| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 24.4.1997 (IV R 60/95) BStBl. 1997 II S. 567

1. Die Umqualifizierung freiberuflicher Einkünfte in gewerbliche nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ("Abfärbetheorie") kommt nur dann in Betracht, wenn die Tätigkeit nicht als einheitlich zu betrachtende Gesamtbetätigung anzusehen ist.

2. Der Ankauf und Verkauf von Waren ist der freiberuflichen Tätigkeit derart wesensfremd, daß sie zur gewerblichen Prägung der einheitlichen Gesamtbetätigung führt.

EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1.

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieben während der Streitjahre (1982 bis 1985) in der Rechtsform einer 1980 gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ein Ingenieurbüro. Hervorgegangen war das Büro aus der beratenden Tätigkeit des Gesellschafters Dr. X. auf verschiedenen technischen Gebieten.

Anfangs wurden ausschließlich Beratungsprojekte durchgeführt, deren Ergebnisse in Form von Gutachten und Berichten dokumentiert wurden. Mit dem zunehmenden Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen auch im Konstruktions- und Entwicklungsbereich der Kunden äußerten diese den Wunsch, Berechnungs- und Auslegungsgänge in Form von Computerprogrammen einzusetzen. Die Ingenieurtätigkeit erstreckte sich damit zunehmend auch auf die Entwicklung entsprechender Berechnungs- und Auslegungsprogramme. Bei allen diesen Programmen handelte es sich um individuelle kundenspezifische Einzellösungen für ein Ingenieurproblem, das nicht für andere Kunden verwendet werden konnte.

Nach dem Vorbringen der Kläger verlangten die Kunden stets die Lieferung komplett arbeitsfähiger Systeme einschließlich der jeweils optimalen Hardware. Daher schloß die GbR mit einem Computer-Hersteller (im folgenden: CH) erstmals im April 1982 Rahmenverträge für Computerprodukte nebst Anlagen, in denen ihr je nach abgenommener Menge Nachlässe auf den Listenpreis in Höhe von 10 bis 25 v. H. eingeräumt wurden.

Der Gesamtumsatz der GbR betrug in den Streitjahren rd. ... Mio DM. Davon entfielen nach den Angaben der Kläger auf den Geräteumsatz rd. 40 v. H.

Die GbR erklärte die in den Streitjahren 1982 bis 1985 erzielten Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte sie entsprechend.

Anläßlich einer für die Streitjahre durchgeführten Außenprüfung stellte der Prüfer fest, daß die GbR die eingangs beschriebenen Leistungen im Computerbereich erbracht hatte. Er vertrat die Auffassung, der Vertrieb der CH-Produkte müsse als gewerbliche Tätigkeit angesehen werden. Die Kläger hätten die von CH eingeräumten Rabatte nicht an die Kunden weitergegeben. Da freiberufliche und gewerbliche Tätigkeiten zusammenfielen, gelte die Tätigkeit der GbR nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in vollem Umfang als Gewerbebetrieb.

Das FA erließ einen entsprechend geänderten, für die Streitjahre zusammengefaßten Feststellungsbescheid.

Hiergegen wandten sich die Kläger nach erfolglosem Einspruch mit der Klage. Zur Begründung führten sie aus, der Wandel auf dem Gebiet der EDV zwinge dazu, die Kunden über die zu verwendenden Datenverarbeitungsanlagen nicht nur zu beraten, sondern die erstellte Software auf Datenverarbeitungsanlagen zu implementieren und diese Anlagen mit dem implementierten Programm an die Kunden auszuliefern. Es habe den Kunden erspart werden sollen, zu zwei voneinander unabhängigen Ansprechpartnern für Hardware und Software Kontakt halten zu müssen. Bei 10 v. H. des Geräteumsatzes habe es sich um den Verkauf nicht mehr benötigter eigener Hardware gehandelt, bei 30 v. H. um Lieferungen an befreundete Hochschulinstitute. In den letztgenannten Fällen sei gewöhnlich zu Selbstkosten geliefert worden.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß die von der GbR in den Streitjahren erzielten Einkünfte in vollem Umfang als gewerblich zu behandeln sind.

1. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das FG die Tätigkeit der GbR - den Geräteverkauf hinweggedacht - als freiberuflich eingestuft hat. Entgegen der vom FA im Klageverfahren vertretenen Ansicht folgt aus dem Senatsurteil vom 7. Dezember 1989 IV R 115/87 (BFHE 159, 171, BStBl II 1990, 337) nichts anderes. Dort hatte der Senat entschieden, daß die Entwicklung von Anwendersoftware (im Gegensatz zu der von Systemsoftware) nicht eo ipso als ingenieurähnliche Tätigkeit anzusehen ist. Der Senat hat aber darauf hingewiesen, es sei nicht ausgeschlossen, daß beispielsweise ein Diplom-Physiker, der Anwendungsprogramme für den Bereich der physikalischen Forschung entwickle, wissenschaftlich i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG tätig sei (unter 1. c cc). Entsprechendes gilt für Diplom-Ingenieure, die im Zusammenhang mit der ingenieurmäßigen Beratung ihren Kunden Software zur Verwertung der ausgearbeiteten Lösungen überlassen. Vom Vorliegen eines solchen Sachverhalts ist das FG ausgegangen.

2. Gleichwohl sind die Einkünfte der GbR insgesamt als gewerblich zu qualifizieren, weil sie in nicht unerheblichem Umfang Computerhardware veräußert hat.

a) Allerdings ist den Klägern darin zuzustimmen, daß die Umqualifizierung freiberuflicher Einkünfte in gewerbliche nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ("Abfärbetheorie") nur dann in Betracht kommt, wenn die Tätigkeit nicht als einheitlich zu betrachtende Gesamtbetätigung anzusehen ist. Eine gemischte Tätigkeit muß vielmehr, unabhängig von der "Abfärbetheorie", danach qualifiziert werden, welche Tätigkeit der Gesamtbetätigung das Gepräge gibt (vgl. etwa Senatsurteil vom 1. Februar 1979 IV R 113/76, BFHE 128, 67, BStBl II 1979, 574 unter 3.). Dem FG ist offenbar der Irrtum unterlaufen, daß es die (nicht normierte) "Geprägerechtsprechung" und die (in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG enthaltene) "Abfärbetheorie" für identisch gehalten hat. Im Ergebnis kommt es hierauf jedoch nicht an.

b) Die Kläger machen geltend, die von ihnen geleistete Beratungstätigkeit lasse sich von der Lieferung der Computerhardware nicht trennen, da die Kunden ein fertiges Produkt von Soft- und Hardware aus einer Hand verlangt hätten.

Übt ein Steuerpflichtiger sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so sind sie nach der (jüngeren) steuerlichen Rechtsprechung zu trennen, sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich ist. Das gilt auch dann, wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestehen (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Juli 1991 IV R 102/90, BFHE 166, 36, BStBl II 1992, 413, m. w. N.). Sind allerdings bei einer Tätigkeit beide Tätigkeitsarten derart miteinander verflochten, daß sie sich gegenseitig unlösbar bedingen, so liegt eine einheitliche Tätigkeit vor, die steuerlich danach zu qualifizieren ist, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element vorherrscht (BFH-Urteil in BFHE 166, 36, BStBl II 1992, 413). Schuldet ein Steuerpflichtiger gegenüber seinem Auftraggeber einen einheitlichen Erfolg, so ist auch die zur Durchführung des Auftrags erforderliche Tätigkeit regelmäßig als einheitliche zu beurteilen (vgl. BFH-Urteile vom 7. November 1991 IV R 17/90, BFHE 166, 443, BStBl II 1993, 324; vom 29. Januar 1970 IV R 78/66, BFHE 98, 176, BStBl II 1970, 319). Werden in einem Betrieb nur gemischte Leistungen erbracht, so ist der Betrieb danach zu qualifizieren, welche Tätigkeit die Gesamttätigkeit charakterisiert (BFH-Urteil vom 30. März 1994 I R 54/93, BFHE 175, 40, BStBl II 1994, 864).

Geht man mit den Klägern davon aus, daß im Betrieb der GbR überwiegend in vorgenanntem Sinne gemischte Leistungen erbracht wurden, so ist das Unternehmen insgesamt als gewerblich anzusehen, ohne daß es einer Umqualifizierung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bedürfe. Für die Frage, welche der einzelnen Tätigkeiten der Gesamttätigkeit das Gepräge gibt, kommt es nicht auf den geschätzten Anteil der einzelnen Tätigkeitsarten am Umsatz oder Ertrag an (Schmidt, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 15 Rdnr. 98). Es kommt auch nicht notwendigerweise darauf an, welcher Teil der Gesamtleistung für den Kunden im Vordergrund steht. So ist etwa die entgeltliche Beherbergung und Verköstigung von Internatsschülern oder Krankenhauspatienten der freiberuflichen Tätigkeit derart wesensfremd, daß sie zur gewerblichen Prägung der Gesamttätigkeit führt, sofern sie nicht ein notwendiges Hilfsmittel für die unterrichtende oder ärztliche Tätigkeit ist und mit ihr kein besonderer Gewinn erstrebt wird (vgl. z. B. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 15. März 1939 VI 119/39, RFHE 46, 291, RStBl 1939, 853, und Senatsurteil vom 12. November 1964 IV 153/64 U, BFHE 81, 246, BStBl III 1965, 90, jeweils zu einer von einem Arzt beschriebenen Klinik; BFH-Urteile vom 19. Juni 1963 I 375/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1963, 393 zu einem von einem Arzt betriebenen Kurheim; vom 30. Juni 1964 VI 301/62 U, BFHE 80, 436, BStBl III 1964, 630 zu einem mit einer Unterrichtsanstalt verbundenen Internat). Auch der Ankauf und Verkauf von Waren ist der freiberuflichen Tätigkeit wesensfremd. Demgemäß hat die Rechtsprechung den Verkauf von Medikamenten seitens eines Arztes aus seiner Hausapotheke als gewerblich angesehen (RFH-Urteil vom 20. September 1939 VI 531/39, RStBl 1940, 14; BFH-Urteil vom 26. Mai 1977 V R 95/76, BFHE 123, 199, BStBl II 1977, 879). Der Arzt tritt insoweit in Wettbewerb zu dem gewerblich tätigen Apotheker. Entsprechendes gilt für den Verkauf von Einlagen durch einen Masseur und Fußpfleger und die Abgabe von Tee seitens eines Heilpraktikers (BFH-Urteile vom 6. Dezember 1955 I 200/54, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 88; vom 12. Januar 1961 IV 9/58, StRK, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 149).

Diese Grundsätze, an denen der Senat festhält, sind auch im Streitfall anzuwenden. Der Verkauf von Computerhardware stellt nicht eo ipso ein notwendiges Hilfsmittel für die beratende Ingenieurtätigkeit dar. Das gilt auch dann, wenn den Kunden - wie die Kläger vortragen - besonders daran gelegen war, Software und Hardware aus einer Hand zu beziehen. Der Senat will nicht ausschließen, daß es Fälle geben kann, in denen dem Hardwareverkauf eines Ingenieurbüros eine derartig dienende Funktion zukommt. Das FG hat jedoch keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ergibt, daß es sich im Streitfall so verhielt. Die Kläger haben innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) keine Verfahrensmängel geltend gemacht. Sie können daher mit der erstmalig in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Rüge, das FG habe einen Sachverständigen hinzuziehen müssen, nicht mehr gehört werden (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1978 I R 9/78, BFHE 126, 383, BStBl II 1979, 184). Abgesehen davon haben die Kläger dem Akteninhalt zufolge auch Standard-Hardware wie Drucker und Tischrechner verkauft, ohne daß dabei ein Bezug zu einer Ingenieurleistung zu erkennen gewesen wäre. Die Kläger hätten deshalb anhand konkreter Beispiele substantiiert und nachprüfbar darlegen müssen, weshalb die Ingenieurleistungen ohne Hardware-Lieferungen nicht hätten erbracht werden können. Bloße Behauptungen waren hierfür unzureichend und boten auch keine Grundlage für die Begutachtung durch einen Sachverständigen. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG hat die GbR mit dem Verkauf der Computerhardware auch Gewinne erzielt, die neben die Erträge aus der beratenden Ingenieurtätigkeit traten ("besondere Gewinne"). Sie trat daher mit dem Verkauf von Computerhardware in Konkurrenz zu den rein kommerziellen Computerhändlern. Die Behauptung, die Überschüsse hätten allenfalls ausgereicht, um die Kosten des Vertriebs zu decken, ist ebenfalls nicht durch nachprüfbare Darlegungen gestützt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 18. Mai 1995 IV R 31/94, BFHE 178, 69, BStBl II 1995, 718).

c) Im Gegensatz zu dem den vorstehenden Ausführungen zugrunde gelegten Vorbringen der Kläger spricht einiges dafür, daß der Verkauf der Computerhardware durchaus von ihrer Tätigkeit als beratende Ingenieure zu trennen war. Von dieser Auffassung sind der Betriebsprüfer und ihm folgend das FA ausgegangen. Sie wird gestützt durch die in der Prüferhandakte befindlichen Bestellscheine, in denen Soft- und Hardwarebestellungen getrennt ausgewiesen sind, wobei manche ausschließlich auf Hardware lauten. Das FG hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Die Sache ist gleichwohl entscheidungsreif. Handelte es sich um trennbare Leistungen, waren sie nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ("Abfärbetheorie") insgesamt als gewerblich zu behandeln, da die GbR "auch" eine Tätigkeit i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG (gewerbliche Tätigkeit) ausübte. Die GbR ist eine "andere Personengesellschaft" im Sinne dieser Vorschrift.

Die vom FG gegen die Anwendbarkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auf den Streitfall geäußerten Bedenken greifen nicht durch. Allerdings führt die Bestimmung dazu, daß die Innehabung unterschiedlicher Betriebe bei einer Personengesellschaft anders behandelt wird als bei einem Einzelunternehmer. Der Senat hat darauf hingewiesen, daß diese Nachteile dadurch vermieden werden können, daß die gewerbliche Betätigung in eine Schwestergesellschaft ausgelagert wird (Senatsurteil vom 10. November 1983 IV R 86/80, BFHE 140, 44, BStBl II 1984, 152). Das wäre auch den Klägern möglich gewesen, sofern die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG vorlagen. Die "Abfärbetheorie" greift - wie unter 2. a dargelegt - nur in den Fällen ein, in denen die gewerblichen Leistungen bei einem Einzelunternehmer von den freiberuflichen getrennt werden könnten. Infolgedessen kann eine nicht durch Ausgliederung zu behebende Ungleichbehandlung von Personengesellschaft einerseits und Einzelunternehmer andererseits entgegen der Auffassung des FG nicht darauf beruhen, daß freiberufliche und gewerbliche Einzeltätigkeit untrennbar miteinander verknüpft sind. Liegt ein solcher Fall vor und gibt die gewerbliche Tätigkeit der Gesamtbetätigung ihr Gepräge, so erzielen Einzelunternehmer und Personengesellschaft gleichermaßen insgesamt gewerbliche Einkünfte, ohne daß es auf die "Abfärbetheorie" ankäme.