| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 24.6.1999 (IV R 73/97) BStBl. 2000 II S. 309

Auch wenn der Pächter im Fall der eisernen Verpachtung den Verpachtungsbetrieb vor Ablauf der Pachtzeit im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übernimmt, ist der Verzicht des Verpächters auf den Anspruch auf Substanzerhaltung bei ihm als Zufluss zu beurteilen (Anschluss an BFH-Urteil vom 12. April 1989 I R 41/85, BFHE 156, 481, BStBl II 1989, 612).

BGB § 582a; EStG § 4 Abs. 1 und 3, § 13.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1998, 353)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) pachtete mit Wirkung vom 1. März 1989 von seinem damals 57jährigen Vater (V) dessen landwirtschaftlichen Betrieb. Das Pachtverhältnis sollte am 30. Juni 2001 enden.

V überließ dem Kläger das gesamte lebende und tote Inventar im Rahmen einer eisernen Verpachtung (vgl. § 6 des Pachtvertrages vom 28. Februar 1989). Der Kläger war verpflichtet, bei Pachtende wertmäßig soviel an Inventarstücken zurückzugeben, wie er bei Beginn des Pachtverhältnisses empfangen hatte. V konnte Geldersatz verlangen, wenn die übergebenen Inventarstücke nicht mehr vorhanden waren. Der Kläger durfte "im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft" über die einzelnen Inventarstücke verfügen. Von ihm angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter gingen nicht in das Eigentum des Verpächters über. Umfang und Wert der einzelnen Inventarstücke ergaben sich aus der für das Wirtschaftsjahr der erstmaligen Überlassung erstellten betriebswirtschaftlichen Buchführung.

V ermittelte seinen Gewinn bis zum 30. Juni 1989 nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Für die nachfolgende Zeit ging er zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG über. Der Kläger ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG.

Einzelne Stücke des von V in der Bilanz zum 30. Juni 1989 bilanzierten Inventars setzte der Kläger mit den höheren Wiederbeschaffungskosten an:

 

Verpächter

Pächter

Differenz

 

DM

DM

DM

       
Stalllüfter

264,86

575,25

310,39

Schlepper

9.061,60

25.582,59

17.520,99

Kipper

1.958,47

4.858,47

2.900,00

Drillmaschine

970,02

2.725,64

1.755,62

Mähdrescher

1.854,04

6.194,67

4.340,63

Hochdruckreiniger

258,49

883,29

624,80

Schrotmühle

1.176,84

2.831,86

1.655,02

 

---------------

---------------

---------------

 

15.544,32

44.651,77

29.107,45

Bei den anderen gepachteten Stücken führte der Kläger die von V angesetzten Buchwerte fort. Von den angesetzten Werten nahm er Absetzungen für Abnutzung (AfA) vor.

Mit Wirkung vom 1. Juli 1993 übertrug V dem Kläger unentgeltlich den bis dahin verpachteten landwirtschaftlichen Betrieb (Altenteilvertrag).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) rechnete die Differenz zwischen den Buchwerten und den Schätzwerten dem laufenden Gewinn des Klägers für das Wirtschaftsjahr 1993/94 zu und setzte die Einkommensteuer 1993 entsprechend fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 353 veröffentlicht.

Mit der vom FG - wegen grundsätzlicher Bedeutung - zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht (§ 4, § 13 EStG; § 7 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -).

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat zu Recht die Differenz zwischen den Buchwerten des V für das übernommene Inventar und den vom Kläger in Übereinstimmung mit V angesetzten Schätzwerten nicht als Gewinn des Klägers, sondern als Gewinn des V angesehen.

1. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 28. Mai 1998 IV R 31/97, BFHE 186, 263, BFH/NV 1998, 1560, sowie BFH-Urteil vom 17. Februar 1998 VIII R 28/95, BFHE 186, 29, BStBl II 1998, 505, m.w.N., sowie Senatsurteile vom 21. Dezember 1965 IV 228/64 S, BFHE 84, 407, BStBl III 1966, 147; vom 23. Juni 1966 IV 75/64, BFHE 86, 625, BStBl III 1966, 589; vom 6. Dezember 1984 IV R 212/82, BFHE 143, 233, BStBl II 1985, 391, und vom 30. Januar 1986 IV R 130/84, BFHE 146, 72, BStBl II 1986, 399, sowie BFH-Urteile vom 5. Mai 1976 I R 166/74, BFHE 119, 478, BStBl II 1976, 717; vom 3. Dezember 1991 VIII R 88/87, BFHE 167, 322, BStBl II 1993, 89) hat der Verpächter im Fall der sog. eisernen Verpachtung, bei der das Inventar bei Beendigung des Pachtverhältnisses zum Schätzwert zurückzugeben ist (§ 582a des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), den Anspruch auf Erhaltung und Erneuerung der Pachtgegenstände in Höhe des jährlich zuwachsenden Teilanspruchs zu aktivieren. Das gilt grundsätzlich auch, wenn Eltern ihren land- und forstwirtschaftlichen Betrieb an den voraussichtlichen Hofnachfolger "eisern" verpachten (Senatsurteil in BFHE 186, 263, BFH/NV 1998, 1560). Der Anspruch ist von Verpächter und Pächter an jedem Bilanzstichtag unter Berücksichtigung der Wiederbeschaffungskosten neu zu bewerten. Sind die vereinbarten Schätzwerte sachgerecht, wirkt sich erst die laufende Neubewertung des übernommenen Inventars beim Verpächter und beim Pächter ertragswirksam aus. Sind - wie hier vom FG angenommen - die Wiederbeschaffungskosten höher als die vom Verpächter ursprünglich aufgewandten Anschaffungs- und Herstellungskosten, kann der Rückstellungsbedarf des Pächters sogar höher sein als eine von ihm in Anspruch genommene AfA (vgl. Pape in Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl. 1983, A 619, 628 ff.).

b) Überträgt der Verpächter den "eisern verpachteten" Betrieb unentgeltlich an den Pächter, so findet grundsätzlich § 7 Abs. 1 EStDV Anwendung. Der Pächter tritt in die Stellung des Verpächters. Er führt dessen Betrieb, dessen Gewinnermittlung und dessen Buchwerte fort. Wechselt der Pächter die Gewinnermittlungsart oder überführt er den unentgeltlich erworbenen Betrieb in einen schon vorher bestehenden eigenen, so treten die damit verbundenen steuerlichen Folgen bei ihm ein. Jeweils kann er keine Rückstellung für die ungewisse Verbindlichkeit aus Substanzerneuerung mehr ansetzen. Die ungewisse Verbindlichkeit ist durch Vereinigung von Forderung und Schuld in der Person des Pächters untergegangen.

2. Allerdings muss der Beschluss des Großen Senats vom 9. Juni 1997 GrS 1/94 (BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307) beachtet werden. Der Große Senat hat entschieden, dass der Forderungsverzicht eines Gläubigers bei demselben in Höhe des Teilwertes zum Zufluss der Forderung führt, auf die verzichtet wird. Er hat die Auffassung der Mindermeinung des vorlegenden I. Senats abgelehnt, dass die ungewisse Verbindlichkeit erst in der logischen Sekunde nach Vollzug (hier:) der Betriebsübertragung durch Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person untergehe (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Juli 1994 I R 23/93, I R 58/93, I R 103/93, BFHE 175, 264, BStBl II 1995, 27, unter II. 2. b). Statt dessen steht der Verzicht des Gesellschafters auf seinen Vergütungsanspruch der Abtretung an den Schuldner wirtschaftlich gleich. Entsprechendes muss gelten, wenn ein Verpächter seinen Anspruch auf Substanzerneuerung durch unentgeltliche Betriebsübertragung auf den Pächter untergehen lässt. Auch in diesem Fall besteht zwischen einem individuellen Forderungsverzicht und der Abtretung an den Pächter wirtschaftlich kein Unterschied. Sind aber beide Gestaltungen steuerlich gleich zu behandeln und lösen beide den Zufluss der Forderung beim Gläubiger aus, so vollzieht sich dieser Zufluss einerseits beim Verpächter und andererseits in dem Augenblick unmittelbar vor der Betriebsübertragung. Dies entspricht auch dem Urteil des I. Senats des BFH vom 12. April 1989 I R 41/85 (BFHE 156, 481, BStBl II 1989, 612), der den ohne Betriebsübertragung ausgesprochenen Verzicht auf den Anspruch auf Substanzerhaltung beim Pächter als Einlage (§ 4 Abs. 1 Satz 5 EStG) beurteilt hat.

Dies setzt eine Gewinnrealisierung auf Seiten des Verpächters voraus.

3. Die Vorentscheidung entspricht im Ergebnis diesen Rechtsgrundsätzen. Das FA hätte die Differenz zwischen den eingestellten Schätzwerten und den "eingefrorenen Buchwerten" bei V erfassen müssen. Die Erfassung beim Kläger war fehlerhaft. Deshalb wurde der angefochtene Steuerbescheid zu Recht korrigiert.