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  BFH-Urteil vom 23.5.2000 (VIII R 11/99) BStBl. 2000 II S. 621

Ein Büro- und Verwaltungsgebäude ist jedenfalls dann eine wesentliche Betriebsgrundlage im Sinne der Rechtsprechungsgrundsätze zur Betriebsaufspaltung, wenn es die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Betriebsgesellschaft bildet.

EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1.

Vorinstanz: FG Mecklenburg Vorpommern

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit den Gesellschaftern A und B - hatte 1991 ein Grundstück mit Bürogebäude erworben und anschließend an eine GmbH vermietet, deren Gesellschafter ebenfalls A und B waren. Gegenstand des Unternehmens der GmbH war die Durchführung von Planungsleistungen für das Bauhauptgewerbe und ingenieurtechnische Leistungen für die angrenzenden Baunebenbereiche sowie die Beratung und Begutachtung von Gewerken und Leistungen auf diesen Fachgebieten. Die GmbH hatte dieses Unternehmen zunächst auf einem Nachbargrundstück betrieben.

Die GmbH nutzte das Gebäude (Firmensitz) nach dem Einbau einer Ölheizung und eines Garagentores sowie der Pflasterung des Hofraumes ausschließlich für diese Tätigkeiten. Sie beschäftigte - außer den in Heimarbeit tätigen Aushilfskräften und den Mitarbeitern in zwei Zweigniederlassungen - an ihrem Firmensitz 20 Mitarbeiter. Die Büroräume waren mit Schreibtischen und der üblichen Büroeinrichtung, mit Kopiergeräten, Zeichenanlagen und Computern ausgestattet, der Kundenverkehr wurde nach dem Vortrag der Klägerin vorwiegend vor Ort bei den Kunden oder über Telekommunikationsmittel abgewickelt. Den Beschäftigten standen 16 Firmenwagen zur Verfügung.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte die von der Klägerin aus der Vermietung des Grundstücks erzielten Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb und erließ für die Streitjahre 1993 und 1994 entsprechende Gewinnfeststellungsbescheide. Es liege eine unechte Betriebsaufspaltung vor. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

Sie beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Gewinnfeststellungsbescheide 1993 und 1994 vom 20. September 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. April 1997 mit der Maßgabe abzuändern, dass die Einkünfte der Klägerin als solche aus Vermietung und Verpachtung festgestellt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung - sachliche und persönliche Verflechtung (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. November 1971 GrS 2/71 , BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, und ständige Rechtsprechung) und damit eines gewerblichen Unternehmens i.S. von § 15 EStG - liegen im Streitfall vor. Das ist für die persönliche Verflechtung unstreitig, gilt aber auch für die sachliche Verflechtung. Das vermietete Grundstück stellt nach den für die Betriebsaufspaltung geltenden Grundsätzen eine wesentliche Grundlage für den Betrieb der GmbH dar.

a) Der X. Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 2. April 1997 X R 21/93 (BFHE 183, 100, BStBl II 1997, 565) die Rechtsprechung des BFH zur wesentlichen Betriebsgrundlage bei Grundstücksverpachtungen bzw. -vermietungen - der sich der erkennende Senat angeschlossen hat (BFH-Urteil vom 19. Juli 1994 VIII R 75/93 , BFH/NV 1995, 597; vgl. auch Urteil vom 13. Februar 1996 VIII R 39/92 , BFHE 180, 278, BStBl II 1996, 409, unter 3. c der Gründe) - zusammenfassend dargestellt. Danach liegt eine wesentliche Betriebsgrundlage vor, wenn das Grundstück für die Betriebsgesellschaft wirtschaftlich von nicht nur geringer Bedeutung ist. Von dieser Rechtsprechung gehen auch die übrigen Ertragsteuersenate des BFH aus (BFH-Beschluss vom 13. Juli 1998 X B 70/98 , BFH/NV 1999, 39, und BFH-Urteil vom 27. August 1998 III R 96/96 , BFH/NV 1999, 758).

b) Eine hinreichende wirtschaftliche Bedeutung ist bereits anzunehmen, wenn der Betrieb auf das Grundstück angewiesen ist, weil er ohne ein Grundstück dieser Art nicht fortgeführt werden könnte (BFH-Urteile vom 26. Mai 1993 X R 78/91 , BFHE 171, 476, BStBl II 1993, 718; in BFHE 183, 100, BStBl II 1997, 565; in BFH/NV 1999, 758). Ob dies auch für "reine" Büro- und Verwaltungsgebäude gilt, ist strittig geblieben (zum Streitstand vgl. u.a. BFH-Urteil in BFHE 183, 100, BStBl II 1997, 565; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 15 Rz. 813; offen gelassen im BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R 20/98 , BFHE 187, 260, BStBl II 1999, 445). Übereinstimmung besteht jedoch in der Rechtsprechung des BFH insoweit, dass solche Gebäude - sowohl bei Fabrikations- als auch bei Dienstleistungsunternehmen - eine wesentliche Betriebsgrundlage sein können und dass dies jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn ein neu errichtetes Gebäude zum Zwecke der büro- und verwaltungsmäßigen Nutzung an die Betriebsgesellschaft vermietet wird, für deren Zwecke es hergerichtet oder gestaltet worden ist. Denn auch Bürogebäude können eine besondere wirtschaftliche Bedeutung für das Betriebsunternehmen haben (BFH-Urteil vom 4. Dezember 1997 III R 231/94 , BFH/NV 1998, 1001, m.w.N.). Ob das der Fall ist, ist nach dem Gesamtbild der Eingliederung des Grundstücks in die innere Struktur des jeweiligen Betriebsunternehmens zu beurteilen (BFH-Urteile in BFHE 171, 476, BStBl II 1993, 718; in BFH/NV 1995, 597; in BFHE 183, 100, BStBl II 1997, 565; in BFH/NV 1999, 758).

c) Nach diesen Grundsätzen ist das Gebäude für den Betrieb der GmbH von wesentlicher wirtschaftlicher Bedeutung. Diese ergibt sich daraus,

- dass die GmbH für ihr Ingenieur- und Planungsbüro ein Büro- und Verwaltungsgebäude benötigte,

- dass das angemietete Gebäude für diesen Zweck geeignet ist und

- dass es entsprechend dem Urteil in BFHE 183, 100, BStBl II 1997, 565 von besonderem Gewicht für die Betriebsführung, d.h. für diese nicht von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 1992 XI R 1/92 , BFHE 169, 452, BStBl II 1993, 245). Das hat der erkennende Senat unabhängig vom baulichen Zuschnitt und der örtlichen Lage bei der gebotenen funktionalen Betrachtung auch dann angenommen, wenn das Unternehmen der Betriebsgesellschaft ohne das Gebäude nur bei einer einschneidenden Änderung seiner Organisation fortgeführt werden könnte (vgl. - für Lagerhalle - Urteil in BFH/NV 1995, 597). Das gilt unabhängig davon, ob es sich bei dem Unternehmen um einen Fabrikationsbetrieb, einen Handelsbetrieb oder - wie hier - um ein Dienstleistungsunternehmen handelt. Von diesem Grundsatz ist deshalb auch im Streitfall auszugehen. Die GmbH hat das Gebäude angemietet, weil es als Firmensitz und zur Aufnahme der Geschäftsleitung erforderlich war und geeignete Räume enthielt, um die Mitarbeiter, die technischen Anlagen und Geräte für die umfangreichen Planungsarbeiten sowie den Fahrzeugpark aufzunehmen und die Betriebsabläufe einschließlich der Kundenberatung und -betreuung und die büromäßige Verwaltung sinnvoll zu koordinieren. Damit bildete das Gebäude die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit der GmbH.

Es ist nicht erforderlich, dass das Gebäude in der Weise hergerichtet wurde, dass es ohne bauliche Veränderungen für ein anderes Unternehmen nicht verwendbar wäre (BFH-Urteil vom 18. März 1993 IV R 96/92 , BFH/NV 1994, 15; FG Düsseldorf, Urteil vom 25. Oktober 1996 10 K 5742/93 F, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1997, 530). Es kommt auch nicht darauf an, dass die betrieblichen Anforderungen auch von einem anderen Verwaltungsgebäude hätten erfüllt werden können oder das angemietete Gebäude auch für andere Zwecke hätte genutzt werden können (BFH-Urteile in BFH/NV 1994, 15 a. E.; in BFH/NV 1995, 597 a. E., m.w.N.; in BFHE 183, 100, BStBl II 1997, 565 a. E.; in BFH/NV 1999, 758, unter 1. b der Gründe, m.w.N.).