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  BFH-Urteil vom 4.6.1996 (IX R 59/94) BStBl. 1998 II S. 431

Hat ein Erbe die Erbschaft mit der Maßgabe ausgeschlagen, daß ihm ein lebenslanger unentgeltlicher Nießbrauch an den zum Nachlaß gehörenden Grundstücken eingeräumt wird, so ist er befugt, AfA als Werbungskosten bei seinen aus den Nachlaßgrundstücken erzielten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend zu machen.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 4, § 21 Abs. 1; BGB § 1953.

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1994, 1039)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war mit seiner verstorbenen Ehefrau zu gleichen Teilen Miteigentümer eines Grundstücks in D. Im Jahre 1984 übertrug er seinen Anteil unter Vorbehalt des Nießbrauchs auf seine Ehefrau, die darüber hinaus Eigentümerin eines Grundstücks in N war.

Nach dem Tode der Ehefrau, die den Kläger durch Erbvertrag zu ihrem Alleinerben eingesetzt hatte, traf der Kläger am 4. September 1986 mit seinen drei Söhnen eine notariell beurkundete Vereinbarung, wonach der Kläger zugunsten seiner Söhne die Erbschaft auszuschlagen beabsichtigte, vorausgesetzt, daß diese ihm ein Verwaltungs- und Nießbrauchsrecht an dem zum Nachlaß gehörenden Grundbesitz einräumten, soweit es ihm nicht bereits zustehe. Dementsprechend schlug der Kläger am selben Tage die Erbschaft aus und seine Söhne räumten ihm ein "lebenslängliches unentgeltliches Verwaltungs- und Nießbrauchsrecht" an den Grundstücken des Nachlasses ein.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte zunächst in den unter den Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -) gestellten Steuerbescheiden für die Jahre 1987 bis 1990 (Streitjahre) bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung die für die beiden Nachlaßgrundstücke geltend gemachten Absetzungen für Abnutzung (AfA). In den gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Bescheiden vertrat das FA demgegenüber die Ansicht, der Kläger sei hinsichtlich des Grundstücks in N und des hälftigen Anteils an dem Grundstück in D nicht als Vorbehalts-, sondern als Zuwendungsnießbraucher anzusehen; mithin sei er insoweit nicht zur Inanspruchnahme der AfA berechtigt. Die hiergegen gerichteten Einsprüche blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 1039 veröffentlichten Urteil abgewiesen. Dem Kläger stünden die strittigen AfA nicht zu, da er aufgrund der Erbschaftsausschlagung zu keinem Zeitpunkt die Rechtsstellung eines Erben innegehabt habe.

Mit der Revision rügt der Kläger die unrichtige Anwendung des § 21 Abs. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Bei einer zutreffenden Würdigung der in der notariellen Urkunde vom 4. September 1986 im einzelnen festgehaltenen Umstände der mit seinen Söhnen getroffenen Vereinbarungen sei er als Vorbehaltsnießbraucher anzusehen und somit zur Inanspruchnahme der AfA in bezug auf die Nachlaßgrundstücke berechtigt. Falls er jedoch steuerrechtlich nicht als Vorbehaltsnießbraucher zu behandeln sei, seien in den Streitjahren jedenfalls anteilige Absetzungen auf die Nießbrauchsrechte an den Nachlaßgrundstücken zu berücksichtigen, die er ausweislich der Vereinbarungen mit seinen Söhnen aufgrund der Erbschaftsausschlagung, mithin entgeltlich erworben habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung vom 17. September 1993 die Steuerbescheide für die Streitjahre vom 18. Dezember 1992 dahin zu ändern, daß die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um die strittigen AfA gemindert werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Im Streitfall liege ein Zuwendungsnießbrauch vor, der nicht zur Inanspruchnahme von AfA berechtige. Die gemäß § 1947 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bedingungsfeindliche Ausschlagung der Erbschaft und die Nießbrauchseinräumung durch die Söhne des Klägers stellten zwei getrennte rechtliche Schritte dar.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Entscheidung des Senats in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat es zu Unrecht abgelehnt, die von dem Kläger beanspruchten AfA in bezug auf die Nachlaßgrundstücke als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.

a) Grundsätzlich ist derjenige befugt, AfA nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 4 EStG geltend zu machen, der den Tatbestand der Vermietung nach § 21 Abs. 1 EStG erfüllt und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das Wirtschaftsgut getragen hat. Die Befugnis setzt nicht zwingend voraus, daß er bürgerlich-rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer ist (Senatsurteil vom 24. April 1990 IX R 9/86, BFHE 160, 522, BStBl II 1990, 888). Aufgrund dessen hat die Rechtsprechung das Recht auf die Inanspruchnahme von AfA auch einem Vorbehaltsnießbraucher zugesprochen, sofern und soweit er die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat, bevor er das Grundstück unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs übereignete, und der nunmehr aufgrund seines dinglichen Rechts Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Er nutzt nämlich das Grundstück ununterbrochen aufgrund eigenen Rechts (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Juli 1981 VIII R 35/79, BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380). Dasselbe gilt nach dem Senatsurteil vom 28. März 1995 IX R 126/89 (BFHE 177, 412) auch dann, wenn ein Steuerpflichtiger ein Grundstück unter Vorbehalt eines schuldrechtlichen Nutzungsrechts überträgt. Schließlich ist nach dem Senatsurteil vom 15. Mai 1990 IX R 21/86 (BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67) einem zur Inanspruchnahme von AfA berechtigten Vorbehaltsnießbraucher auch ein Schenker gleichzustellen, der mit seinen Mitteln einem zu Beschenkenden den Kauf eines von ihm, dem Schenker, im voraus bestimmten Grundstücks ermöglicht, sich bei der Schenkung ein Nießbrauchsrecht an dem Grundstück vorbehält und dieses anschließend zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzt.

b) Nach diesen Grundsätzen stehen dem Kläger die AfA auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Gebäude des Nachlasses über den hälftigen Anteil an dem Gebäude in D hinaus zu.

Zwar sind aufgrund der Erbschaftsausschlagung durch den Kläger im Ergebnis dessen Söhne Erben und damit Rechtsnachfolger der Ehefrau des Klägers geworden; gemäß § 1953 Abs. 2 BGB gelten sie bürgerlich-rechtlich bereits vom Erbfall an als Erben.

Für die steuerrechtliche Frage der AfA-Befugnis ist jedoch zu berücksichtigen, daß der Kläger ausweislich der mit seinen Söhnen getroffenen, notariell beurkundeten Vereinbarung die Erbschaft u. a. mit der Maßgabe ausgeschlagen hat, daß ihm ein lebenslängliches Verwaltungs- und Nießbrauchsrecht an den zum Nachlaß gehörenden Grundstücken eingeräumt werde. Der Kläger hat als vorläufiger Erbe seiner Ehefrau mithin die Ausschlagung von einer Gegenleistung seiner Söhne abhängig gemacht. Diese haben den Nachlaß zwar zivilrechtlich von der Mutter als Erblasserin, wirtschaftlich aber aufgrund der Vereinbarung mit ihrem Vater als dem Ausschlagenden erlangt (vgl. Groh, Der Betrieb 1992, 1312, 1314; vgl. auch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 11. Januar 1993, BStBl I 1993, 62, Tz. 40, wonach die Ausschlagung einer Erbschaft gegen eine Abfindung der entgeltlichen Veräußerung des Erbteils gleichsteht), der bis zur Ausschlagung ohnehin Rechtsträger des Nachlasses war (vgl. Leipold, MünchKomm, § 1959 BGB Rdnr. 1).

Da der Kläger hiernach als vorläufiger Erbe wirtschaftlich über den Nachlaß verfügt hat, ist er steuerrechtlich in bezug auf die AfA-Befugnis hinsichtlich der zum Nachlaß gehörenden Grundstücke einem Vorbehaltsnießbraucher gleichzustellen, der ein unentgeltlich erworbenes Grundstück seinerseits unter Zurückbehaltung des Nießbrauchs auf einen Dritten überträgt. Die somit dem Kläger zustehenden AfA sind in entsprechender Anwendung des § 11d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung nach den Herstellungs- oder Anschaffungskosten der Ehefrau des Klägers oder nach dem an deren Stelle getretenen Wert zu bemessen.

2. Die Klage ist hiernach begründet. Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO dem FA übertragen.