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  BFH-Urteil vom 19.9.1996 (V R 41/94) BStBl. 1999 II S. 249

Die Berichtigung des Steuerbetrags, der in einer Rechnung über einen nicht steuerpflichtigen (im Inland nicht steuerbaren oder steuerfreien) Umsatz gesondert ausgewiesen wurde, setzt gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 UStG 1980 nicht voraus, daß der Leistende die Originalrechnung zurückerhält oder nachweist, daß der Leistungsempfänger keinen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat und auch künftig nicht geltend machen kann. Das gilt - entgegen Abschn. 189 Abs. 6 UStR 1996 - auch, wenn der Leistungsempfänger ein im Ausland ansässiger Unternehmer ist.

UStG 1980 § 14 Abs. 2 Satz 2, § 17 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine von Rechtsanwälten gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Sitz im Inland (Erhebungsgebiet). Für Beratungsleistungen in den Jahren 1980 bis 1983 an Unternehmer und Nichtunternehmer in der Schweiz stellte sie Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer aus. Im September 1983 übersandte die Klägerin den Leistungsempfängern berichtigte Rechnungen. Diese enthielten keinen gesonderten Steuerausweis, sondern nur den (bisherigen) Rechnungsendbetrag bzw. in einem Fall den (bisherigen) Nettobetrag. Zugleich teilte die Klägerin auf den berichtigten Rechnungen mit, daß die ursprünglichen Rechnungen storniert würden bzw. wies auf die erfolgte Berichtigung hin.

In der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (1983) berücksichtigte die Klägerin die Berichtigungen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat nach einer Betriebsprüfung die Auffassung, eine wirksame Rechnungsberichtigung liege nicht vor, weil die Klägerin die ursprünglichen Rechnungen nicht zurückerhalten habe.

Der Einspruch gegen die Umsatzsteuerfestsetzung für 1983 hatte keinen Erfolg.

Während des Klageverfahrens vor dem Finanzgericht (FG) legte die Klägerin einige der Erstrechnungen im Original vor. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 1994 überreichte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin eine Kopie eines in englischer Sprache verfaßten Schreibens der "Y Co. Ltd." vom 1. Februar 1990 (das sich nicht bei den Akten befindet). Darin bestätigte - nach den Feststellungen des FG - die Gesellschaft unter Bezugnahme auf die Rechnung der Klägerin vom 20. Juli 1983 - diese ist gerichtet an die "Y S. A." in der Schweiz -, keine Vorsteuervergütung in Höhe der ausgewiesenen Umsatzsteuer von 1.579,50 DM in Anspruch genommen zu haben. Dazu machte die Klägerin geltend, die auf Abschn. 189 Abs. 6 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) gestützte Auffassung des FA gehe über die gesetzlichen Anforderungen des § 14 Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) hinaus. Das FG gab der Klage statt. Es führte im wesentlichen aus:

Die Berichtigung des unzutreffenden Steuerausweises wegen der nicht steuerbaren Leistungen sei wirksam durchgeführt worden. Weder Wortlaut noch Zweck der Vorschriften des § 14 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 UStG 1980 rechtfertigten die vom FA gemäß dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 15. Februar 1994 IV C 3 - S 7282 - 1/94 (BStBl I 1994, 193) vertretene Einschränkung, der Leistende müsse die Originalrechnungen zurückerhalten, sofern nicht sichergestellt sei, daß der Leistungsempfänger einen Vorsteuerabzug nicht vorgenommen habe oder nicht vornehmen werde. Das gelte nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) generell und unabhängig davon, ob das FA den Anspruch auf Vorsteuerberichtigung gegenüber dem ausländischen Leistungsempfänger durchsetzen könne (BFH-Urteil vom 25. Februar 1993 V R 112/91, BFHE 171, 373, BStBl II 1993, 643). Auch aus dem BFH-Urteil vom 29. Oktober 1992 V R 48/90 (BFHE 169, 559, BStBl II 1993, 251) ergebe sich keine andere Auslegung.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung von § 14 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 UStG 1980.

Die Revision betrifft nur noch folgende beide Rechnungen:

- an X AG, Zürich, vom 7. Juni 1983 "für diversen Beratungsaufwand" "absprachegemäß pauschal" über 17.359,30 DM zuzüglich 2.256,70 DM Umsatzsteuer, zusammen 19.616 DM. Dazu erging die "berichtigte Kostennote" vom 26. September 1983 über "absprachegemäß pauschal" 19.616 DM, und

- an Y S. A. in Genf, als "Interim-Bill" bezeichnet, vom 20. Juli 1983 über 12.150 DM zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 1.579,50 DM für Beratungsleistungen, zusammen mit Auslagen 15.043,50 DM. Mit Schreiben vom 15. September 1983 ("Rechnungskorrektur") teilte die Klägerin der Empfängerin mit: "Wir erlauben uns, unsere Rechnung vom 20.7.1983 um die Mehrwertsteuer zu kürzen. Wir haben den Mehrwertsteuerbetrag auf unser Anderkonto zwecks anderweitiger Verfügung eingezahlt. Eine korrigierte Rechnung ohne Mehrwertsteuer fügen wir Ihnen anbei." Diese "Interim-Bill" vom 15. September 1983 war um den Umsatzsteuerbetrag gekürzt.

Das FA vertritt weiterhin die Auffassung, bei "Auslandssachverhalten" setze die Berichtigung des Steuerbetrags voraus, daß der Leistende die Originalrechnung zurückerhalte oder daß er als Rechnungsaussteller nachweise bzw. glaubhaft mache, daß der im Ausland ansässige Leistungsempfänger keinen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen habe und auch künftig nicht geltend machen werde (BMF in BStBl I 1994, 193). Diese Voraussetzung ergebe sich zwar nicht aus dem Wortlaut, aber aus Sinn und Zweck von § 14 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 UStG 1980 unter Berücksichtigung der dem Umsatzsteuergesetz zugrundeliegenden Systematik. Bei Auslandssachverhalten - wie hier - verfüge die Finanzverwaltung nur über begrenzte Ermittlungsmöglichkeiten, um zu prüfen, ob der Leistungsempfänger die ihm obliegende Vorsteuerberichtigung durchgeführt habe. Sie könne unter Umständen nicht einmal sicher feststellen, ob der Leistungsempfänger die berichtigte Rechnung überhaupt erhalten habe. Die Möglichkeit, die Aufkommensneutralität durch Kontrollmitteilungen und ggf. Änderung der Umsatzsteuerveranlagung beim Rechnungsempfänger sicherzustellen, bestehe nicht, weil der im Ausland ansässige Unternehmer die Vorsteuer in einem besonderen Vergütungsverfahren erhalte. Nach dem BFH-Urteil in BFHE 169, 559, BStBl II 1993, 251 sei entscheidend, daß eine Gefährdung des Steueraufkommens, der § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1980 entgegenwirken solle, ausgeschlossen sei. In diesem Fall habe festgestanden, daß eine Vorsteuervergütung nicht beansprucht wurde. Diese Kriterien habe der BFH in seiner späteren Entscheidung in BFHE 171, 373, BStBl II 1993, 643 nicht aufgegeben; er verweise in deren Gründen ausdrücklich auf das vorherige Urteil.

Bei Auslandssachverhalten träfe nach der Auslegung der Vorschrift durch das FG die Finanzverwaltung nicht nur das zufällige vereinzelte Risiko des Konkurses oder sonstigen Vermögensverfalls beim Rechnungsempfänger, sondern das grundsätzliche Risiko, mögliche Ansprüche im Ausland überhaupt realisieren zu können. Diese Risikoverlagerung auf die Finanzverwaltung sei angesichts der Tatsache, daß der Unternehmer, der die nicht korrekte Rechnung an seinen Leistungsempfänger gesandt habe, unangemessen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Umsatzsteuer für 1983 auf 109.467,60 DM festzusetzen und die Klage im übrigen abzuweisen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin tritt der Revision entgegen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Die angefochtene Entscheidung geht von zutreffenden Voraussetzungen der Berichtigung des Steuerbetrags gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 UStG 1980 aus.

1. Die beiden abgerechneten Beratungs-Umsätze der Klägerin, auf die sich das Revisionsverfahren beschränkt, gelten gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 3 UStG 1980 als dort ausgeführt, wo die Empfänger ihr Unternehmen betreiben. Der Leistungsort lag danach in der Schweiz. Auf den unzutreffenden Ausweis eines Steuerbetrags bei (im Erhebungsgebiet) nicht steuerbaren Leistungen ist die Berichtigungsmöglichkeit des § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 anwendbar (BFH-Urteil vom 7. Mai 1981 V R 126/75, BFHE 133, 127, BStBl II 1981, 547).

2. Nach dem festgestellten Sachverhalt berichtigte die Klägerin in beiden Fällen den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger. Den vom FG angenommenen Zugang der berichtigten Rechnungen bei den Empfängern (vgl. BFH in BFHE 171, 373, BStBl II 1993, 643) zog das FA nicht mit Verfahrensrügen in Zweifel.

a) Die Berichtigung des Steuerbetrags in der Rechnung vom 20. Juli 1983 an "Y S. A." erfolgte nicht nur durch Reduzierung der Rechnung auf den (bisherigen) Entgeltsbetrag ohne Steuerausweis in der Rechnung ("Interim-Bill") vom 15. September 1983, sondern zugleich ausweislich des Begleitschreibens unter demselben Datum auch als Verfügungsvorgang durch Einzahlung des "Mehrwertsteuerbetrag(s) auf unser Anderkonto zwecks anderweitiger Verfügung".

b) Die Rechnung vom 7. Juni 1983 wurde zwar nicht durch Reduzierung um den ausgewiesenen Steuerbetrag berichtigt, sondern durch alleinige Angabe der bisherigen Summe von Entgelt und Steuerbetrag als Rechnungsbetrag. Aber auch dieses Vorgehen bewirkt eine Berichtigung des Steuerbetrags i. S. von § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980. Die zivilrechtliche Befugnis der Klägerin zu diesem Vorgehen ist insoweit nicht zu prüfen (BFH in BFHE 171, 373, BStBl II 1993, 643).

3. Das FG führte zutreffend aus, daß die Berichtigung des Steuerbetrags gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 nicht an weitere Voraussetzungen gebunden ist. Wie der Senat mehrfach entschieden hat, hängt die Wirksamkeit der Berichtigung weder von der Rückgabe der Originalrechnung an den Rechnungsaussteller noch davon ab, ob die Finanzverwaltung die Ansprüche gegen den Leistungsempfänger aus der gebotenen Berichtigung des (ggf. vorgenommenen) Vorsteuerabzugs durchsetzen kann (BFH in BFHE 171, 373, BStBl II 1993, 643; Urteil vom 25. Februar 1993 V R 78/88, BFHE 171, 369, BStBl II 1993, 777). Weder nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 noch nach Sinn und Zweck der Vorschrift kann dem Leistenden und Rechnungsaussteller das Risiko der Finanzverwaltung aus der Berichtigung des Vorsteuerabzugs - also aus dem Bereich des Steuerschuldverhältnisses des Leistungsempfängers - zugewiesen werden. Zwar löst der Leistende und Rechnungsaussteller durch die Ausgabe der Rechnung mit unzutreffendem Steuerausweis die Gefährdung des Steueraufkommens aus. Dieses Risiko eines Steuerausfalls bei der (späteren) Berichtigung eines gewährten Vorsteuerabzugs ergibt sich aber aus der gesetzlichen Regelung des sog. Sofortabzugs der in Rechnungen ausgewiesenen Vorsteuerbeträge (vgl. auch Stadie in Rau-Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 14 Anm. 242). Die Steuer- und Vorsteuerberichtigungsregelungen des Umsatzsteuergesetzes sehen insoweit keinen ausreichenden Risikoausgleich vor. Soweit das BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 193, auf das sich das FA im vorliegenden Verfahren stützt, bei im Ausland ansässigen Leistungsempfängern weiterhin eine wirksame Berichtigung des Steuerbetrags durch den Leistenden davon abhängig macht, daß dieser nachweist, der Leistungsempfänger habe keinen Vorsteuerabzug vorgenommen und werde ihn auch künftig nicht geltend machen - weder im Vorsteuer-Vergütungsverfahren nach §§ 59 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV 1980) noch im allgemeinen Besteuerungsverfahren -, gibt es dafür keine Grundlage im geltenden Recht (vgl. bereits Reiß, Umsatzsteuer-Rundschau 1989, 178, 180, und 1991, 84). In den Urteilen in BFHE 169, 559, BStBl II 1993, 251 und vom 10. Dezember 1992 V R 73/90 (BFHE 170, 475, BStBl II 1993, 383), auf die sich das o. g. BMF-Schreiben beruft, bedurfte es der weitergehenden, generellen Aussage der späteren BFH-Rechtsprechung nicht (vgl. BFH in BFHE 171, 373 und 369, BStBl II 1993, 643 und 777), weil auch die vom BMF-Schreiben hervorgehobenen Voraussetzungen erfüllt waren.

Der Einwand des FA, bei den sog. Auslandssachverhalten träfe nach der Auslegung der Berichtigungsvorschrift durch die Rechtsprechung die Finanzverwaltung nicht nur das zufällige vereinzelte Risiko des Konkurses oder sonstigen Vermögensverfalls beim Rechnungsempfänger, sondern das grundsätzliche Risiko, mögliche Ansprüche im Ausland überhaupt realisieren zu können, führt zu keiner anderen Beurteilung. Er kann nur in dem Rahmen berücksichtigt werden, den der Gesetzgeber für die Zugriffsmöglichkeiten der Finanzverwaltung bei den angesprochenen Auslandssachverhalten vorgesehen hat. Der Gesetzgeber hat den Vorsteuerabzug der im Ausland ansässigen Unternehmer mit dem Vorsteuer-Vergütungsverfahren nach §§ 59 ff. UStDV 1980 besonders geregelt. Das Verfahren sieht eine besondere Zuständigkeit des Bundesamts für Finanzen und eine (zeitlich zusammengefaßte) Antragstellung unter Vorlage der Originalrechnungen vor. Damit kann - anders als im allgemeinen Besteuerungsverfahren - die Finanzverwaltung unmittelbar aus den Rechnungen die einschlägigen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs prüfen und die Antragsteller grundsätzlich bei einer einzigen Behörde erfassen. Das - ersichtliche - Risiko der Finanzverwaltung, in den Regelfällen der Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei Änderung der Bemessungsgrundlage - z. B. bei Uneinbringlichkeit des Entgelts - (§ 17 Abs. 1 UStG 1980), vom ausländischen Empfänger die erstatteten Vorsteuerbeträge zurückzuerhalten, wurde durch keine entsprechende Regelung abgesichert. Für die hier zu beurteilenden Fallgestaltungen des unzutreffenden Steuerausweises bei nicht steuerbaren Umsätzen ergibt sich nichts anderes.