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  BFH-Urteil vom 12.8.1997 (VII R 107/96) BStBl. 1998 II S. 131

Die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung sind nur auf den "Erlaß" von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Haftungsbescheide können auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist zugunsten des Haftungsschuldners korrigiert werden.

AO 1977 §§ 130, 169 Abs. 1 Satz 1, § 191 Abs. 3 Satz 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Als alleinige Geschäftsführerin einer inzwischen aufgelösten GmbH wurde die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) mit Haftungsbescheid wegen nicht entrichteter Umsatzsteuer als Haftungsschuldnerin nach § 34 und § 69 der Abgabenordnung (AO 1977) in Anspruch genommen. Vertreten durch ihren zum Liquidator der GmbH bestellten Ehemann legte die Klägerin gegen den Haftungsbescheid Einspruch ein und forderte das FA in zwei Schriftsätzen auf, den Haftungsbetrag wegen uneinbringlicher Forderungen der GmbH um die in diesem Betrag enthaltene Umsatzsteuer herabzusetzen. Das FA änderte daraufhin den Haftungsbescheid und setzte die Haftungssumme zur Umsatzsteuer antragsgemäß herab. Gleichzeitig teilte es der Klägerin mit, daß sich damit ihr Einspruch erledigt habe. Da die Klägerin die restlichen Haftungsschulden nicht beglich, leitete das FA 1990 Vollstreckungsmaßnahmen ein. Darauf teilte die Klägerin dem FA mit, daß sie das Einspruchsverfahren als noch nicht erledigt ansehe, legte hilfsweise erneut Einspruch ein und stellte einen Antrag auf Rücknahme des Haftungsbescheides, den das FA jedoch ablehnte. Sowohl der hilfsweise eingelegte als auch der gegen den Ablehnungsbescheid eingelegte Einspruch hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Klagen auf Aufhebung und Rücknahme des Haftungsbescheides abgewiesen. Es urteilte, ein Anspruch auf Aufhebung des Haftungsbescheides bestünde deshalb nicht, weil die Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 26. Juli 1982 nicht fristgerecht Einspruch eingelegt habe. Das FA habe deutlich zum Ausdruck gebracht, daß es das Rechtsbehelfsverfahren abschließen wolle. Auch sei dem vom Ehemann der Klägerin gestellten Antrag auf Herabsetzung der Umsatzsteuer, den sich die Klägerin zurechnen lassen müsse, in vollem Umfang entsprochen worden. Für das FA sei ein über den Umfang des Änderungsbescheides hinausgehendes Rechtsschutzbegehren der Klägerin nicht erkennbar gewesen. Es läge damit ein Abhilfebescheid gemäß § 367 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 vor, der das Einspruchsverfahren beendet habe. Um ihre Rechte zu wahren, hätte die Klägerin erneut Einspruch einlegen müssen.

Da die Umsatzsteuer-Jahresbescheide 1980 und 1981 erst nach dem geänderten Haftungsbescheid vom 26. Juli 1982 ergangen seien, könne die Abweisung der Klage auf Rücknahme des Haftungsbescheides zwar nicht darauf gestützt werden, daß die Klägerin den Haftungs- oder Änderungsbescheid rechtzeitig hätte anfechten können. Ein Anspruch auf Rücknahme des Haftungsbescheides bestehe dennoch nicht, weil der Haftungsbescheid gemäß § 191 Abs. 3 i. V. m. § 169 Abs. 1 AO 1977 nur innerhalb der - im Streitfall bereits abgelaufenen - Festsetzungsfrist von vier Jahren hätte geändert werden können. Diese Auslegung von § 191 Abs. 3 AO 1977 werde durch die Gesetzesbegründung zum Entwurf der Abgabenordnung gestützt. Danach sollten die Vorschriften über die Festsetzungsfrist auf Haftungsbescheide generell entsprechend für anwendbar erklärt werden.

Mit der vom Senat hinsichtlich der Klage auf Rücknahme des Haftungsbescheides zugelassenen Revision wendet sich die Klägerin gegen die ihrer Ansicht nach unzutreffende Auslegung von § 191 Abs. 3 AO 1977. Sie trägt vor, der Hinweis des FG auf die Gesetzesbegründung zu § 172 des Entwurfs zur Abgabenordnung gehe fehl, da die Korrekturvorschrift nur Steuerbescheide betreffe. Demgegenüber richte sich die Rücknahme eines Haftungsbescheides nach § 130 Abs. 1 AO 1977. Zu berücksichtigen sei ferner, daß der Erlaß und die Änderung eines Haftungsbescheides im Ermessen der Finanzbehörde liege. Würde die Rechtsmeinung des FG zutreffen, könnte ein Haftungsbescheid nach Ablauf der Festsetzungsfrist selbst dann nicht mehr geändert werden, wenn die Steuerfestsetzung zugunsten des Steuerschuldners geändert worden oder der Haftungsbescheid aufgrund fehlender Ermessenserwägungen grob fehlerhaft sei.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt hinsichtlich der Klage auf Rücknahme des Haftungsbescheides zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat die Klage auf Rücknahme des Haftungsbescheides zu Unrecht mit der Begründung abgewiesen, der Haftungsbescheid hätte nur innerhalb der im Streitfall bereits abgelaufenen vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 191 Abs. 3 Satz 1 und 2 i. V. m. § 169 Abs. 1 AO 1977) geändert werden können. Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz können Haftungsbescheide auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist zugunsten des Haftungsschuldners geändert werden.

1. Gemäß § 191 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 sind die Vorschriften über die Festsetzungsfrist auf den Erlaß von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Da der Wille des Gesetzgebers im allgemeinen im Wortlaut einer Bestimmung zum Ausdruck kommt, ist für die Deutung einer Vorschrift in erster Linie deren eigentlicher Wortlaut maßgebend. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist unter dem "Erlaß" eines Bescheides in der Regel das (erstmalige) Ergehen einer behördlichen Entscheidung in der Form der Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes zu verstehen. Nicht erfaßt wird vom engeren Wortsinn des Begriffs "Erlaß" die Korrektur einer behördlichen Entscheidung durch deren Änderung oder Aufhebung. In diese Richtung deutet auch die vom Gesetzgeber selbst vorgenommene Abgrenzung des Erlasses eines Steuerbescheides von dessen Änderung oder Aufhebung in § 172 Abs. 2, § 174 Abs. 4 Satz 1 und 2 sowie in § 175 Abs. 1 Satz 1 AO 1977. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber im Gegensatz zu der wortlautgemäßen Differenzierung zwischen der Steuerfestsetzung und ihrer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung in § 169 Abs. 1 AO 1977 eine solche Unterscheidung in § 191 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 nicht vorgenommen. Dieser Befund liefert ein weiteres Indiz für die Annahme, daß der Begriff "Erlaß" nach seinem eigentlichen Wortsinn und dem Sprachgebrauch der AO 1977 weder die Änderung noch die Aufhebung eines Verwaltungsaktes erfaßt. Dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Verweisungsvorschrift des § 191 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 läßt sich somit eine zeitliche Einschränkung der für Haftungsbescheide vorgesehenen Änderungsmöglichkeiten durch die in § 169 Abs. 1 AO 1977 festgelegten Verjährungsfristen nicht entnehmen. Dieses Ergebnis wird von der überwiegenden Meinung im Schrifttum geteilt. Danach können Haftungsbescheide auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist aufgehoben oder geändert werden (vgl. Kühn/Hofmann, Abgabenordnung, 17. Aufl., § 191 Anm. 3 d; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 191 AO 1977 Tz. 25; Dumke in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 191 Rdnr. 30; Böker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 191 AO 1977 Rdnr. 97, und App, Aufhebung und Änderung von Haftungsbescheiden nach Eintritt der Festsetzungsverjährung, Deutsche Steuerzeitung - DStZ - 1985, S. 124; a. A. Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 2. Aufl., Rdnr. 533 und ders. in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 191 Rdnr. 20).

2. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ergeben sich auch aus der Gesetzesbegründung zu § 172 des Entwurfs der Abgabenordnung (vgl. BTDrucks VI/1982, S. 160) keine ausreichenden Anhaltspunkte, die für die Richtigkeit des vom FG zu § 191 Abs. 3 AO 1977 gefundenen Auslegungsergebnisses sprächen. Die zur Begründung der Verweisungsvorschrift gemachten Ausführungen geben nämlich keine erläuternden Hinweise, sondern erschöpfen sich in der Aussage, daß § 172 Abs. 2 des Entwurfs der Abgabenordnung die Vorschriften über die Festsetzungsfrist auf den Erlaß von Haftungsbescheiden für entsprechend anwendbar erklärt. Der Umstand, daß der Gesetzgeber eine nähere Spezifizierung des Begriffes "Erlaß" nicht vorgenommen hat, liefert keinen Beweis für die Annahme der Vorinstanz, daß die Vorschriften über die Festsetzungsfrist - einschließlich der Regelungen über die Aufhebung und Änderung - auf Haftungsbescheide generell Anwendung finden sollten. Vielmehr ließe gerade das Absehen von einer Differenzierung eine gegenteilige Deutung des gesetzgeberischen Willens zu.

3. Nach Auffassung des Senats würde eine Ausdehnung des Begriffes "Erlaß" auch auf die Fälle der Aufhebung oder Änderung eines Haftungsbescheides die Grenze überschreiten, die der eigentliche Wortsinn einer Auslegung zieht. Eine Auslegung von § 191 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 gegen seinen insoweit eindeutigen Wortlaut kommt nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist eine solche Rechtsfortbildung nur dann möglich, wenn die wortgetreue Auslegung zu einem offenbar unrichtigen bzw. zu einem jeder wirtschaftlichen Vernunft widersprechenden Ergebnis führen würde, das dem Sinn und Zweck der Vorschrift und dem Willen des Gesetzgebers zuwiderliefe (vgl. BFH-Urteil vom 1. August 1974 IV R 120/70, BFHE 113, 357, BStBl II 1975, 12, m. w. N., und Barth, Richterliche Rechtsfortbildung im Steuerrecht, S. 139 f.). Ein solches Ergebnis läge bei einer am eigentlichen Wortlaut ausgerichteten Interpretation von § 191 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 jedoch nicht vor.

a) Bei der Begutachtung der Auswirkungen einer wortgetreuen Auslegung von § 191 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 ist zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber Haftungsbescheide Steuerbescheiden nicht gleichgestellt hat. Im Gegensatz zur früheren Regelung in § 97 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung finden für die Aufhebung und Änderung von Haftungsbescheiden nicht die für Steuerbescheide geltenden Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO 1977, sondern die allgemeinen Vorschriften über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten (§ 129 bis § 132 AO 1977) Anwendung (vgl. hierzu Senatsurteil vom 22. Januar 1985 VII R 112/81, BFHE 143, 203, BStBl II 1985, 562, m. w. N.). Die gegenüber Steuerbescheiden teilweise erweiterten Korrekturmöglichkeiten, die auch den Widerruf eines rechtmäßigen Haftungsbescheides zulassen, tragen dem Umstand Rechnung, daß der Behörde beim Erlaß eines Haftungsbescheides ein Auswahl- und Entschließungsermessen zusteht (vgl. Dumke in Schwarz, a. a. O., § 191 Rdnr. 30, und Halaczinsky in Koch/Scholtz, § 191 Rdnr. 11). Demgegenüber erfassen die Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO 1977 Verwaltungsakte, zu deren Erlaß die Behörde verpflichtet ist. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Verfahren, die einerseits zur Festsetzung einer Steuer gegenüber dem Steuerpflichtigen und andererseits zum Erlaß eines Haftungsbescheides gegenüber einem Haftungsschuldner führen, und die unterschiedlichen Voraussetzungen, unter denen Steuer- und Haftungsbescheide geändert oder aufgehoben werden können, lassen eine Differenzierung in der Anwendung der Ausschlußfrist des § 169 Abs. 1 AO 1977 durchaus vertretbar und sinnvoll erscheinen.

b) Zwar haben Zahlungen, die nach der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung auf die Steuerschuld geleistet werden, keinen Einfluß auf die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides (BFH-Urteil vom 17. Oktober 1980 VI R 136/77, BFHE 131, 449, BStBl II 1981, 138), doch kann durch eine nach diesem Zeitpunkt erfolgte Minderung der Steuerschuld ein Widerruf des Haftungsbescheides nach § 131 Abs. 1 AO 1977 veranlaßt sein. Erfolgt die Tilgung der Erstschuld erst nach Ablauf der in § 169 Abs. 1 AO 1977 normierten Festsetzungsfrist, ist nach dem Haftungssystem der AO 1977 kein Grund ersichtlich, der den Ausschluß der Möglichkeit einer Korrektur des Haftungsbescheides erzwingen würde. Aufgrund der Interessenlage, die sich für den Haftungsschuldner aus der subsidiären Inanspruchnahme für die Steuerschuld eines Dritten ergibt, erscheint es vielmehr geboten, dem Haftungsschuldner auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist die Möglichkeit zu eröffnen, gegenüber der Finanzbehörde geltend zu machen, der Erstschuldner habe seine Steuerschuld beglichen oder sei wieder zu Geld gekommen, so daß sich die Steuerschuld nunmehr bei ihm - dem Erstschuldner - realisieren lasse (vgl. hierzu App, a. a. O., S. 125). Entgegen einer im Schrifttum geäußerten Ansicht (vgl. Mößbauer, Die Rechtswirksamkeit von Steuerhaftungsbescheiden, DStZ 1984, 371, 376) ließen sich durchaus Gründe finden - z. B. die Begleichung der Erstschuld durch den Steuerschuldner -, die die Finanzbehörde auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist dazu veranlassen könnten, auf die Geltendmachung des festgesetzten Haftungsanspruchs zu verzichten und den Haftungsbescheid ganz oder teilweise zu widerrufen.

c) Auch der Sinn und Zweck der in § 169 AO 1977 festgelegten Verjährungsfristen zwingt nicht zu einer Interpretation gegen den Wortlaut von § 191 Abs. 3 Satz 1 AO 1977. Die Festsetzungsverjährung soll dem Rechtsfrieden dienen unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Erweisbarkeit von Ansprüchen oder auch ihre Abweisung um so schwieriger wird, je älter sie werden. Nach einer bestimmten Zeit, eben der normalen Festsetzungsfrist, soll daher der Steuerpflichtige darauf vertrauen dürfen, daß er nicht mehr in Anspruch genommen wird (Senatsurteil vom 31. Januar 1989 VII R 77/86, BFHE 156, 30, BStBl II 1989, 442). Diesem Vertrauensschutzgedanken wird bei Haftungsbescheiden dadurch Rechnung getragen, daß der Erlaß eines Haftungsbescheides nach Ablauf der Festsetzungsfrist nicht mehr möglich ist. Dies gilt auch für den Fall des Neuerlasses eines Haftungsbescheides nach dessen Rücknahme gemäß § 130 Abs. 1 AO 1977, der zudem nur unter den engen Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO 1977 erfolgen kann (vgl. Hein, Zum Neuerlaß eines Haftungsbescheids nach "ersatzloser" Aufhebung eines inhaltsgleichen vorangegangenen Bescheids, Deutsches Steuerrecht 1987, S. 175). Eine mit dem Erlaß eines Steuer- oder Haftungsbescheides vergleichbare Interessenlage stellt sich bei der Aufhebung eines Haftungsbescheides durch Rücknahme nach § 130 AO 1977 oder durch Widerruf nach § 131 AO 1977 jedoch nicht. Denn die damit verbundene Entlassung aus der Haftung erfolgt zugunsten des Haftungsschuldners. Da in diesen Fällen mit Rechtsbehelfen gegen die Haftungsentlassung wohl kaum gerechnet werden kann, wird auch der Befriedungszweck der in § 169 AO 1977 normierten Verjährungsfristen nicht beeinträchtigt (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 191 AO 1977 Tz. 25). Eine wortgetreue Interpretation von § 191 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 würde somit nicht zu offensichtlich unrichtigen oder der wirtschaftlichen Vernunft widersprechenden Ergebnissen führen, so daß im Streitfall die Voraussetzungen nicht vorliegen, unter denen nach der Rechtsprechung des BFH eine Auslegung gegen den eigentlichen Wortlaut einer Vorschrift in Betracht gezogen werden kann.

Da die Vorentscheidung hinsichtlich der Anwendung und Auslegung von § 191 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 mit der Rechtsauffassung des erkennenden Senats nicht in Einklang steht, war sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, denn das FG hat die Abweisung der Klage auf Rücknahme des Haftungsbescheides lediglich mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist begründet und sich daher nicht veranlaßt gesehen, in eine Prüfung der Rücknahmevoraussetzungen des § 130 AO 1977 einzutreten. Die Sache war daher an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO), um diesem Gelegenheit zu geben, die nunmehr erforderliche Überprüfung und gegebenenfalls auch weitere Tatsachenfeststellung nachzuholen.