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  BFH-Urteil vom 15.10.1996 (IX R 81-82/94) BStBl. 1997 II S. 496

Die Rechtsgrundsätze zur Ermittlung des Umfangs der Selbstnutzung bei teils selbstgenutzten, teils vermieteten Ferienwohnungen, die als Einfamilienhaus bewertet sind, gelten auch, wenn sich die Ferienwohnung in einem Gebäude befindet, das nicht als Einfamilienhaus bewertet ist. Der Nutzungswert einer solchen eigengenutzten Ferienwohnung ist für den Zeitraum der Selbstnutzung (einschließlich der Leerstandszeiten) gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG durch Überschußrechnung zu ermitteln.

EStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 21 Abs. 2.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) vermieten als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in einem 1982 fertiggestellten Gebäude in K fünf Ferienwohnungen, darunter eine 110 qm große Wohnung im Erdgeschoß. Das Grundstück ist als Mietwohngrundstück bewertet. Die Erdgeschoßwohnung nutzten die Kläger in den Streitjahren 1986 und 1987 an 10 Tagen selbst, im übrigen waren sämtliche Wohnungen zeitweise an Feriengäste vermietet. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) kürzte bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Streitjahre den geltend gemachten Werbungskostenüberschuß um je 25.000 DM. Dabei ging das FA davon aus, daß die Wohnung im Erdgeschoß während der Zeiten, in denen sie nicht vermietet war, sondern leerstand, den Klägern zur Selbstnutzung zur Verfügung gestanden habe; den Mietwert für die Leerstandszeiten schätzte das FA auf 25.000 DM. Dagegen wandten sich die Kläger nach erfolglosen Vorverfahren mit ihren Klagen, die das Finanzgericht (FG) mit den an den Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 14. Oktober 1994 zugestellten Urteilen abwies. Die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einer teils vermieteten, teils selbstgenutzten, teils leerstehenden Ferienwohnung sei auch im Streitfall anwendbar.

Mit den am 15. November 1994 mit einfachem Brief beim FG eingegangenen Revisionen beantragen die Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der kurzfristigen Versäumung der Revisionsfrist und Aufhebung der angefochtenen Urteile. Sie begründen ihre Wiedereinsetzungsanträge damit, sie hätten am 14. November 1994 gegen 17.00 Uhr versucht, die Revisionsschriften per Fax an das FG zu senden. Nach dem Sendeprotokoll habe das Empfangsgerät beim FG jedoch das Fax nicht angenommen; das Sendeprotokoll enthält den Vermerk "abwesend".

In der Sache begründen die Kläger ihre Revisionen damit, nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 4. Mai 1994 IV B 3 - S-2253 - 34/94 (BStBl I 1994, 285, Abschn. 2.2.2.) dürften Leerstandszeiten von Ferienwohnungen nicht der Eigennutzung zugerechnet werden, wenn die Ferienwohnung nahezu durchgängig in der Saison vermietet werde und die Vermietungsdauer mindestens 100 Tage betrage. Im Streitfall hätten sie die umstrittene Erdgeschoßwohnung an 111 Tagen bzw. 144 Tagen vermietet. Die Leerstandszeiten dürften ihnen deshalb nicht als Zeit der Selbstnutzung zugerechnet werden. Außerdem sei Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verletzt, weil bei einer "normalen" Vermietung einer Wohnung Leerstandszeiten nicht als Zeiten der Selbstnutzung beurteilt würden.

Das FA beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

Das FG Schleswig-Holstein hat mitgeteilt, das Faxgerät des Gerichts sei am 14. November 1994 wegen eines Empfangsstaus vorübergehend nicht empfangsbereit gewesen. Nach Beseitigung des Empfangsstaus sei das Gerät ab 17.23 Uhr wieder empfangsbereit gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind zulässig, aber unbegründet.

1. Die Revisionen sind nicht verspätet erhoben. Sie sind zwar erst nach Ablauf der einmonatigen Revisionsfrist (§ 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) beim FG eingegangen. Den Klägern ist jedoch gemäß § 56 FGO wegen unverschuldeter Versäumnis der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil das Faxgerät des FG am letzten Tag der Frist wegen eines Empfangsstaus nicht empfangsbereit war. Die erst nach Dienstschluß des FG eingetretene Störung ist den Klägern nicht anzulasten. Die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ist in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig. Wird dieser Übermittlungsweg durch ein Gericht eröffnet, so dürfen die aus den technischen Gegebenheiten dieses Kommunikationsmittels herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Dies gilt im besonderen für Störungen des Empfangsgeräts im Gericht. In diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristversäumnis in der Sphäre des Gerichts. Der Nutzer hat mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, daß unter normalen Umständen mit ihrem Abschluß bis 24 Uhr zu rechnen ist (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 1. August 1996 1 BvR 121/95 und 1 BvR 989/95). Danach war den Klägern Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil das Empfangsgerät des FG bei Absendung der Revisionen per Fax infolge einer Störung nicht empfangsbereit war. Aus dem Sendebericht konnte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger nicht entnehmen, worauf die Störung des Faxgerätes des FG beruhte und ob sie bis zum Ende des 14. November 1994 beseitigt sein würde. Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger mußte nicht davon ausgehen, daß es sich nur um eine kurzfristige Störung handelte, zumal die Störung erst nach Dienstschluß des FG eingetreten war.

2. Die Revisionen sind jedoch unbegründet. Die Vorinstanz hat zu Recht die Rechtsgrundsätze, die der Senat zur Ermittlung der Einkünfte von teils selbstgenutzten, teils vermieteten Ferienwohnungen entwickelt hat, auch im Streitfall angewendet. Nach diesen Grundsätzen sind die Einkünfte für die Zeiten der Selbstnutzung und des Leerstehens nach § 21a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu ermitteln, wenn die Wohnung als Einfamilienhaus bewertet ist und der Steuerpflichtige die Ferienwohnung selbst vermietet oder sich bei Vermietung über eine Feriendienstorganisation die Entscheidung, die Wohnung selbst zu nutzen, vorbehält. Da der Steuerpflichtige die Wohnung in diesem Fall jederzeit selbst nutzen kann, gehören auch die Leerstandszeiten einkommensteuerrechtlich zur Selbstnutzung i. S. der §§ 21 Abs. 2 Satz 1, 21a EStG. Unter diesen Voraussetzungen kommt eine Ermittlung der Einkünfte als Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG nur für den Zeitraum in Betracht, in dem die Ferienwohnung an Feriengäste vermietet ist. Ob und für welchen Zeitraum die Ferienwohnung dem Steuerpflichtigen zur Selbstnutzung zur Verfügung steht, ist weitgehend eine Frage der tatsächlichen Würdigung des Sachverhalts, die dem FG vorbehalten ist (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 12. September 1995 IX R 117/92, BFH/NV 1996, 205, m. N.). Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des FG, die damit für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), haben die Kläger die Erdgeschoßwohnung teilweise selbstgenutzt und im übrigen selbst vermietet. Die Erdgeschoßwohnung stand ihnen danach zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung, soweit sie nicht vermietet war.

Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn sich die Ferienwohnung in einem Gebäude befindet, das nicht als Einfamilienhaus bewertet ist. In diesem Fall ist der Nutzungswert allerdings für den Zeitraum der Selbstnutzung einschließlich der Leerstandszeiten nicht nach § 21a EStG, sondern nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG durch Überschußrechnung zu ermitteln. Das FG hat deshalb zu Recht entschieden, daß für die Ferienwohnung im Erdgeschoß für die Zeit der Selbstnutzung und des Leerstehens ein Nutzungswert anzusetzen ist. Das gilt auch für das Streitjahr 1987 (§ 52 Abs. 21 Satz 2 EStG).

Das FG hat zu Recht entschieden, daß eine andere Beurteilung nicht deshalb gerechtfertigt ist, weil den Klägern weitere Ferienwohnungen gehören, die sie ausschließlich vermieten und nicht selbst nutzen. Dabei kann dahinstehen, ob das FA die negativen Einkünfte für diese ausschließlich vermieteten Ferienwohnungen zutreffend ermittelt hat oder insoweit die Grundsätze der Liebhaberei anzuwenden sind (vgl. Senatsurteil vom 13. August 1996 IX R 48/94, BFHE 181, 83, BStBl II 1997, 42). Im Streit ist ausschließlich die Ermittlung der Einkünfte für die Erdgeschoßwohnung. Wie das FG revisionsrechtlich bindend festgestellt hat, haben die Kläger diese Wohnung tatsächlich selbstgenutzt; für sie bestand wegen der Größe der Familie ein Selbstnutzungsinteresse. Es ist deshalb gerechtfertigt, die Einkünfte aus dieser Ferienwohnung anders zu ermitteln als die der übrigen Ferienwohnungen.

Entgegen der Rechtsansicht der Kläger verstößt die Erfassung eines Nutzungswerts für die Selbstnutzung der Erdgeschoßwohnung und die Zurechnung der Leerstandszeiten zur Selbstnutzung nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Besonderheit teils selbstgenutzter, teils vermieteter Ferienwohnungen besteht darin, daß es hier der Vermieter - anders als bei den üblichen Mietwohnungen - in der Hand hat, die Wohnung jederzeit selbst zu nutzen, ohne daß es dazu einer Gestattung des Mieters bedarf. Die Möglichkeit der Selbstnutzung, die sich der Vermieter vorbehält, rechtfertigt es, für die Zeiten der Selbstnutzung und der möglichen Selbstnutzung einen Nutzungswert zu besteuern.

Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg auf das Schreiben des BMF vom 4. Mai 1994 berufen. Abgesehen davon, daß derartige Verwaltungsanweisungen die Gerichte nicht binden, liegen die Voraussetzungen, unter denen nach diesem Schreiben die Zeiten des Leerstands ausnahmsweise nicht der Eigennutzung zuzurechnen sind, nicht vor. Nach Abschn. 2.2.2. des BMF-Schreibens vom 4. Mai 1994 sollen die Zeiten des Leerstands ausnahmsweise nicht der Eigennutzung zuzurechnen sein, wenn der Steuerpflichtige die Ferienwohnung im jeweiligen Veranlagungszeitraum "weder selbst nutzt noch unentgeltlich überläßt". Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG haben die Kläger jedoch die Erdgeschoßwohnung in den Streitjahren selbst genutzt.

Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß im Streitfall die Einkünfte für die Zeit der Selbstnutzung bzw. des Leerstehens der Erdgeschoßwohnung nicht nach § 21a Abs. 1 Satz 1 EStG zu ermitteln sind, weil das Feriengrundstück nicht als Einfamilienhaus bewertet und der Antrag auf Baugenehmigung für das Gebäude vor dem 30. Juli 1981 gestellt worden ist (§ 21a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 EStG). Der Rohmietwert für die Zeit der Selbstnutzung und des Leerstehens ist deshalb anhand der erzielbaren Miete zu ermitteln. Gegen die Höhe der erzielbaren Miete haben die Kläger keine Einwendungen erhoben.