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  BFH-Urteil vom 25.11.1997 (VIII R 29/94) BStBl. 1998 II S. 257

Die Wesentlichkeit einer Beteiligung i. S. des § 17 Abs. 1 EStG ist bei einer GmbH aus den Geschäftsanteilen zu berechnen. Dies gilt auch, wenn in der GmbH-Satzung die Stimmrechte oder die Verteilung des Gewinns und des Liquidationserlöses abweichend von §§ 29, 72 GmbHG geregelt sind.

EStG § 17 Abs. 1; AO 1977 § 39, § 42; GmbHG § 5, § 14, § 29, § 47, § 72.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 1984 als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war mit 23,88 % am Stammkapital der A-GmbH (GmbH) beteiligt. Der in selbständige Niederlassungen bzw. Geschäftszweige untergliederte Geschäftsbetrieb wurde von den für die GmbH tätigen Gesellschaftern geleitet. Jeder Gesellschafter war grundsätzlich für eine oder mehrere Niederlassungen bzw. Geschäftszweige verantwortlich. Dieser Organisation und den Gesellschaftertätigkeiten entsprechend enthielt die Satzung der GmbH u. a. folgende Bestimmungen:

- § 4 Stammkapital: Bei wesentlichen Umsatzverschiebungen ist zu prüfen, ob eine Kapitalerhöhung zugunsten von einzelnen Gesellschaftern vorzunehmen ist.

- § 5 Veräußerung und Vererbung von Geschäftsanteilen: Jeder Geschäftsanteil ist mit einer Niederlassung verbunden. Mit dem Geschäftsanteil des Klägers ist die Niederlassung X verbunden. Geschäftsanteile sind grundsätzlich übertragbar und vererblich. Jede Veräußerung mit Ausnahme an Mitgesellschafter bedarf der Zustimmung der Gesellschafterversammlung ...

- § 7 Einziehung von Geschäftsanteilen, Ausschluß von Gesellschaftern: Die Einziehung eines Geschäftsanteils kann ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters ... nach Schließung der von ihm betreuten Niederlassung oder Zweigniederlassung erfolgen.

- § 11 Gesellschafterversammlung: Die Gesellschafterversammlung beschließt über die Verteilung des Reingewinns, und zwar unabhängig von den Geschäftsanteilen; die Verteilung des Reingewinns hat nach den von den Gesellschaftern in ihrer Zweigniederlassung bzw. Geschäftszweig erzielten Ergebnisse zu erfolgen.

- § 13 Stimmrecht: Abgestimmt wird nach dem Anteil jedes Gesellschafters am Vermögen der Gesellschaft. Vermögen ist seine Stammeinlage, soweit sie geleistet ist, sein Anteil an den offenen Rücklagen und am Reingewinn, vermindert um seinen Anteil am Reinverlust. Der Anteil an den offenen Rücklagen, dem Reingewinn und dem Reinverlust ergibt sich aus der ... letzten ... Bilanz.

- § 14 Beschlußfassung: Die Beschlüsse der Gesellschafter werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefaßt, soweit nicht im Gesetz oder im Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt ist. Änderungen des Gesellschaftsvertrages bedürfen der Zustimmung von mindestens 4/5 der Stimmen der Gesellschafter, ebenso Beschlüsse über Kapitalerhöhung und -herabsetzung.

Entsprechend der genannten Regelung über die Ermittlung des Stimmrechts standen dem Kläger noch im Jahr 1978 weniger als 25 % der Stimmen zu. In den folgenden Jahren änderten sich die Verhältnisse. Die Stimmrechtsanteile des Klägers betrugen aufgrund der Bilanzen für 1980 34,5 %, für 1981 36,4 %, für 1982 34,9 % und für 1983 34,9 %.

Mit Auflösungsbeschluß vom 27. Oktober 1982 beschlossen die Gesellschafter die GmbH zu liquidieren. Ziel der Liquidation war, daß jeder Gesellschafter die Niederlassung bzw. den Geschäftszweig, der seinem Geschäftsanteil zugeordnet war, als selbständigen Betrieb erhalten sollte. Zu diesem Zweck wurden die Niederlassungen zunächst in verschiedene eigenständige Tochtergesellschaften mit beschränkter Haftung eingebracht, die von den jeweiligen Gesellschaftern geleitet wurden. Die GmbH hielt die Geschäftsanteile an den Tochtergesellschaften und war nur noch als Holding tätig. Sodann bot die GmbH den Gesellschaftern im Januar 1983 an, die Geschäftsanteile an ihr (ohne bzw. ohne wesentliche Aufpreise) in die Anteile der Tochtergesellschaften zu tauschen. Nach dieser Aufteilung entfiel auf die dem Kläger satzungsgemäß zugeordnete Niederlassung rd. 32 % des in den Bilanzen ausgewiesenen Gesellschaftsvermögens.

Zur Durchführung der Realteilung kam es jedoch nicht. Statt dessen veräußerten die Gesellschafter die GmbH im Ganzen. Der Verkaufspreis wurde auf der Basis von Ertragswerten der jeweiligen Tochtergesellschaften ermittelt. Der Kläger erhielt einen Anteil von 45,3 %.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat die Ansicht, der Kläger sei trotz seines Anteils von weniger als 25 % am Stammkapital der GmbH wesentlich beteiligt i. S. des § 17 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewesen und erfaßte den Veräußerungsgewinn als tarifbegünstigte gewerbliche Einkünfte. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte aus, ob eine Beteiligung als wesentlich anzusehen sei, könne nicht ausnahmslos in allen Fällen nach dem nominellen Anteil am Stammkapital beurteilt werden. Bei atypischer Ausgestaltung einer Beteiligung seien vielmehr zusätzliche Kriterien heranzuziehen. Im Streitfall sei die Verknüpfung der Stimmrechte, der Gewinnverteilung und der Geschäftsanteile im Veräußerungs- und Erbfall mit einzelnen Niederlassungen bzw. Geschäftszweigen entscheidend. Aufgrund des durch diese Besonderheiten geprägten Regelungssystems der GmbH-Satzung sei nicht die nominelle Beteiligung am Stammkapital, sondern die Substanz der dem Kläger zugerechneten Niederlassung für sein Beteiligungskapital maßgeblich. Zwar könne dieser Wert schwanken und eine unwesentliche Beteiligung somit wesentlich werden und umgekehrt. Es genüge jedoch, daß der Kläger im Zeitraum 1980 bis zum Verkauf 1984 die Voraussetzungen erfüllt habe.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Steuerfestsetzung 1984 unter Beibehaltung der vorläufigen Steuerfestsetzung dahingehend abzuändern, daß ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 33.090.420 DM nicht angesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Kläger war an der GmbH durch seinen Geschäftsanteil von 23,88 % nicht wesentlich beteiligt. Die über einem Viertel liegenden Stimmrechte sowie die höheren Anteile am Gewinn und am Verkaufserlös können hieran nichts ändern.

1. Die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das Übergehen von Beweisanträgen ist nicht durchgreifend. Die vorgetragenen Tatsachen lassen den Verfahrensmangel nicht schlüssig erkennen (Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 120 Rz. 38). Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

2. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und die innerhalb eines Veranlagungszeitraums veräußerten Anteile 1 % des Kapitals der Gesellschaft übersteigen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung - EStG -). Die wesentliche Beteiligung besteht bei einer GmbH darin, daß dem Steuerpflichtigen Anteile an einer GmbH oder ähnliche Beteiligungen oder Anwartschaften auf solche Beteiligungen in Höhe von mehr als einem Viertel zuzurechnen sind (§ 17 Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG; jetzt Satz 3 und 4). Im Streitfall kommt nur eine Beteiligung des Klägers durch Anteile an der GmbH in Betracht.

Anteile an einer GmbH sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Geschäftsanteile i. S. der §§ 5 und 14 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG - (vgl. BFH-Urteile vom 28. Juni 1978 I R 90/76, BFHE 125, 444, BStBl II 1978, 590; vom 19. Mai 1992 VIII R 16/88, BFHE 168, 170, BStBl II 1992, 902, m. w. N.; vom 10. November 1992 VIII R 40/89, BFHE 173, 17, BStBl II 1994, 222; vom 16. Mai 1995 VIII R 33/94, BFHE 178, 197, BStBl II 1995, 870). Nach § 14 GmbHG bestimmt sich der Geschäftsanteil eines Gesellschafters nach dem Betrag der übernommenen Stammeinlage. Aus der Anbindung des § 17 Abs. 1 EStG an diese zivilrechtliche Regelung folgt, daß sich steuerrechtlich die Höhe des Anteils an einer GmbH ebenfalls aus der übernommenen Stammeinlage errechnet. Nur Änderungen, die das Stammkapital betreffen, können somit die Höhe eines GmbH-Anteils beeinflussen. Aus diesem Grund hat der BFH entschieden, daß kapitalersetzende Darlehen oder typisch stille Beteiligungen die Höhe eines GmbH-Anteils nicht verändern können (BFH-Urteile in BFHE 168, 170, BStBl II 1992, 902; vom 28. Mai 1997 VIII R 25/96, BStBl II 1997, 724, und vom 29. Juli 1997 VIII R 80/94, BStBl II 1997, 727).

3. Von dispositiven Vorschriften des GmbHG abweichende Regelungen über das Stimmrecht und/oder über die Verteilung des Gewinns und/oder des Liquidationserlöses beeinflussen die Höhe einer Beteiligung i. S. des § 17 Abs. 1 EStG nicht.

a) Die Einflußmöglichkeiten eines Gesellschafters auf eine Kapitalgesellschaft rechtfertigen es nicht, die Frage, ob eine wesentliche Beteiligung vorliegt, abweichend von den Geschäftsanteilen zu beurteilen. Stimmrechte oder auf sonstigen Gründen beruhende Machtpositionen können nicht die Beteiligungsquote eines einflußlosen oder einflußschwachen Beteiligten mindern und korrespondierend die Quote eines einflußstarken Gesellschafters erhöhen.

Der BFH hat schon bisher den Begriff der mittelbaren Beteiligung als Teil der wesentlichen Beteiligung i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG als eine rein kapitalmäßige Beteiligung verstanden, d. h. unabhängig davon, ob und in welchem Maße der Anteilseigner die Kapitalgesellschaft, die die Beteiligung vermittelt, wirtschaftlich beherrscht (BFH-Urteile in BFHE 125, 444, BStBl II 1978, 590; vom 12. Juni 19809 IV R 128/77, BFHE 131, 49, BStBl II 1980, 646). Dementsprechend hat der BFH eine (unmittelbare) wesentliche Beteiligung auch dann angenommen, wenn der Veräußerer nur sehr kurzfristig zu mehr als einem Viertel an der Kapitalgesellschaft beteiligt war und deshalb in aller Regel keinen Einfluß auf die Gesellschaft ausüben konnte (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 5. Oktober 1976 VIII R 38/72, BFHE 120, 471, BStBl II 1977, 198; in BFHE 178, 197, BStBl II 1995, 870).

Es kann nichts anderes gelten, wenn die Einflußmöglichkeiten, die dem Gesellschafter nach dem GmbHG zustehen, aufgrund der Satzung eingeschränkt oder erweitert sind oder wenn in der Satzung vom GmbHG abweichende Regelungen über das Gewinnbezugsrecht und/oder die Verteilung des Liquidationserlöses getroffen werden. Die von der bisherigen Rechtsprechung angeführten Gründe für die Maßgeblichkeit der Beteiligung am Stammkapital gelten auch in diesen Fällen.

b) Der Wortlaut des § 17 Abs. 1 EStG legt es nahe, den Begriff der wesentlichen Beteiligung allein kapitalmäßig zu bestimmen.

Die Vorschrift spricht in Satz 3 (Satz 4 des § 17 Abs. 1 EStG n. F.) ausdrücklich von der Beteiligung "... an der Gesellschaft" und in Satz 1 von der Beteiligung "am Kapital". Kapital ist nach den gesetzlichen Vorschriften des GmbHG und des Aktiengesetzes - AktG - (§ 5 Abs. 1 GmbHG; §§ 6 ff. AktG) das Stamm- bzw. Grundkapital der Gesellschaft, das mit einem festen Betrag in der Satzung auszuweisen ist. Es bezeichnet das durch die Einlagen der Gesellschafter aufzubringende Gesellschaftsvermögen. Der "Anteil an einer Kapitalgesellschaft" verkörpert deshalb den betragsmäßig bestimmten (festen) Anteil am Stammkapital der Gesellschaft (so bereits Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, Bd. II, § 30 Anm. 35; ebenso die ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteile in BFHE 125, 444, BStBl II 1978, 590; BFHE 131, 49, BStBl II 1980, 646; BFHE 168, 170, BStBl II 1992, 902; BFHE 178, 197, BStBl II 1995, 870). Der Gesetzgeber hat sich durch diese Rechtsprechung nicht zu einer Änderung des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG n. F.) veranlaßt gesehen, obwohl § 17 EStG hinsichtlich anderer Tatbestandsmerkmale in der Vergangenheit wiederholt geändert wurde.

c) Für dieses Gesetzesverständnis spricht auch der Zweck des § 17 Abs. 1 EStG. Die Norm soll den aufgrund der Veräußerung des Geschäftsanteils eintretenden Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit erfassen (Senatsurteil in BFHE 178, 197, 202, BStBl II 1995, 870, m. w. N.). Der Zuwachs an Leistungsfähigkeit ist unabhängig davon besteuerungswürdig, ob er auf der Einflußnahme des Anteilseigners auf die Geschäfte der Kapitalgesellschaft beruht. Entscheidend für die Besteuerung des Veräußerungsgewinns sind vielmehr die Ansprüche des Gesellschafters auf Beteiligung an der Substanz (Urteil in BFHE 178, 197, 202, BStBl II 1995, 870 m. w. N.). Dem entspricht es, für die Wesentlichkeit der Beteiligung auf die Höhe des Anteils am Nennkapital abzustellen. Denn die Vermögensrechte des Anteilseigners (Gewinnrecht und Recht auf den Liquidationserlös) bestimmen sich gemäß §§ 29 Abs. 3 und 72 GmbHG nach dem Nennbetrag seines Geschäftsanteils. Da im Regelfall die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile am Vermögenszuwachs der Kapitalgesellschaft beteiligt sind, ist es sachgerecht, wenn § 17 Abs. 1 EStG typisierend an die Höhe der nominellen Beteiligung am Stammkapital anknüpft.

d) Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht ist eine Ausnahme auch dann nicht gerechtfertigt, wenn einem Gesellschafter, der nominell zu weniger als einem Viertel am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist, abweichend von §§ 29, 72 GmbHG durch die Satzung ein höherer Anteil am Gewinn und/oder am Liquidationserlös eingeräumt worden ist (ebenso: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 17 EStG, Anm. 130; a. A. L. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., § 17 Rz. 40; Hörger in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 17 EStG Rz. 14; Blümich/Ebling, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., § 17 EStG Rz. 85; offengelassen im Urteil des BFH vom 27. Januar 1977 IV R 46/76, BFHE 122, 445, BStBl II 1977, 754).

Wie sich aus der Entstehungsgeschichte des § 17 EStG ergibt, wollte der Gesetzgeber mit der Anknüpfung an das Grund- oder Stammkapital im Interesse der einfachen Handhabung der Vorschrift eine "feste Grenze" vorsehen, "ohne daß dem Ermessen der Verwaltungsbehörden noch ein weiterer Spielraum gelassen wird" (vgl. die Wiedergabe der amtlichen Begründung zu § 30 EStG 1925 bei Strutz, a. a. O., S. 373). Diese Absicht des Gesetzgebers würde unterlaufen, wenn man das Tatbestandsmerkmal der Beteiligung am "Kapital" im Sinne einer Beteiligung am tatsächlichen Vermögen der Kapitalgesellschaft auslegen würde. Angesichts der Vielzahl denkbarer Satzungsregelungen über die Verteilung des Gewinns und des Liquidationserlöses könnte nur aufgrund einer Beurteilung aller individuellen Umstände des jeweiligen Einzelfalles entschieden werden, ob eine wesentliche Beteiligung anzunehmen ist. Dies würde die Belange der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit erheblich beeinträchtigen. Für die Beteiligten wäre - wie der Streitfall zeigt - nicht mehr in allen Fällen vorhersehbar, ob der Erlös aus der Veräußerung eines Geschäftsanteils nach § 17 EStG einkommensteuerpflichtig ist. Nach der im Streitfall beschlossenen Satzung hängt die Höhe des Gewinnanteils des Klägers vom Erfolg seiner Niederlassung im Verhältnis zum Erfolg der übrigen Niederlassungen ab. Die Höhe des Gewinnanteils kann folglich nur im Nachhinein für den jeweiligen Gewinnermittlungszeitraum festgestellt werden; entsprechendes gilt für den Anteil am Liquidationserlös. Zweifelhaft wäre ferner, nach welchen Kriterien die Höhe der Beteiligungsquote ermittelt werden soll, wenn aufgrund der Satzung die Anteile am Gewinn und am Liquidationserlös nach unterschiedlichen Maßstäben zu errechnen sind. Zu berücksichtigen ist schließlich, daß die Bestimmung der Wesentlichkeit einer Beteiligung nach Maßgabe des tatsächlichen Werts des Gesellschaftsvermögens zur Folge hätte, daß selbst eine Beteiligung von mehr als einem Viertel am Nennkapital nicht als wesentlich angesehen werden könnte, wenn der Gesellschafter nur einen Anteil am Gewinn und/oder Liquidationserlös von bis zu 25 % beanspruchen könnte.

4. Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger durch seinen Geschäftsanteil von 23,88 % nicht wesentlich an der GmbH beteiligt.

a) Aus den über 25 % liegenden Stimmrechten und der höheren Gewinnbeteiligung in den Jahren ab 1980 bis zur Veräußerung 1984 kann keine wesentliche Beteiligung abgeleitet werden. Gleiches gilt für den Anteil des Klägers am Verkaufserlös.

b) Auch die Zurechnungsbestimmung des § 39 der Abgabenordnung (AO 1977) berechtigt im Streitfall nicht zu einer von der Geschäftsanteilsquote abweichenden Berechnung eines Beteiligungswerts von mehr oder weniger als einem Viertel. Sie kann nur dazu führen, daß ein Geschäftsanteil anderen Gesellschaftern als wirtschaftliche Eigentümer zuzurechnen ist und somit deren Beteiligung am Kapital erhöht.

Auch im Rahmen des § 17 Abs. 1 EStG genügt eine nur formale zivilrechtliche Beteiligung an einer GmbH nicht, wenn nicht zugleich eine tatsächliche, d. h. wirtschaftlich wesentliche Beteiligung gegeben ist. Bei dieser Prüfung hatte der BFH bisher Sachverhalte zu beurteilen, in denen zu klären war, wem die sich aus Geschäftsanteilen ergebenden (ungeschmälerten) Rechte zuzurechnen waren (vgl. BFH-Urteile vom 18. September 1984 VIII R 119/81, BFHE 142, 130, BStBl II 1985, 55; vom 10. Juli 1991 VIII R 16/90, BFH/NV 1992, 223; vom 7. Juli 1992 VIII R 56/88, BFH/NV 1993, 25; vom 7. Juli 1992 VIII R 54/88, BFHE 169, 49, BStBl II 1993, 331; in BFHE 178, 197, BStBl II 1995, 870). Hierum geht es im Streitfall aber nicht. Die maßgebliche Frage, ob ein Geschäftsanteil eine wesentliche Beteiligung "am Kapital" vermittelt, ist eine Frage der Auslegung des § 17 Abs. 1 EStG. Hierzu macht § 39 AO 1977 keine Aussage. Die Vorschrift ist keine Grundlage zur Beurteilung der objektiven Seite der steuerrechtlichen Tatbestandsverwirklichung anderer Vorschriften (BFH-Urteil vom 4. Oktober 1990 X R 148/88, BFHE 162, 304, BStBl II 1992, 211). Sie betrifft die Zurechnung in persönlicher Hinsicht und könnte nur eingreifen, wenn der Kläger durch seinen Geschäftsanteil am Kapital überhaupt nicht beteiligt wäre.

c) Ein Mißbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO 1977) ist nicht gegeben. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte. Unerheblich ist, daß der Kläger über einen längeren Zeitraum mehr als 25 % des GmbH-Gewinns bezogen hat und am Verkaufspreis mit 45 % beteiligt war. Diese Entwicklung des Gewinns und des Firmenwerts war bei der Aufstellung der Satzung nicht vorhersehbar. Allerdings haben die Gesellschafter die Möglichkeit, daß sich die Umsätze der Betriebsteile wesentlich verschieben könnten, in der Satzung berücksichtigt. Nach deren § 4 war in solchen Fällen zu prüfen, ob eine Stammkapitalerhöhung zugunsten von einzelnen Gesellschaftern vorzunehmen ist. Von diesem Recht hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Allein dieses Unterlassen war jedoch nicht mißbräuchlich, denn noch im Jahr 1978 lag seine in den Stimmrechten zum Ausdruck kommende Beteiligung am Vermögen i. S. des § 13 der GmbH-Satzung unter 25 % und bereits im Jahr 1982 wurde die Liquidation der GmbH beschlossen.

5. Die Sache ist entscheidungsreif. Der Kläger war nicht wesentlich an der GmbH beteiligt. Das angefochtene Urteil des FG ist aufzuheben und die Einkommensteuer 1984 unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids vom 11. September 1990 und der Einspruchsentscheidung vom 15. August 1991 ohne Berücksichtigung des streitigen Veräußerungsgewinns in Höhe von 33.090.420 DM auf 505.574 DM herabzusetzen.