| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 10.9.1998 (IV R 16/97) BStBl. 1999 II S. 215

Die selbständige Tätigkeit eines Steuerpflichtigen, der eigene Gedanken in der Form eines Softwarelernprogramms für PC verfaßt, ist eine schriftstellerische Tätigkeit, wenn das Lernprogramm für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Programm einem aus der Sicht des Verfassers zahlenmäßig nicht bestimmbaren Personenkreis verfügbar gemacht werden soll.

GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1997, 481)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) übt eine selbständige Tätigkeit im Bereich der Erstellung von sog. Ausbildungspaketen für die Anwendung von Hard- oder Softwareprodukten im Computerbereich aus.

Im Streitjahr (1991) entwickelte er Ausbildungspakete in enger Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber der X-AG. Der Auftrag bei der X-AG bestand darin, eigenständige Ausbildungspakete unter Berücksichtigung fest definierter Lernziele und Voraussetzungen zu erstellen, die den Anforderungen an die innerbetriebliche Aus- und Weiterbildung für mehrere Tausend Mitarbeiter genügten. Hierfür verwendete der Kläger mehrere Medien, wie Videofilme als Einführung in die Thematik, ein CBT-Programm (Computer-Basis-Training), das dem Lernenden die Möglichkeit bietet, sein Wissen zu vertiefen, Aufgaben zu bearbeiten etc., sowie eine Broschüre zum Nachschlagen.

Im Streitjahr erarbeitete der Kläger für die X-AG zwei CBT-Programme, ohne für die fachliche Richtigkeit zuständig zu sein. Darüber hinaus fertigte er ein Drehbuch für ein Ausbildungsvideo, dessen technische Umsetzung (Programmierung, Filmerstellung) er nicht selbst ausführte. Für die Firma A testete er "unter pädagogischen Gesichtspunkten" ein CD-ROM- Programm.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte aufgrund der Gewerbesteuererklärung des Klägers für das Streitjahr einen einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag fest. Der Einspruch hiergegen, mit dem der Kläger erstmals die Auffassung vertrat, eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt zu haben, blieb erfolglos.

Mit der Klage machte der Kläger u. a. geltend, er übe eine schriftstellerische Tätigkeit aus, denn das Ergebnis seiner Tätigkeit werde in einem Buch, einer Broschüre, einem Video oder einem Computerprogramm festgehalten.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, der Kläger übe weder einen in § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Katalogberuf noch einen im Sinne dieser Vorschrift ähnlichen Beruf aus. Es könne dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger für die CBT-Programme und den Videofilm erstellten Texte bei isolierter Betrachtung der schriftstellerischen Tätigkeit zuzuordnen seien, denn eine Aufteilung der Tätigkeiten des Klägers in eine schriftstellerische und eine sonstige Tätigkeit könne nicht vorgenommen werden (Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 481).

Mit der - vom erkennenden Senat zugelassenen - Revision macht der Kläger geltend, seine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Erstellung von CBT-Lernprogrammen sei eine schriftstellerische i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Er sei seit 1989 selbständig im Bereich der Medienentwicklungen tätig gewesen und habe dabei Textgestaltungen für Software-Lernprogramme, sog. CBT-Programme, sowie Texte für Videofilme als vergleichbare Lernprogramme zu erstellen gehabt. Bei den CBT-Lernprogrammen handele es sich um Ausbildungspakete, die erforderlich gewesen seien für Berater und Wartungsfachleute der X-AG, die als Lernpaket zur Aus- und Weiterbildung in Form einer Diskette sowie eines Handbuchs verwandt worden seien.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil und den angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheid 1991 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu Unrecht hat das FG die Tätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit der Erstellung der CBT-Programme und des Drehbuchs für den Videofilm als Gewerbebetrieb beurteilt. Der Kläger ist mit diesen Tätigkeiten im Streitjahr schriftstellerisch tätig geworden.

1. Nach § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) unterliegt jeder inländische stehende Gewerbebetrieb im Sinne des EStG der Gewerbesteuer.

Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und u. a. weder als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist.

Entgegen der Auffassung des FG resultieren die Einkünfte des Klägers für die Erstellung der CBT-Programme und des Drehbuchs aus der Ausübung einer schriftstellerischen Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und unterliegen damit nicht der Gewerbesteuerpflicht.

Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegen bei einer selbständig ausgeübten schriftstellerischen Tätigkeit Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit vor. Schriftstellerisch tätig wird nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) derjenige Steuerpflichtige, der eigene Gedanken mit den Mitteln der Sprache schriftlich für die Öffentlichkeit niederlegt (vgl. BFH-Urteil vom 30. Oktober 1975 IV R 142/72, BFHE 117, 456, BStBl II 1976, 192).

An die Voraussetzung, daß eigene Gedanken ausgedrückt werden, stellt die Rechtsprechung keine besonderen Anforderungen. Anders als bei der künstlerischen Tätigkeit kommt es auf eine bestimmte Qualität der Darlegungen nicht an, insbesondere braucht das Geschriebene weder von wissenschaftlichem noch von künstlerischem Inhalt zu sein. Unschädlich ist es, wenn sich schriftliche Äußerungen auch nur auf zu beschreibende rein tatsächliche Vorgänge beziehen (vgl. Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 18 Anm. B 67). So wurde etwa die Erstellung eines Vorschriftensuchregisters bereits als selbständige Gedankenarbeit angesehen (vgl. BFH-Urteil vom 18. Januar 1962 IV 270/60 U, BFHE 74, 344, BStBl III 1962, 131).

Erforderlich ist, daß die Gedanken mit Mitteln der Sprache schriftlich niedergelegt und in dieser Form für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Schriftlich bedeutet dabei, daß die Gedanken nicht mündlich etwa in einem Vortrag oder in einer Rede mitgeteilt werden, sondern fixiert auf einem körperlichen Medium, in der Regel Papier. Verwendet der Autor elektronische Medien zur Fixierung seiner Texte, etwa durch Abspeicherung auf Disketten, so reicht das für eine schriftstellerische Tätigkeit jedenfalls dann aus, wenn die Texte jederzeit durch Ausdruck oder Anzeige auf einem Bildschirm wieder lesbar gemacht werden können (vgl. auch Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 18 EStG Anm. 112).

Für die Öffentlichkeit bestimmt ist ein Schriftstück regelmäßig dann, wenn der verfaßte Text einem aus der Sicht des Autors zahlenmäßig nicht bestimmbaren Personenkreis verfügbar gemacht werden soll. Unerheblich dabei ist, ob der Personenkreis tatsächlich etwa nur auf ein begrenztes, fachliches Publikum beschränkt ist (z. B. bei einem Kommentar, BFH-Urteil vom 19. Mai 1993 I R 80/92, BFHE 171, 297, BStBl II 1993, 655, m. w. N.). Auch ist nicht erforderlich, daß das Schriftstück im Buch- oder Zeitschriftenhandel vertrieben wird.

2. Nach diesen Grundsätzen ist die Tätigkeit des Klägers hinsichtlich der im Streitjahr erstellten CBT-Programme und des Drehbuchs als schriftstellerische Tätigkeit zu werten.

Der Kläger hat sowohl mit dem CBT-Programm wie auch mit dem Drehbuch eigene Gedanken schriftlich niedergelegt.

Entgegen der Ansicht des FA hat der Kläger eigene Gedanken entwickelt, denn er mußte innerhalb der zu beschreibenden EDV-Programme individuell die Art der Erklärungen wählen. Es kommt im Streitfall nicht darauf an, daß der Kläger zur Erläuterung des vorgegebenen Computer-Programms an dieses strikt gebunden war. Entscheidend ist, daß er das feststehende Programm mit eigenen Worten oder auch mit eigener Methodik zu erklären vermochte. Unerheblich ist auch, daß das Programm möglicherweise in anderen, bereits vorliegenden Handbüchern beschrieben wurde. Denn nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ergibt sich nicht, daß der Inhalt der vom Kläger erstellten CBT-Programme mit derartigen Handbüchern identisch oder nahezu identisch war.

Bei Erstellung des Drehbuchs zu dem Videofilm war es ebenfalls Aufgabe des Klägers gewesen, den Text selbständig zu formulieren und die Handlungsabläufe zu beschreiben. Auch insoweit ist es unschädlich, daß der Kläger damit im wesentlichen ein feststehendes EDV-Programm nur sachlich dokumentiert hat, ohne in besonders gestalterischer Höhe tätig geworden zu sein. Hieran ändert auch nichts, daß die von ihm in allgemein verständlicher Sprache umgesetzten Programmeingabeschritte noch mit Produktspezialisten abgesprochen wurden. Denn diese Absprachen dienten dazu, die Richtigkeit der Texte mit dem zu beschreibenden Programm insbesondere im Hinblick auf den Fortbildungsbedarf des Adressatenkreises abzugleichen.

Der Kläger hat seine Gedanken nach den genannten Grundsätzen auch schriftlich niedergelegt. Dies ist ohne weiteres für das Drehbuch sowie für Handbücher zu bejahen, die auf Diskette geliefert worden sind, aber in ausgedrucktem Zustand benutzt werden können. Darüber hinaus ist Schriftlichkeit aber auch für die Arbeiten zu bejahen, die lediglich gespeichert auf Diskette am Computer lesbar gemacht werden können. Denn auch bei dieser Form der Wiedergabe sind die Gedanken zwar nicht wie üblich auf Papier, aber auf einem elektronischen Medium fixiert. Ähnlich wie bei dem Aufschlagen eines Buches ist der Text durch Wahl des entsprechenden Computer-Programms jederzeit, so wie es dort abgelegt worden ist, lesbar. Im Gegensatz zu einem mündlichen Vortrag ist der Text auch - wie bei einem Buch - immer mit dem gleichen Inhalt und in der gleichen Form abrufbar, zumindest bis zum Erscheinen einer Neuauflage oder einer neuen Version.

Die erstellten Ausbildungspakete sind auch für die Öffentlichkeit bestimmt. Zwar fertigte sie der Kläger nach den Feststellungen des FG für die Aus- und Weiterbildung der Firmenangehörigen der X-AG. Jedoch war dieser Kreis aus der für die Beurteilung der "Öffentlichkeit" entscheidenden Sicht des Klägers hinsichtlich seiner Größe unbestimmbar und unterlag hinsichtlich seiner Zusammensetzung unabsehbaren Veränderungen.

3. Entgegen der Auffassung des FG liegt mit der Betätigung des Klägers zur Erstellung der Ausbildungspakete eine einheitliche schriftstellerische Tätigkeit vor.

Eine natürliche Person kann sich zwar grundsätzlich sowohl gewerblich als auch freiberuflich betätigen und damit zugleich nebeneinander Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus selbständiger Arbeit erzielen, wenn zwischen den Betätigungen kein sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Eine einheitliche Erfassung der gesamten Betätigung ist jedoch dann geboten, wenn die Einzeltätigkeiten sich gegenseitig bedingen und derart miteinander verflochten sind, daß insoweit nach der Verkehrsauffassung eine einheitliche Tätigkeit anzunehmen ist, die steuerlich danach zu beurteilen ist, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element vorherrscht (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juli 1991 IV R 102/90, BFHE 166, 36, BStBl II 1992, 413). Eine einheitliche Tätigkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich der vereinbarte Leistungserfolg nur durch eine aus einer Vielzahl einzelner Leistungselemente zusammengesetzte Gesamttätigkeit erreichen läßt.

Im Streitfall schuldete der Kläger der X-AG das Erstellen der Ausbildungspakete. Dies erforderte - ähnlich den Recherchen eines Dokumentarbuchverfassers - ein Bündel von Einzeltätigkeiten, wie etwa die Analyse der Umgebung unter Zuhilfenahme der Produktspezialisten. Diesem Bündel von Einzeltätigkeiten ist auch die inhaltliche Betreuung der CBT-Programme sowie deren Dokumentation zuzurechnen. Sie teilen mithin als Bestandteil der Gesamtleistung "Ausbildungspakete" das steuerliche Schicksal der im Rahmen des Erstellens der Ausbildungspakete vorherrschenden, schriftstellerischen Tätigkeit des Klägers.

4. Davon auszunehmen sind die Entgelte für das Testen des CD-ROM-Programms für A. Denn diese Aktivitäten für A sind nicht kraft eines - untrennbaren - Sachzusammenhangs der bei der X-AG ausgeübten schriftstellerischen Tätigkeit des Klägers zuzuordnen. Diese Tätigkeiten sind aber auch weder als Einkünfte aus freiberuflicher noch aus sonstiger selbständiger Tätigkeit, sondern mit dem FG als gewerbliche Einkünfte zu beurteilen.

5. Die Sache ist spruchreif.

Nach den Feststellungen des FG steht fest, daß der im Zusammenhang mit dem Test des CD-ROM-Programms für A erzielte Gewinn aus Gewerbebetrieb weit hinter dem Freibetrag nach § 11 Abs. 1 GewStG zurückbleibt. Der Meßbetrag nach dem Gewerbeertrag und dementsprechend auch der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag belaufen sich auf jeweils 0 DM.

Die Vorentscheidung und der Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag in Form der Einspruchsentscheidung waren damit aufzuheben.