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  BFH-Beschluß vom 30.7.1997 (II R 33/95) BStBl. 1997 II S. 626

Die Verbindung mehrerer selbständiger Klageverfahren unterschiedlicher Kläger kommt wegen der auch das Gericht bindenden Verpflichtung, das Steuergeheimnis zu wahren (§ 30 AO 1977), regelmäßig nur dann und insoweit in Betracht, wie die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft (vgl. § 59 FGO i. V. m. §§ 59 ff. ZPO) gegeben sind. Für den Steuerprozeß bedeutet dies, daß eine Verbindung von Klageverfahren unterschiedlicher Kläger grundsätzlich nur dann in Betracht kommt, wenn diese Kläger sämtlich jeweils an dem oder den streitigen Steuerrechtsverhältnis(sen) oder dem Rechtsvorgang beteiligt sind, durch den der Steuertatbestand verwirklicht wurde.

FGO § 59, § 73 Abs. 1; ZPO §§ 59 ff.; AO 1977 § 30.

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionskläger zu 1. bis 6. (Kläger) erwarben durch notariell beurkundete Kaufverträge vom 19. Februar 1986 jeweils zu Alleineigentum Grundstücke, die Teil eines Sanierungsgebietes waren. Verkäuferin der Grundstücke war die X in ihrer Eigenschaft als Sanierungstreuhänderin. Diese hatte für die Grundstücke eine genehmigte Bauplanung für die Errichtung von sieben Mietwohnhäusern sowie einen kompletten Neubau erstellen lassen und der Firma B-GmbH & Co. KG die Option zur Bebauung der Grundstücke auf der Grundlage der von der B-GmbH & Co. KG durchgeführten Kalkulation des Gesamtaufwandes eingeräumt.

Ebenfalls am 19. Februar 1986 schlossen die Kläger jeweils einen Treuhandvertrag mit der Firma T ab. Alle Kläger haben danach Bauerrichtungsverträge mit der Firma B-GmbH & Co. KG abgeschlossen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte zunächst im April 1986 unter Zugrundelegung der jeweiligen Grundstückskaufpreise Grunderwerbsteuer gegenüber den einzelnen Klägern fest. Die Bescheide ergingen endgültig und wurden bestandskräftig.

Aufgrund einer Mitteilung der Großbetriebsprüfungsstelle über den Abschluß nicht nur des Grundstückskaufvertrages, sondern einer Vielzahl von weiteren Verträgen erließ das FA im Jahre 1989 gegenüber den einzelnen Klägern geänderte Grunderwerbsteuerbescheide, in denen das FA die Grunderwerbsteuer unter Einbeziehung der Gebäudeerichtungskosten festsetzte.

Mit ihren nach erfolglos gebliebenem Einspruchsverfahren erhobenen Klagen machten die Kläger geltend, die Voraussetzungen für eine Änderung der ursprünglichen Bescheide nach § 173 der Abgabenordnung (AO 1977) seien nicht gegeben, weil dem FA die steuererheblichen Tatsachen bekanntgewesen seien bzw. hätten bekanntgewesen sein müssen.

Das Finanzgericht (FG) hat die einzelnen Klagen der Kläger zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und "die Klage abgewiesen". Es hat in seinem Urteil ausgeführt, daß das FA nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 berechtigt gewesen sei, die ursprünglichen Steuerfestsetzungen zu ändern.

Hiergegen richtet sich die - vom FG zugelassene - in einem einheitlichen Schriftsatz eingelegte Revision der Kläger.

Entscheidungsgründe

II.

Nach § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht durch Beschluß mehrere bei ihm anhängige Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden und wieder trennen. Die Trennung bzw. Verbindung von Verfahren ist grundsätzlich in jedem Verfahrensabschnitt, d. h. auch im Revisionsverfahren möglich (vgl. Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 73 Rn. 20).

Die Trennung der vom FG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klageverfahren ist im Streitfall geboten, weil der Verbindung der Verfahren wesentliche Interessen der Beteiligten entgegenstehen.

Die Verbindung mehrerer selbständiger Klageverfahren unterschiedlicher Kläger kommt wegen der auch das Gericht bindenden Verpflichtung, das Steuergeheimnis zu wahren (§ 30 AO 1977), regelmäßig nur dann und insoweit in Betracht, wie die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft (vgl. § 59 FGO i. V. m. §§ 59 ff. der Zivilprozeßordnung - ZPO -) gegeben sind. Die Streitgenossenschaft erfordert entweder, daß die mehreren Kläger hinsichtlich des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund berechtigt oder verpflichtet sind (§ 59 ZPO) oder daß gleichartige und auf einem im wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grunde beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden (§ 60 ZPO). Für den Steuerprozeß bedeutet dies, daß eine Verbindung von Klageverfahren unterschiedlicher Kläger grundsätzlich nur dann in Betracht kommt, wenn diese Kläger sämtlich jeweils an dem oder den streitigen Steuerrechtsverhältnis(sen) oder dem Rechtsvorgang beteiligt sind, durch den der Steuertatbestand verwirklicht wurde. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, kann weder von einer Rechtsgemeinschaft noch von einer Gleichartigkeit von Ansprüchen oder Verpflichtungen gesprochen werden.

Erwerben - wie im Streitfall - unterschiedliche Personen durch unterschiedliche Rechtsvorgänge (Kaufverträge) unterschiedliche Grundstücke zu Alleineigentum, kommt eine Verbindung von Klageverfahren, mit denen sich diese Personen gegen die Festsetzung von Grunderwerbsteuer wegen dieser Erwerbsvorgänge wenden, selbst dann nicht in Betracht, wenn die Grundstücke in einem engen räumlichen Zusammenhang stehen, von einem Eigentümer erworben wurden und einheitlich bebaut werden sollten. Denn es handelt sich insoweit um unterschiedliche Steuerrechtsverhältnisse und unterschiedliche Rechtsvorgänge, an denen jeweils nur die einzelnen Kläger beteiligt sind.

Die Trennung ist auch wegen der - durch die Verbindung der Verfahren herbeigeführt - unzumutbaren kostenmäßigen Auswirkungen erforderlich. Nach der Verbindung mehrerer Verfahren liegt ein einheitliches Verfahren vor. Es ist nach einem einheitlichen Streitwert die Kostenentscheidung einheitlich zu treffen. Nach § 58 Abs. 1, § 59 des Gerichtskostengesetzes besteht bei einer Mehrheit von Kostenschuldnern eine gesamtschuldnerische Haftung für die Verfahrenskosten. Dies bedeutet, daß jeder Kläger nach Verbindung der Verfahren für die - nach dem Gesamtstreitwert zu berechnenden - Verfahrenskosten in voller Höhe einstehen muß und nur im Innenverhältnis einen Ausgleich bei den übrigen Klägern erlangen kann.