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  BFH-Beschluß vom 15.5.1997 (XI R 53/88) BStBl. 1997 II S. 514

1. Die Überleitung eines zweiten Änderungsbescheides in ein laufendes Verfahren gemäß § 68 FGO setzt voraus, daß ein vorausgegangener erster Änderungsbescheid ebenfalls Verfahrensgegenstand geworden ist.

2. Mehrere denselben Veranlagungszeitraum betreffende Änderungsbescheide können gleichzeitig zum Gegenstand des Verfahrens erklärt werden, nachträglich also auch ein durch den zweiten suspendierter erster Änderungsbescheid (Anschluß an das BFH-Urteil vom 5. Mai 1992 IX R 9/87, BFHE 168, 213, BStBl II 1992, 1040).

FGO § 68.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat gegen die Kläger und Revisionskläger (Kläger) am 17. September 1982 einen Bescheid wegen Einkommensteuer 1980 erlassen. Die dagegen gerichtete Klage mit dem Begehren, Herstellungskosten einer Tankanlage als Erhaltungsaufwand zu behandeln, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision gegen diese Entscheidung verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter.

Am 13. Juni 1988 erließ das FA aufgrund einer Außenprüfung einen (gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -) geänderten Einkommensteuerbescheid 1980. Die Änderungen berühren den Gegenstand des ursprünglichen Klagebegehrens (und der Revision) nicht. Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger wiederum Klage. Auf entsprechende Anfrage des BFH erklärten sie, den geänderten Bescheid nicht zum Gegenstand des Revisionsverfahrens machen zu wollen. Darauf setzte der BFH das Revisionsverfahren bis zum bestandskräftigen Abschluß des Verfahrens über den Einkommensteuerbescheid 1980 vom 13. Juni 1988 aus.

Am 21. Oktober 1996 erließ das FA einen weiteren (gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheid 1980. Er enthält gemäß § 68 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) einen Hinweis auf die Möglichkeit, den Bescheid zum Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens vor dem FG zu machen. Auf diesen Bescheid erklärten beide Beteiligte dieses Klageverfahrens (betreffend den Bescheid vom 13. Juni 1988) einvernehmlich für erledigt.

Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 1996 ergänzen die Kläger nunmehr ihre bisherige Revisionsbegründung. Durch Schreiben des Vorsitzenden Richters des erkennenden Senats wurden sie darauf aufmerksam gemacht, daß, nachdem sie einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, "der Änderungsbescheid vom 21. Oktober 1996 - im übrigen auch der vorangegangene Änderungsbescheid vom 13. Juni 1988 - nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist (vgl. § 68 FGO)". In ihren Antwortschreiben beantragten die Kläger darauf, den Änderungsbescheid vom 21. Oktober 1996 zum Gegenstand des Revisionsverfahrens zu machen. Einen derartigen Antrag hätten sie allerdings bereits am 22. November 1996 gestellt und mit einfachem Brief zur Post gegeben. Vorsorglich beantragen sie insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Einen Antrag, den vorangegangenen Änderungsbescheid vom 13. Juni 1988 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, haben die Kläger wiederum nicht gestellt. Sie verweisen unverändert darauf, daß, da der BFH die Sache an das FG hätte zurückverweisen müssen, es sinnvoller gewesen sei, die Aufhebung dieses Bescheides im Klageverfahren durchzusetzen, was schließlich auch erreicht worden sei.

II.

Das Verfahren wird fortgesetzt, nachdem der Grund für seine Aussetzung entfallen ist. Das Klageverfahren gegen den Bescheid vom 13. Juni 1988 hat seine Eingliederung gefunden.

Entscheidungsgründe

III.

Die Revision der Kläger ist unzulässig und daher gemäß § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluß zu verwerfen.

1. Mit Eintritt der Bestandskraft ist der letzte Bescheid vom 21. Oktober 1996 betreffend Einkommensteuer 1980 endgültig mit der Folge an die Stelle des ersten Bescheides vom 17. September 1982 getreten, daß diesem kein Regelungsgehalt mehr zukommt und er nicht mehr geändert werden kann (BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231). Dem Verfahren gegen den ursprünglichen Bescheid ist damit die Grundlage entzogen (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Beschluß vom 30. August 1994 IX R 19/92, BFH/NV 1995, 596). Die Revision der Kläger gegen das - FG-Urteil, das diesen ersten Bescheid betrifft, ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (BFH-Beschlüsse vom 27. Januar 1993 IV R 321/84, BFH/NV 1994, 177, m. w. N.; vom 10. Oktober 1994 IV R 26/91, BFH/NV 1995, 245).

2. Der Bescheid vom 21. Oktober 1996 ist nicht gemäß § 68 FGO Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens geworden. Zwar haben die Kläger einen dahingehenden Antrag gestellt. Ob er fristgerecht erfolgte, oder den Klägern insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO zu gewähren ist, kann dahinstehen. Denn Voraussetzungen für eine Überleitung dieses Änderungsbescheides in das laufende Verfahren wäre, daß auch der vorangegangene Änderungsbescheid vom 13. Juni 1988 Gegenstand dieses Verfahrens geworden ist. Dies ist indessen nicht der Fall, nachdem die Kläger auf einen entsprechenden Antrag verzichtet haben. § 68 FGO setzt bereits seinem Wortlaut nach voraus, daß der "angefochtene" Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen anderen Verwaltungsakt geändert oder ersetzt worden ist. Geändert wurde, wie auch im Bescheid vom 21. Oktober 1996 zum Ausdruck kommt, der vorangehende Bescheid vom 13. Juni 1988. "Angefochten" wäre er i. S. des § 68 FGO aber nur als Gegenstand des laufenden Verfahrens. Auch dem BFH-Urteil vom 5. Mai 1992 IX R 9/87 (BFHE 168, 213, BStBl II 1992, 1040) liegt die Auffassung zugrunde, daß ein Antrag nach § 68 FGO sich auf alle ergangenen Änderungsbescheide erstrecken muß. Dagegen spricht nicht, daß ein geänderter Bescheid keine Wirkung zeigt, solange der folgende Änderungsbescheid Bestand hat (vgl. dazu BFH-Beschluß in BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231; BFH-Urteil vom 15. Februar 1990 V R 124/84, BFH/NV 1990, 722; BFH-Beschluß vom 16. Januar 1991 IV B 23/88, BFH/NV 1992, 390). Denn auch als suspendierter Bescheid ist er nicht untergegangen, vielmehr behält er bestimmte prozeßuale Wirkungen bei (vgl. BFH-Urteil in BFHE 168, 213, BStBl II 1992, 1040; BFH-Beschluß in BFHE 108, 1, 6, BStBl II 1973, 231). Vor allem tritt er in seinem materiellen Regelungsgehalt wieder in Kraft, wenn der ihn ändernde Bescheid aufgehoben wird. Wäre er dann nicht Gegenstand des laufenden (Revisions-)Verfahrens, würde dieses rückwirkend unzulässig. Diese Folge widerspräche dem mit der Vorschrift des § 68 FGO verfolgten Zweck der Rechtssicherheit (BFH-Urteil in BFHE 168, 213, BStBl II 1992, 1040).

3. Allerdings ist nicht erforderlich, daß ein erster Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden ist, bevor dies auch hinsichtlich des zweiten Änderungsbescheides geschehen kann. Vielmehr können auch mehrere denselben Veranlagungszeitraum betreffende Änderungsbescheide gleichzeitig zum Gegenstand des Verfahrens erklärt werden, nachträglich also auch der durch den zweiten suspendierte erste Änderungsbescheid (BFH-Urteil in BFHE 168, 213, BStBl II 1992, 1040; Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 68 FGO Rz. 7). Den Klägern wäre daher vorliegend nicht verwehrt gewesen, den Bescheid vom 13. Juni 1988 zusammen mit dem zweiten Änderungsbescheid vom 21. Oktober 1996 wirksam nach § 68 FGO zum Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens zu erklären. Ein entsprechender Antrag diesen ersten Änderungsbescheid betreffend wäre im Streitfall auch nicht fristgebunden gewesen (BFH-Beschluß in BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231). Die neue Regelung des § 68 Satz 2 FGO, die eine Monatsfrist vorsieht, ist nur auf Änderungsbescheide anwendbar, die nach dem 1. Januar 1993 bekanntgegeben worden sind.

Indessen haben die Kläger - trotz einer dahingehenden Anfrage des BFH und eines neuerlichen Hinweises des Vorsitzenden Richters des erkennenden Senats - einen entsprechenden Antrag den Bescheid vom 13. Juni 1988 betreffend nicht gestellt. Als Prozeßhandlung muß ein solcher Antrag eindeutig sein; er ist daher den Schreiben der Kläger auch nicht konkludent zu entnehmen.

Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Kläger ihr ursprüngliches Begehren, den Bescheid vom 17. September 1982 anzufechten, aufrechterhalten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Juni 1991 III R 86/89, BFH/NV 1992, 153; in BFH/NV 1995, 245). Ihre Berufung darauf, daß der Bescheid vom 21. Oktober 1996 inhaltlich keinen Änderungsbescheid gegenüber dem ursprünglichen Bescheid darstelle, geht fehl. Unabhängig von einer betragsmäßigen Entsprechung der jeweils festgesetzten Steuer ist allein entscheidend, ob ein Bescheid den vorhergehenden Bescheid formell geändert und ersetzt hat; nicht erheblich ist dagegen, ob er materielle Änderungen enthält (BFH-Urteile vom 20. Juli 1988 II R 164/85, BFHE 154, 13, BStBl II 1988, 955; in BFH/NV 1990, 722; BFH-Beschluß in BFH/NV 1992, 390).