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  BFH-Urteil vom 29.10.1997 (II R 36/95) BStBl. 1998 II S. 27

Durch Umlegung nach dem Baugesetzbuch eintretende Änderungen der eigentumsmäßigen Zuordnung von Grundstücken sind grundsätzlich als Rechtsträgerwechsel im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn und damit als der Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG 1983 unterliegend anzusehen. Ein der Steuer unterliegender Erwerbsvorgang liegt jedoch dann nicht vor, wenn und soweit das Zuteilungsgrundstück mit dem Einwurfgrundstück identisch, d. h. flächen- und deckungsgleich ist.

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist zusammen mit ihrem Ehemann Miteigentümer eines Grundstücks. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut.

Für das Gebiet, in dem das Grundstück gelegen ist, führte die Gemeinde ein Umlegungsverfahren nach dem Baugesetzbuch (BauGB) durch. Das Umlegungsverfahren wurde 1987 eingeleitet. Der Umlegungsplan wurde durch Beschluß vom 18. März 1992 aufgestellt. Er wurde am 25. November 1993 unanfechtbar und am 30. November 1993 bekanntgemacht. Als Verteilungsmaßstab i. S. von § 56 BauGB wurde von der Umlegungsstelle der Wert der Grundstücke (§ 57 BauGB) bestimmt.

Vor der Umlegung hatte das Grundstück der Klägerin - als Einwurfgrundstück - eine Fläche von 564 qm. Das Zuteilungsgrundstück ist mit dem Einwurfgrundstück im wesentlichen identisch, d. h. nahezu flächen- und deckungsgleich. Es hat eine Fläche von insgesamt 571 qm. Vor Durchführung des Umlegungsverfahrens war das Grundstück der Klägerin in sog. Hinterlandbebauung bebaut und nur aufgrund eines Wegerechts erreichbar. Durch das Umlegungsverfahren wurde es unmittelbar an eine öffentliche Straße angeschlossen. Als Einwurfgrundstück wurde dem Grundstück im Umlegungsverfahren ein Wert von 125 DM je qm, insgesamt also von 70.500 DM, zugemessen. Das Zuteilungsgrundstück wurde dagegen mit einem Wert von 150 DM je qm, insgesamt also von 85.650 DM, berücksichtigt. Der um 25 DM pro qm höhere Wert wurde von den Umlegungsbehörden mit ersparten Notarkosten, Freilegungskosten und Vermessungskosten sowie den Straßenlandkosten begründet. In Höhe des Mehrwerts von 15.150 DM wurde eine an die Stadt zu zahlende Ausgleichsleistung gegen die Klägerin und ihren Ehemann als Eigentümer des Grundstücks festgesetzt. Ein dagegen gerichteter Widerspruch blieb erfolglos.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah die Zuteilung des Grundstücks in Höhe der anteiligen Wertdifferenz als der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang an und setzte dafür gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 151 DM fest. Nach Auffassung des FA lag ein Erwerbsvorgang i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) vor, der in Höhe der Ausgleichszahlung nicht nach Satz 2 der Vorschrift von der Besteuerung ausgenommen war.

Hiergegen richtete sich die Klage, mit der Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids und der diesen bestätigenden Einspruchsentscheidung begehrt wurde. Ein Wertzuwachs des Grundstücks sei nicht entstanden. Die finanzielle Belastung sei für die Klägerin nicht mit einem Gegenwert verbunden gewesen. Das Umlegungsverfahren könne nicht anders behandelt werden, als wenn die Stadt die für die Erschließung notwendigen Grundstücke angekauft und die Anleger mit den Kosten belastet hätte.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid und die diesen bestätigende Einspruchsentscheidung aufgehoben. Die Zuteilung eines Grundstücks in einem Umlegungsverfahren an einen Verfahrensbeteiligten sei nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG 1983 steuerbar. Es trete lediglich eine Änderung im Gegenstand des Eigentumsrechts ein. Im übrigen nehme § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG 1983 den Übergang des Eigentums auf einen Verfahrensbeteiligten grundsätzlich in vollem Umfang von der Besteuerung aus. Dies gelte auch für Mehrzuteilungen, die den Sollanspruch i. S. des § 56 Abs. 1 BauGB überstiegen.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts. Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Unabhängig von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ergebe sich die Richtigkeit der vom FG vertretenen Auffassung daraus, daß das zugeteilte Grundstück mit dem eingebrachten Grundstück im wesentlichen flächengleich und identisch sei.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet. Die Entscheidung des FG erweist sich im Ergebnis - wenn auch aus anderen Gründen - als zutreffend.

Zwar unterliegen Änderungen der eigentumsmäßigen Zuordnung von Grundstücken im Umlegungsverfahren nach dem BauGB - entgegen der Auffassung, zu der das FG neigt - grundsätzlich nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer. Der zur Steuerbarkeit erforderliche Rechtsträgerwechsel im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne liegt jedoch dann und insoweit nicht vor, als das Zuteilungsgrundstück mit dem bisherigen Grundstück des Beteiligten am Umlegungsverfahren flächengleich und identisch ist. Soweit danach im Streitfall noch ein der Steuer unterliegender Erwerbsvorgang in Betracht kommt, ist dieser nach § 3 Nr. 1 GrEStG 1983 steuerfrei.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG 1983 unterliegt der Grunderwerbsteuer der Übergang des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Mit der Bekanntmachung des Umlegungsplans durch die Umlegungsstelle nach § 71 Abs. 1 BauGB tritt der Umlegungsplan in Kraft. Mit der Bekanntmachung wird der bisherige Rechtszustand durch den in dem Umlegungsplan vorgesehenen neuen Rechtszustand ersetzt (§ 72 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Dadurch bedingte Eigentumsänderungen an Grundstücken treten unmittelbar kraft Gesetzes ein. Das Prinzip der Surrogation, das das Umlegungsverfahren beherrscht (vgl. § 63 Abs. 1 BauGB), steht einer Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG 1983 nicht grundsätzlich entgegen. Das Prinzip der Surrogation bedeutet, daß das Eigentum an dem eingeworfenen Grundstück nicht untergeht, also nicht neues Eigentum an dem zugeteilten Grundstück gebildet wird, sondern sich das Eigentum vielmehr an einem verwandelten Grundstück ungebrochen fortsetzt. Die neue im Umlegungsplan zugewiesene reale Grundstücksfläche tritt als Surrogat an die Stelle des alten realen Grundstücks mit der Folge, daß an ihr grundsätzlich dieselben Rechtsverhältnisse bestehen, die an dem Einwurfgrundstück bestanden haben (vgl. Brügelmann, Baugesetzbuch, § 63 Rdnr. 3, m. w. N.). Die Umlegung bedeutet ihrem Wesen nach eine ungebrochene Fortsetzung des Eigentums an einem verwandelten Grundstück (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshof vom 13. Februar 1969 III ZR 123/68, BGHZ 51, 341). Gleichwohl ist darin regelmäßig ein die Steuer auslösender Rechtsträgerwechsel im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne zu sehen. Zwar bleibt das Eigentum inhaltlich unverändert und steht auch weiterhin derselben Person zu; da es sich jedoch auf einen anderen abgegrenzten Teil der Erdoberfläche bezieht, hat im Hinblick auf dieses (tatsächliche) Grundstück ein Wechsel der eigentumsmäßigen Zuordnung stattgefunden. Der betreffende abgegrenzte Teil der Erdoberfläche ist nunmehr einer anderen Person als vorher eigentumsmäßig zugeordnet. Darin liegt grunderwerbsteuerrechtlich ein die Steuerbarkeit begründender Rechtsträgerwechsel (auch) i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG 1983.

Ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang kann jedoch dann nicht mehr angenommen werden, wenn und soweit im Einzelfall nicht nur der Inhalt des Eigentums und der Rechtsträger unverändert bleiben, sondern sich dieses Eigentum auch nach wie vor auf denselben abgegrenzten Teil der Erdoberfläche bezieht. Dies ist dann und insoweit der Fall, wenn das Zuteilungsgrundstück mit dem Einwurfgrundstück identisch, d. h. flächen- und deckungsgleich ist. Bei dieser Sachverhaltskonstellation hat auch grunderwerbsteuerrechtlich kein Rechtsträgerwechsel hinsichtlich eines Grundstücks stattgefunden. Im Umfang der Flächenidentität ist in einem derartigen Fall kein Grunderwerbsteuertatbestand erfüllt (vgl. Fischer in Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, 14. Aufl., § 1 Rn. 642; Pahlke, Deutsches Steuerrecht 1997, 143, 145).

Ein anderes Ergebnis könnte - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) abgeleitet werden. Ein gesetzlicher Steuertatbestand kann nicht über Art. 3 Abs. 1 GG auf eindeutig von ihm nicht erfaßte Sachverhalte ausgedehnt werden.

Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, ist im Streitfall das zugeteilte Grundstück im wesentlichen identisch, d. h. deckungs- und flächengleich mit dem Grundstück, das der Klägerin und ihrem Ehemann vor Durchführung des Umlegungsverfahrens zustand. In diesem Umfang liegt daher bereits kein steuerbarer Tatbestand i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG 1983 vor.

Der genaue Umfang der Nichtidentität von Flächen ist im Streitfall allerdings nicht festgestellt. Da bei voller Steuerbarkeit des Rechtsvorgangs eine Gegenleistung in Höhe von nur 7.575 DM in Betracht kommt, wird dann, wenn der Vorgang im wesentlichen nicht steuerbar ist, die dann verbleibende Gegenleistung mit Sicherheit von der Steuerfreiheit für Bagatellfälle nach § 3 Nr. 1 GrEStG 1983 erfaßt.

Die gegen die Klägerin erfolgte Grunderwerbsteuerfestsetzung ist daher schon aus den angeführten Gründen rechtswidrig. Auf die Frage, ob der Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG 1983 von der Besteuerung ausgenommen ist, kommt es daher nicht mehr an.