betrieblichen Bindung des Barrengoldes dokumentiert.

3. Der möglicherweise spekulative Charakter einer Anlage in Gold stehe der Annahme gewillkürten Betriebsvermögens nicht entgegen. Die Finanzbehörden hätten den Zuordnungswillen des Steuerpflichtigen solange zu respektieren, wie die objektiven Voraussetzungen für die Annahme gewillkürten Betriebsvermögens gegeben seien, auch wenn dadurch ein Verlustrisiko in die betriebliche Sphäre verlagert werde.

Das Verhalten der Klägerin bei der Umsatzsteuer-Sonderprüfung stehe der Beurteilung des Senats nicht entgegen. Zum einen sei die Klägerin der Behauptung des FA entgegengetreten, hinsichtlich der fehlenden Zugehörigkeit des Goldes zum Betriebsvermögen sei eine Einigung erzielt worden. Zum anderen mache selbst eine Übereinstimmung über eine fehlende Betriebszugehörigkeit die vorgenommene Einlage nicht wieder rückgängig und stelle auch keine Entnahme des Goldes aus dem Betriebsvermögen dar.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von § 4 Abs. 1 EStG. Das Barrengold sei zu Unrecht als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt worden.

Das bei Annahme gewillkürten Betriebsvermögens erforderliche Merkmal der "Betriebsförderung" setze die objektive Förderungsmöglichkeit für den Betrieb voraus. Die Grenzen jeder betrieblichen Veranlassung lägen dort, wo bereits bei objektiver Betrachtung ein sachlicher Zusammenhang mit dem Betrieb nicht mehr begründet werden könne. Die bloße Behauptung, es seien betriebliche Gründe ausschlaggebend gewesen, reiche nicht aus, wenn sich später herausstelle, daß das Wirtschaftsgut dem Betrieb tatsächlich nicht förderlich gewesen sei.

Im Streitfall handele es sich bei dem Erwerb des Goldes um ein Risikogeschäft. Der Erwerb von Gold zur kurzfristigen Geldanlage sei für einen Garten und Landschaftsbaubetrieb ungewöhnlich. Der Gesichtspunkt der besseren Werterhaltung durch Goldvorräte gegenüber Geldvermögen könne nicht als Grund für eine überwiegende betriebliche Veranlassung gelten; die normale Inflationsrate sei hierbei nämlich gegen das nicht zu unterschätzende Kursrisiko abzuwägen. Des weiteren sei bei einer Anlage in Gold die Möglichkeit der Erzielung von laufenden Erträgen von vornherein ausgeschlossen. Als Motivation für die Handlungsweise der Klägerin müsse daher fast ausschließlich Spekulationsabsicht angenommen werden.

Im übrigen könnten im Streitfall die vorgenommene Buchung in dem Journal und die Aufnahme der betreffenden Vorsteuerbeträge in die Umsatzsteuer-Voranmeldungen nicht als für eine Widmung ausreichend angesehen werden. Eine eindeutige und nachvollziehbare Zuordnung der Goldbestände zum gewillkürten Betriebsvermögen könnte erst in den Bilanzen zum 31. Dezember 1989 und 1990, als die erheblichen Kursverluste bereits festgestanden hätten, gesehen werden. Auch durch die Aufnahme der Vorsteuerbeträge in die Umsatzsteuer-Voranmeldungen sei keine ausreichende Zuordnung der Goldbestände zum Betriebsvermögen dokumentiert worden.

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, im wesentlichen mit den Gründen der Vorentscheidung, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Entgegen der Auffassung des FG konnte die Klägerin zum 31. Dezember 1990 keine Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG auf die Goldbestände vornehmen.

1. Die Goldbarren waren nicht in das notwendige Betriebsvermögen gelangt. Sie waren - unstreitig - nicht zum unmittelbaren Einsatz in den Betrieb bestimmt. Dem steht nicht entgegen, daß das Gold mit betrieblichen Geldmitteln erworben wurde (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 1993 X R 37/91, BFHE 172, 354, BStBl II 1994, 172). Der Grundsatz, wonach die für notwendiges Betriebsvermögen eingetauschten Wirtschaftsgüter zunächst (notwendiges) Betriebsvermögen bleiben, bis sie entnommen werden (Urteile vom 11. November 1987 I R 7/84, BFHE 152, 84, BStBl II 1988, 424, und vom 9. August 1989 X R 20/86, BFHE 158, 316, BStBl II 1990, 128), gilt nicht für den entgeltlichen Erwerb von Wirtschaftsgütern mit betrieblichen Geldmitteln (Urteil in BFHE 172, 354, BStBl II 1994, 172).

2. Die Goldbarren gehörten auch nicht zum gewillkürten Betriebsvermögen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können Wirtschaftsgüter, die weder notwendiges Betriebsvermögen noch notwendiges Privatvermögen darstellen, als gewillkürtes Betriebsvermögen berücksichtigt werden, wenn sie objektiv geeignet und vom Betriebsinhaber erkennbar dazu bestimmt sind, den Betrieb zu fördern (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 7. April 1992 VIII R 86/87, BFHE 168, 572, BStBl II 1993, 21).

a) Förderungsmöglichkeiten in diesem Sinne bieten Wirtschaftsgüter insbesondere auch, wenn sie als Kreditgrundlage oder Liquiditätsreserve geeignet sind oder z. B. höhere Erträge bringen (vgl. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 4 Anm. 150 ff.; Plückebaum in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Anm. B 143). Wie Geldmittel - Bargeld oder Bankguthaben - können daher z. B. auch risikofreie und leicht liquidierbare Wertpapiere gewillkürtes Betriebsvermögen bilden (BFH-Urteil vom 8. Februar 1985 III R 169/82, BFH/NV 1985, 80, m. w. N.; vgl. auch Plückebaum in Kirchhof/Söhn, a. a. O., Anm. B 150, m. w. N. aus der Rechtsprechung).

Im Streitfall kommt indessen eine Anschaffung der Goldbestände auch zur Bildung einer Liquiditätsreserve nicht in Betracht.

Die Eignung einer Liquiditätsreserve ist objektiv und vor dem Hintergrund der jeweiligen betrieblichen Zielsetzung zu beurteilen. Der Grundsatz, daß der Steuerpflichtige über Art und Umfang seines Betriebsvermögens und damit seiner Betriebsausgaben selbst bestimmen kann, gilt nur unter der Voraussetzung der betrieblichen Veranlassung. Hierfür trägt der Steuerpflichtige die Feststellungs- und Beweislast (BFH-Urteil in BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607). Im Streitfall war die Zielsetzung, wie das FG festgestellt hat, die relativ zeitnahe Anschaffung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Gerade mit dieser Zielsetzung ist die Anschaffung von Goldbeständen jedoch nicht objektiv "betriebsdienlich". Auch wenn der Annahme gewillkürten Betriebsvermögens der spekulative Charakter von Transaktionen nicht grundsätzlich entgegensteht, ist nicht erkennbar, inwieweit die Investition in Gold die geplante Anschaffung im Streitfall fördern sollte. Im Gegenteil war die Beschaffung der Goldbestände für die genannte Zielsetzung objektiv ungeeignet. Anders als Wertpapiere läßt Gold im Vergleich zur reinen (Fest-)Geldanlage nämlich allgemein keine kalkulierbare Ertragsverbesserung und damit Förderung des Betriebszwecks erwarten. Barrengold ist vielmehr wegen starker Goldpreisschwankungen eine mit Risiken behaftete Kapitalanlage. Es bildet damit kurzfristig keine effektive Geldanlage und ist auch nicht leicht liquidierbar; denn es ist durchaus möglich, daß der aktuelle Goldpreis zu dem Zeitpunkt, für den eine betriebliche Investition geplant ist, eine Veräußerung des Goldes als untunlich erscheinen läßt. Damit kommt Gold als gewillkürtes Betriebsvermögen jedenfalls für solche gewerblichen Betriebe nicht in Betracht, die nach ihrer Art oder ihrer Kapitalausstattung kurzfristig auf Liquidität zur Vornahme von geplanten Investitionen angewiesen sind.

Im Streitfall ist dies gegeben. Die Klägerin wollte entsprechend den Feststellungen des FG das Gold verwenden, um damit im folgenden Frühjahr (1990), d. h. ein halbes Jahr später, Maschinen für ihren Betrieb zu erwerben. Aufgrund der möglichen Preisschwankungen stellte es dafür keine taugliche betriebliche Kapitalanlage dar.

b) Daneben braucht der Senat den Zweifeln des FA an einer eindeutigen formalen Zuordnung der Goldbestände zum Betriebsvermögen der Klägerin nicht nachzugehen.