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  BFH-Urteil vom 27.1.1998 (VIII R 47/96) BStBl. 1998 II S. 498

Steuernachforderungen sind bis zum 31. Dezember 1995 auch dann gemäß § 233a AO 1977 zu verzinsen, wenn sie sich aus der nachträglichen Erhöhung eines Kaufpreises ergeben und die rückwirkend entstandene Steuerschuld zu einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 führt.

AO 1977 § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 233a Abs. 1 und 5.

Vorinstanz: FG München (EFG 1996, 906)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte seine im Privatvermögen gehaltene wesentliche Beteiligung mit Wirkung zum 1. Januar 1989 um 3.222.000 DM veräußert.

Der Kaufpreis wurde 1992 aufgrund der im Kaufvertrag getroffenen Vereinbarungen um 2.134.963,63 DM erhöht. Der Käufer zahlte den Erhöhungsbetrag im Oktober 1992 an den Kläger.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid 1989 nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und erhöhte die Einkommensteuer um 597.692 DM. Damit verbunden setzte er für die Zeit vom 1. April 1991 bis zur Fälligkeit der Steuernachforderung Zinsen nach § 233a AO 1977 in Höhe von (62.748 DM ./. Erstattungszinsen von 411 DM =) 62.337 DM fest. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der gegen den Zinsbescheid gerichteten Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 906).

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 233a AO 1977).

Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Es vertritt die Ansicht, daß mit der materiell-rechtlichen Rückwirkung der Kaufpreiserhöhung auf den Veräußerungszeitpunkt auch der Steueranspruch in diesem Zeitpunkt entstanden sei und § 233a AO 1977 ausschließlich und ohne Differenzierung nach dem Änderungsgrund auf die Entstehung der Steuerschuld abstelle. Der Gesetzgeber habe sich bewußt für eine möglichst einfache Zinsberechnung - nach der jeweiligen Sollstellung - entschieden, um aufwendige Feststellungen im Festsetzungsverfahren über den Umfang der auf dem rückwirkenden Ereignis beruhenden Mehr- oder Mindersteuern zu vermeiden.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Der erkennende Senat hat in seinem Beschluß vom 27. September 1994 VIII B 21/94 (BFHE 175, 516, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1995, 128) ausgeführt, daß es ernstlich zweifelhaft sei, ob bei einer nachträglichen Erhöhung des Kaufpreises für eine wesentliche Beteiligung der Unterschiedsbetrag zwischen der ursprünglichen und der rückwirkend entstehenden Steuerschuld auch rückwirkend nach § 233a AO 1977 zu verzinsen sei. Der I. Senat des Bundesfinanzhofs hat eine rückwirkende Verzinsung bei rückwirkender Steuerfestsetzung bejaht (Urteil vom 2. Juli 1997 I R 25/96, BFHE 183, 33, BStBl II 1997, 714). Der erkennende Senat schließt sich diesem Urteil im Ergebnis an. Zwar hat der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 1997 in § 233a AO 1977 einen Abs. 2 a eingefügt, der bestimmt, daß im Falle der Steuerfestsetzung aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses der Zinslauf abweichend von Abs. 2 Satz 1 erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist. Er hat aber gleichzeitig in Art. 97 § 15 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) einen Abs. 8 angefügt. Danach gilt § 233a Abs. 2 a AO 1977 in allen Fällen, in denen der Verlust nach dem 31. Dezember 1995 entstanden oder das rückwirkende Ereignis nach dem 31. Dezember 1995 eingetreten ist. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, daß die Verzinsung für den vorausgehenden Zeitraum - und damit auch für den Streitfall - ausschließlich nach dem Sollprinzip vorzunehmen ist.