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  BFH-Urteil vom 18.3.1998 (II R 7/96) BStBl. 1998 II S. 555

Der Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 muß unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß die Feststellungen nach Ablauf der Feststellungsfrist getroffen worden und nur noch für solche Folgesteuern von Bedeutung sind, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war. Die genaue Angabe, für welche Steuerarten und welche Besteuerungszeiträume (Veranlagungszeiträume) den getroffenen Feststellungen Rechtswirkung zukommen soll, ist nicht erforderlich (Änderung der Rechtsprechung; vgl. Urteil vom 11. Januar 1995 II R 125/91, BFHE 176, 444, BStBl II 1995, 302).

AO 1977 § 119 Abs. 1, § 172 Abs. 1, § 181 Abs. 5, § 182 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1996, 576)

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben im Jahre 1980 ein in A gelegenes Grundstück mit aufstehendem zweigeschossigen Wohngebäude. Die im Erdgeschoß gelegenen Wohnräume sind über eine zum Eingang hin offene Diele erreichbar, von der aus auch eine Treppe zu den im Obergeschoß gelegenen Wohnräumen führt. Sowohl im Erdgeschoß als auch im Obergeschoß befanden sich Küche und WC.

Noch auf Antrag der Voreigentümerin führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) durch Feststellungsbescheid vom 15. August 1980 eine Artfortschreibung auf den 1. Januar 1980 zum "Zweifamilienhaus" durch. Durch Bescheid vom 12. November 1980 rechnete das FA das Grundstück den Klägern als neue Eigentümer auf den 1. Januar 1981 zu.

Im Jahre 1986 wurde dem FA bekannt, daß die Kläger die im Erd- und Obergeschoß gelegenen Wohnräume von Anfang an einheitlich genutzt hatten und die Kücheneinrichtungen im Erdgeschoß entfernt waren. Daraufhin bewertete das FA das Grundstück der Kläger durch Bescheid vom 4. Mai 1987 auf den 1. Januar 1982 als Einfamilienhaus. Nachdem die Kläger im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung behauptet hatten, den Einheitswertbescheid vom 4. Mai 1987 nicht erhalten zu haben, teilte das FA den Klägern mit, daß dieser Einheitswertbescheid nicht wirksam bekanntgegeben worden und deswegen als nicht existent anzusehen sei.

Durch Einheitswertbescheid vom 13. Dezember 1991 stellte das FA im Wege der fehlerbeseitigenden Artfortschreibung auf den 1. Januar 1986 für das Grundstück der Kläger als Grundstücksart "Einfamilienhaus" fest. Der Bescheid enthält folgenden Hinweis:

"Die fehlerbeseitigende Artfortschreibung auf den 1.1.1986 erfolgt für Zwecke der Einkommensteuer und Vermögensteuer gemäß § 181 Abs. 5 AO."

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat in seinem Urteil u. a. ausgeführt, das FA habe die Artfortschreibung auch noch nach Ablauf der Feststellungsfrist nach § 181 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) vornehmen können. Der Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 sei ausreichend, denn es genüge, wenn auf die Vorschrift verwiesen werde.

Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 576 veröffentlicht.

Mit der Revision rügen die Kläger fehlerhafte Anwendung von § 181 Abs. 5 AO 1977.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 3. Februar 1995 3 K 1788/94 und den Einheitswertbescheid vom 13. Dezember 1991 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom 13. April 1994 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung vom 13. April 1994 und des Einheitswertbescheids (Artfortschreibung) vom 13. Dezember 1991 (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Der Senat folgt nicht der Rechtsauffassung des FG, der Hinweis in dem angefochtenen Einheitswertbescheid vom 13. Dezember 1991 entspreche den gesetzlichen Anforderungen des § 181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977.

Gemäß § 181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 hat das FA, das nach Ablauf der Feststellungsfrist einen Feststellungsbescheid erläßt, in dem Bescheid darauf hinzuweisen, daß die getroffenen Feststellungen nur noch für solche Steuerfestsetzungen Bedeutung haben sollen, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Der Hinweis hat nicht bloße Begründungsfunktion (so Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 181 AO 1977 Tz. 4), sondern Regelungscharakter (Senatsurteil vom 11. Januar 1995 II R 125/91, BFHE 176, 444, BStBl II 1995, 302, 304; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, § 181 Anm. 6; Baum in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 181 Rdnr. 13; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl. § 181 AO 1977 Rz. 47), weil mit ihm der zeitliche Geltungsbereich der getroffenen Feststellungen abweichend von § 182 Abs. 1 AO 1977 bestimmt und damit rechtsgestaltend auf das Steuerrechtsverhältnis eingewirkt wird.

Die in dem Hinweis liegende Regelung muß den Bestimmtheitsanforderungen des § 119 Abs. 1 AO 1977 genügen und deshalb unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß die Feststellungen nach Ablauf der Feststellungsfrist getroffen worden und nur noch für solche Folgesteuern von Bedeutung sind, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. August 1989 IX R 76/88, BFHE 159, 398, BStBl II 1990, 411, 412). Soweit der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 176, 444, BStBl II 1995, 302, 304 darüber hinaus die genaue Angabe für erforderlich angesehen hat, für welche Steuerarten und welche Besteuerungszeiträume (Veranlagungszeiträume) den getroffenen Feststellungen Rechtswirkung zukommen soll, wird hieran nicht mehr festgehalten. Ein Hinweis, der sich inhaltlich an dem "Erläuterungstext" des Erlasses des Niedersächsischen Finanzministers vom 14. Februar 1996 S 0362 - 7 - 33 (Deutsches Steuerrecht 1996, 468, Der Betrieb 1996, 506) orientiert, wird danach regelmäßig ausreichen.

Diesen Anforderungen genügt der Hinweis des FA im angefochtenen Einheitswertbescheid vom 13. Dezember 1991 nicht. Er enthält weder einen Hinweis auf den Eintritt der Feststellungsverjährung, noch eine ausreichend klare Aussage, daß die getroffenen Feststellungen Bedeutung nur noch für solche Folgesteuern haben sollen, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt des Ergehens des Bescheides noch nicht abgelaufen war. Denn aus dem Hinweis die fehlerbeseitigende Artfortschreibung auf den 1. Januar 1986 erfolge für Zwecke der Einkommensteuer und Vermögensteuer, ergibt sich nicht der gesetzliche Maßstab (im Zeitpunkt der Feststellung noch offene Festsetzungsfrist), nach dem sich der Umfang der Wirksamkeit der getroffenen Feststellungen für Folgesteuern richten soll. Die Nennung der gesetzlichen Vorschrift (§ 181 Abs. 5 AO 1977) reicht als allgemeiner Hinweis auf die Rechtslage nicht aus, um den inhaltlichen Anforderungen zu genügen (BFH-Urteil in BFHE 159, 398, BStBl II 1990, 411, 412).

2. Die Sache ist spruchreif.

Der Einheitswertbescheid vom 13. Dezember 1991 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der dem Bescheid vom 13. Dezember 1991 beigefügte Hinweis entspricht - wie unter II. 1. ausgeführt - nicht den Anforderungen des § 181 Abs. 5 Nr. 2 AO 1977. Der Einheitswert hätte deshalb nur innerhalb offener Feststellungsfrist ergehen dürfen, er ist jedoch erst nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen. Hiervon sind die Beteiligten und das FG übereinstimmend ausgegangen. Anhaltspunkte dafür, daß im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides am 13. Dezember 1991 die Feststellungsfrist für den Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1986 noch nicht abgelaufen war, sind nicht ersichtlich.