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  BFH-Urteil vom 13.11.1996 (XI R 69/95) BStBl. 1997 II S. 579

Die entgegen § 25a Abs. 3 UStG 1991 ausgewiesene Umsatzsteuer wird nicht gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1991 geschuldet und kann ggf. gemäß § 14 Abs. 2 UStG 1991 berichtigt werden.

UStG 1991 § 25a Abs. 3, § 14 Abs. 2, 3.

Vorinstanz: Thüringer FG (EFG 1996, 120)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt einen Handel mit gebrauchten Kfz. Im Jahr 1992 verkaufte der Kläger einen PKW Honda Accord an einen privaten Käufer; er stellte eine Rechnung über 31.900 DM incl. 14 % Mehrwertsteuer = 3.636,60 DM aus, obgleich die Veräußerung der Differenzbesteuerung i. S. des § 25a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1991) unterworfen werden sollte. Der Kläger erteilte im Jahr 1993 eine korrigierte Rechnung ohne gesonderten Umsatzsteuer-Ausweis und legte eine Bestätigung vor, daß der Käufer die Vorsteuer nicht in Anspruch genommen habe. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erfaßte die ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG 1991 i. V. m. Abschn. 276 a Abs. 8 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR 1992).

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 120 veröffentlicht. Der Kläger sei nicht als Nichtberechtigter i. S. des § 14 Abs. 3 UStG 1991 anzusehen. § 14 Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 sei auf § 25a Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 nicht anwendbar; diese Regelung sei auf Kleinunternehmer beschränkt. Kleinunternehmer würden grundsätzlich wie Nichtunternehmer behandelt; dagegen unterlägen die Umsätze eines entgegen § 25a Abs. 3 UStG 1991 handelnden Unternehmers grundsätzlich der Umsatzsteuer. Überdies könne nach § 25a Abs. 4 UStG 1991 auf die Anwendung der Differenzbesteuerung verzichtet werden. Der Kläger schulde die Umsatzsteuer auch nicht nach § 14 Abs. 2 UStG 1991, da die Rechnung berichtigt worden sei.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Die Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG 1991 auf Fälle des § 25a UStG 1991 sei gerechtfertigt, um Mißbräuche zu verhindern. § 25a Abs. 4 UStG 1991 setze - im Unterschied zum Streitfall - die Lieferung an einen anderen Unternehmer voraus.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist der Auffassung, daß die Anwendung des § 14 Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 bei Nichtbeachtung der in § 25a Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 getroffenen Anordnung zum Zweck des § 14 Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 gedeckt sei. Der Zweck dieser Vorschrift bestehe darin, Mißbräuchen und der damit verbundenen Gefährdung des Steueraufkommens entgegenzuwirken. Bei offenem Steuerausweis im Fall der Differenzbesteuerung bestehe zumindest bei "Händler-Händler-Geschäften" eine Gefährdung des Steueraufkommens.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das angefochtene Urteil ist aufzuheben; die Klage ist abzuweisen. Das FG hat zwar zu Recht die Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG 1991 im Streitfall verneint. Der ausgewiesene Steuerbetrag konnte aber nicht im Streitjahr 1992 berichtigt werden.

1. Gemäß § 25a Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 findet die Vorschrift über den gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung (§ 14 Abs. 1 UStG 1991) keine Anwendung. Die Rechtsfolgen, die bei Nichtbeachtung dieser Regelung eintreten, werden unterschiedlich beurteilt.

Das BMF (vgl. Abschn. 276 a Abs. 8 Satz 2 UStR 1992; BMF-Schreiben vom 28. November 1994 IV C 3 - S 7421 - 17/94, BStBl I 1994, 869, 873 - unter IV (1) -) und ein Teil der Literatur (Mößlang in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz - Stand November 1994 -, § 25a Bem. 34; Kraeusel in Schwarze/Reiss/Kraeusel, Umsatzsteuergesetz, § 25a Rz. 162) sind der Auffassung, daß bei gesondertem Steuerausweis die Steuer nach § 14 Abs. 3 UStG 1991 geschuldet werde.

Ein anderer Teil der Literatur ist demgegenüber der Auffassung, daß § 14 Abs. 3 UStG 1991 nicht anwendbar sei und die Rechnung ggf. gemäß § 14 Abs. 2 UStG 1991 berichtigt werden könne (Lippross, Deutsches Steuerrecht 1990, 724, 727; Widmann, Der Betrieb 1990, 1057, 1059; Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, 7. Aufl., April 1995, § 25a Rdnr. 125; Hundt-Esswein in Schüle/Teske/Wendt, Umsatzsteuergesetz, § 25a UStG 1993 Rdnr. 34 ff.; Bülow in Vogel/Reinisch/Hoffmann/Schwarz, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 25a Rdnr. 52).

2. Der Senat folgt der letzgenannten Auffassung.

a) Nach dem Wortlaut des § 25a Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 findet zwar die Vorschrift über den gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung (§ 14 Abs. 1 UStG 1991) keine Anwendung. Diese Regelung berechtigt den Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen, Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis auszustellen, und ist ihrerseits mit § 14 Abs. 3 UStG 1991 verknüpft: Wer trotz fehlender Berechtigung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, schuldet diesen Betrag. Die in § 25a Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 getroffene Regelung der Nichtanwendbarkeit des § 14 Abs. 1 UStG 1991 eröffnet die Möglichkeit, § 14 Abs. 3 UStG 1991 anzuwenden.

§ 14 Abs. 3 UStG 1991 erfaßt regelmäßig den (unberechtigten) Steuerausweis von Nichtberechtigten (§ 14 Abs. 3 Satz 1 UStG 1991; insbesondere Kleinunternehmer i. S. des § 19 Abs. 1 UStG 1991), von Nichtunternehmern (§ 14 Abs. 3 Satz 2 1. Alternative UStG 1991) und bei nicht ausgeführten Leistungen (§ 14 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative UStG 1991). Das Gesetz enthält keinen ausdrücklichen Hinweis, daß § 14 Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 auf Kleinunternehmer beschränkt sein soll. Der Gesetzgeber hat mit § 25a Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 einen weiteren Tatbestand der Nichtberechtigung geschaffen, der ebenfalls vom Wortlaut des § 14 Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 erfaßt wird und der der für Kleinunternehmer geschaffenen Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG 1991 insoweit nachgebildet ist; dort heißt es vergleichbar, daß in den Fällen des Satzes 1 die Vorschrift(en) ... über den gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung (§ 14 Abs. 1 UStG) keine Anwendung finden.

b) Jedoch ist die Anwendung des § 14 Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 bei Nichtbeachtung der in § 25a Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 getroffenen Anordnung nicht vom Zweck des § 14 Abs. 3 Satz 1 UStG 1991 gedeckt. Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, Mißbräuche und die damit verbundene Gefährdung des Steueraufkommens zu verhindern (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Oktober 1993 XI R 99/90, BFHE 172, 555, BStBl II 1994, 277, m. w. N.). Indes besteht bei offenem Steuerausweis im Fall der Differenzbesteuerung keine Gefährdung des Steueraufkommens, die die Anwendung dieser Vorschrift rechtfertigen könnte. In diesen Fällen wird die auf die Marge entfallende Umsatzsteuer oder - wie im Streitfall - auch ein höherer Betrag ausgewiesen und abgeführt; der Empfänger der Leistung kann ggf. die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen. Im Fall des Kleinunternehmers hingegen wird die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht abgeführt, obwohl der Empfänger der Leistung die Umsatzsteuer ggf. als Vorsteuer abziehen kann. Es ist also zu unterscheiden zwischen Nichtberechtigten, die an sich keine Umsatzsteuer schulden, und solchen Nichtberechtigten, die trotz ihrer Nichtberechtigung die ausgewiesene Umsatzsteuer in jedem Fall - auch ohne § 14 Abs. 3 UStG 1991 - abzuführen haben.

Auch bei einem "Händler-Händler-Geschäft" kann es nicht zu einer Gefährdung des Steueraufkommens kommen. Abzuführende Umsatzsteuer auf der einen Seite und der Vorsteuerabzug auf der anderen Seite gleichen sich aus. Im Fall der Weiterlieferung ist § 25a UStG 1991 gemäß Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b nicht mehr anwendbar (Widmann in Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., Stand April 1990, § 25a Rz. 97).

Diese Beurteilung steht nicht im Widerspruch zum Senatsurteil in BFHE 172, 555, BStBl II 1994, 277. In dieser Entscheidung hat der Senat zwar ausgeführt, daß § 14 Abs. 3 UStG 1980 ein abstrakter Gefährdungstatbestand sei, der nicht einschränkend ausgelegt werden könne. Diese Beurteilung bezog sich jedoch auf einen Fall, in dem ein typischer Gefährdungstatbestand gegeben war, nämlich die Rechnungsausstellung durch einen Nichtunternehmer.

3. Der ausgewiesene Steuerbetrag kann somit grundsätzlich gemäß § 14 Abs. 2 UStG 1991 berichtigt werden. Diese Vorschrift ist bei unrichtigem Steuerausweis anzuwenden. Sie erfaßt den Fall, daß ein Unternehmer einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen hat. Der Tatbestand erfaßt aber nicht nur Fälle, in denen ein falscher Steuersatz angewendet wurde oder bei der Steuerberechnung ein Fehler unterlaufen ist, sondern auch den Steuerausweis bei nichtsteuerbaren und steuerfreien Leistungen. Es ist daher für die Anwendung des § 14 Abs. 2 UStG 1991 unerheblich, aus welchem Grund der Steuerbetrag unrichtig ausgewiesen wurde (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb/List, a. a. O., § 14 Bem. 117 ff., m. w. N.).

Im Streitfall ist der Steuerbetrag jedoch erst im Besteuerungszeitraum 1993 berichtigt worden. Da § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1991 hinsichtlich der Wirkungen der Berichtigung auf § 17 Abs. 1 UStG verweist, schuldet der Kläger im Streitjahr 1992 die ausgewiesene Umsatzsteuer; die Korrekturen der Steuer können erst in dem Besteuerungszeitraum vorgenommen werden, in dem die Rechnung berichtigt wird (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 1994 XI R 78/93, BFHE 176, 152, BStBl II 1995, 33).