| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 11.2.1997 (I R 36/96) BStBl. 1997 II S. 432

Bezieht ein im Inland ansässiger Steuerpflichtiger von einem inländischen Arbeitgeber Lohn für eine Tätigkeit als Besatzungsmitglied eines unter philippinischer Flagge fahrenden Seeschiffs, so ist der Arbeitslohn im Inland steuerpflichtig.

EStG § 1 Abs. 1; DBA-Philippinen Art. 24 Abs. 1a; Art. 15 Abs. 3.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind im Inland ansässige Eheleute, die in den Streitjahren 1985 und 1986 zusammenveranlagt wurden. Der Kläger war in den Streitjahren als Kapitän bei der Reederei S angestellt. Die S, deren Weisungen der Kläger nach wie vor unterlag, setzte den Kläger auf verschiedenen Seeschiffen ein, die Eigentum von im Inland ansässigen Unternehmen waren und im internationalen Verkehr eingesetzt wurden.

Diese Schiffe waren - überwiegend - von ihren Schiffseignern bareboat an die Reederei A mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Manila auf den Philippinen verchartert worden. In den bareboat-Charterverträgen war vereinbart, daß A über das jeweilige Schiff unter alleiniger Kontrolle und Einsatzberechtigung verfügen durfte, das Schiff bemannen, verproviantieren, navigieren und betreiben sollte, und daß Kapitän, Offiziere und Mannschaft Erfüllungsgehilfen der A seien. Die A ließ die Schiffe in das philippinische bareboat-Charterregister eintragen (sog. Einflaggung) und heuerte die philippinische Mannschaft an. Sie vercharterte ihrerseits die ausgerüsteten und bemannten Seeschiffe auf Zeitcharterbasis an die O, Deutschland, die die Schiffe an Unternehmen von Drittstaaten weitervercharterte.

S nahm von der dem Kläger gezahlten Heuer den Lohnsteuerabzug vor und stellte diese den Schiffseignern in Rechnung.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hielt die vom Kläger bezogene Heuer im Inland für steuerpflichtig. Dagegen wandte sich der Kläger unter Hinweis auf Art. 15 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik der Philippinen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Philippinen) mit der Begründung, daß seine Heuer als Vergütungen für unselbständige Arbeit an Bord eines Seeschiffes im internationalen Verkehr in den Philippinen versteuert werden könne. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung des Art. 15 Abs. 3 DBA-Philippinen und beantragen, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Verfahrensrügen sind zum Teil unzulässig und zum Teil unbegründet. Von einer Begründung wird insoweit gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

2. Die im Inland wohnhaften Kläger sind gemäß § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) mit allen von ihnen erzielten Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig. Hierunter fallen auch die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die der Kläger auf den unter philippinischer Flagge fahrenden Seeschiffen ausübte. Der steuerlichen Erfassung dieser Einkünfte im Inland steht das DBA-Philippinen nicht entgegen.

Gemäß Art. 24 Abs. 1 a DBA-Philippinen werden bei einer in der Bundesrepublik ansässigen Person von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer u. a. die Einkünfte aus der Republik der Philippinen ausgenommen, die nach dem Abkommen in der Republik der Philippinen besteuert werden können. Die Frage, ob die Einkünfte des Klägers in den Philippinen besteuert werden können, beantwortet sich aufgrund der Besonderheit der Tätigkeit des Klägers ausschließlich nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Philippinen. Danach können Vergütungen für unselbständige Arbeit, die von einem Mitglied der Besatzung an Bord eines Seeschiffes im internationalen Verkehr (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Philippinen) ausgeübt wird, in dem Staat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.

a) Wie der Senat in seinem Urteil vom 10. November 1993 I R 53/91 (BFHE 173, 53, BStBl II 1994, 218) zum wortgleichen Art. 15 Abs. 3 des Doppelbesteuerungsabkommens Zypern (DBA-Zypern) entschieden hat, kann Unternehmen i. S. des Art. 15 Abs. 3 DBA-Philippinen nur ein Unternehmen sein, das selbst internationalen See- und Luftverkehr betreibt. Der Senat kann im Streitfall die Frage offenlassen, ob das philippinische Unternehmen Verkehrsunternehmen i. S. des Art. 15 Abs. 3 DBA- Philippinen war, oder ob es - wovon das FG ausgegangen ist - bloßer Dienstleister im Zusammenhang mit der Einflaggung der Schiffe in den Philippinen war. Auch wenn es als Verkehrsunternehmen anzusehen wäre, ergäbe sich hieraus nicht die Steuerfreiheit der streitigen Bezüge.

b) Der Senat hat zu Art. 12 Abs. 3 des Doppelbesteuerungsabkommens Sowjetunion (DBA-Sowjetunion) entschieden, daß die Eigenschaft als Beförderungsunternehmen allein noch nicht zu einem Besteuerungsrecht nach Art. 12 Abs. 3 DBA-Sowjetunion führt. Maßgeblich ist, ob dieses Unternehmen auch Arbeitgeber des Besatzungsmitglieds ist. Aus diesem Grund wurde der Vercharterer eines voll ausgerüsteten und bemannten und seinerzeit unter sowjetischer Flagge im internationalen Gewässer fahrenden Seeschiffs, der nicht Arbeitgeber der Besatzungsmitglieder war, nicht als Unternehmer i. S. des Art. 12 Abs. 3 DBA-Sowjetunion angesehen (Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 8. Februar 1995 I R 42/94, BFHE 177, 83, BStBl II 1995, 405).

Für den insoweit wortgleichen Art. 15 Abs. 3 DBA-Philippinen gilt nichts anderes. Auch wenn das philippinische Unternehmen als Vercharterer eines bemannten und ausgerüsteten Schiffs ein Seeschiff im internationalen Verkehr betreiben sollte, so war es aufgrund der insoweit für den Senat bindenden und mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht Arbeitgeber des Klägers. Die Heuer des Klägers wurde unstreitig von S bezahlt. Der Senat kann zwar die Möglichkeit nicht ausschließen, daß das philippinische Unternehmen im Rahmen der an die jeweiligen Schiffseigner zu zahlenden bareboat-Charterrate (zunächst) wirtschaftlich auch die Personalgestellungskosten für den Kläger zu tragen hatte. Darauf kommt es aber - ebensowenig wie bei Art. 15 Abs. 2 Buchst. b DBA-Philippinen - an. Der Einholung des von den Klägern beantragten Sachverständigengutachtens bedarf es daher nicht. Wollte man auf die Personalkostenabwälzung über die Charterraten abstellen, so wäre im übrigen auch das philippinische Unternehmen damit letztlich wirtschaftlich nicht belastet, da es seine Unkosten wiederum im Rahmen der Weitervercharterung wirtschaftlich abwälzt. Scheidet damit ein Besteuerungsrecht der Republik der Philippinen nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Philippinen aus, entfällt eine Steuerfreistellung nach Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA-Philippinen, ohne daß es darauf ankommt, ob die Schiffseigner oder ggf. die O Unternehmen i. S. des Art. 15 Abs. 3 DBA-Philippinen waren.

Eine subsidiäre Anwendung des Art. 15 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 DBA-Philippinen scheidet aus. Art. 15 Abs. 3 DBA-Philippinen ist für Tätigkeiten an Bord von Seeschiffen im internationalen Verkehr lex specialis (Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 3. Aufl., Art. 15 Rdnr. 65).