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  BFH-Urteil vom 2.4.1997 (X R 21/93) BStBl. 1997 II S. 565

Vermietet der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH ein neuerrichtetes Bürogebäude zum Zwecke der büro- und verwaltungsmäßigen Nutzung an die GmbH, so liegt eine die Betriebsaufspaltung begründende sachliche Verflechtung jedenfalls dann vor, wenn das Gebäude für die Zwecke des Betriebsunternehmens hergerichtet oder gestaltet worden ist.

EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb bis zum 31. Dezember 1983 eine Agentur für Verkaufsförderung als Einzelfirma. Diese wurde zum 1. Januar 1984 mit allen Aktiva und Passiva auf die A Agentur für Werbung GmbH (im folgenden: GmbH) übertragen. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH ist der Kläger. Geschäftsgegenstand der GmbH ist eine Agentur für Verkaufsförderung und Werbung, insbesondere die Entwicklung und Produktion oder Vermittlung von Werbe- und Verkaufsförderungsmitteln, Entwicklung und Durchführung von Verkaufsförderungs- und Werbemaßnahmen, von Verkäuferseminaren und -veranstaltungen sowie die Vermittlung und Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen.

Im Jahre 1985 erwarb der Kläger das Grundstück B-Straße in M mit einer Fläche von ... qm, auf dem er ein Bürogebäude errichtete. Die Herstellungskosten betrugen bis Ende 1987 ... DM. Die GmbH stellte dem Kläger ca. 70 v. H. der Bausumme ohne Sicherheiten als Darlehen zur Verfügung. Mit Vertrag vom 20. Dezember 1986 vermietete der Kläger das Bürogebäude und die Außenanlagen ab dem 1. September 1987 zu einem monatlichen Mietpreis von ... DM zuzüglich Mehrwertsteuer an die GmbH. Auf diesem Grundstück befindet sich der Firmensitz (Firmenleitung).

Der Kläger behandelte die Einkünfte aus dem Grundstück B-Straße als solche aus Vermietung und Verpachtung. Er erklärte für das Streitjahr 1987 einen Verlust in Höhe von 97.341 DM. Nach einer Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) von einer Betriebsaufspaltung aus, so daß der Kläger aus seiner Vermietungstätigkeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb erziele. Er rechnete dem Kläger Gewinne aus Gewerbebetrieb in Höhe von 493.171 DM zu.

Die hiergegen nach insoweit erfolglosem Einspruch eingelegte Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe der GmbH das Bürogebäude als wesentliche Betriebsgrundlage überlassen. Das Grundstück sei für deren Betriebsführung erforderlich gewesen und habe deswegen ein besonderes Gewicht für die Betriebsführung gehabt. Das Gebäude sei für die Betriebsbedürfnisse der GmbH besonders hergerichtet worden. Man habe bei der Errichtung des Bauwerks auf die besondere Eigenart des mit der GmbH verfolgten Unternehmenszwecks und auf die geplanten Betriebsabläufe Rücksicht genommen und nicht nur einen allgemein verwendbaren Zweckbau errichtet. Das Gebäude habe nach seiner äußeren und inneren Gestaltung - Außenanlagen, Fassadengestaltung - Mitarbeitern wie Dritten "das Besondere der Werbeagentur" vermitteln sollen. Nach dem eigenen Selbstverständnis verlange der Unternehmenszweck als "Denkfabrik" Ideenreichtum und Kreativität. Das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes wolle die Aufmerksamkeit der Kunden wecken. Auch das Innere des Baukörpers weise auf seine besondere Verwendung hin. Hierzu hat das FG u. a. festgestellt:

...

Nach einem Zeitungsbericht, so das FG, sehe das Gebäude "wie postmodern" aus; es enthalte aber auch Bauhaus-Stilelemente.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er trägt vor: Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei für die Frage der Betriebsaufspaltung danach zu unterscheiden, ob das Besitzunternehmen ein Bürogebäude oder ein Fabrikationsgrundstück vermiete (BFH-Urteile vom 11. November 1970 I R 101/69, BFHE 100, 411, BStBl II 1971, 61; vom 12. November 1985 VIII R 253/80, BFH/NV 1986, 360). Bei Bürogebäuden spiele die besondere Gestaltung des Gebäudes keine Rolle. Auch das FG stelle bei der Beurteilung des Gebäudes nicht auf funktionelle Abläufe der Agentur ab, sondern auf die "Art der Tätigkeit als Agentur für Verkaufsförderung und Werbung". Dann aber sei offensichtlich, daß es sich um ein für Bürozwecke genutztes "Allerweltsgebäude" handele. Die Entwicklung seines Unternehmens zeige, daß es grundsätzlich jedes Gebäude büromäßig nutzen könne.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 1991 sowie den während des Revisionsverfahrens ergangenen Einkommensteuerbescheid vom 23. November 1993 dahin abzuändern, daß die Einkünfte aus Gewerbebetrieb weiterhin nur in Höhe der Einkünfte aus der gewerblichen Tätigkeit der Ehefrau, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betreffend das Gebäude B-Straße in Höhe von ./. 100.903 DM festgesetzt und die Einkünfte aus Kapitalvermögen um den Betrag von 81.887 DM für eine verdeckte Gewinnausschüttung erhöht werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der geänderte Einkommensteuerbescheid vom 23. November 1993 (§§ 68, 121 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung - die enge persönliche und sachliche Beziehung zwischen der Vermietungstätigkeit des Klägers und der Tätigkeit der GmbH (dazu BFH-Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) - und damit eines gewerblichen Unternehmens (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 EStG) sind im Streitfall erfüllt.

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Grundstücksvermietung an die GmbH und die Betriebsführung der GmbH über die Person des Klägers persönlich eng miteinander verflochten sind. Der Kläger ist Alleineigentümer des Grundstücks und Alleingesellschafter der GmbH.

2. Es liegt auch eine enge sachliche Verflechtung vor. Das die sachliche Verflechtung begründende besondere Gewicht für die Betriebsführung ergibt sich im Streitfall jedenfalls daraus, daß nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) das Bürogebäude nach seinem baulichen Zuschnitt für die besonderen Bedürfnisse der Betriebs-GmbH gestaltet worden ist.

a) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 23. Januar 1991 X R 47/87 (BFHE 163, 460, BStBl II 1991, 405) die Rechtsprechung des BFH zur wesentlichen Betriebsgrundlage bei einer Betriebsaufspaltung im Falle von Grundstücksverpachtungen(-vermietungen) zusammenfassend dargestellt. In seinem Urteil vom 26. Mai 1993 X R 78/91 (BFHE 171, 476, BStBl II 1993, 718) hat er die Auffassung vertreten, daß für die Frage der sachlichen Verflechtung lediglich auf die wirtschaftliche Bedeutung des Grundstücks für das Betriebsunternehmen abzustellen ist. Keine wesentliche Betriebsgrundlage ist demgemäß ein Betriebsgrundstück, das für das Betriebsunternehmen keine oder nur geringe wirtschaftliche Bedeutung hat (BFH-Urteile vom 4. November 1992 XI R 1/92, BFHE 169, 452, BStBl II 1993, 245; vom 17. November 1992 VIII R 36/91, BFHE 169, 389, BStBl II 1992, 233, jeweils mit Nachweisen). Eine wirtschaftliche Bedeutung ist nach dem Urteil in BFHE 171, 476, BStBl II 1993, 718 insbesondere anzunehmen, wenn das Betriebsunternehmen in seiner Betriebsführung auf das ihm zur Nutzung überlassene Grundstück angewiesen ist, weil

- die Betriebsführung durch die Lage des Grundstücks bestimmt wird (zuletzt BFH-Urteil vom 12. Februar 1992 XI R 18/90, BFHE 167, 499, BStBl II 1992, 723 für das Ladenlokal eines Getränkeeinzelhandels; im Ergebnis auch BFH-Urteil vom 26. Juni 1992 III R 91/88, BFH/NV 1993, 167 für die Räumlichkeiten eines Textileinzelhandels an einer Hauptverkehrsstraße) oder

- das Grundstück auf die Bedürfnisse des Betriebs zugeschnitten ist, vor allem, wenn die aufstehenden Baulichkeiten für die Zwecke des Betriebsunternehmens hergerichtet oder gestaltet worden sind (zuletzt BFH-Urteile vom 10. April 1991 XI R 22/89, BFH/NV 1992, 312; vom 26. März 1992 IV R 50/91, BFHE 168, 96, BStBl II 1992, 830 für Grundstücke von Fertigungsbetrieben) oder

- das Betriebsunternehmen aus anderen innerbetrieblichen Gründen ohne ein Grundstück dieser Art den Betrieb nicht fortführen könnte.

b) Die Finanzverwaltung hatte zu dem Problem in Abschn. 137 Abs. 5 Satz 11 Nr. 1 Satz 11 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1990 unter Bezugnahme auf die BFH-Urteile in BFHE 100, 411, BStBl II 1971, 61 und vom 24. August 1989 IV R 135/86 (BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014) folgendes bestimmt: Sei ein Betrieb in seiner Gesamtheit nicht auf bestimmte Grundstücke oder Gebäude angewiesen, bildeten sie keine wesentliche Betriebsgrundlage; dies sei für Büroräume eines Verlagsunternehmens anzunehmen, bei denen ausschließlich eine büro- und verwaltungsmäßige Nutzung vorliege. In den EStR 1993 ist diese Anweisung nicht mehr enthalten.

Nach Ergehen des Senatsurteils in BFHE 171, 476, BStBl II 1993, 718 ist in der Literatur die Frage erörtert worden, ob die durch dieses Urteil bewirkte Ausweitung des Kreises der als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehenden Grundstücke sich auch auf Bürogebäude erstrecke (verneinend z. B. Kempermann, Finanz-Rundschau 1993, 593, 596; zweifelnd Märkle, Betriebs- Berater 1994, 831, 835). Die Oberfinanzdirektionen München und Cottbus haben in Verfügungen vom 21. Dezember 1994 (Der Betrieb 1995, 118 f.) und vom 30. Januar 1995 (GmbH-Rundschau 1995, 319, 398) im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder die Auffassung vertreten, "reine" Büro- und Verwaltungsgebäude seien "im allgemeinen" nicht für die Bedürfnisse der Betriebsgesellschaft gestaltet. An dieser Verwaltungsauffassung habe sich durch das Urteil in BFHE 171, 476, BStBl II 1993, 718 nichts geändert. Im Einzelfall sei aber nach wie vor zu prüfen, ob ein Bürogebäude aufgrund von Art und Umfang der Geschäftstätigkeit des Betriebsunternehmens, der besonderen Lage oder des baulichen Zuschnitts des Gebäudes eine wesentliche Betriebsgrundlage des Betriebsunternehmens darstelle.

c) Der I. Senat des BFH hat auf Anfrage mitgeteilt, ein Rechtssatz des Inhalts, daß auch die Vermietung eines Bürogebäudes zur bloßen büro- und verwaltungsmäßigen Nutzung eine sachliche Verflechtung begründe, weiche von seinem Urteil in BFHE 100, 411, BStBl II 1971, 61 ab und daß er einer solchen Abweichung nicht zustimme. Der IV. Senat hat auf Anfrage ausgeführt, daß eine Auffangklausel, aufgrund derer jedwedes betrieblich genutzte Grundstück als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen sei, durch die Zustimmung des Senats zum Urteil des X. Senats in BFHE 171, 476, BStBl II 1993, 718 nicht gedeckt sei; es gebe aber Grundstücke, die nach Zuschnitt und Lage besonderes Gewicht für die Betriebsführung hätten.

d) Der Senat läßt dahingestellt, ob die sachliche Verflechtung im Streitfall nicht bereits aufgrund der besagten Auffangklausel deswegen zu bejahen ist, weil das Betriebsunternehmen auf die Nutzung des vom Kläger überlassenen bebauten Grundstücks angewiesen ist, da es ohne ein Grundstück dieser Art seinen Betrieb nicht fortführen könnte. Er läßt weiterhin unerörtert, ob er der Unterscheidung zwischen "reinen", zu ausschließlich büro- oder verwaltungsmäßigen Nutzung vermieteten/verpachteten Bürogebäuden und sonstigen Gebäuden folgen könnte. Denn jedenfalls sind hier Grundstücke und das Gebäude auf die Bedürfnisse des Betriebs der Werbeagentur zugeschnitten, da sie für die besonderen Zwecke des Betriebsunternehmens hergerichtet bzw. gestaltet worden sind.

Die diesbezüglichen Feststellungen des FG, gegen die der Kläger keine zulässigen und begründeten Rügen erhoben hat, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Seine Wertung, es handele sich bei dem anläßlich der Begründung der (unechten) Betriebsaufspaltung errichteten Bauwerk entgegen der Darlegung des Klägers nicht um ein "für Bürozwecke genutztes Allerweltsgebäude", hat das FG nachvollziehbar begründet. Der Vortrag, das Gebäude könne auch von anderen Dienstleistungsunternehmen - z. B. von Ärzten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern, Versicherungsunternehmen - genutzt werden, ist rechtlich unerheblich, da dieser hypothetische Vergleich nicht die Bedeutung derjenigen Umstände ausräumt, die im konkreten Fall das sachliche Gewicht eines Gebäudes für die Betriebsführung begründen. Unerheblich ist auch der Einwand des Klägers, die Betriebs-GmbH könne jedes Gebäude büromäßig nutzen; mit diesem Hinweis verkennt er, daß vorliegend nicht ein gedachter, sondern der von ihm bewußt gestaltete Sachverhalt rechtlich zu beurteilen ist.