| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 10.6.1999 (IV R 69/98) BStBl. 1999 II S. 691

1. Übt ein Steuerpflichtiger seine freiberufliche Tätigkeit in mehreren Gemeinden aus, so ist für die dadurch erzielten Einkünfte nur eine gesonderte Feststellung durchzuführen. Ist das Finanzamt, von dessen Bezirk aus die Tätigkeit vorwiegend ausgeübt wird, nach § 19 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 zugleich Wohnsitzfinanzamt, so bedarf es für die außerhalb der Wohnsitzgemeinde erzielten Einkünfte keiner gesonderten Feststellung.

2. Eine gesonderte Feststellung, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, darf nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 auch dann aufgehoben werden, wenn sich herausstellt, daß die Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung nicht vorlagen.

AO 1977 § 18 Abs. 1 Nr. 3, § 19 Abs. 3 Satz 1, § 164 Abs. 2 Satz 1, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b.

Vorinstanz: FG des Landes Brandenburg

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darum, ob die Gewinne aus der vom Kläger und Revisionskläger (Kläger) in den Streitjahren (1992 und 1993) im Bezirk des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit gesondert festzustellen waren und, sofern dies nicht der Fall war, ob das FA die für diese Jahre gleichwohl durchgeführten Feststellungen aufheben durfte, weil sie unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen.

Der Kläger war in den Streitjahren Steuerberater mit Wohnsitz in B. Seine Wohnung, in der er zwei Räume beruflich nutzte, befand sich im Bezirk des FA Z in B. Der Kläger eröffnete seine Praxis 1984 im Bezirk des FA C in B. Dieses führte gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) die Besteuerung des Klägers durch. 1990 richtete der Kläger in H eine weitere Beratungsstelle ein, deren Vermögen er Ende 1994 in eine GmbH einbrachte. Beide Kanzleien waren organisatorisch voneinander unabhängig; sie verfügten jeweils über eigenes Personal und eigene Mandantschaft.

Die Umsätze und Personalkosten verteilten sich in den Jahren 1991 bis 1993 wie folgt auf die Kanzleien:

Umsätze

in B

in H

   

1991

765.321 DM

643.883 DM

1992

1.334.556 DM

965.920 DM

1993

1.416.930 DM

1.289.568 DM

   

Personalkosten

in B

in H

   

1991

317.160 DM

201.992 DM

1992

299.397 DM

466.515 DM

1993

363.248 DM

610.500 DM

Das für H örtlich zuständige beklagte FA stellte aufgrund von Gewinnermittlungen und Feststellungserklärungen für die in seinem Bezirk ausgeübte freiberufliche Tätigkeit die insoweit erzielten Gewinne für die Streitjahre (wie bereits für das Jahr 1991) zunächst gesondert fest. Die Feststellungen erfolgten unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach einer vom FA C im Auftrag des FA durchgeführten Außenprüfung gelangte dieses zu der Auffassung, daß für die in seinem Bezirk ausgeübte freiberufliche Tätigkeit keine gesonderten Feststellungen durchzuführen seien, weil diese überwiegend von der Kanzlei B im Bereich des FA C aus betrieben werde. Es hob deshalb die zuvor durchgeführten Feststellungen durch Bescheide vom 17. und 18. Oktober 1995 gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 auf.

Die als Einspruch behandelte Sprungklage und die Klage gegen die daraufhin ergangene Einspruchsentscheidung blieben ohne Erfolg.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das Finanzgericht (FG) hat zutreffend angenommen, daß für die im Bereich des beklagten FA erzielten Gewinne des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit keine gesonderten Feststellungen durchzuführen waren. Entgegen der Auffassung des Klägers darf eine gesonderte Feststellung, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, auch nach § 164 Abs. 2 AO 1977 aufgehoben werden, wenn die Finanzbehörde erkennt, daß die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen unzulässig war.

1. Nach § 179 Abs. 1 i. V. m. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO 1977 in der bis zum Inkrafttreten des Mißbrauchbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1993 geltenden Fassung sind Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit gesondert festzustellen, wenn das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt nicht auch für die Steuern vom Einkommen zuständig ist. Eine gesonderte Feststellung ist somit nur zulässig, wenn außer dem Wohnsitzfinanzamt noch ein weiteres, in § 18 AO 1977 aufgeführtes Finanzamt zuständig ist. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall nicht vor. Die vom Kläger im Bereich des beklagten FA erzielten Gewinne aus freiberuflicher Tätigkeit waren deshalb nicht gesondert festzustellen.

§ 18 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 weist die örtliche Zuständigkeit für eine gesonderte Feststellung bei freiberuflicher Tätigkeit dem Finanzamt zu, von dessen Bezirk aus die Berufstätigkeit vorwiegend ausgeübt wird. Zuständig sein kann damit nur ein Finanzamt und nicht - wie vom Kläger angenommen - mehrere Finanzämter. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Abstellen auf ein Finanzamt ("das Finanzamt"), sondern auch aus den Anknüpfungskriterien für dessen Zuständigkeit. Die Regelung der Zuständigkeit danach, von welchem Finanzamtsbezirk aus die Berufstätigkeit "vorwiegend" ausgeübt wird, soll gewährleisten, daß das Finanzamt, in dessen Bezirk der Schwerpunkt der Berufstätigkeit liegt, eine umfassende Zuständigkeit für diese Tätigkeit im ganzen erhält. Dadurch wird dem Gedanken der Sachnähe Rechnung getragen, weil dieses Finanzamt den größten Teil der Tätigkeit selbst beurteilen kann. Bedarf es der Prüfung weiterer, nicht in seinem Bezirk ausgeübter Tätigkeiten, so kann es andere, insoweit ortsnähere Finanzämter mit einer Außenprüfung dieser Tätigkeiten beauftragen (§ 195 Satz 2 AO 1977). Die Begründung der Zuständigkeit nur eines Finanzamts durch die Regelungen in § 18 Abs. 1 AO 1977 verhindert, daß es zu nicht aufeinander abgestimmten und damit sich ggf. widersprechenden Teilfeststellungen kommt, die in ihrer Summe nicht mit dem insgesamt festzustellenden Betrag übereinstimmen. Dies wäre zu besorgen, wenn bei Ausübung z. B. einer freiberuflichen Tätigkeit in den Bezirken mehrerer Finanzämter jedes Finanzamt für die in seinem Bezirk ausgeübte Tätigkeit eine eigene Feststellung durchführen müßte. Damit wäre die Gefahr verbunden, daß das Gesamtergebnis aller jeweils festgestellten Einkunftsteile vom Betrag der insgesamt festzustellenden Einkünfte abweicht. Eben dies soll durch die Zuständigkeit nur eines Finanzamts für gesonderte Feststellungen, wie § 18 Abs. 1 AO 1977 sie vorsieht, vermieden werden.

Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) übte der Kläger seine freiberufliche Tätigkeit in den Streitjahren vorwiegend im Bezirk des FA C aus. Der Kläger räumte im Schreiben vom 20. Mai 1992 an das beklagte FA selbst ein, in B seine "Hauptbetriebsstätte" zu haben, weshalb er dort auch die Umsatzsteuer-Voranmeldungen und die Umsatzsteuererklärung für 1992 abgab. An dieser Handhabung hielt er auch für das Streitjahr 1993 fest. Damit war das beklagte FA nicht befugt, die Gewinne des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit gesondert festzustellen. Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 wäre dafür allein das FA C zuständig gewesen. Insoweit entfiel mit Rücksicht auf § 19 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO 1977 eine gesonderte Feststellung, weil das FA C nach § 19 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 auch für die Besteuerung des Klägers zuständig war.

Die Notwendigkeit einer gesonderten Feststellung ergibt sich, wie das FG zu Recht angenommen hat, auch nicht daraus, daß es hinsichtlich der Aufgaben des Wohnsitzfinanzamts durch § 19 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 zu einer Zuständigkeitsverlagerung auf das FA C gekommen ist. Im Schrifttum wird allerdings mitunter angenommen, daß in einem derartigen Fall gesonderte Feststellungen bezüglich der außerhalb der Wohnsitzgemeinde ausgeübten Tätigkeiten nicht ausgeschlossen werden (Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 19 Anm. 4; Schwarz, Abgabenordnung, 11. Aufl., § 19 Rzn. 11, 13; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 19 AO 1977 Rz. 14). Dies kann jedoch nur dann gelten, wenn es sich bei der außerhalb der Wohnsitzgemeinde ausgeübten Tätigkeit um eine andere als diejenige handelt, die zur Zuständigkeitsverlagerung geführt hat (vgl. das Beispiel bei Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 19 AO 1977 Tz. 6). Im Streitfall wäre danach das beklagte FA für die Feststellung z. B. von gewerblichen Einkünften des Klägers zuständig gewesen, wenn sich in seinem Bezirk die Geschäftsleitung eines gewerblichen Betriebs des Klägers befunden hätte (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977). Handelt es sich dagegen wie im Streitfall um ein und dieselbe Betätigung (hier: freiberufliche Tätigkeit innerhalb und außerhalb der Wohnsitzgemeinde), so ist für eine gesonderte Feststellung auch dann kein Raum, wenn die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 vorliegen. Berufsfinanzamt des Klägers i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 ist ausschließlich das FA C. Daß dieses FA aufgrund des mit § 19 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 verfolgten Vereinfachungszwecks, durch Verlagerung der Aufgaben des Wohnsitzfinanzamts auf das Berufsfinanzamt eine gesonderte Feststellung entbehrlich zu machen, auch für die Besteuerung des Klägers nach dem Einkommen und Vermögen zuständig geworden ist, macht keine gesonderte Feststellung der vom Kläger im Bezirk des beklagten FA erzielten Gewinne gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO 1977 erforderlich. Insoweit bleibt es vielmehr dabei, daß allein das für die Steuern vom Einkommen zuständige Finanzamt (= FA C) - und nicht das beklagte FA - ohne die Regelung in § 19 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 für eine gesonderte Feststellung zuständig wäre (a. A. wohl Schwarz, a. a. O., § 19 Rz. 14).

2. Das FA durfte, nachdem es erkannt hatte, daß die vom Kläger in seinem Bezirk erzielten Gewinne aus freiberuflicher Tätigkeit nicht gesondert festzustellen waren, die gleichwohl durchgeführten Feststellungen aufgrund des ihnen jeweils beigefügten Vorbehalts der Nachprüfung aufheben.

Eine unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende gesonderte Feststellung darf nach § 164 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 aufgehoben oder geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam ist. Der Vorbehalt bezieht sich auf die Feststellung als solche; anders als bei einem Vorläufigkeitsvermerk (vgl. § 165 Abs. 1 Satz 1 AO 1977: "soweit") handelt es sich beim Vorbehalt der Nachprüfung nicht um eine gegenständlich begrenzte Nebenbestimmung. Der Wortlaut des § 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 bietet deshalb keinen Anhaltspunkt, den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Korrekturen im Bereich der Besteuerungsgrundlagen zu beschränken. Demgemäß entspricht es allgemeiner Auffassung, daß ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Bescheid sowohl aufgrund besserer tatsächlicher Erkenntnis als auch aufgrund einer geänderten rechtlichen Beurteilung ohne Einschränkung in vollem Umfang aufgehoben oder geändert werden kann (Klein/Rüsken, a. a. O., § 164 Anm. 1; Baum in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 164 Rz. 21; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 164 AO 1977 Bem. 3 a; Frotscher in Schwarz, a. a. O., § 164 Rz. 39; Sauer in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 164 AO 1977 Rzn. 12, 45; Tipke in Tipke/Kruse, a. a. O., § 164 AO 1977 Tz. 17; Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 164 AO 1977 Rzn. 21, 24; Woerner/Grube, Die Aufhebung und Änderung von Steuerverwaltungsakten, 8. Aufl., 55, 57). Vereinzelt wird der Finanzbehörde die Änderungsbefugnis - vorbehaltlich der §§ 126, 127 AO 1977 - ausdrücklich auch zur Korrektur von Verfahrens- und Formfehlern zugestanden (Baum, a. a. O.). Der Senat hält ungeachtet der Frage, ob die Durchführung einer gesetzlich nicht vorgesehenen gesonderten Feststellung begrifflich in weitestem Sinne als "Verfahrensfehler" qualifiziert werden könnte, § 164 Abs. 2 AO 1977 aus den nachfolgend dargelegten Gründen auch zur Korrektur eines solchen Fehlers für anwendbar.

Aus dem Umstand, daß § 164 AO 1977 der Beschleunigung der ersten Festsetzung der Steuer bzw. der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen allein aufgrund der Angaben des Steuerpflichtigen ohne deren sofortige Prüfung dient (Begründung zum Entwurf einer Abgabenordnung - AO 1974 -, BTDrucks VI/1982, zu § 145, S. 148), kann nicht abgeleitet werden, die Vorschrift beziehe sich allein auf den sachlich-rechtlichen Teil des Steuer- oder Feststellungsbescheids. Das Änderungsbedürfnis ergibt sich zwar in der Praxis weitaus häufiger im Bereich der Besteuerungsgrundlagen als hinsichtlich der Durchführung eines Besteuerungs- oder Feststellungsverfahrens dem Grunde nach. Der Sinn und Zweck des § 164 AO 1977, eine schnelle erste Festsetzung oder Feststellung zu ermöglichen, diese aber später korrigieren zu können, wenn sich bei einer Nachprüfung eine geänderte tatsächliche oder rechtliche Beurteilung ergibt, gilt indes für die Durchführung des Verfahrens dem Grunde nach in gleicher Weise. Die Frage der Zulässigkeit eines Besteuerungs- oder Feststellungsverfahrens kann ebenso schwierig zu beurteilen sein wie Tatsachen oder Rechtsfragen, von denen der Ansatz einzelner Besteuerungsgrundlagen abhängt. Insbesondere die hier zu entscheidende Frage, von welchem Finanzamtsbezirk aus eine Tätigkeit vorwiegend ausgeübt wird, kann Ermittlungen notwendig machen, die bei einer ersten Bearbeitung der Feststellungserklärung zu aufwendig sind. Zu diesem Zeitpunkt kann aber bereits eine Anfrage des Wohnsitzfinanzamts zu den Besteuerungsgrundlagen vorliegen, die nach Auffassung des Steuerpflichtigen von einem in § 18 Abs. 1 AO 1977 aufgeführten Finanzamt gesondert festzustellen sind. Es entspricht dann dem Beschleunigungszweck des § 164 AO 1977, die Feststellung alsbald durchzuführen, auch wenn noch nicht sicher ist, ob die Voraussetzungen dafür tatsächlich vorliegen, um dem Wohnsitzfinanzamt eine zügige Veranlagung zu ermöglichen. Dessen Möglichkeit, statt der Anfrage bei dem Finanzamt, bei dem der Steuerpflichtige die Feststellungserklärung abgegeben hat, nach § 162 Abs. 3 AO 1977 zu verfahren, muß nicht immer eine gleichwertige Alternative sein.

Die Verknüpfung von Grundlagen- und Folgebescheid (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977) macht es zudem gerade in Fällen wie dem Streitfall erforderlich, daß die gesonderte Feststellung, sofern sie unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 aufgehoben werden kann, wenn sich herausstellt, daß die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen. Die gesonderte Feststellung entfaltet, wenn der Feststellungsbescheid ordnungsgemäß bekanntgegeben wird, bis zu seiner Aufhebung (§ 124 Abs. 2 AO 1977) eine Bindungswirkung für den Einkommensteuerbescheid (§ 182 Abs. 1 AO 1977). Das Wohnsitzfinanzamt, das bei Fehlen der Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung an sich in eigener Zuständigkeit über die Höhe der fraglichen Besteuerungsgrundlagen zu entscheiden hätte, wäre aufgrund der Bindungswirkung des zu Unrecht erlassenen Feststellungsbescheids gehindert, diese abweichend vom Inhalt des Feststellungsbescheids unmittelbar im Einkommensteuerbescheid anzusetzen. Es müßte, wenn es einen anderen als den festgestellten Betrag für richtig hält, das Finanzamt, das den Feststellungsbescheid erlassen hat, um eine Änderung der Feststellung ersuchen. Diese Änderung wäre zwar aufgrund des Vorbehalts der Nachprüfung bis zum Ablauf der Feststellungsfrist ohne weiteres zulässig. Der geänderte Feststellungsbescheid wäre indes - wie der ursprüngliche Bescheid - rechtswidrig, weil keine gesonderte Feststellung vorzunehmen ist. Der Ansatz der Besteuerungsgrundlagen im Folgebescheid in zutreffender Höhe wäre daher nur durch einen bewußt fehlerhaften Verwaltungsablauf möglich. Dies spricht dafür, dem für den Erlaß des Einkommensteuerbescheids zuständigen Finanzamt seine Zuständigkeit zur selbständigen Ermittlung der fraglichen Besteuerungsgrundlagen dadurch wiederzueröffnen, daß dem Finanzamt, das den fehlerhaften, weil nicht vorgesehenen Grundlagenbescheid erlassen hat, die Befugnis zu dessen Aufhebung gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 eingeräumt wird.

Schließlich ergäbe sich ein Wertungswiderspruch zur Rechtslage bei einem Einspruch des Steuerpflichtigen gegen den Feststellungsbescheid, wenn § 164 Abs. 2 AO 1977 bei fehlerhafter Annahme der Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung nicht anwendbar wäre. Mit dem Einspruch könnte er die Aufhebung des Feststellungsbescheids unter Hinweis darauf verlangen, daß keine gesonderte Feststellung durchzuführen war (vgl. unten 3.). Der Vorbehalt der Nachprüfung hat jedoch, weil die Feststellung jederzeit aufgehoben oder geändert werden kann, zur Folge, daß sie bis zum Ablauf der Feststellungsfrist nicht in materielle Bestandskraft erwächst. Die Möglichkeit, einen Feststellungsbescheid wegen des besagten Mangels aufzuheben, hinge also davon ab, ob der Steuerpflichtige Einspruch einlegt oder nicht, obwohl § 164 Abs. 2 AO 1977 die Entscheidung über die Feststellung unabhängig von einem Einspruch bis zum Ablauf der Feststellungsfrist offenhalten will.

3. Das FA war nicht durch § 127 AO 1977 an der Aufhebung der Feststellungen gehindert. Nach § 127 AO 1977 kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 125 AO 1977 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Dadurch soll verhindert werden, daß ein Verwaltungsakt allein wegen formaler Mängel aufgehoben wird, wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müßte (BTDrucks VI/1982, zu § 132, S. 142). Dies ist gerade nicht der Fall, wenn es an den Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung fehlt und diese deshalb aufgehoben wird. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat deshalb bereits im Urteil vom 15. April 1986 VIII R 325/84 (BFHE 147, 101, BStBl II 1987, 195) angenommen, daß die Verletzung der §§ 18, 19 AO 1977 in der gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO 1977 getroffenen Zuordnung ein nicht heilbarer Rechtsfehler sei (ebenso z. B. BFH-Urteil vom 9. August 1995 XI R 109/92, BFH/NV 1996, 404). § 127 AO 1977 schließt im übrigen nur den Aufhebungsanspruch des Beteiligten aus; er nimmt der Behörde nicht das Recht zur Aufhebung (Tipke in Tipke/Kruse, a. a. O., § 127 AO 1977 Tz. 2, 11).