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  BFH-Beschluss vom 5.5.1998 (I B 24/98) BStBl. 2000 II S. 430

Beantragt der Anteilseigner gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG 1995, die stillen Reserven einbringungsgeborener Anteile aufzudecken, so ist ihm die Stundung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995 auch dann zu gewähren, wenn die Kapitalgesellschaft, an der die Anteile bestehen, kurz darauf formwechselnd in eine Personengesellschaft umgewandelt wird und beim Anteilseigner dadurch gemäß § 10 UmwStG 1995 ein entsprechendes Körperschaftsteuerguthaben anzurechnen ist. Diese Rechtsfrage ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 § 42 Abs. 1; UmwStG 1995 § 10 Abs. 1, § 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Sätze 3, 5 und 6; UmwG § 226.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) besaß einbringungsgeborene Anteile an einer GmbH im Nennwert von 5.999.000 DM. Er beantragte am 29. Dezember 1995 deren Besteuerung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Umwandlungs-Steuergesetzes 1995 (UmwStG 1995) und gleichzeitig Stundung der auf den Gewinn von 24.745.785 DM entfallenden Einkommensteuer gemäß § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995. Die GmbH wurde zum 31. Dezember 1995 in eine KG umgewandelt, wodurch sich beim Kläger im Streitjahr 1995 ein anrechenbares Körperschaftsteuer-Guthaben von 21.868.768 DM ergab, das im Einkommensteuerbescheid vom 3. Januar 1997 auch angerechnet wurde.

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) lehnte den Stundungsantrag ab. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg.

Mit seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, der das Finanzgericht (FG) nicht abgeholfen hat, macht das FA die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

Der Kläger beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die vom FA angenommene grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, deren Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605, m.w.N.). Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein.

2. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinn wird vom FA nicht aufgeworfen. Denn das angefochtene Urteil entspricht der eindeutigen Gesetzeslage: Auf Antrag des Klägers gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG 1995 sind stille Reserven realisiert und besteuert worden, die in sog. einbringungsgeborenen Anteilen angesammelt waren. Die Einkommensteuer, die auf den hiernach entstandenen fiktiven Veräußerungsgewinn (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 UmwStG 1995) entfällt, kann in jährlichen Teilbeträgen von mindestens je einem Fünftel entrichtet werden, wenn die Entrichtung der Teilbeträge sichergestellt ist (§ 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995). Da diese Voraussetzungen nach den Feststellungen des FG im Streitfall erfüllt sind, war die Stundung zu gewähren.

Zwar endet die Stundung nach § 21 Abs. 2 Satz 5 UmwStG 1995, wenn Anteile während des Stundungszeitraumes veräußert werden. Gleiches gilt, wenn während des Stundungszeitraumes die Kapitalgesellschaft, an der die Anteile bestehen, aufgelöst und abgewickelt wird oder das Kapital dieser Gesellschaft herabgesetzt und an die Anteilseigner zurückgezahlt wird (§ 21 Abs. 2 Satz 6 UmwStG 1995). Diese Einschränkung rechtfertigt sich aus dem Gedanken, dem Steuerpflichtigen die Vorteile der Stundung nur solange zu gewähren, wie ihm nicht durch Anteilsveräußerung oder Kapitalrückzahlungen Liquidität zufließt (vgl. BTDrucks 12/7945 zu § 20 UmwStG). Bei einer formwechselnden Umwandlung (§ 226 des Umwandlungsgesetzes) ist indes keiner dieser Tatbestände, die die Beendigung der gesetzlichen Stundung nach sich ziehen, erfüllt. Insbesondere handelt es sich hierbei - wie letztlich auch vom FA eingeräumt wird - nicht um eine Veräußerung i.S. von § 21 Abs. 2 Satz 5 UmwStG 1995 (vgl. Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 3. Aufl., § 21 UmwStG Rz. 442, Dehmer, Umwandlungsgesetz, Umwandlungs-Steuergesetz, 2. Aufl., § 21 UmwStG Rz. 144). Dass die Kapitalgesellschaft im Streitfall über erhebliches steuerbelastetes Eigenkapital verfügte und dass diese Körperschaftsteuer deshalb gemäß § 10 Abs. 1 UmwStG 1995 auf die Einkommensteuer des Klägers als Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft anzurechnen war, ändert daran nichts. Die Anrechnung des Körperschaftsteuer-Guthabens stellt keine Rückzahlung von Kapital dar und kann folglich weder nach Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der Regelungen in § 21 Abs. 2 Satz 5 und 6 UmwStG 1995 eine Stundungsversagung begründen. Es verhält sich insoweit ähnlich wie nach früherer Rechtslage gemäß § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1977. Der erkennende Senat hat dazu bereits durch Urteil vom 4. Dezember 1991 I R 163/90 (BFHE 167, 25, BStBl II 1993, 362) entschieden, dass es ohne Einfluss auf die Vergünstigung des § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1977 bleibt, wenn der Anteilseigner die Kapitalanteile in jenem Veranlagungszeitraum veräußert, der einer Besteuerung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1977 folgt. Auch ein Gestaltungsmissbrauch (§ 42 der Abgabenordnung - AO 1977 -) sei nicht gegeben; § 42 Abs. 1 AO 1977 sei ungeeignet, fehlende gesetzliche Beschränkungen in § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1977, die der Gesetzgeber ausdrücklich in vergleichbar gelagerten Fällen abweichend geregelt hat, zu ersetzen.

Die Rechtslage ist für den im Streitfall gegebenen Sachverhalt gleichermaßen eindeutig und beantwortet sich aus dem Gesetz; sie deckt sich überdies mit der zwischenzeitlich im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. März 1998 (BStBl I 1998, 268) zum Ausdruck kommenden Auffassung (vgl. dort Tz. 21.10). Klärungsbedürftige Zweifel bestehen angesichts dessen keine. Eine grundsätzliche Bedeutung der vom FA aufgeworfenen Rechtsfragen liegt nicht vor (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 115 FGO Tz. 56, m.w.N. zur Rechtsprechung).