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  BFH-Urteil vom 1.8.1996 (VIII R 71/94) BStBl. 1997 II S. 483

1. Der Senat führt seine Rechtsprechung zur Steuerpflicht von im ersten Halbjahr 1990 vorgenommenen Ausschüttungen aus dem Reservefonds einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks als Einkünfte aus Kapitalvermögen fort (BFH-Urteil vom 26. September 1995 VIII R 70/94, BFHE 180, 21, BStBl II 1996, 464).

2. Die Ausschüttungen sind durch das Mitgliedschaftsverhältnis bedingt und stellen deshalb Beteiligungserträge dar. Entsprechend diesem bestehenden wirtschaftlichen Zusammenhang der Nebeneinkünfte mit der Haupttätigkeit sind die Ausschüttungen nach dem Steuergrundtarif A und nicht nach der besonderen Steuersatztabelle C in der Anlage 4 zu § 12 Abs. 1 StÄndG DDR zu versteuern.

EinigVtR Art. 8; EStG DDR § 20 Abs. 1 Nr. 1; PGH-StG 1962 §§ 6, 8, 9, 10 Abs. 3, 15, 17 Abs. 3 und 4; PGH-UmwO 1990 §§ 5 Abs. 1 bis 4, 10 Abs. 1 und 2; StÄndG DDR §§ 8 Satz 2, 12 Abs. 1 und 2.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im Streitjahr 1990 Mitglied der Produktionsgenossenschaft des Handwerks § - PGH-P - in Berlin (Ost).

Aufgrund der Mitgliederbeschlüsse vom 22. Februar 1990 und vom 12. März 1990 wurde im ersten Halbjahr 1990 aus dem Reservefonds ein Betrag von 25 Mio. M/DDR zunächst auf den Prämienfonds umgebucht und anschließend an die Genossen anteilmäßig ausbezahlt. Auf die Klägerin entfiel ein Betrag von 107.000 M/DDR, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfaßte. Die für das erste Halbjahr 1990 nach der Steuersatztabelle C sich ergebende Steuerrate von 44.940 M/DDR wurde im Verhältnis 2:1 auf DM umgestellt und auf 22.470 DM festgesetzt.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit derselben Begründung wie im Urteil vom 20. September 1994 V 119/94 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1995, 124, rkr.) ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) und materiellen Rechts (§ 8 Satz 2 des Steueränderungsgesetzes vom 6. März 1990 - StÄndG DDR -, Gesetzblatt der DDR - GBl DDR - I 1990, 136, § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes DDR - EStG DDR - vom 18. September 1970 - GBl DDR SDr. Nr. 670 - und des § 10 Abs. 3 des Gesetzes über die Besteuerung der Produktionsgenossenschaften des Handwerks und ihrer Mitglieder - PGH-StG - vom 30. November 1962, GBl DDR I 1962, 119, hilfsweise des § 12 Abs. 1 und 2 StÄndG DDR).

Das FG habe den zugrundeliegenden Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt. Seine Feststellungen gäben den Sachverhalt nicht zutreffend wieder und verkennten die Realitäten der ehemaligen DDR. Die Mitglieder der PGH-P hätten im Jahr 1990 neben monatlichen Tätigkeitsvergütungen im Februar 1990 eine Gewinnausschüttung für 1989 und im März 1990 Prämienzahlungen für langjährige Tätigkeit erhalten.

Die PGH-P habe für 1990 entgegen den Rechtsvorschriften vom übergeordneten Staatsorgan keine Plankennziffern für die genehmigten und dementsprechend in dieser Höhe als Betriebsausgaben steuerlich abzugsfähigen Arbeitsvergütungen erhalten. Dies treffe in gleicher Weise für die zu planende Gewinnverwendung als Zuführung zum Prämien-, Kultur- und Sozial- sowie zu dem Gewinnausschüttungsfonds zu.

Die Vollversammlung der PGH-P habe deshalb beschlossen, beim Stadtbezirk, Abteilung Örtliche Versorgungswirtschaft, als dem für die Fondszuführungen ausschließlich zuständigen staatlichen Organ zu beantragen, zur Anerkennung langjähriger und umfangreicher Verdienste außerordentliche Prämienzahlungen vorzunehmen. Damit hätte ein Ausgleich für in der Vergangenheit entgangene Löhne geschaffen werden sollen. Für die Finanzierung hätten Mittel des Reservefonds freigegeben werden sollen (vgl. Antragsschreiben vom 9. März 1990). Der Antrag sei genehmigt worden (vgl. Bescheinigung des Bezirksamtes vom 23. August 1993). Diese Vorgehensweise habe dem für die PGH-P geltenden Statut (§ 6 Abs. 2 letzter Spiegelstrich) entsprochen. Auch in der Vergangenheit seien solche Mittelzuführungen aus dem Reservefonds in den Prämienfonds genehmigt worden, z. B. wenn Verluste aufgetreten seien oder der laufende Gewinn bei der PGH so gering ausgefallen sei, daß keine Prämien hätten gewährt werden können. Der Genehmigung komme Bindungswirkung wie einem Grundlagenbescheid zu. In vergleichbaren Fällen habe die für die Besteuerung zuständige Abteilung Finanzen lediglich noch die Höhe der tatsächlichen Fondszuführung überprüft. Folglich habe eine ordnungsgemäß beschlossene anderweitige Verwendung von Mitteln des Reservefonds vorgelegen. Die Mittel des Reservefonds seien bei der Volksbank auf einem Sonderkonto festgelegt gewesen. Die Bank habe Mittel für die PGH nur nach Vorlage einer Genehmigung der Abteilung Örtliche Versorgungswirtschaft freigegeben. Es liege also keine "Umbuchung", sondern eine satzungsgemäße Zuführung zum Prämienfonds vor.

Rechtlich sei vom PGH-StG auszugehen. Der Hinweis des FG auf § 5 Abs. 3 der Verordnung über die Gründung, Tätigkeit und Umwandlung von Produktionsgenossenschaften des Handwerks vom 8. März 1990 - UmwVO - (GBl DDR I 1990, 164) sei verfehlt, weil die PGH ihre Umwandlung erst im Jahr 1991 beschlossen habe. Nach dieser Vorschrift vom 6. März 1990 habe der Gesetzgeber die Auszahlungen noch nach § 8 Abs. 1 PGH-StG mit 10 v. H. besteuern wollen, dann jedoch am 8. März 1990 auch hierauf verzichtet. Dieser zwar überraschende Sinneswandel des Gesetzgebers sei jedoch nachzuweisen. Der Gesetzentwurf zum StÄndG DDR habe in § 8 noch keinen eine Steuerbefreiung bestimmenden Satz 2 enthalten. Dies vor allem, weil dem Finanzministerium (FinMin) Anfang 1990 bekannt gewesen sei, daß bereits im Jahr 1989 ein nicht unbedeutender Teil der PGHen begonnen gehabt habe, den Reservefonds auszuschütten, ohne die für Gewinnausschüttungen anfallende Steuer abzuführen. Erst auf Intervention von Abgeordneten sei der Zusatz in Satz 2 kurzfristig aufgenommen worden. Gleichzeitig sei die Besteuerung der Kapitalgesellschaften und der Anteilseigner novelliert worden. Das dort eingeführte Anrechnungsverfahren sei indessen nicht auf Genossenschaftsmitglieder erstreckt worden. Die Steuerreform habe unter dem Leitgedanken gestanden, Chancen- und Wettbewerbsgleichheit, unabhängig von der Rechtsform eines Unternehmens, einzuführen. Deshalb müsse vom Willen des Gesetzgebers ausgegangen werden, der Gewinnsteuer bei der PGH abgeltende Wirkung zukommen zu lassen und von einer Nachversteuerung bei den Genossen abzusehen. Das PGH-StG unterscheide zwischen Einnahmen der Mitglieder einer PGH von dieser und außerhalb der PGH (so auch der Informationsbrief des Ministeriums der Finanzen der DDR 5/87). Damit sei der sozialökonomisch unterschiedlichen Besteuerung in der DDR Rechnung getragen worden. Private Handwerker und Gewerbetreibende hätten steuerlich höher als volkseigene Betriebe und Genossenschaften belastet werden sollen.

Genossenschaftsmitglieder hätten deshalb u. a. verschiedene steuerliche Vergünstigungen zugebilligt erhalten, z. B. die Befreiung von der Vermögensteuer (vgl. § 11 PGH-StG) und die Nichterhebung der Kapitalertragsteuer (vgl. § 17 Abs. 4 PGH-StG). Sämtliche aus der PGH herrührenden Einkünfte hätten durch die Besteuerung bei der PGH oder dem einzelnen Genossen mit abgeltender Wirkung besteuert werden sollen. Anerkenne man die Prämienzahlung nicht als solche, lägen auch nach den Richtlinien (vgl. Informationsbrief 5/87) und Gewohnheitsrecht Gewinnausschüttungen aus der PGH vor. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG DDR sei nach § 9 PGH-StG nicht anwendbar. Der Gesetzgeber sei sich dieser Strukturierung bewußt gewesen, wie die Aufhebung des § 9 PGH-StG verdeutliche. Dadurch hätte die Besteuerung der außerhalb der PGH erzielten Einkünfte mit der Besteuerung bei anderen Steuerpflichtigen vereinheitlicht werden sollen.

Nach § 10 Abs. 3 PGH-StG seien die Genossenschaftsmitglieder nicht zur Einkommensteuer zu veranlagen gewesen, sofern sie nur Einnahmen aus der PGH oder Arbeitseinkommen bezogen hätten.

Das dem Musterstatut für PGHen (Verordnung vom 21. Februar 1973, GBl DDR I 1973, 121) entsprechende individuelle Statut der PGH-P, welches die Bildung und Verwendung des Reservefonds geregelt habe, enthalte kein unmittelbares Verbot, den Reservefonds für konsumtive Zwecke einzusetzen. Der Begriff des unteilbaren genossenschaftlichen Fonds tauche erstmals in der UmwVO auf. PGHen seien durch Zusammenschluß von Einzelhandwerkern begründet worden und hätten ebenso per Beschluß durch ihre Mitglieder wieder aufgelöst werden können. Lt. der statistischen Jahrbücher der DDR habe sich die Zahl der PGHen von 2.793 im Jahr 1975 auf 2.732 im Jahr 1985 verringert. Die Verwendung des einer Gewinnrücklage gleichzustellenden Reservefonds sei in diesem Falle ebenso zu entscheiden gewesen, mithin kein Problem erst des Jahres 1990. Die Besteuerung sei nach § 8 Abs. 1 PGH-StG erfolgt und nicht nach § 20 Abs. 1 EStG DDR. Lediglich die vorgegebenen zulässigen Verwendungszwecke des Statuts hätten im Regelfall eine konsumtive Verwendung nicht erlaubt. Eine Ausnahme bilde der letzte Verwendungszweck "für andere durch staatliche Festlegung zugelassene Verwendungszwecke". Genau eine solche Verwendung habe indessen die Abteilung Örtliche Versorgungswirtschaft als zuständiges staatliches Organ genehmigt. Das FG ignoriere die im Informationsbrief 5/87 aufgeführten Beispiele für die Besteuerung von Zahlungen aus dem Reservefonds.

Das FG qualifiziere auch nicht den Begriff der Gewinnausschüttung. Der Reservefonds entspreche bilanzrechtlich einer allgemeinen Gewinnrücklage. Ihre Verwendung stelle somit eine Ausschüttung gesperrter, von der PGH jedoch jeweils ordnungsgemäß versteuerter Gewinne dar. Nach dem allgemein gehaltenen Wortlaut des § 8 Satz 2 StÄndG DDR müsse darunter jegliche Gewinnausschüttung subsumiert werden, unabhängig vom Jahr der Erwirtschaftung. Das FG unterstelle hingegen, der Gesetzgeber habe nur die Ausschüttung des letztjährigen Gewinns von der Steuer freistellen wollen. Werde gleichwohl eine Steuerpflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG DDR angenommen, bestehe nach der Entstehungsgeschichte des § 8 StÄndG DDR eine Gesetzeslücke, weil die Genossen keinesfalls schlechter als die Anteilseigner bei Kapitalgesellschaften hätten gestellt werden sollen. Die Genossenschaftsmitglieder hätten mit der Reform der Besteuerung der PGH

- Senkung der Steuer auf Mehrleistungsvergütungen;

- Vereinheitlichung des Steuertarifs bei der Gewinnsteuer der PGH;

- Abschaffung der 10%igen Steuer für das Genossenschaftsmitglied bei Gewinnausschüttungen und

- Aufhebung der Bestimmungen zum Reservefonds

durch die §§ 8 und 9 StÄndG DDR auch die Erfüllung ihrer jahrelangen Forderungen erblicken dürfen. Andernfalls hätten sie den Lohnfonds mit einer maximalen steuerlichen Belastung von 20 v. H. aufstocken oder eine steuerfreie Gewinnvorabausschüttung für 1990 oder nach dem 31. Dezember 1990 eine steuerfreie Rückzahlung aus dem EK 04 vornehmen können.

Die Anordnung über die Verwendung der Reservefonds in den Produktionsgenossenschaften des Handwerks und über die Prüfung der Wirtschaftstätigkeit des Ministers für Wirtschaft vom 13. Juni 1990 (GBl DDR I 1990, 785) sei nach Aufhebung des Musterstatuts und der Orientierung an marktwirtschaftlichen Prinzipien unsinnig. Jedenfalls liege eine rückwirkende steuerverschärfende und damit verfassungswidrige Regelung vor.

Schließlich werde der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, weil Auszahlungen aus der Gewinnrücklage nach dem 31. Dezember 1990 nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen beurteilt würden und nach § 67 des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes vom 3. Juli 1991 (BGBl I, 1418) die darunterfallenden LPGen von Steuern und Abgaben befreit würden.

Gehe man dennoch von der Steuerbarkeit der Auszahlung als Einkünfte aus Kapitalvermögen aus, sei jedenfalls zu Unrecht die Steuer nach der Steuersatztabelle C in der Anlage 4 zum StÄndG DDR ermittelt worden. Die Auszahlungen seien gerade wegen der hauptberuflichen Tätigkeit der einzelnen Genossen geleistet worden (vgl. § 12 Abs. 1 StÄndG DDR). Deshalb müsse der Steuergrundtarif A in der Anlage 1 zum StÄndG DDR angewendet werden. Werde der Steuergrundtarif A nicht angewandt, so müsse der für Nebeneinkünfte geltende Freibetrag in Höhe von 3.000 DM nach § 12 Abs. 2 StÄndG DDR gewährt werden.

Sofern eine Einmallohnzahlung anzunehmen sei, greife der Tarif nach Anlage 2 zum PGH-StG ein. Sei § 8 Satz 2 StÄndG DDR nur auf Gewinnausschüttungen des laufenden Jahres anzuwenden, so müßten die übrigen Ausschüttungen nach § 8 Abs. 1 PGH-StG a. F. mit 10 v. H. besteuert werden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG vom 20. September 1994 sowie den Bescheid vom 16. November 1993 über die Festsetzung der Steuerrate 1990 und die Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 1994 aufzuheben, hilfsweise die Steuerrate für 1990 unter Anwendung des Steuergrundtarifs A zu ermitteln,

hilfsweise bei Anwendung der Steuersatztabelle C den Steuerfreibetrag in Höhe von 3.000 DM nach § 12 Abs. 2 StÄndG DDR zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es schließt sich den tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen im angefochtenen Urteil im vollen Umfang an.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist hinsichtlich des Hauptantrages unbegründet, jedoch bezüglich des ersten Hilfsantrages begründet. Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben und die Berechnung der Steuerrate für 1990 unter Anwendung des Steuergrundtarifs A in der Anlage 1 zum StÄndG DDR vom 6. März 1990 (GBl DDR I, 136) dem beklagten FA zu übertragen (§§ 126 Abs. 3 Nr. 1, 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

1. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß die nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) im ersten Halbjahr 1990 zugeflossenen Ausschüttungen aus dem Reservefonds der PGH-P nach §§ 11 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG DDR vom 18. September 1970 (GBl DDR SDr. Nr. 670) i. d. F. des StÄndG DDR vom 6. März 1990 (GBl DDR I, 136) und des Steueranpassungsgesetzes vom 22. Juni 1990 - StAnpG DDR - (GBl DDR SDr. Nr. 1427) als Einkünfte aus Kapitalvermögen im Streitjahr 1990 steuerpflichtig waren. Zu Unrecht hat das FA jedoch die Steuersatztabelle C nach Anlage 4 i. V. m. § 12 Abs. 1 StÄndG DDR angewendet, was allerdings erstmals im Revisionsverfahren gerügt worden ist.

a) Die vorgenannten Rechtsgrundlagen galten gemäß Art. 8 i. V. m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 des Einigungsvertrages (EinigVtr) noch bis zum 31. Dezember 1990 im Beitrittsgebiet als partielles und damit revisibles Bundesrecht i. S. des § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO fort (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Dezember 1993 I R 75/93, BFHE 174, 122, BStBl II 1994, 578; vom 27. Oktober 1994 I R 107/93, BFHE 176, 529, BStBl II 1995, 403).

b) Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG DDR sind erfüllt.

Nach dieser Vorschrift gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien, Anteilen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und an sonstigen Vereinigungen, die Rechte einer juristischen Person haben.

aa) Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob eine PGH als eine Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft (so der Bundesgerichtshof - BGH - im Nichtannahmebeschluß vom 19. September 1994 II ZR 184/93, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1995, 854; Produktivgenossenschaft i. S. von § 1 Abs. 1 Ziff. 4 des Genossenschaftsgesetzes - GenG -) oder als sonstige Vereinigung mit den Rechten einer juristischen Person zu qualifizieren ist.

Jedenfalls war eine PGH - wie auch die PGH-P - eine Vereinigung mit körperschaftlicher Struktur, wobei die Beteiligung - abstrakt gesehen - das Vermögensrecht mit umfaßte, an Gewinnausschüttungen und an der Auskehrung des Liquidationsvermögens beteiligt zu werden (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 15. November 1994 VIII R 74/93, BFHE 176, 373, BStBl II 1995, 315, m. w. N.; BFH in BFHE 174, 122, BStBl II 1994, 578, 580).

Nach § 2 Abs. 2 der Verordnung über das Musterstatut der Produktionsgenossenschaften des Handwerks vom 21. Februar 1973 (GBl DDR I 1973, 121) erlangte die PGH mit ihrer Eintragung in das beim Rat des Kreises bzw. der Stadt geführte Register Rechtsfähigkeit.

Nach den Feststellungen des FG ist die PGH-P in das in Berlin (Ost) vom Rat des Stadtbezirkes geführte Register eingetragen gewesen.

bb) Die Ausschüttung der PGH-P aus dem Reservefonds war durch das Mitgliedschaftsverhältnis bedingt und stellt damit einen Beteiligungsertrag dar (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 12. Oktober 1982 VIII R 72/79, BFHE 137, 157, BStBl II 1983, 128, 129). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob es sich um eine als sonstiger Bezug zu erfassende verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) handelt.

cc) Die Ausschüttung aus dem Reservefonds entsprach auch nicht der zum Zeitpunkt der Beschlußfassung am 22. Februar und 12. März 1990 noch geltenden Rechtslage im Beitrittsgebiet. Insoweit ist unerheblich, daß die PGH-P durchgangsweise zunächst den Ausschüttungsbetrag auf den sog. Prämienfonds (einem im Gegensatz zum Reservefonds zur Konsumtion verwendbaren Fonds, vgl. § 7 Abs. 2 2. Spiegelstrich des Musterstatuts) "umgebucht" hatte.

Zu dieser Feststellung ist das FG aufgrund einer möglichen Gesamtwürdigung sowohl der nicht angegriffenen Feststellungen der Steuerfahndungsprüfung als auch durch die Auswertung der Mitgliederbeschlüsse vom 22. Februar und 12. März 1990 gelangt (vgl. § 118 Abs. 2 FGO; BFH-Urteile vom 25. Januar 1996 V R 6/95, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1996, 426, m. w. N.; vom 27. August 1991 VIII R 84/89, BFHE 165, 330, BStBl II 1992, 9, 12, ständige Rechtsprechung; Ruban/Gräber, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Rz. 40 und 41). Verstöße gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze sind nicht ersichtlich. Beide Beschlüsse geben keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Umbuchung als Zuführung zum Prämienfonds im Rahmen des in § 6 Abs. 2 4. Spiegelstrich des für die PGH-P geltenden Statuts angesprochenen "anderen durch staatliche Festlegungen zugelassenen Verwendungszweckes" durchgeführt werden sollte.

Soweit die Revision erstmals eine ordnungsgemäße Zuführung aus dem Reservefonds der PGH-P zum Prämienfonds behauptet und ebenfalls erstmals in Kopie einen entsprechenden Genehmigungsantrag vom 9. März 1990 an den Rat des Stadtbezirkes, Abteilung Öffentliche Versorgungswirtschaft sowie eine Bescheinigung des Bezirksamtes vom 23. August 1993, wonach im März 1990 eine abweichende Zweckverwendung genehmigt worden sei, vorlegt, handelt es sich um neue Tatsachen, die nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich nicht mehr im Revisionsverfahren berücksichtigt werden können (vgl. BFH-Urteile vom 3. Juni 1987 III R 209/83, BFHE 150, 418, BStBl II 1988, 277, 279; vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480, 483, ständige Rechtsprechung).

In der Einspruchsbegründung war unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Rechtssicherheit zwar behauptet worden, für die PGH-P habe eine Genehmigung vom zuständigen Fachorgan "Örtliche Versorgungswirtschaft" vorgelegen. Diese Behauptung stand allerdings erkennbar im Zusammenhang mit dem unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes gemachten Vortrag, auf Anfragen der Genossenschaften zur Zulässigkeit und zu den Steuerfolgen bei Gewinnausschüttungen seien seitens der Fachabteilungen sehr unterschiedliche Auskünfte erteilt worden. Zum anderen fehlt jegliche durch Beweismittel nachgewiesene konkrete Darstellung des Sachverhaltes.

Das FA hatte in der Einspruchsentscheidung erhebliche Zweifel an einer Zustimmung zur Auszahlung des Reservefonds geäußert und insbesondere den fehlenden Nachweis beanstandet. Im Klageverfahren sind gleichwohl keinerlei zusätzliche Erläuterungen gegeben, geschweige denn Nachweise erbracht worden. Die Verwendung von Mitteln des Reservefonds, zumal in dieser Größenordnung von 25 Mio DM für konsumtive Zwecke stellte indessen nach den bisherigen Regelungen (vgl. § 6 Abs. 2 des Musterstatuts) und auch nach dem dem Musterstatut für PGHen entsprechenden, fortgeltenden Statut der PGH-P einen absoluten, möglicherweise nicht einmal genehmigungsfähigen Ausnahmefall dar. Unter diesen Umständen war die Klägerin im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten (§ 90 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -; § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO) gehalten, die näheren Umstände, insbesondere den konkreten Inhalt einer solchen Genehmigung darzutun und zu belegen. Die Ermittlungspflichten des FG (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) waren im Hinblick darauf, daß die Klägerin im Klageverfahren weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht diesbezüglich ergänzend vorgetragen hat, entsprechend vermindert (vgl. zur Wechselwirkung zwischen der Erfüllung der Mitwirkungs- und Nachweispflichten des Steuerpflichtigen und der Sachaufklärung des FG BFH-Urteile vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462, 464; vom 16. Dezember 1992 X R 77/91, BFH/NV 1993, 547, 549, und Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 823).

Gegen die, den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindende tatsächliche Feststellung des FG sind auch keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgetragen worden (vgl. § 118 Abs. 2, 2. Halbsatz, § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Mit der bloßen Behauptung, das FG habe den Sachverhalt nicht zutreffend ermittelt, wird eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht des FG nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht schlüssig dargetan. Vielmehr muß die Revision oder die Revisionsbegründung dafür die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben sollen. Danach muß die Rüge mangelnder Sachaufklärung nicht nur die ermittlungsbedürftigen Punkte angeben, sondern darüber hinaus darlegen, weshalb sich dem FG auf der Grundlage seines insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunktes die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 31. August 1992 V R 47/88, BFHE 169, 250, BStBl II 1992, 1046, 1047, ständige Rechtsprechung).

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Genehmigung insbesondere hinsichtlich des maßgebenden Zeitpunktes hinreichend nachgewiesen ist und ob eine solche Genehmigung überhaupt, wie die Revision meint, ähnlich einem Grundlagenbescheid für das Besteuerungsverfahren Bindungswirkung entfalten konnte. Nach den insoweit maßgebenden Grundsätzen des Verwaltungsrechts der ehemaligen DDR hing die Rechtsgültigkeit einer vollziehenden Einzelentscheidung zum einen von der Kompetenz des konkret handelnden staatlichen Organs und zum anderen von der strikten Einhaltung der einschlägigen Rechtsnormen ab (vgl. auch Art. 19 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung der DDR vom 6. April 1968 i. d. F. vom 7. Oktober 1974; Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Staatsverlag der DDR, 2. Aufl., 1988, S. 28 f., 117, 120, 137 f., m. w. N.; Riemann, Staat und Recht - StuR - 1976, 1291, 1299; im Ergebnis ebenso Erlaß des FinMin Sachsen vom 9. Juni 1994 33 - S 1900 - 2/37-33048 in Deutschland-Spezial 33/94, S. 3). Der Einzelentscheidung kam keine Rechtswirkung zu, wenn der Verstoß gegen die rechtlichen Anforderungen besonders schwerwiegend und für den Adressaten objektiv unzweifelhaft erkennbar war. Zwar sah § 6 Abs. 2 des dem Musterstatut der PGHen vom 21. Februar 1973 (GBl DDR I, 121) entsprechenden individuellen Statuts der PGH-P als Verwendungszweck auch "andere durch staatliche Festlegung zugelassene Verwendungszwecke" für die Verwendung der Mittel aus dem Reservefonds vor. Dazu mag die Zuführung zum Prämienfonds bei zu geringen Gewinnen gehört haben. Indessen bestanden für die jährliche Zuführung zum Prämienfonds je Beschäftigten Höchstgrenzen (vgl. Informationsschreiben des FinMin der DDR vom 27. August 1987 5/87, S. 14 und 24). Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die Teilauflösung des Reservefonds in der von der PGH-P vorgenommenen Höhe auch nur annähernd der jahrzehntelangen Genehmigungspraxis der staatlichen Organe entsprochen hätte.

c) Die Anwendung des EStG DDR war weder durch das PGH-StG vom 30. November 1962 als lex specialis ausgeschlossen noch war die Ausschüttung aus dem Reservefonds gemäß § 8 Satz 2 StÄndG DDR steuerbefreit (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 26. September 1995 VIII R 70/94, BFHE 180, 21, BStBl II 1996, 464).

Nach § 8 Abs. 1 PGH-StG betrug die Steuer auf die Einnahmen aus der Gewinnverteilung (Gewinnausschüttung) 10 v. H. der Einnahmen.

aa) Die §§ 8 Abs. 1, 9 des PGH-StG traten zwar bereits aufgrund des StÄndG DDR (§ 15 Abs. 1, Abs. 2 4. Spiegelstrich) rückwirkend zum 1. Januar 1990, im übrigen trat das Gesetz nach § 20 Abs. 3 1. Spiegelstrich StAnpG DDR zum 1. Juli 1990 außer Kraft.

Damit wäre eine evtl. Sperrwirkung des PGH-StG als Spezialgesetz gegen den Rückgriff auf die allgemeinen Besteuerungstatbestände des EStG DDR an sich entfallen. Die inhaltliche Anknüpfung der ebenfalls rückwirkend zum 1. Januar 1990 in Kraft getretenen Steuerbefreiung gemäß § 8 Satz 2 StÄndG DDR an § 8 PGH-StG erfordert indessen zu prüfen, ob für Ausschüttungen aus dem unteilbaren Reservefonds das PGH-StG überhaupt eine derartige abschließende Spezialregelung enthielt. Der erkennende Senat verneint dies.

bb) Der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen spricht zwar für die Annahme, das PGH-StG enthalte abschließende Regelungen für sämtliche Einnahmen der PGH-Mitglieder.

Abschnitt II des Gesetzes regelt die Besteuerung der Mitglieder der PGH. Nach § 6 PGH-StG unterliegen diese mit ihren Einnahmen aus der PGH der Steuer der Mitglieder der PGH.

Nach § 9 Abs. 1 PGH-StG erfolgte die Besteuerung von Einkünften außerhalb der PGH nach den dafür geltenden Bestimmungen gemäß der Steuersatztabelle in Anlage 4 zum PGH-StG.

Indessen kann die Auslegung nicht bei einem bloßen Wortverständnis stehenbleiben. Sie muß zusätzlich vor allem Sinn und Zweck des Gesetzes, seine Systematik und seinen Zusammenhang mit anderen gesetzlichen Regelungen sowie schließlich die Entstehungsgeschichte berücksichtigen. Dies gilt in besonderer Weise für die aus ideologischen Erwägungen vielfach für einzelne Fallgruppen jeweils aufgesplitterte Regelungstechnik in der ehemaligen DDR (vgl. Grabau, Betriebs-Berater - BB - 1992, 1226, 1230, m. w. N.). Einheitliche Grundlage der PGH war das genossenschaftliche Eigentum. Die hieraus zu ziehenden Folgerungen sind in der Anlage zur Verordnung über das Musterstatut der PGH vom 21. Februar 1973 (GBl DDR I, 121) detailliert niedergelegt. Dieses Muster war nach § 1 der Verordnung für alle PGHen verbindlich.

Nach § 6 Abs. 1 des Musterstatuts bildete die PGH dort im einzelnen aufgeführte Fonds, u. a. den Reservefonds, dem alle zur Durchführung einer planmäßigen Fondswirtschaft nicht erforderlichen freien Eigenmittel der PGH zuzuführen waren und die genossenschaftlichen Konsumtionsfonds (§ 7). Der Reservefonds war ein unteilbarer Fonds, der nur für die in § 6 Abs. 2 des Musterstatuts genehmigten Zwecke, nicht hingegen für Konsumtionszwecke verwendet werden durfte (vgl. Schulz, D-Spezial 32/94, S. 3 ff.).

Wesentliches Merkmal des sozialistischen-genossenschaftlichen Eigentums war seine Unteilbarkeit (vgl. u. a. Ballaschk/Quilitzsch, StuR 1990, 475, 476). Eine Auflösung einer sozialistischen Genossenschaft mit dem Ziel, das Vermögen auf die Mitglieder aufzuteilen, war unzulässig (vgl. Art. 2 Abs. 2 der Verfassung der DDR betreffend den Grundsatz der Unantastbarkeit; Lörler in Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, Teil I A I Rz. 37; Hillmann in Festschrift für Boujong, 1996, S. 261, 262; Grabau, BB 1992, 1226; S. Mampel, Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, 1982, Art. 10 Rz. 4 f., 15, 22, Art. 13 Rz. 19 ff.; M. Haendcke-Hoppe, Deutschland-Archiv 1973, S. 836, 838; Brunner in Festschrift für Heinz Paulick, 1973, S. 25, 30; Steding, StuR 1990, 873, 874; Roellecke, StuR 1990, 778, 782).

Der Reservefonds war danach nicht privatnützig. Dies kommt nachhaltig darin zum Ausdruck, daß selbst bei Beendigung der Mitgliedschaft kein Anspruch auf Auszahlung eines Anteils daran bestand (vgl. § 12 Abs. 4 Musterstatut).

§ 5 Abs. 2 UmwVO räumte überdies einem ausscheidenden Mitglied einen Anspruch auf Teilhabe am Vermögen der PGH ausschließlich unter der Voraussetzung des Ausscheidens anläßlich und wegen der Umwandlung ein. Einem bereits unabhängig davon zeitlich vorgezogen ausscheidendem Mitglied blieb dieser Anspruch versagt (vgl. BGH, DStR 1995, 854; Hillmann in Festschrift für Boujong, 1996, S. 261, 263 f.; derselbe in Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift 1995, 264, 265; Lörler, a. a. O., A I Rz. 37; ferner Goette in Anmerkung zum BGH-Beschluß vom 22. Mai 1995 II ZR 50/94, DStR 1995, 1034, 1035, m. w. N., wonach Entstehungsgeschichte und Motive der Regelung nicht weiter aufgeklärt werden können).

Ausschüttungen aus dem Reservefonds waren nach den für die Bewirtschaftung der Fonds geltenden Prinzipien, wie sie im Musterstatut zum Ausdruck kamen, gesetzlich unzulässig und sind bis 1989 dementsprechend auch nicht vorgenommen worden (vgl. Schulz, D-Spezial 43/93, S. 1, 2). Nach Art. 10 Abs. 1 DDR-Verfassung war das genossenschaftliche Gemeineigentum werktätiger Kollektive sog. sozialistisches Eigentum, das nach Abs. 2 der Norm zu schützen und zu mehren die Pflicht des Staates und seiner Bürger war (vgl. S. Mampel, StuR 1990, 435, 436, zur Fortgeltung der DDR-Verfassung). Das zum 17. Juni 1990 in Kraft getretene Verfassungsgrundsätzegesetz vom 17. Juni 1990 (GBl DDR I, 299) ließ in Art. 2 Satz 2 weiterhin besondere Eigentumsformen für die Beteiligung der öffentlichen Hand zu.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage konnte der Gesetzgeber zwangsläufig rechtlich ausgeschlossene Einnahmen aus Ausschüttungen aus dem Reservefonds nicht in die Regelungstatbestände des PGH-StG einbeziehen. Dem Verständnis der sozialistischen Gesetzlichkeit hätte es nachgerade widersprochen, für derartige Einnahmen sogar einen speziellen Tatbestand in § 8 Abs. 1 PGH-StG zu schaffen oder sie in der Besteuerung den Ausschüttungen aus den sog. Konsumtionsfonds etwa stillschweigend gleichzustellen.

Überdies blieb das EStG DDR auch nach dem PGH-StG als allgemeine Auffangnorm anwendbar (§§ 15, 17 Abs. 3 a. e. c. und Abs. 4 PGH-StG), während die Anwendung anderer Steuergesetze, z. B. des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) oder der Verordnung zur Durchführung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag vom 22. Dezember 1934 ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.

Der vom Minister der Finanzen der DDR verwaltungsintern herausgegebene Informationsbrief Nr. 5/87 vom 27. August 1987 zur Besteuerung der PGHen und ihrer Mitglieder bietet abgesehen davon, daß ein solches Interpretationsschreiben die Gerichte ohnedies nicht bindet (BFH-Urteil vom 11. September 1991 XI R 16/90, BFHE 165, 466, BStBl II 1992, 132, 133, m. w. N., ständige Rechtsprechung), keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte, um auch gesetzlich unerlaubte Ausschüttungen aus dem unteilbaren Reservefonds in das Sondergesetz für PGHen einzubeziehen.

In den Erläuterungen zu § 1 PGH-StG wird zwar zum Geltungsbereich ausgeführt, das PGH-StG und die zu seiner Durchführung erlassenen Rechtsvorschriften enthielten in sich abgeschlossene Besteuerungsregelungen für diese Eigentumsform. Andere steuerrechtliche Vorschriften dürften bei der Besteuerung der PGH und ihrer Mitglieder nur dann angewendet werden, wenn dies ausdrücklich festgelegt sei. Auch diese Feststellungen knüpfen aber an das detaillierte Regelungswerk rechtlich zulässiger Einnahmen der PGH-Mitglieder an.

In Ziffer 12 werden auch sog. vorweggenommene Gewinnausschüttungen nach späterer Beschlußfassung über den Jahresabschluß dem Steuertatbestand in § 8 Abs. 1 PGH-StG zugeordnet. Die damit erfaßten, beispielhaft aufgeführten Sachverhalte sind mit den nach damaliger Rechtslage generell gesetzwidrigen Ausschüttungen aus dem Reservefonds nicht vergleichbar.

cc) Mit dem Inkrafttreten der UmwVO vom 8. März 1990 trat zwar u. a. auch die Verordnung über das Musterstatut außer Kraft (vgl. § 10 Abs. 1, 2 2. Spiegelstrich UmwVO). Dies änderte indessen nicht den Inhalt und Anwendungsbereich des PGH-StG und der daran anknüpfenden Steuerbefreiung in § 8 Satz 2 StÄndG DDR. Überdies blieben die Regelungen des Musterstatuts bis zur Umgründung der PGH als von ihr jeweils beschlossenes Statut verbindlich (vgl. auch Anmerkung von Siegmann in DStR 1995, 855).

Nach § 8 Satz 2 des zum 1. Januar 1990 rückwirkend in Kraft getretenen StÄndG DDR sollten die Einnahmen der Mitglieder einer PGH aus der Gewinnverteilung (Gewinnausschüttung) steuerfrei bleiben. Dieser Regelungsbereich stimmt wörtlich überein mit dem außer Kraft gesetzten § 8 Abs. 1 PGH-StG und § 1 der Anordnung über steuerliche Maßnahmen für Mitglieder von Produktionsgenossenschaften des Handwerks, privater Handwerker und Gewerbetreibende vom 26. Januar 1990 (GBl DDR I 1990, 27), durch die noch für das Jahr 1989 steuerliche Maßnahmen gewährt werden sollten. Der Regelungsbereich ist indessen nicht weiter zu ziehen als bei § 8 Abs. 1 PGH-StG. Dies wurde auch von Steuerrechtlern der ehemaligen DDR ursprünglich so gesehen (vgl. Krause/Schulz, DStR 1990, 239, 241, die zu dieser Bestimmung ausführten, daß Gewinnausschüttungen aus dem erwirtschafteten Vorjahresgewinn steuerbefreit werden sollten, während bisher ein Steuerabzug in Höhe von 10 v. H. vorzunehmen gewesen sei). Die in den Reservefonds jahrzehntelang akkumulierten Gewinnanteile werden von beiden Autoren nicht erwähnt.

Der zudem erst am 19. März 1990 in Kraft getretenen und nach dem StÄndG DDR erlassenen UmwVO kann nicht positiv entnommen werden, daß abweichend vom bisherigen Gesetzesverständnis § 8 Satz 2 StÄndG DDR auch auf Ausschüttungen aus dem Reservefonds zu beziehen sei. § 5 Abs. 1 UmwVO erklärt die bei einer Umwandlung nach § 1 dieser Verordnung eingebrachten Anteile aus den unteilbaren Fonds ausdrücklich für steuerfrei. § 5 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung erlaubt die Auszahlung des Anteils der nicht in die neue Gesellschaftsform eintretenden PGH-Mitglieder an den unteilbaren genossenschaftlichen Fonds erst nach Tilgung der Verbindlichkeiten der PGH und nach Erstellung der in § 4 Abs. 4 der Verordnung vorgeschriebenen Abschlußbilanz und bestimmte ausdrücklich in Abs. 3, daß in einem solchen Falle die ausgezahlten Anteile der Besteuerung nach den geltenden Rechtsvorschriften unterlägen. Wäre der Verordnungsgeber von der Steuerfreiheit dieser Ausschüttungen nach § 8 Satz 2 StÄndG DDR ausgegangen, so ist schwer verständlich, warum er zwar die in Abs. 1 und 4 des § 5 der Verordnung geregelten Fallgestaltungen ausdrücklich für steuerfrei erklärte, hingegen in Abs. 3 in Kenntnis des soeben verabschiedeten und zum 1. Januar 1990 in Kraft getretenen StÄndG DDR nicht auf dessen § 8 Satz 2 entweder Bezug genommen hat oder eine angebliche Steuerfreiheit bestätigte, sondern hinsichtlich der Besteuerung gerade auf die geltenden Rechtsvorschriften verwiesen hat. Die Regelung spricht gerade umgekehrt dafür, daß auch der Verordnungsgeber von der Steuerbarkeit derartiger Einnahmen ausgegangen ist.

d) Die erst zum 30. Juli 1990 in Kraft getretene Anordnung des Ministers für Wirtschaft vom 13. Juni 1990 (GBl DDR I 1990, 785 - vgl. § 3 der Verordnung -) bekräftigte in § 1 Abs. 1 zum einen das Verbot, Reservefonds als unteilbare Fonds für Zwecke der individuellen Konsumtion zu verwenden, und stellte zum anderen in § 1 Abs. 2 klar, daß Auszahlungen an Mitglieder der PGHen der Besteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen unterlägen. Unbeschadet der Frage der Rangordnung und der verfassungsrechtlichen Zuständigkeit des Ministerrats zum Erlaß von Verordnungen (vgl. §§ 8 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über den Ministerrat der DDR vom 16. Oktober 1972, GBl DDR I, 253; zum Recht in der ehemaligen DDR ferner Sauthoff/Bauer, Die Öffentliche Verwaltung - DÖV - 1991, 1054, 1055; Funke in Recht in Ost und West - ROW - 1989, 407, 416; Riemann, StuR 1976, 1291, 1294 f.) begründete die Anordnung vom 13. Juni 1990 nicht erst rückwirkend eine Steuerpflicht für derartige Ausschüttungen aus den Reservefonds und beseitigte gleichsam eine durch § 8 Satz 2 StÄndG DDR gewährte Steuerfreiheit. Vielmehr kam ihr lediglich klarstellende Wirkung zu. Für eine Klarstellung bestand durchaus insoweit Anlaß, als die ergänzende Fortgeltung des EStG DDR für jedenfalls bis zum Jahr 1989 in der ehemaligen DDR nie aktuell aufgetretene Steuersachverhalte für Steuerpflichtige nicht ohne weiteres erkennbar war.

e) Richtet sich die Besteuerung der Ausschüttungen aus dem Reservefonds nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG DDR und nicht nach dem PGH-StG, muß auch die Regelung in § 10 Abs. 3 PGH-StG, wonach eine Jahresveranlagung dann nicht erfolgt, wenn das Mitglied außer Einnahmen aus sozialistischen Produktionsgenossenschaften oder Arbeitseinkommen keine anderen Einkünfte bezieht, entsprechend einschränkend ausgelegt werden. Erfaßt werden sollen von dieser Bestimmung erkennbar ausschließlich die dem PGH-StG unterliegenden Einnahmen.

f) Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) ist offensichtlich nicht gegeben.

Sofern nach dem 31. Dezember 1990 eine Rückzahlung aus dem dem EK 04 gliederungsrechtlich zugeordneten Reservefonds erfolgt, liegt ein anderer Sachverhalt als der hier zu beurteilende vor. Der erkennende Senat nimmt insoweit Bezug auf sein Urteil in BFHE 176, 373, BStBl II 1995, 315. Unbeschadet der aus den unterschiedlichen Sachverhalten - einerseits landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, andererseits Produktionsgenossenschaften des Handwerks - sich ergebenden sachlichen Berechtigung des Handwerks - sich ergebenden sachlichen Berechtigung des Gesetzgebers, die Auseinandersetzung der Mitglieder der jeweiligen Genossenschaften steuerlich voneinander abweichend zu regeln, betrifft das Landwirtschaftsanpassungsgesetz (vgl. die Neufassung vom 3. Juli 1991, BGBl I 1991, 1418) jedenfalls nicht den hier streitigen Zeitraum.

g) aa) Rechtlich nicht zu beanstanden ist es, wenn das FG eine Steuerfreiheit der Ausschüttung auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes versagt hat.

Es kann - zumal angesichts fehlender subjektiver öffentlicher Rechte des einzelnen gegenüber dem Staat - dahingestellt bleiben, in welchem Umfang die Grundsätze von Treu und Glauben und eines daraus abgeleiteten Vertrauensschutzes im Verwaltungsrecht der ehemaligen DDR (vgl. auch die Abgabenordnung der DDR - AO DDR - vom 18. September 1970, GBl DDR SDr. Nr. 681) gegolten haben. Ferner kann offenbleiben, ob die Klägerin die Voraussetzungen für einen vertrauensbildenden Tatbestand hinreichend vorgetragen hat, wonach - allgemein - auf Anfragen der Genossenschaften zur Zulässigkeit und der Steuerfreiheit bei Gewinnausschüttungen aus den Reservefonds sehr unterschiedliche Auskünfte seitens der Fachabteilungen des Rates des Kreises bzw. der Stadtbezirke gegeben worden seien. Das Fachorgan "Örtliche Versorgungswirtschaft" habe im übrigen lediglich die Ausschüttung genehmigt.

Jedenfalls setzt eine verbindliche Auskunft, unbeschadet aller weiteren Voraussetzungen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 4. August 1961 VI 269/60 S, BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562, 564) die Zuständigkeit der Behörde und zusätzlich des handelnden Amtsträgers voraus (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274, 276; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 204 Anm. 8, m. w. N.).

Für die Verwaltung der Steuern und Abgaben waren die Abteilungen Finanzen bei den örtlichen Räten zuständig, nicht jedoch das Fachorgan "Örtliche Versorgungswirtschaft" (vgl. Schulz, DStR 1990, 306; Hoffmann/Zinner, DStR 1992, 1043). Auch wenn Grundlage des Staatswesens der ehemaligen DDR der sog. demokratische Zentralismus war (vgl. Art. 47 Abs. 2 DDR-Verfassung) und damit der aus dem Prinzip des Rechtsstaates (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Grundsatz der Gewaltenteilung unvereinbar war (vgl. Funke, ROW 1989, 407, 410, 413 f.; z. B. zum Vertrauensschutz bei DDR-Amnestien, Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 21. Dezember 1994 2 BvR 213/92, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1995, 241, 242), wurde die einheitliche Staatsmacht durch jeweils zuständige Organe ausgeübt (vgl. z. B. Art. 103 Abs. 2 DDR-Verfassung, wonach die für die Entscheidung verantwortlichen Organe verpflichtet waren, Eingaben der Bürger zu bearbeiten).

Ob § 8 Satz 2 StÄndG DDR für die hier streitige Ausschüttung aus den Reservefonds Steuerfreiheit gewährte, ist im übrigen eine Rechtsfrage und nicht eine Frage des Vertrauensschutzes.

bb) Ob hinsichtlich der Besteuerung der im ersten Halbjahr 1990 erfolgten Ausschüttungen aus den Reservefonds generell oder im Einzelfall Billigkeitsmaßnahmen gerechtfertigt wären, hat der Senat angesichts der Zweigleisigkeit des Verfahrens im Anfechtungsverfahren gegen die Festsetzung der Steuerrate nicht zu entscheiden (vgl. Urteil des erkennenden Senats in BFHE 176, 373, BStBl II 1995, 315, 318, m. w. N.).

Die Vertragsparteien des EinigVtr und der Gesetzgeber haben die grundsätzliche Fortgeltung des DDR-Steuerrechts über den Zeitpunkt des Beitritts der DDR am 3. Oktober 1990 hinaus bis zum 31. Dezember 1990 in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bewußt in Kauf genommen (BFH-Urteil in BFHE 176, 373, BStBl II 1995, 315, 318, m. w. N.).

Wie der BFH (Urteil vom 22. Dezember 1993 I R 75/93, BFHE 174, 122, BStBl II 1994, 578, 579; bestätigt durch Urteil vom 14. September 1994 I R 40/94, BFHE 176, 235, BStBl II 1995, 209) bereits erkannt hat, galt für Ausschüttungen des Gewinns durch PGHen nicht der Steuersatz in Höhe von 36 v. H. gemäß § 5 Abs. 2 StÄndG DDR, sondern nach § 5 Abs. 1 Satz 1 StÄndG DDR i. V. m. dem Steuergrundtarif B derjenige von 50 v. H. Das in § 6 StÄndG DDR erstmals eingeführte Teil-Anrechnungsverfahren (vgl. Dötsch, Der Betrieb - DB -, DDR-Report 1990, 3126) galt - wie der ermäßigte Steuersatz - ebenfalls nur für Ausschüttungen für die Körperschaftsteuer auf von Kapitalgesellschaften ausgeschüttete Gewinne, denen PGHen nach der zitierten Rechtsprechung des I. Senats des BFH weder unmittelbar noch entsprechend gleichgestellt werden können.

Die damit verbundene steuerliche Doppelbelastung von Gewinnen entspricht indessen der Rechtslage vor Einführung des Anrechnungsverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ab dem Jahr 1977 (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats in BFHE 176, 373, BStBl II 1995, 315, 318, m. w. N.).

2. Der erste Hilfsantrag ist begründet.

Zu Unrecht hat das FA die Steuer auf die als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassende Ausschüttung der PGH-P aus dem Reservefonds nicht nach dem Steuergrundtarif A (vgl. § 1 Abs. 1 i. V. m. Anlage 1 StÄndG DDR) ermittelt, sondern nach der besonderen Steuersatztabelle C (vgl. § 12 Abs. 1 i. V. m. Anlage 4 StÄndG DDR).

a) Nach § 12 Abs. 1 StÄndG DDR haben Bürger, die außerhalb einer hauptberuflichen Tätigkeit noch nebenberufliche Einnahmen aus den in § 1 Abs. 1 StÄndG DDR genannten Einkommensteuerarten erzielen, die Einkommensteuer auf die Nebeneinkünfte unter Berücksichtigung des Gesamteinkommens nach der als Anlage 4 beigefügten besonderen Steuersatztabelle C zu zahlen.

Der Senat sieht die vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) in seinem Schreiben vom 17. September 1991 IV 2/IV B 1 - S 2532 - 81/91 (Steuererlasse in Karteiform, Organisation Nr. 29 - zur Bearbeitung der Jahreserklärungen 1990 im Beitrittsgebiet -) vorgenommene Auslegung des § 12 Abs. 1 StÄndG DDR als zutreffend an. Danach ist unter nebenberuflicher Tätigkeit i. S. des § 12 StÄndG DDR eine Tätigkeit zu verstehen, die in sich abgeschlossen ist und in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer ausgeübten hauptberuflichen Tätigkeit steht (ebenfalls Broudre/Gliesche, Besteuerung in den Neuen Bundesländern, 1993, 2. Aufl., S. 114 Ziff. 13.6). Das PGH-StG führt zwar in den §§ 7 und 8 die Einnahmen der Mitglieder aus der PGH einzeln auf und die Auszahlungen aus dem Reservefonds sind nicht unter diese Regelungen einzuordnen. Indessen knüpft das StÄndG DDR nicht - ausschließlich - an das PGH-StG an, vielmehr ist entsprechend dem umfassenderen Geltungsbereich dieser Norm im Vergleich zu der durch § 15 4. Spiegelstrich StÄndG DDR zum 1. Januar 1990 außer Kraft getretenen speziellen Progressionsregelung in § 9 Abs. 2 PGH-StG für außerhalb der PGH erzielte Einkünfte weitergehend auf den wirtschaftlichen Zusammenhang der Nebeneinkünfte mit der Haupttätigkeit abzuheben.

Wie der Senat (vgl. Ziff. II. 1. b bb) ausgeführt hat, ist auch die Ausschüttung aus dem Reservefonds durch das Mitgliedschaftsverhältnis bedingt und stellt deshalb einen Beteiligungsertrag dar. Der bestehende wirtschaftliche Zusammenhang wird nicht dadurch - vollständig - gelöst, daß der Reservefonds sozialistisches und damit unteilbares Eigentum verkörperte und mithin außerhalb der besonderen Voraussetzungen der UmwVO Auszahlungen satzungswidrig gewesen sind. Der wirtschaftliche Zusammenhang wird auch dadurch deutlich, daß über die Ausschüttungen die Mitglieder beschlossen haben und die Höhe der Auszahlungsbeträge an die Dauer der Mitgliedschaft und unter Umständen noch weitere Kriterien anknüpfte (vgl. z. B. Hillmann, a. a. O., S. 271, m. w. N.).

Das Gesetz stellt auf die hauptberufliche Tätigkeit ab und nicht darauf, welchen Einkunftsarten einzelne, daraus fließende Einnahmen steuerrechtlich zuzuordnen sind. Abs. 2 des § 12 StÄndG DDR gewährt für Einnahmen aus bestimmten nebenberuflichen Tätigkeiten einen Steuerfreibetrag. Abs. 1 und Abs. 2 des § 12 StÄndG DDR stehen sachlich in einem Zusammenhang. Auch wenn Abs. 1 nur Nebeneinkünfte bezeichnet, so knüpfen beide Regelungen an Tätigkeiten an, die gegeneinander nach ihrem wirtschaftlichen Zusammenhang abzugrenzen sind.

b) Im Streitfall hat das FG, ohne auf die bis dahin auch nicht gerügte Anwendung der Steuersatztabelle C näher einzugehen, die Höhe der festgesetzten Steuer im Ergebnis zu Unrecht nicht beanstandet.

3. Danach war das angefochtene Urteil des FG aufzuheben.

Die Änderung des Bescheides vom 16. November 1993 und die Ermittlung der Steuerrate für 1990 unter Anwendung des Steuergrundtarifs A auf die als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu behandelnde Ausschüttung aus dem Reservefonds der PGH-P wird nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.