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  BFH-Urteil vom 7.4.1998 (VII R 82/97) BStBl. 1998 II S. 531

1. Die Gesellschafter einer vermögenslosen Vor-GmbH haften den Finanzbehörden gegenüber unmittelbar im Verhältnis ihrer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung für die durch die Vorgesellschaft begründeten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis.

2. Erweist sich die Gründungsgesellschaft als unechte Vorgesellschaft, weil die Eintragungsabsicht schon ursprünglich fehlte oder später aufgegeben worden ist, ohne daß die Gesellschafter ihre geschäftliche Tätigkeit sofort eingestellt hätten, haften diese nach den für Personengesellschaften geltenden zivilrechtlichen Vorschriften unmittelbar und unbeschränkt.

AO 1977 § 191 Abs. 1, Abs. 4; HGB § 1 Abs. 2, § 123 Abs. 2, § 128; BGB § 421, § 705 ff.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1997, 934)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) gründete zusammen mit Frau O durch notariellen Vertrag vom 15. Februar 1993 die O GmbH. Von der Stammeinlage in Höhe von 50.000 DM übernahmen der Kläger laut Gesellschaftsvertrag 13.000 DM und Frau O 37.000 DM. Frau O wurde zur alleinigen Geschäftsführerin der Gesellschaft bestellt und vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Gegenstand des Unternehmens sollten Armierungs-, Stahlbiege- und Form-Flechtarbeiten sowie der Einzelhandel und die Lieferung von Betonstahl sein. Neben dem Gesellschaftsvertrag existiert eine auf den 30. Januar 1993 (zurück-)datierte privatschriftliche Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern, wonach der Kläger, der ein Bauingenieur ist, als Gesellschafter nur auftreten soll, um die Gewerbezulassung zu ermöglichen. Er sollte keine Rechte auf Gewinnbeteiligung aus dem Gesellschaftsvertrag, aber auch keine Pflichten, wie z. B. Kapitaleinlagen, finanzielle Einlagen bei Konkurs, Haftungen u. a. haben. Zu sämtlichen Rechten und Pflichten stehe allein Frau O. Für eine Mitarbeit werde mit dem Kläger ein gesonderter Beratervertrag abgeschlossen. Ein Vertrag über freie Mitarbeit als Bauingenieur kam zwischen der GmbH in Gründung (GmbH i. G.) und dem Kläger mit Wirkung vom 1. März 1993 zustande.

Die Gesellschaft nahm im Februar 1993 ihre Geschäftstätigkeit auf. Zur Eintragung in das Handelsregister gelangte die Gesellschaft in der Folgezeit nicht. Vielmehr meldete Frau O als Geschäftsführerin das Gewerbe am 10. Dezember 1993 ab und beantragte die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH i. G. Der Antrag wurde am 21. Dezember 1993 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Maße zurückgewiesen.

Mit Haftungsbescheiden vom 8. Juni 1994 nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Kläger - neben Frau O - für rückständige Umsatzsteuer und Lohnsteuer der GmbH i. G. in Haftung.

Die Haftungsbescheide stützt das FA auf die Grundsätze zur Haftung von Gesellschaftern vor Eintragung einer GmbH in das Handelsregister; den Haftungsbescheid über Lohnsteuer/Kirchenlohnsteuer zusätzlich auf § 69 der Abgabenordnung (AO 1977) i. V. m. §§ 34, 35 AO 1977.

Im Einspruchs- und Klageverfahren machte der Kläger geltend, er sei niemals Gesellschafter der GmbH i. G. geworden. Der notarielle Vertrag zur Errichtung der Gesellschaft sei ein Scheinvertrag gewesen. Er sei weder mit der Geschäftstätigkeit der GmbH i. G. befaßt gewesen, noch als Gesellschafter in Erscheinung getreten. Auch eine Haftung nach § 11 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) scheide aus, da er nicht handelnd für die Gesellschaft aufgetreten sei. Der Kläger verweist auf die Vereinbarung mit Frau O vom 30. Januar 1993, wonach er aus der Gesellschaft weder Rechte noch Pflichten haben sollte. Da diese wesentliche Vereinbarung notariell nicht mitbeurkundet worden sei, sei der Notarvertrag unwirksam. Die Gesellschaft sei nicht in Vollzug gesetzt worden, vielmehr habe Frau O das Unternehmen wie eine Alleininhaberin geführt.

Zudem treffe den Kläger nach der neueren Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte allenfalls eine auf seine Beteiligung beschränkte Innenhaftung, so daß die Haftungsbescheide auch aus diesem Grunde keinen Bestand haben könnten.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Klage wurde im wesentlichen als unbegründet abgewiesen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 934 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht - FG - (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Feststellungen des FG tragen das gefundene Ergebnis - unbeschränkte Haftung des Klägers - nicht. Das FG geht in seiner Entscheidung davon aus, daß die Gesellschafter einer gescheiterten vermögenslosen Vorgesellschaft für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis grundsätzlich persönlich und unbeschränkt haften. Mit dieser Begründung konnte das FG indes die Klage nicht abweisen; sie widerspricht in dieser Allgemeinheit der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt.

1. Zutreffend hat das FG entschieden, daß der Kläger als Gesellschafter einer vermögenslosen GmbH i. G. für die rückständigen Steuer- bzw. Haftungsschulden der Gesellschaft persönlich in Haftung genommen werden konnte. Nach § 191 AO 1977 kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet, wobei die Haftung sowohl auf steuerrechtlichen als auch auf zivilrechtlichen Haftungsvorschriften beruhen kann (§ 191 Abs. 1, Abs. 4 AO 1977, vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 31. Mai 1983 VII R 7/81, BFHE 138, 414, 418, BStBl II 1983, 545, und vom 27. Juni 1989 VII R 100/86, BFHE 158, 1, BStBl II 1989, 952).

a) Der Kläger ist Gesellschafter geworden. Entgegen seiner Ansicht ist er mit Abschluß des notariell beurkundeten Vertrages zur Gründung einer GmbH vom 15. Februar 1993 Gesellschafter der O GmbH i. G. geworden. Der Gesellschaftsvertrag ist durch notarielle Urkunde formgültig i. S. des § 2 GmbHG zustande gekommen und von beiden Gesellschaftern unterzeichnet worden. Es gibt keine Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit des Beitritts; der Kläger war geschäftsfähig und hat in Anwesenheit des Notars eigenhändig die Unterschrift geleistet. Damit enthält der Gesellschaftsvertrag die wirksame Beitrittserklärung des Klägers (vgl. Baumbach/Hück, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., § 2 Rz. 4, 10).

Insbesondere führen die auf den 30. Januar 1993 datierten nicht mitbeurkundeten Vereinbarungen zwischen dem Kläger und Frau O weder zur Unwirksamkeit des Beitritts noch zur Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages. Der nach § 3 Abs. 1 GmbHG notwendige Inhalt des Gesellschaftsvertrages ist beurkundet worden. Die getroffenen Nebenabreden über die Freistellung von der Haftung und von Rechten und Pflichten aus der Gesellschaft bedurften keiner Beurkundung nach § 3 Abs. 2 GmbHG; denn sie enthalten nicht die Verpflichtung des Klägers zu gesetzlichen Leistungen für die Gesellschaft, sondern betreffen lediglich eine schuldrechtliche Haftungsabrede zwischen den Gesellschaftern. Solche Nebenverträge, die jederzeit außerhalb des Gesellschaftsvertrages möglich sind, berühren die gesellschaftsrechtliche Stellung nicht (vgl. Baumbach/Hück, a. a. O., § 3 Rz. 57 f.) und führen ohne Vorliegen weiterer besonderer Umstände auch nicht zur Annahme einer bloßen Scheingründung i. S. des § 117 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - (h. M., vgl. Baumbach/Hück, a. a. O., § 1 Rz. 40, m. w. N., und Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 9. Oktober 1956 II ZB 11/56, BGHZ 21, 379, 381). Auch der Wortlaut in Ziffer 1 der Vereinbarung vom 30. Januar 1993 spricht gegen die Annahme einer bloßen Scheingründung bei Errichtung des Gesellschaftsvertrages, denn dort heißt es ausdrücklich: "Gesellschafter werden die o. g. Personen". Damit war das Zustandekommen der Gesellschaft gewollt, selbst wenn der Kläger als Gesellschafter nur eingeschrieben werden sollte, um die Gewerbezulassung zu bewirken. Da der Kläger im eigenen Namen handelte und im Gesellschaftsvertrag Verpflichtungen eingegangen ist, treffen ihn gesellschaftsrechtlich die Pflichten als Gründungsgesellschafter (vgl. BGH-Urteil vom 14. Dezember 1959 II ZR 187/57, BGHZ 31, 258, 263 f.).

b) Zu Recht hat das FG die Haftung des Klägers als Handelnder i. S. des § 11 Abs. 2 GmbHG verneint, da der Kläger vereinbarungsgemäß nicht nach außen für die Gesellschaft aufgetreten ist. Das FA konnte - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - den Haftungsbescheid über Lohnsteuer/Kirchenlohnsteuer auch nicht (zusätzlich) auf die steuerrechtlichen Haftungstatbestände des § 69 i. V. m. §§ 34, 35 AO 1977 stützen. Gemäß § 69 AO 1977 haften die in §§ 34, 35 AO 1977 bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Nach § 34 Abs. 1 AO 1977 haben die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und Geschäftsführer von nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmaßen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen, daß die Steuern aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Nach § 34 Abs. 2 AO 1977 haben die Mitglieder oder Gesellschafter diese Pflichten nur zu erfüllen, soweit nichtrechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind. Der Kläger gehört nicht zu diesem Personenkreis. Im Streitfall war Frau O im Gesellschaftsvertrag zur alleinigen Geschäftsführerin bestimmt worden (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. April 1985 VI B 112/84, BFH/NV 1986, 71, 73).

2. Der Kläger haftet nach den Grundsätzen einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an einer Vorgesellschaft.

a) Mit dem Zustandekommen des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrages ist die Gesellschaft errichtet und besteht, solange die GmbH nicht in das Handelsregister eingetragen ist, als Vorgesellschaft - Vor-GmbH - fort, für die es gesetzliche Regelungen nicht gibt. Sie wird als sog. "unechte Vorgesellschaft" behandelt, auf die die Regeln einer zivilrechtlichen Personengesellschaft angewandt werden, wenn die GmbH nicht in das Handelsregister eingetragen wird, weil u. a. die Gründer von vornherein nicht die Absicht hatten, die Eintragung als GmbH zu erreichen, oder wenn der Eintragungsantrag nicht ernsthaft weiterbetrieben wird, insbesondere, weil bestehende Eintragungshindernisse nicht beseitigt werden oder Eintragungsunterlagen nicht unverzüglich beschafft werden oder weil die Gesellschaft trotz Ablehnung des Eintragungsantrags und Wegfalls des Gründungsziels ihre Geschäfte weiterbetreibt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 23. Oktober 1985 VII R 187/82, BFHE 145, 13, BStBl II 1986, 156; vom 13. Januar 1987 VII R 159/83, BFH/NV 1987, 687; vom 1. Dezember 1987 VII R 206/85, BFH/NV 1988, 477; vgl. auch BGH-Urteil vom 29. November 1956 II ZR 282/55, BGHZ 22, 240 ff., sowie Baumbach/Hück, a. a. O., § 11 Rz. 28 f., m. w. N., und Goette, Anm. Deutsches Steuerrecht - DStR - 1998, 179, 181). Eine "echte" Vor-GmbH liegt dagegen vor, wenn und solange die Gesellschafter der Vorgesellschaft die Geschäftstätigkeit einverständlich aufgenommen haben und mit dem Ziel der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister betreiben.

b) Die Frage, ob die Vorgründungsgesellschaft als unechte Vorgesellschaft zu qualifizieren ist, hat nach der nunmehr geltenden Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 27. Januar 1997 II ZR 123/94, BGHZ 134, 333, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht - ZIP - 1997, 679, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1997, 1507), der sich das Bundesarbeitsgericht - BAG - (Urteile vom 22. Januar 1997 10 AZR 908/94, NJW 1997, 3331, und vom 27. Mai 1997 9 AZR 483/96, NJW 1998, 628) sowie das Bundessozialgericht - BSG - (Beschluß vom 31. Mai 1996 2 S (U) 3/96, KTS 1996, 599) angeschlossen haben, entscheidungserhebliche Bedeutung dafür, ob und in welchem Umfang der Gesellschafter einer Vorgesellschaft für die Verbindlichkeiten der gescheiterten GmbH i. G. persönlich in Haftung genommen werden kann.

Mit den genannten Entscheidungen der obersten Bundesgerichte hat die Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten einer fehlgeschlagenen Vorgesellschaft eine neue Regelung erfahren. Der BGH hat mit Beschluß (Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes) vom 4. März 1996 II ZR 123/94 (NJW 1996, 1210) und Urteil in BGHZ 134, 333, NJW 1997, 1507 seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BGH-Urteile vom 9. März 1981 II ZR 54/80, BGHZ 80, 129, 144; vom 7. Mai 1984 II ZR 276/83, BGHZ 91, 148, 152) zur Haftung der Gesellschafter der Vor-GmbH (unmittelbare persönliche Gesellschafterhaftung, aber beschränkt auf die übernommene und noch nicht geleistete Stammeinlage) aufgegeben und festgelegt, daß die Vorgesellschafter für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft zwar unbeschränkt, aber nur mittelbar in Form einer Innenhaftung einstehen müßten.

Danach haften die Gründungsgesellschafter nurmehr gegenüber der Vorgesellschaft selbst persönlich und unbeschränkt auf Ausgleich der gesamten Verbindlichkeiten der Vor-GmbH gegenüber ihren Gläubigern. Die Gläubiger der Vorgesellschaft können die Gesellschafter grundsätzlich nicht unmittelbar persönlich wegen der Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Anspruch nehmen, sondern müssen sich an die Vorgesellschaft halten (BGH in BGHZ 134, 333, NJW 1997, 1507, 1509). Die Haftung ist zwar nicht (mehr) auf die noch nicht erbrachte Stammeinlage beschränkt. Die Gesellschafter haften jedoch nicht gesamtschuldnerisch, sondern im Verhältnis ihrer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung für die bei der Vorgesellschaft begründeten Verbindlichkeiten (zur eingehenden Begründung verweist der Senat auf das BGH-Urteil in BGHZ 134, 133, NJW 1997, 1507 unter II. 1. der Gründe).

Eine Ausnahme vom Grundsatz der Innenhaftung der Gesellschafter hält der BGH dann für geboten, wenn die Vorgesellschaft vermögenslos ist, es sich um eine Ein-Mann-Vor-GmbH handelt oder wenn weitere Gläubiger nicht vorhanden sind (vgl. BGH in BGHZ 134, 133, NJW 1997, 1507 unter II. 2. a. E. der Gründe); d. h. in Fällen, in denen eine Inanspruchnahme der Vorgesellschaft offensichtlich aussichtslos oder unzumutbar ist. In diesem Falle verbleibt es auch nach jüngster Rechtsprechung des BGH bei der Außenhaftung der Gesellschafter. Liegt eine der genannten Voraussetzungen vor, so soll der unmittelbare Zugriff auf den Gesellschafter der Vor-GmbH gestattet sein. Der 10. Senat des BAG (Urteil in NJW 1997, 3331) versteht die Aussagen des BGH hierzu dahingehend, daß der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft auch bei unmittelbarer Inanspruchnahme nur anteilig - entsprechend seinem Beteiligungsverhältnis - haftet. Der Senat folgt dieser von den obersten Gerichtshöfen begründeten und fortgeführten Rechtsprechung auch in Ansehung der hiergegen mit gewichtigen Gründen vorgetragenen Kritik im Schrifttum und in der Rechtsprechung (vgl. die Urteilsbesprechungen von Altmeppen, NJW 1997, 1509 und 3272; Gehrlein, NJW 1996, 1193; Gummert, DStR 1997, 1007; Ensthaler, Betriebs-Berater - BB - 1997, 1209; Karsten Schmidt, ZIP 1996, 354; Flume, Der Betrieb - DB - 1998, 45; vgl. auch Urteile FG des Saarlandes vom 16. Oktober 1997 2 K 97/97, EFG 1998, 261, und des FG des Landes Brandenburg vom 23. Oktober 1997 5 K 1401/96 H, EFG 1998, 260, sowie des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Juli 1997 L 4 Kr 1317/96, DStR 1998, 177, und des Landesarbeitsgerichts Köln, vom 21. März 1997 4 Sa 1288/96, DStR 1998, 178, mit Anm. Goette, DStR 1998, 179 f.) schon aus Gründen der Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte.

c) Unberührt von den unter II. 2. b dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen bleibt die Haftung der Gesellschafter einer unechten Vorgesellschaft.

Die Beteiligung an einer unechten Vorgesellschaft führt - wie der Senat schon bisher entschieden hat - zur unmittelbaren und unbeschränkten Haftung des Gesellschafters.

Erweist sich eine Gründungsgesellschaft als unechte Vorgesellschaft, weil die Eintragung der GmbH aus einem der unter II. 2. a genannten Gründe endgültig gescheitert ist, so findet für diese Gesellschaft das Recht der Vor-GmbH keine Anwendung (allg. M.: Luther/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 14. Aufl., § 11 Rz. 9; Baumbach/Hück, a. a. O., § 11 Rz. 28, m. w. N.). Die Vorgesellschaft ist bloßes Durchgangsstadium bei der Entstehung einer GmbH, daher notwendig auf diese ausgerichtet. Allein darauf gründet sich die rechtliche Anerkennung, die bereits weitgehend GmbH-Recht zur Geltung bringt (vgl. auch BGH in BGHZ 134, 133, NJW 1997, 1507 unter II. 1. a der Gründe). Ein Personenzusammenschluß ohne diese Zielrichtung (später aufgegeben oder schon ursprünglich fehlend) kann daher nicht Vorgesellschaft sein, sondern unterliegt dem Recht der BGB-Gesellschaft oder der OHG; wobei maßgebend die Gesellschaftsform ist, deren Tatbestandsmerkmale im Einzelfall tatsächlich verwirklicht sind. Es handelt sich entweder um eine OHG, wenn die Gesellschaft ein Grundhandelsgewerbe betreibt (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 des Handelsgesetzbuchs - HGB -, § 123 HGB) oder um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts - GbR - (§§ 705 ff. BGB), wenn man davon ausgeht, daß ein Grundhandelsgewerbe nicht vorliegt (vgl. auch BFH in BFH/NV 1988, 477, 478). In beiden Fällen haftet der Gesellschafter der unechten Vorgesellschaft nach zivilrechtlichen Vorschriften - entweder nach § 128 HGB oder nach § 718 i. V. m. §§ 421, 427 BGB persönlich, gesamtschuldnerisch, unmittelbar und unbeschränkt - für die Schulden der Gesellschaft (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteile in BFHE 145, 13, BStBl II 1986, 156, 158; vom 27. März 1990 VII R 26/89, BFHE 161, 390, BStBl II 1990, 939; in BFH/NV 1987, 687, 688, und in BFH/NV 1988, 477, 478, sowie des BGH, vgl. BGHZ 22, 240 ff.; und Baumbach/Hück, a. a. O., Rz. 29, m. w. N.). In der gescheiterten unechten Vorgesellschaft gilt also stets das Prinzip der unbeschränkten Außenhaftung (so auch Goette, DStR 1998, 179, 181).

Voraussetzung für diese Haftung ist lediglich, daß die Gesellschafter einverständlich den Geschäftsbetrieb aufgenommen und den steuerbegründenden Sachverhalt während der Zeit ihrer gesellschaftlichen Verbundenheit verwirklicht haben (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 1994 II R 7/91, BFHE 173, 306, BStBl II 1995, 300, 301). Zivilrechtlich folgt die Haftung der Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus dem gemeinschaftlichen Handeln der Gesellschafter, d. h. aus der gemeinsamen Tatbestandsverwirklichung oder dem Handeln durch berechtigte Vertreter für die Gemeinschaft (BGH-Urteile vom 6. Juli 1971 VI ZR 94/69, BGHZ 56, 355, und vom 15. Dezember 1980 II ZR 52/86, NJW 1981, 1213; vgl. auch Senatsurteile in BFHE 161, 390, BStBl II 1990, 339, 340, und in BFHE 158, 1, BStBl II 1989, 952). Dabei steht der Haftung für Steuerschulden der Gesellschaft nicht entgegen, daß der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis kraft Gesetzes entsteht (§§ 37, 38 AO 1977, vgl. BFH-Beschluß vom 31. Juli 1991 II B 38/91, BFH/NV 1992, 56, m. w. N.).

Der Senat hält an dieser - seiner bisherigen Rechtsprechung entsprechenden - Auffassung fest.

Er sieht sich durch die neuere Rechtsprechung des BGH daran nicht gehindert. Zwar hat der BGH erwogen, wegen der Schwierigkeit, verläßliche tatsächliche Feststellungen über die Aufgabe der Eintragungsabsicht zu treffen, auch in diesen Fällen nur einen als Innenhaftung ausgestalteten Verlustdeckungsanspruch zu gewähren (Vorlagebeschluß vom 4. März 1996 II ZR 123/94, NJW 1996, 1210); er hat diese Frage in der Entscheidung in BGHZ 134, 133, NJW 1997, 1507, unter II. 3. der Gründe aber ausdrücklich dahinstehen lassen (vgl. auch Anm. Goette, DStR 1997, 628). Der 9. Senat des BAG (Urteil in NJW 1998, 628) hat unter Hinweis auf die fehlende Bindungswirkung der Ausführungen des BGH im Vorlagebeschluß vom 4. März 1996 für den Fall, daß die Gründungsgesellschafter den Geschäftsbetrieb in gewohnter Weise fortsetzen, obwohl die Eintragung der GmbH i. G. ernsthaft nicht mehr in Frage kommt, ebenfalls ausdrücklich an der bisherigen Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil in BGHZ 80, 129, 143) festgehalten.

Damit verbleibt es für den Gesellschafter einer unechten Vorgesellschaft bei der unbeschränkten persönlichen Haftung. Diese Haftung greift rückwirkend ein, d. h. sie umfaßt alle Verbindlichkeiten, die während des Bestehens der Vorgesellschaft entstanden sind; mithin auch die Steuerrückstände vor Aufgabe der Eintragungsabsicht (vgl. BAG in NJW 1998, 628 unter I. 2. e der Gründe; Goette, DStR 1998, 179, 181).

3. Auf der Grundlage dieser Rechtsentwicklung kann die Klage vom Senat nach den bisherigen Feststellungen des FG nicht abschließend entschieden werden.

a) Der Senat geht zwar - wie das FG - davon aus, daß die Vorgesellschaft im Streitfall offensichtlich vermögenslos war. Sie war nach den bindenden Feststellungen des FG, die nicht mit schlüssigen Verfahrensrügen angegriffen worden sind (§ 118 Abs. 2 FGO), ab Anfang Dezember 1993 zahlungsunfähig; der Kläger hat vorgetragen, er habe seine Tätigkeit für die Gesellschaft bereits im Oktober 1993 eingestellt, weil die Gesellschaft finanziell am Ende gewesen sei, der von der als Geschäftsführerin benannten Frau O gestellte Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH i. G. wurde am 21. Dezember 1993 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Maße zurückgewiesen. Auch die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung sieht Vermögenslosigkeit der Vorgesellschaft bereits als vorliegend an, wenn ein Konkursverfahren mangels Maße nicht eröffnet werden kann (vgl. BAG-Urteil vom 22. Januar 1997 10 AZR 908/94, NJW 1997, 3331, 3333; vgl. auch Goette, DStR 1998, 179 ff.). Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob eine Vor-GmbH dann nicht vermögenslos ist, wenn ihr noch Verlustdeckungsansprüche gegen ihre Gesellschafter zustehen, kann daher dahinstehen. Ebenfalls ohne Bedeutung und im übrigen als neues tatsächliches Vorbringen im Revisionsverfahren unbeachtlich (§ 118 Abs. 2 FGO) ist, daß der Gesellschaft möglicherweise Schadensersatzansprüche gegen den Ehemann der Frau O zustehen könnten. Auch auf den zivilrechtlich mit Frau O vereinbarten Haftungsausschluß kann sich der Kläger nicht berufen, da dieser sich auf die Kraft Gesetzes entstehenden Steueransprüche nicht auswirken kann (BFHE 161, 390, BStBl II 1990, 949, 940).

Damit kommt die unmittelbare persönliche Haftung des Klägers in Betracht, so daß er mit Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden durfte.

b) Der Senat kann jedoch mangels entsprechender Feststellungen des FG dazu, ob der Kläger Gesellschafter einer unechten Vorgesellschaft geworden ist, nicht entscheiden, ob er als solcher in vollem Umfang (unbeschränkt) zur Haftung herangezogen werden durfte und ob er als Gesellschafter einer echten Vorgesellschaft nur anteilig nach dem Verhältnis seiner Beteiligung für die Gesellschaftsschulden haftet.

Der Rechtsstreit wird daher an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO), damit dieses Feststellungen dazu treffen kann, in welcher Weise die Eintragungsabsicht der GmbH dokumentiert wurde, wie das Eintragungsverfahren betrieben wurde und aus welchen Gründen es zu welchem Zeitpunkt endgültig gescheitert ist. Hierbei wird es insbesondere aufzuklären haben, ob die Gesellschafter ihre Geschäftstätigkeit sofort nach Aufgabe bzw. Scheitern der Eintragungsabsicht aufgegeben, oder ob sie die Geschäftstätigkeit auch danach noch fortgesetzt haben (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 22, 240 ff.; BAG-Urteil in NJW 1998, 628; BFH in BFH/NV 1988, 477, 478, und Goette, DStR 1998, 179, 181). Gelangt das FG zur Annahme einer unechten Vorgesellschaft, wird es auch die Frage der Ausübung des Auswahlermessens durch das FA zu würdigen haben; für den Fall, daß eine unechte Vorgesellschaft nicht vorgelegen hat, ist die Rechtsprechung der obersten Gerichte zum Haftungsumfang - anteilig, entsprechend der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen - zu beachten.