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  BFH-Urteil vom 31.3.1998 (VII R 116/97) BStBl. 1998 II S. 487

1. Kombinationskraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t sind ohne Rücksicht auf Typ und Erscheinungsbild des Fahrzeuges unabhängig davon keine Personenkraftwagen, ob das betreffende Fahrzeug von Anfang an (werkseitig) ein solches zulässiges Gesamtgewicht hatte oder ob dieses später aufgrund technischer Änderungen an dem Fahrzeug oder einer Überprüfung des ursprünglich angegebenen Gesamtgewichts als zulässiges Gesamtgewicht festgelegt worden ist.

2. Das nach der Konstruktion des Fahrzeugs und nach dem Urteil des Herstellers technisch zulässige Gesamtgewicht als solches ist steuerrechtlich ohne Belang; solange es nicht von der Zulassungsstelle festgestellt ist.

KraftStG § 2 Abs. 2, § 8, § 12 Abs. 2 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit 1993 Halter eines Fahrzeuges vom Typ Toyota J 6, das als PKW konzipiert worden ist. Das Fahrzeug verfügt über vier Türen und eine Heckklappe und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 155 km/h. An dem Fahrzeug des Klägers sind technische Veränderungen vorgenommen worden (Ausbau der Rücksitze, Einbau einer Abtrennung zwischen Vordersitzen und Rückraum, Entfernen der hinteren Sicherheitsgurte und der Sitzbefestigungspunkte, Einbau einer Bodenplatte im Laderaum), die dazu führten, daß es bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 2,8 t verkehrsrechtlich als LKW eingestuft wurde.

Am 5. September 1996 teilte die Zulassungsstelle dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) mit, das zulässige Gesamtgewicht des Fahrzeuges sei auf 2.850 kg erhöht worden. Daraufhin beantragte der Kläger bei dem FA, die Besteuerung seines Fahrzeuges künftig als LKW durchzuführen. Der Antrag und die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage sind ohne Erfolg geblieben.

Die kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Ausführungen in dem Urteil des Finanzgerichts (FG) entsprechen im wesentlichen denen des Urteils in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 68.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers, zu deren Begründung im wesentlichen vorgetragen wird, die verkehrsrechtlichen Vorschriften unterscheiden nicht zwischen Fahrzeugen, deren zulässiges Gesamtgewicht ab Werk über 2,8 t liege, und Fahrzeugen, deren zulässiges Gesamtgewicht später auf über 2,8 t erhöht werde. Es bleibe daher völlig offen, auf welche verkehrsrechtlichen Vorschriften das FG bei seiner Unterscheidung zwischen Kombinationsfahrzeugen mit einem ursprünglichen Gesamtgewicht von über 2,8 t und Kombinationsfahrzeugen mit einem später auf über 2,8 t erhöhtem Gesamtgewicht Bezug nehme.

Das FA trägt im wesentlichen vor, das FG sei zutreffend von einem PKW ausgegangen, weil sich das äußere Erscheinungsbild des Fahrzeuges durch die Umbaumaßnahme nicht wesentlich verändert habe. Die Erhöhung des zulässigen Gesamtgewichts führe wegen einer jederzeit möglichen Ablastung nicht auf Dauer dazu, daß die in § 23 Abs. 6 a Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) gezogene Grenze überschritten werde. Die Vorschrift stehe überdies der Annahme eines PKW auch dann nicht entgegen, wenn das zulässige Gesamtgewicht dauerhaft mehr als 2,8 t betrage.

Es bestehe kein sachlicher Grund, die Fahrzeuge je nach der Höhe des zulässigen Gesamtgewichts verschiedenen Fahrzeugarten zuzuweisen. Besonders augenfällig werde dies, wenn Hersteller es in jüngster Zeit vermehrt zuließen, daß ohne Vornahme von Veränderungen am Fahrzeug das werkseitig eingetragene zulässige Gesamtgewicht auf - oft nur geringfügig - über 2,8 t erhöht werde. Hingegen sei der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Wohnmobilen klar zu entnehmen, daß die Abgrenzung zwischen PKW und LKW nur vordergründig nach dem zulässigen Gesamtgewicht, tatsächlich aber nach den Konstruktionsmerkmalen, nämlich Bauart und Einrichtung des Fahrzeuges, des den Fahrgästen belassenen Bewegungsraums, ihres Umrisses, ihres Aufbaus, ihrer Geschwindigkeit und ihrer Lenkbarkeit erfolge. Das zulässige Gesamtgewicht jedoch könne im Gegensatz zu der Grundkonstruktion eines Fahrzeugs jederzeit durch Auflastung oder Ablastung verändert werden. Es stehe zur freien Disposition des Halters. Mithin gewähre das öffentliche Recht in den Grenzen der Grundkonstruktion des Fahrzeuges eine Gestaltungsmöglichkeit, so daß auch ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 der Abgabenordnung - AO 1977 -) zu prüfen sei (Hinweis auf das Urteil des BFH vom 13. August 1985 VII R 172/83, BFHE 144, 176, BStBl II 1985, 636). Das Fahrzeug des Klägers habe aufgrund der 1993 vorgenommenen Umrüstung vollauf dessen Nutzungsansprüchen genügt; erst als das FA 1996 das Fahrzeug als PKW angesehen und besteuert habe, habe der Kläger ein um 50 kg höheres zulässiges Gesamtgewicht in die Fahrzeugpapiere eintragen lassen. Dies habe zu keinen weiteren Verwendungsmöglichkeiten geführt und folglich keinen wirtschaftlichen Hintergrund, sondern nur das Ziel, die Besteuerung als LKW herbeizuführen. Hilfsweise werde deshalb geltend gemacht, daß das Fahrzeug unter Anwendung von § 42 AO 1977 als PKW zu besteuern sei.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur dem Antrag des Klägers gemäßen Entscheidung in der Sache (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der erkennende Senat hat in dem Urteil vom 26. August 1997 VII R 60/97 (BFHE 183, 276, BStBl II 1997, 744) bereits entschieden, daß ein für die Güter- wie Personenbeförderung eingerichtetes Fahrzeug mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2,8 t kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht als hubraumsteuerbarer PKW (§ 8 Nr. 1 KraftStG) anzusehen ist, mit der Folge, daß es als gewichtsteuerbares "anderes" Fahrzeug (§ 8 Nr. 2 KraftStG) zu gelten hat. Denn die Bedeutung im KraftStG verwendeter verkehrsrechtlicher Begriffe bestimmt sich grundsätzlich nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften (§ 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG), wenn auch Einstufungen der Verkehrsverwaltung steuerrechtlich nicht bindend sind, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 KraftStG; ständige Rechtsprechung des Senats, siehe z. B. Urteil vom 29. April 1997 VII R 1/97, BFHE 183, 272, BStBl II 1997, 627). Auf den Begriff "Lastkraftwagen" wird zwar im KraftStG nicht verwiesen, denn dieser Begriff wird nicht verwandt. Wohl aber gilt die Verweisung für den im KraftStG verwendeten Begriff "Personenkraftwagen". Maßgebend für dessen Bestimmung ist somit, nachdem es keine eigenständige kraftfahrzeugsteuerrechtliche Definition gibt, das Verkehrsrecht.

Nach den maßgebenden Verkehrsvorschriften sind "Personenkraftwagen" beschaffenheitsgemäß zur Beförderung von Personen bestimmte Kraftfahrzeuge mit nicht mehr als acht Fahrgastplätzen einschließlich der Fahrzeuge mit zulässigem Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 t, die nach Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt sind, wahlweise vorwiegend der Beförderung von Personen oder vorwiegend der Beförderung von Gütern zu dienen (§ 23 Abs. 6 a StVZO i. d. F. von Art. 2 Nr. 5 der Zwanzigsten Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 9. Dezember 1994, BGBl I 1994, 3755; sog. Kombinationskraftwagen). Keine PKW sind danach Kombinationskraftwagen mit zulässigem Gesamtgewicht über 2,8 t. Typ und Erscheinungsbild eines (Kombinations-)Kraftfahrzeugs sind bei Überschreitung dieser Gewichtsgrenze ohne Bedeutung und vermögen für sich die Qualifikation als "Personenkraftwagen" nicht zu rechtfertigen. Das gilt unabhängig davon, ob ein Fahrzeug von Anfang an (werkseitig) ein solches zulässiges Gesamtgewicht hatte oder ob dieses später aufgrund technischer Änderungen an dem Fahrzeug oder einer Überprüfung des ursprünglich angegebenen Gesamtgewichts als zulässiges Gesamtgewicht festgelegt worden ist. Denn entscheidend ist, daß in dem einen wie in dem anderen Fall das Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr mit entsprechender Zuladung benutzt werden kann. An dieses Recht zur Benutzung knüpft das KraftStG an (BFH-Urteile vom 7. März 1984 II R 40/80, BFHE 140, 480, 482, BStBl II 1984, 459, und vom 17. Oktober 1989 VII R 58/87, BFHE 158, 466, BStBl II 1990, 249; vgl. auch Senatsurteile vom 4. März 1986 VII R 166/83, BFHE 146, 282, 286, BStBl II 1986, 531, und vom 13. Januar 1987 VII R 147, 148, 150/84, BFHE 148, 542, 545, BStBl II 1987, 272, sowie Beschluß vom 1. September 1987 VII B 86/87, BFH/NV 1987, 813, 815). Daß angesichts des verkehrsrechtlichen, vom KraftStG übernommenen Grenzwertes von 2,8 t, bei dessen Überschreitung ein Kraftfahrzeug, das der Personen- und Güterbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt ist, als LKW anzusehen ist, gleichartige oder jedenfalls mehr oder weniger ähnliche Kraftfahrzeuge teils als PKW, teils als LKW einzustufen sind, liegt in der Natur einer solchen Grenzziehung und ist deshalb auch kraftfahrzeugsteuerrechtlich ohne Bedeutung. Es stellt auch keinen Mißbrauch i. S. des § 42 AO 1977 dar, wenn sich ein Steuerpflichtiger wegen dieser Gewichtsgrenze für ein Fahrzeug entscheidet, das sie - zumindest gerade eben - überschreitet, oder wenn er sein Fahrzeug für ein Gesamtgewicht verkehrsrechtlich zulassen läßt, das oberhalb der Gewichtsgrenze liegt, und dadurch in den Genuß einer höheren Zuladungsmöglichkeit und einer günstigeren Besteuerung gelangt, aber auch u. U. unerwünschte Verkehrsvorschriften für LKW beachten muß.

Das danach für die Besteuerung maßgebliche zulässige Gesamtgewicht ist von der Zulassungsstelle zu ermitteln und festzustellen. Das ergibt sich bereits aus § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG, wonach für die Beurteilung anderer Besteuerungsgrundlagen technischer Art als der Schadstoffarmut eines Kraftfahrzeugs (siehe dazu Beschluß des Senats vom 26. August 1986 VII B 107/86, BFHE 147, 276, 278, BStBl II 1986, 865, und Urteil vom 15. Mai 1990 VII R 78/89, BFH/NV 1991, 123) die Feststellungen der Zulassungsbehörden verbindlich sind. Um solche Feststellungen handelt es sich bei der Ermittlung des zulässigen Gesamtgewichts; denn die Finanzbehörden selbst sind offensichtlich nicht in der Lage zu beurteilen, ob ein Fahrzeug den jeweils maßgebenden technischen und verkehrsrechtlichen Anforderungen für ein bestimmtes Gesamtgewicht entspricht. § 8 Nr. 2 KraftStG stellt im übrigen auf das verkehrsrechtlich zulässige Gesamtgewicht ab. Dieses ist nach Maßgabe des § 34 Abs. 2 Satz 2 StVZO i. V. m. den dort in Bezug genommenen verkehrsrechtlichen Vorschriften zu ermitteln und wird in den von der Zulassungsstelle ausgestellten Kraftfahrzeugpapieren eingetragen und damit verbindlich festgelegt (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34. Aufl. 1997, StVZO § 3 Rdnr. 6). Denn die Kraftfahrzeugpapiere (Kraftfahrzeugschein und -brief) enthalten die Daten, auf deren Grundlage die Allgemeine Betriebserlaubnis für das Kraftfahrzeug (§ 20 StVZO) erteilt ist, auf die sich die Zulassung des Fahrzeugs gründet, welche ihrerseits Anknüpfungspunkt der Kraftfahrzeugsteuer bei zulassungspflichtigen Fahrzeugen ist (BFH-Urteile in BFHE 140, 480, 482, BStBl II 1984, 459, und in BFHE 158, 466, BStBl II 1990, 249). Das verkehrsrechtlich zulässige Gesamtgewicht ist folglich im allgemeinen der Kraftfahrzeugbesteuerung so zugrundezulegen, wie es sich aus den Kraftfahrzeugpapieren ergibt. Dies hat der erkennende Senat bereits in dem Urteil in BFHE 158, 466, BStBl II 1990, 249 (vgl. auch Senatsbeschluß vom 12. Mai 1992 VII B 24/92, BFH/NV 1993, 438) für den Fall einer nach § 70 Nr. 1 StVZO von der Verkehrsbehörde zugelassenen Ausnahme von dem nach § 34 StVZO zulässigen Gesamtgewicht entschieden, welche ebenfalls nach § 20 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 StVZO in dem Kraftfahrzeugschein zu bezeichnen ist, wenn dies auch keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der diesbezüglichen verkehrsbehördlichen Entscheidung ist und die Ausnahme, wie sich aus § 70 Abs. 3 a Satz 1 StVZO ergibt, unabhängig von einer Eintragung in den Fahrzeugpapieren gilt (vgl. Beschluß des Senats in BFH/NV 1994, 438). Das tatsächliche, nach der Konstruktion des betreffenden Fahrzeuges und nach dem Urteil des Herstellers technisch zulässige Gesamtgewicht als solches ist jedoch steuerrechtlich ohne Belang, solange es nicht von der Zulassungsstelle festgestellt ist. Deren Feststellung bindet das FA (erst) von dem Zeitpunkt an, zu dem sie getroffen wird.

2. Das Fahrzeug des Klägers ist, wie sich den Feststellungen des FG entnehmen läßt, jedenfalls nach der Entfernung der hinteren Sitze und der Ausgestaltung des dortigen Innenraumes als Laderaum - ungeachtet der Frage, ob es deshalb nach Typ und Erscheinungsbild einen LKW darstellt (Urteil des Senats in BFHE 183, 276, BStBl II 1997, 744) - nach Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt, wahlweise - neben der Beförderung von Personen - vorwiegend der Beförderung von Gütern zu dienen; es erfüllt also - anders als z. B. eine reine Limousine, die unter Umständen ebenfalls das zulässige Gesamtgewicht von 2,8 t überschreiten kann (vgl. BFH-Urteil vom 1. Februar 1984 II R 144/81, BFHE 140, 474, BStBl II 1984, 461) - die Merkmale eines sog. Kombinationsfahrzeugs. Für das Fahrzeug des Klägers ist auch, wie das FG ebenfalls, für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), sinngemäß festgestellt hat, seit 5. September 1996 in den Fahrzeugpapieren ein zulässiges Gesamtgewicht von mehr als 2,8 t eingetragen. Damit hat sich ab diesem Tage die Bemessungsgrundlage für die Kraftfahrzeugsteuer i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG geändert, so daß die Steuer nach dieser Vorschrift entsprechend dem Antrag des Klägers - ohne Änderung des Steuerentrichtungszeitraums (§ 18 Abs. 1 KraftStG) neu festzusetzen ist. Das Urteil des FG, das von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgeht, ist mithin aufzuheben und das FA zu verpflichten, den Kraftfahrzeugsteuerbescheid nach dem Antrage des Klägers zu ändern.