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  BFH-Urteil vom 10.6.1999 (V R 84/98) BStBl. 1999 II S. 578

Für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG ist ausreichend, daß die darin bezeichneten Leistungen ihrer Art nach den Zielen der Berufsaus- oder der Berufsfortbildung dienen. Es ist weder Voraussetzung, daß der Unternehmer sich dem Auszubildenden gegenüber zivilrechtlich zur Ausführung dieser Leistungen verpflichtet hat, noch daß er einen Zahlungsanspruch gegen den Träger der Aus- oder Fortbildung hat.

UStG 1991/1993 § 4 Nr. 21 Buchst. b.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) übernahm aufgrund eines Kaufvertrages vom 4. Juni 1992 mit Wirkung vom 21. August 1992 den Geschäftsbetrieb der N-GmbH. Die N-GmbH verfügte über ein mit Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit ausgestattetes Ausbildungszentrum.

Die Klägerin erfüllte die auf sie übergegangenen Verpflichtungen der N-GmbH aus einem Kooperationsvertrag über die Durchführung einer nach dem Arbeitsförderungsgesetz für den Zeitraum von Februar 1992 bis Mai 1993 geförderten "kaufmännischen Anpassungsqualifizierung". Nach der Aufgabenverteilung in diesem Vertrag war das Bildungswerk e. V. (im folgenden BW) verantwortlich u. a. (§ 2 Nr. 1 des Vertrages) für die Erstellung der Maßnahmekonzeption, für die Vertragsgestaltung und den Abschluß mit den fördernden Stellen, für die Akquisition von Teilnehmern bis zum Vertragsabschluß, für den Einsatz und die Vergütung von Dozenten und das Ausstellen von Teilnahmebescheinigungen. Als Aufgaben der N-GmbH (erfüllt von der Klägerin) waren bezeichnet worden (§ 2 Nr. 2 des Vertrages) die Einweisung der Lehrgangsteilnehmer (Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit Bedrohte) und Dozenten, die Koordinierung der erforderlichen Räumlichkeiten, die Vervielfältigung von Unterrichtsmaterialien für die Lehrgangsteilnehmer im Rahmen einer Verwaltungspauschale und die Bereitstellung der Unterrichtsmittel (Ausstattungsgegenstände der Bundesanstalt für Arbeit, Verbrauchsmaterial im Rahmen der Verwaltungspauschale). Für die Ausbildung sollten geeignete Lehrkräfte des Ausbildungszentrums (der N-GmbH; erfüllt durch die Klägerin) eingesetzt und die von ihnen zur Verfügung gestellten Skripten als Lehrmaterial verwendet werden (§§ 4, 5 des Vertrages). Der Unterricht sollte in den Räumen des Ausbildungszentrums der Klägerin erteilt werden. Die Aufwendungen dafür sollten durch die Mietkosten getragen werden.

Nach Rechnungslegung erstattete der Träger der Ausbildungsmaßnahme (BW) der Klägerin folgende Kosten:

- Sach- und Verwaltungspauschale von ... DM je Unterrichtstag in den Gebäuden des Ausbildungszentrums,

- Mietkosten einschließlich Mietnebenkosten von ... DM je qm/Monat

- Honorar je Unterrichtseinheit für Dozenten des Ausbildungszentrums von ... DM.

Einen entsprechenden Kooperationsvertrag schloß die Klägerin mit dem BW am 27. Oktober 1993 über die Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen für Bürofachkräfte.

Durch eine Vereinbarung vom 2. September 1993 (und eine weitere Vereinbarung vom 6. Oktober 1992) über Bildungsmaßnahmen (in der Zeit vom 1. September 1992 bis 31. August 1993 und vom 1. September 1993 bis 31. August 1994) im Grundausbildungslehrgang Elektrotechnik zwischen dem BW und der Klägerin übernahm die Klägerin die Durchführung des fachpraktischen und fachtheoretischen Teils der Maßnahme (an vier Tagen wöchentlich) mit Hilfe ihrer fachlich dafür qualifizierten Mitarbeiter. Für die ihr entstandenen Personal- und Sachkosten erstattete das BW der Klägerin pro Monat - gestaffelt nach der Zahl der Teilnehmer - einen bestimmten Betrag.

Die Senatsverwaltung für Schule, Berufsausbildung und Sport bescheinigte der Klägerin, daß die bezeichneten Ausbildungsmaßnahmen i. S. von § 4 Nr. 21 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1991/1993 ordnungsgemäß auf einen Beruf vorbereiteten.

Die Klägerin unterwarf Einnahmen aus Bildungsleistungen für die Streitjahre 1992 bis 1994 nicht der Umsatzsteuer.

Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung änderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1992 bis 1994 und besteuerte die Leistungen der Klägerin. Das FA lehnte die Anwendung von § 4 Nr. 21 UStG 1991/1993 mit der Begründung ab, die Arbeitnehmerüberlassung, die Vermietung von Räumen und die erbrachten Verwaltungsleistungen dienten nicht unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck. Außerdem setzte es Zinsen nach § 233a der Abgabenordnung (AO 1977) für jedes Streitjahr fest.

Mit der erwähnten Begründung wies das FA auch den Einspruch der Klägerin gegen die Steueränderungsbescheide für 1992 bis 1994 und die Festsetzung der Zinsen zurück.

Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob die angefochtenen Steueränderungsbescheide und die Zinsfestsetzungen auf. Es gelangte zu der Überzeugung, die Klägerin habe unmittelbar dem Bildungszweck dienende Leistungen erbracht.

Mit der (vom FG zugelassenen) Revision hält das FA an seiner Auffassung fest, daß die Leistungen der Klägerin dem Bildungszweck nur mittelbar gedient hätten. Darauf weise auch die Abrechnung der Klägerin hin, die dem BW Personal-, Raum- und Verwaltungskosten berechnet habe.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die von der Klägerin im Zusammenhang mit der Berufsausbildung in ihrem Ausbildungszentrum erbrachten Leistungen steuerfrei sind.

1. Die Klägerin hat durch den mit Hilfe ihrer Dozenten erteilten Unterricht, durch die Bereitstellung von Unterrichtsräumen und die anderen erwähnten Dienstleistungen zur Durchführung von Berufsaus- und -fortbildungsmaßnahmen steuerbare sonstige Leistungen erbracht. Ihre Leistungen sind nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1991/1993 steuerfrei.

2. Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UStG 1991/1993 fallenden Umsätzen sind nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1991/1993 steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, daß sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.

Die Regelung setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) um. Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer: ... den Schul- und Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.

a) Die Voraussetzungen der Steuerbefreiungsvorschrift liegen vor.

aa) Die Leistungen der Klägerin bei der staatlich geförderten "kaufmännischen Anpassungsqualifizierung" und bei den "Fortbildungsmaßnahmen für Bürofachkräfte", bei denen sie für die Ausbildung geeignete Lehrkräfte ihres Ausbildungszentrums eingesetzt, Lernmaterial zur Verfügung gestellt, für die Teilnehmer vervielfältigt und für den Unterricht geeignete Räume in ihrem Ausbildungszentrum bereitgestellt hat, dienten unmittelbar einem Schul- und Bildungszweck i. S. von § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1991/1993.

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die in der Steuerbefreiungsvorschrift bezeichneten Leistungen ihrer Art nach den Zielen der Berufsaus- und Berufsfortbildung dienen müssen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Dezember 1985 V R 15/80, BFHE 146, 181, BStBl II 1986, 499; BFH-Beschluß vom 29. Oktober 1997 V B 86/97, BFH/NV 1998, 626). Es ist deshalb für die Steuerbefreiung weder Voraussetzung, daß der Unternehmer sich dem Auszubildenden gegenüber zivilrechtlich zur Ausführung dieser Leistungen verpflichtet hat noch daß er einen Zahlungsanspruch gegen den Träger der Ausbildung hat. Vielmehr ist nach dem Zweck der Steuerbefreiung, die gleichmäßige umsatzsteuerliche Belastung von privaten und öffentlichen Ausbildungsträgern zu gewährleisten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 27. August 1998 V R 73/97, BFHE 187, 60, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1999, 164), ausreichend, daß die Leistung allein oder zusammen mit den Leistungen anderer Unternehmer die Ausbildung ermöglicht, fördert, ergänzt oder erleichtert.

Ein solches Verständnis entspricht auch den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG; denn danach reicht es aus, daß der Unternehmer Dienstleistungen durch Fortbildung oder berufliche Umschulung sowie damit eng verbundene Dienstleistungen erbringt und dafür Gegenstände liefert. Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 5. Juni 1997 Rs. C 2/95 - SDC (Slg. 1997, I-3017, Umsatz- und Verkehrsteuer-Recht 1997, 288) muß der Steuerpflichtige die Leistungen nicht unmittelbar den Auszubildenden schulden und diese müssen umsatzsteuerrechtlich nicht Leistungsempfänger sein. Es genügt, wenn die Art der Leistung des Steuerpflichtigen den Steuerbefreiungszweck verwirklicht.

Nach den nicht mit begründeten Revisionsrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist, hat die Klägerin u. a. auf Berufsausbildung gerichtete Unterrichtsleistungen durch ihre Dozenten ausgeführt und nicht nur deren Arbeitskraft überlassen. Diese Leistungen sind unmittelbar gegenüber den aus- und fortzubildenden Teilnehmern bewirkt worden. Damit hat die Klägerin steuerfreie Berufsaus- und Fortbildungsleistungen i. S. von § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1991/1993 erbracht.

bb) Das gilt auch für die Leistungen der Klägerin bei dem staatlich geförderten Grundausbildungslehrgang Elektrotechnik, die sie mit Hilfe ihrer dafür fachlich geeigneten Mitarbeiter ausgeführt hat. Auch diese Leistungen dienten unmittelbar einem Schul- und Bildungszweck i. S. von § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1991/1993. An diese tatsächlichen Feststellungen des FG, die möglich sind, aber nicht zwingend zu sein brauchen, ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

b) Die Klägerin erfüllt auch die übrigen Voraussetzungen der Steuerbefreiung. Sie ist eine juristische Person und damit eine Einrichtung i. S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. EuGH-Urteil vom 11. August 1995 Rs. C 453/93 - Bulthuis Griffioen, Slg. 1995, I-2341, UR 1995, 476; BFH-Urteile in BFHE 187, 60, UR 1999, 164; vom 17. Juni 1998 XI R 68/97, UR 1999, 162).

Die Klägerin hat die nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1991/1993 notwendige Bescheinigung vorgelegt (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 6. Dezember 1994 V B 52/94, BStBl II 1995, 913; BFH-Urteil vom 3. Mai 1989 V R 83/84, BFHE 157, 458, BStBl II 1989, 815, m. w. N.; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. Dezember 1976 VII C 73/75, BStBl II 1977, 334).