| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 11.6.1997 (XI R 77/96) BStBl. 1997 II S. 774

1. Mietereinbauten und -umbauten, die ein Mieter in gemieteten Räumen auf eigene Rechnung vornimmt, sind als materielle, dem Mieter zuzurechnende Wirtschaftsgüter zu aktivieren, und zwar als bewegliche Wirtschaftsgüter, wenn der Mieter sachenrechtlicher Eigentümer ist (Scheinbestandteile nach § 95 BGB) oder eine Betriebsvorrichtung (§ 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG) des Mieters besteht, oder als unbewegliche Wirtschaftsgüter unter dem Gesichtspunkt des besonderen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs oder des wirtschaftlichen Eigentums (ständige Rechtsprechung).

2. Aufwendungen, die für Mietereinbauten und sonstige Bauten auf fremdem Grund und Boden (vgl. § 266 Abs. 2 A. II. 1. HGB) vorgenommen werden, können unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigentums nach allgemeinen Regeln abgesetzt werden, sofern (zumindest) der Steuerpflichtige die Kosten getragen hat, den Bau tatsächlich nutzt und ihm - dem Steuerpflichtigen - bei Beendigung der Nutzung ein Entschädigungsanspruch zusteht (BFH-Urteil vom 28. Juli 1993 I R 88/92, BFHE 172, 333, BStBl II 1994, 164; BGH-Urteil vom 6. November 1995 II ZR 164/95, BB 1996, 155).

EStG §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1; BewG § 68 Abs. 2 Nr. 2.

Vorinstanz: FG München (EFG 1997, 270)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erzielte Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Ab 1. September 1992 hatte sie von ihrem Vater das Haus M für einen Mietzins von 1.000 DM pro Monat gemietet. Sie baute das Dachgeschoß als Arbeitszimmer aus. Die Klägerin war der Ansicht, daß die Kosten für den Mietereinbau auf die voraussichtliche Nutzungsdauer von 10 Jahren abzuschreiben seien. In ihrer Überschußrechnung für das Streitjahr 1992 machte sie auf den Dachgeschoßneubau Absetzungen für Abnutzung (AfA) für 3 Monate geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ die AfA nicht zu.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage (im wesentlichen) ab; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 270 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts.

1. Mit seiner Entscheidung, daß kein Wirtschaftsgut vorliege, weiche das FG von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 30. Januar 1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281). Die Herstellungskosten für den betrieblichen Arbeitsraum seien ihr als sonstiges materielles Wirtschaftsgut (sonstige Mietereinbauten) zuzurechnen (Abschn. 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 6 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1990).

2. Nicht gefolgt werden könne der Auffassung des FG, daß die Bauaufwendungen private Vermögensverwendungen darstellten.

3. Das FA sei offenbar der Meinung, daß sich die Bilanzierbarkeit von Baumaßnahmen Nutzungsberechtigter auf sog. Mieterein- und -umbauten beschränke. Das sei nicht der Fall. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Ausbau des Dachgeschosses ein Mietereinbau oder -umbau sei; in jedem Fall seien die Bauaufwendungen als Herstellungskosten eines materiellen Wirtschaftsguts zu aktivieren und auf die voraussichtliche Nutzungsdauer abzuschreiben.

4. Das FA bestreite den betrieblichen Funktionszusammenhang mit Hinweis auf das BFH-Urteil vom 28. Juli 1993 I R 88/92, BFHE 172, 333, BStBl II 1994, 164. Das FA verkenne den entscheidenden Unterschied zwischen Baumaßnahmen, durch die selbständig nutzbare Gebäudeteile geschaffen würden, und dem bloßen Einbau von Türen, Teppichböden und Toiletten, die in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Gebäude stünden, wie das in dem zitierten BFH-Urteil der Fall gewesen sei. Das Dachstudio diene unmittelbar und ausschließlich der freiberuflichen Tätigkeit der Klägerin und stehe in keinem Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem übrigen Gebäude, das privat genutzt werde.

5. Schließlich bestreite das FA auch noch die Unmittelbarkeit der betrieblichen Verwendung, indem es zwischen der Herstellung des Dachstudios und dessen späterer Nutzung unterscheide. Dies sei eine nicht ganz verständliche, zumindest aber unzulässige Aufspaltung eines einheitlichen Vorgangs.

6. Zu rügen sei auch mangelnde Sachaufklärung. Vom Gesamtaufwand von 93.542 DM entfielen nicht 70.485 DM, sondern 81.443,65 DM auf den Speicherausbau. Die Feststellung des FG, daß die Klägerin auf den Vergütungsanspruch nach § 951 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verzichtet habe, entspreche nicht den Tatsachen; § 14 Abs. 2 des Mietvertrags sehe eine solche Entschädigung ausdrücklich vor.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

1. Entgegen der Auffassung der Klägerin stelle der Umbau des Speichers in ein Arbeitszimmer gegenüber dem Wohngebäude kein selbständiges Wirtschaftsgut dar. Mietereinbauten oder -umbauten lägen nur vor, wenn bereits bestehende und an sich nutzbare Räume umgestaltet würden, um sie für die besonderen betrieblichen oder beruflichen Zwecke des Mieters nutzbar zu machen.

2. Die Baumaßnahmen hätten nicht den besonderen beruflichen Zwecken der Klägerin gedient; der Raum sei auch für andere Bürozwecke oder als Wohnraum verwendbar gewesen. Der Speicherausbau stehe daher nicht mit den besonderen beruflichen Zwecken der Mieterin, sondern vielmehr mit dem Gebäude selbst in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang.

3. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung sei nicht begründet; bei der Auffassung des FG sei es auf die Höhe der Aufwendungen nicht angekommen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen nicht dessen Entscheidung.

1. Mietereinbauten und -umbauten, die ein Mieter in gemieteten Räumen auf eigene Rechnung vornimmt, sind als materielle, dem Mieter zuzurechnende Wirtschaftsgüter zu aktivieren (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1987 III R 191/85, BFHE 151, 573, BStBl II 1988, 300; vgl. Schmidt/Weber-Grellet, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., 1996, § 5 Rz. 270 "Mietereinbau", m. w. N.; R 42 Abs. 6 EStR), und zwar als bewegliche Wirtschaftsgüter (Scheinbestandteile nach § 95 BGB) oder eine Betriebsvorrichtung (§ 68 Abs. 2 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes - BewG -) des Mieters besteht, oder als unbewegliche Wirtschaftsgüter unter dem Gesichtspunkt des besonderen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs oder des wirtschaftlichen Eigentums (BFH in BFHE 151, 573, BStBl II 1988, 300; Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 15. Januar 1976 IV B 2 - S 2133 - 1/76, BStBl I 1976, 66; R 13 Abs. 3 EStR).

2. Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Einbau nicht als Scheinbestandteil oder Betriebsvorrichtung aktiviert werden kann. Scheinbestandteile nach § 95 BGB setzen voraus, daß die Sachen nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. Das ist hinsichtlich des Ausbaus nicht der Fall. Betriebsvorrichtungen nach § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG sind Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören. Nach der Rechtsprechung sind unter dem Begriff der Betriebsvorrichtung nicht nur Maschinen und maschinenähnliche Vorrichtungen zu verstehen, sondern alle Vorrichtungen einer Betriebsanlage, die in einer so engen Beziehung zu dem auf dem Grundstück ausgeübten Gewerbebetrieb stehen, daß dieser unmittelbar mit ihnen betrieben wird (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1991 II R 14/89, BFHE 166, 176, BStBl II 1992, 278; Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 17. Aufl., 1995, § 68 BewG Rz. 36). Auch diese Voraussetzung ist nicht erfüllt; der Ausbau ist keine betriebliche Anlage, mit der die Klägerin ihren Betrieb unmittelbar betreibt, sondern die Erweiterung eines Gebäudes, die auch zu betrieblichen Zwecken genutzt werden kann.

Aus diesem Grund kann der Ausbau auch nicht unter dem Gesichtspunkt des besonderen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs als selbständiges Wirtschaftsgut erfaßt werden (dazu BFH-Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132; BFH-Urteil in BFHE 151, 573, BStBl II 1988, 300); der Ausbau dient nicht - wie etwa ein Ladeneinbau oder eine Schaufenstereinrichtung - unmittelbar dem Betrieb der Klägerin.

3. Auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen läßt sich nicht beurteilen, ob die Klägerin wirtschaftliche Eigentümerin des Ausbaus war.

Aufwendungen, die für Mietereinbauten und sonstige Bauten auf fremdem Grund und Boden (vgl. § 266 Abs. 2 A. II. 1. des Handelsgesetzbuches - HGB -) vorgenommen werden, können nach allgemeinen Regeln abgesetzt werden, sofern der Steuerpflichtige die Kosten getragen hat, den Bau tatsächlich nutzt und ihm - dem Steuerpflichtigen - bei Beendigung der Nutzung ein Entschädigungsanspruch zusteht (BFH-Urteil in BFHE 172, 333, BStBl II 1994, 164; Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 6. November 1995 II ZR 164/95, Betriebs-Berater - BB - 1996, 155; Entscheidung des FG München vom 27. September 1994 16 K 386/93, EFG 1995, 250; Schmidt/Weber-Grellet, a. a. O., Rz. 114, m. w. N.; Groh, BB 1996, 1487; Eisgruber, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1997, 522). Hat ein Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses Anspruch auf eine Entschädigung (z. B. gemäß §§ 951 Abs. 1, 812 BGB) in Höhe des Restwerts der Einbauten, so ist er grundsätzlich gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) wirtschaftlicher Eigentümer des materiellen Wirtschaftsguts (BFH in BFHE 172, 333, BStBl II 1994, 164) und als solcher zur AfA berechtigt. Ist ein Anspruch auf Entschädigung hingegen nicht gegeben, z. B. weil auf ihn verzichtet wurde, so ist davon auszugehen, daß der Mieter bzw. der auf fremdem Grund und Boden Bauende die Aufwendungen dem rechtlichen Eigentümer zugewendet und damit gemäß § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Berechtigung, die Aufwendungen als eigene abzuziehen, verloren hat.

Im Streitfall ist der festgestellte Sachverhalt insoweit nicht eindeutig. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils heißt es bei der Darstellung des Vortrags der Klägerin, in § 17 des Mietvertrags sei vereinbart worden, daß bei Verkauf des Anwesens die vom Mieter bezahlten Um- und Ausbauten vom Vermieter abgelöst würden. Nach der vom FG in Bezug genommenen Niederschrift über die Erörterung der Sache hat die Vertreterin der Klägerin erklärt, daß bei einer Auflösung des Mietverhältnisses die Klägerin nicht mit der Bezahlung ihrer Aufwendungen habe rechnen können. Das FG begründet seine das wirtschaftliche Eigentum der Klägerin ablehnende Entscheidung mit dem Verzicht auf den sich aus § 951 BGB ergebenden Verwendungsanspruch. Es ist nicht hinreichend klar, aus welchen Tatsachen sich diese Schlußfolgerungen ergeben und ob die in § 17 des Mietvertrags getroffene Regelung tatsächlich als Ausschluß des allgemeinen Verwendungsersatzanspruches für die Fälle der Kündigung des Mietvertrags auszulegen ist. Ohne genaue Kenntnis der einzelnen Regelungen des Mietvertrags läßt sich diese Frage nicht abschließend beantworten.

4. Der Senat sieht sich an der vorgenommenen Beurteilung nicht durch das Urteil des X. Senats vom 27. November 1996 X R 92/92, (BFHE 182, 104, DStR 1997, 448) gehindert. In diesem Fall, der die Anwendung des § 10e EStG betraf, macht der X. Senat wirtschaftliches Eigentum von einem Nutzungsrecht über die voraussichtliche Nutzungsdauer abhängig. Wie der X. Senat aber in dem ausdrücklich in Bezug genommenen Urteil vom 20. September 1995 X R 94/92 (BFHE 178, 429, BStBl II 1996, 189) hervorgehoben hat, sei durch die Entscheidung des Großen Senats in BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281 im Hinblick auf die Anwendung des § 10e EStG keine Änderung eingetreten; denn die Förderung nach § 10e EStG betreffe keine Aufwendungen, die durch die Erzielung von Einkünften veranlaßt seien. Die Beurteilung des X. Senats ist also vor dem Hintergrund der in § 10e EStG getroffenen Wertungen zu verstehen.