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  BFH-Beschluss vom 29.3.2000 (I R 76/99) BStBl. 2000 II S. 622

Beim IV., beim VIII. und beim XI. Senat wird angefragt, ob sie an der Auffassung festhalten, dass der Erbe einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzug gemäß § 10d EStG bei seiner eigenen Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen kann (Urteile vom 22. Juni 1962 VI 49/61 S, BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386; vom 15. März 1962 IV 177/60, HFR 1963, 8; vom 25. Januar 1972 VIII R 235/71, BFHE 104, 435, BStBl II 1972, 345, und vom 13. November 1979 VIII R 193/77, BFHE 129, 262, BStBl II 1980, 188).

EStG § 10d; AO 1977 § 45 Abs. 1; BGB § 1922 Abs. 1; FGO § 11 Abs. 3 Satz 1.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 2000, 150)

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Stiftung in ihrer Eigenschaft als Erbin einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzug geltend machen kann.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine gemeinnützige Stiftung, ist Alleinerbin der im Streitjahr (1996) verstorbenen Frau H. Zum Nachlass gehören Kommanditanteile an einer gewerblich tätigen GmbH & Co KG (nachfolgend: KG). Im Rahmen des die KG betreffenden Feststellungsverfahrens ist u.a. ein Bescheid des Finanzamts A ergangen, in dem für H auf den 31. Dezember 1996 ein verbleibender Verlustabzug in Höhe von 791.208 DM festgestellt worden ist. Die Klägerin erzielte aus der ererbten Beteiligung im Streitjahr einen Gewinn.

In ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin u.a. die steuermindernde Berücksichtigung des für H festgestellten abzugsfähigen Verlustes geltend. Demgegenüber ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) bei der Veranlagung der Klägerin den Verlustabzug unberücksichtigt. Der hiergegen gerichteten Klage hat das Finanzgericht (FG) im Streitpunkt stattgegeben (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2000, 150).

Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung des § 10d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es beantragt sinngemäß, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

II.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann der Erbe einen in der Person des Erblassers entstandenen Verlust bei seiner eigenen Besteuerung absetzen, soweit der Erblasser ihn (ohne sein Versterben) noch gemäß § 10d EStG hätte geltend machen können. In dem selben Sinne haben nicht nur der IV. (Urteil vom 15. März 1962 IV 177/60, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1963, 8), der VI. (Urteil vom 22. Juni 1962 VI 49/61 S, BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386) und der VIII. Senat (Urteile vom 25. Januar 1972 VIII R 235/71, BFHE 104, 435, BStBl II 1972, 345, und vom 13. November 1979 VIII R 193/77, BFHE 129, 262, BStBl II 1980, 188), sondern auch der anfragende Senat in der Vergangenheit entschieden (Urteil vom 17. Mai 1972 I R 126/70, BFHE 105, 483, BStBl II 1972, 621). Hält man hieran fest, so ist die Revision unbegründet. In diesem Fall kann nämlich die Klägerin als Erbin der H den für diese festgestellten nicht ausgeglichenen Verlust einkommensmindernd geltend machen. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass es sich bei ihr nicht um eine natürliche Person, sondern um eine steuerbefreite Stiftung handelt. Der gegenteiligen Annahme des FA vermag der Senat nicht zu folgen.

Eine Versagung des Verlustabzugs kann im Streitfall auch nicht auf die Rechtsprechung des BFH gestützt werden, nach der die Abzugsmöglichkeit nur dann vom Erblasser auf den Erben übergeht, wenn dieser selbst den Verlust wirtschaftlich getragen hat (BFH-Urteile vom 17. Februar 1961 VI 66/59 U, BFHE 72, 630, BStBl III 1961, 230; vom 5. Mai 1999 XI R 1/97, BFHE 189, 57, BStBl II 1999, 653). Eine "wirtschaftliche Belastung" des Erben fehlt nämlich nach dieser Rechtsprechung nur dort, wo der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten entweder gar nicht oder nur beschränkt haftet (BFH in BFHE 72, 630, BStBl III 1961, 230: Nachlasskonkurs; BFH in BFHE 189, 57, BStBl II 1999, 653: Eintrittspflicht eines Dritten). Eine solche Konstellation liegt im Streitfall nicht vor. Im Gegenteil hat die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend gemacht, dass sie die Buchwerte der Erblasserin fortführen müsse und dass sich deshalb aus vor dem Erbfall erfolgten degressiven Abschreibungen nunmehr für sie - die Klägerin - ein überhöhter Gewinnausweis ergebe. Deshalb greift das Kriterium der "fehlenden Belastung", selbst wenn man es dem Grunde nach für tragfähig hält (krit. hierzu Paus, Betriebs-Berater - BB - 1999, 2584; Strnad, Finanz-Rundschau - FR - 1999, 1070), im Streitfall nicht durch.

Demgegenüber ist die Revision begründet, wenn entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Erbe nicht berechtigt ist, einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzug geltend zu machen. Diese Frage ist deshalb im Streitfall entscheidungserheblich.

III.

Der Senat ist der Ansicht, dass die Rechtsprechung zur "Vererblichkeit" des Verlustabzugs aufgegeben werden sollte. Diese Einschätzung beruht auf folgenden Überlegungen:

1. Bei den FG und im Schrifttum ist die zitierte Rechtsprechung zum Teil auf Zustimmung (Hessisches FG, Urteil vom 12. Juni 1995 11 K 381/93, EFG 1997, 736; Borggräve in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 10d EStG Rz. 40 f.; Blümich/Horlemann, Einkommensteuergesetz, § 10d Rz. 32; wohl auch Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 10d Rz. 4), ganz überwiegend aber auf Kritik gestoßen (z.B. Trzaskalik, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1979, 97, 102 ff.; Ring, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A - DStZ/A - 1981, 24; Gosch, Die steuerliche Betriebsprüfung - StBp - 1994, 126; Strnad, FR 1998, 935; Raupach/Schencking in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 2 EStG Anm. 553 "Erbe"; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung 10. Aufl., § 45 AO Rz. 33; von Groll in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 10d Rdnr. B 190; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 21. September 1999 III 23/95, EFG 1999, 1221, m.w.N. zum Streitstand; zweifelnd auch Schmieszek in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 10d Rz. 72). Ihr wird vor allem entgegengehalten, dass es sich bei der Möglichkeit des Verlustausgleichs nicht um eine vermögenswerte Rechtsposition, sondern um ein bloßes Besteuerungsmerkmal handele, das als solches nicht vererblich sei (Keuk, StuW 1973, 74, 84 f.; Gosch, StBp 1994, 126; Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O.). Demgemäss gehe sie auch nicht in die der Erbschaftsteuer unterliegende Bereicherung ein (Ring, DStZ/A 1981, 24, 26 f.; Schmieszek, a.a.O.; vgl. hierzu auch Hessisches FG in EFG 1997, 736). § 10d EStG diene allein der Bestimmung des zu besteuernden Einkommens, und zwar des Einkommens desjenigen, der den Verlust erlitten habe. Erblasser und Erbe seien indessen verschiedene Steuersubjekte, weshalb eine Übertragung ausgleichsfähiger Verluste von dem einen auf den anderen mit dem Gesetz schlechterdings unvereinbar sei (Schleswig-Holsteinisches FG in EFG 1999, 1221, 1223; Keuk, StuW 1973, 74, 84 f.; Ring, DStZ/A 1981, 24, 27).

Eine andere Beurteilung ergebe sich nicht aus § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Denn der Betrieb als solcher sei nicht Subjekt der Einkommensteuer und deshalb nicht geeignet, Einkünfte vom Erblasser zum Erben zu "transportieren" (Strnad, FR 1998, 935, 936). Zudem versage eine Bezugnahme auf die Vorschrift, wenn es um mehrere Einkunfts- oder Verlustquellen gehe sowie dann, wenn nur einer von mehreren Erben den Betrieb des Erblassers fortführe oder der Betrieb noch vom Erblasser aufgegeben worden sei (Strnad, FR 1998, 935, 936; Trzaskalik, StuW 1979, 97, 103). Überdies erfasse § 7 Abs. 1 EStDV nicht nur den Betriebsübergang im Erbwege, sondern ebenso die unentgeltliche Übertragung des Betriebs unter Lebenden, die jedoch nach allgemeiner Auffassung nicht zum Übergang des Verlustabzugs führe (Keuk, StuW 1973, 74, 85; Strnad, FR 1998, 935, 936). Aus wirtschaftlicher Sicht könne die Verpflichtung des Erben zur Buchwertfortführung allenfalls dann die Verlustübertragung rechtfertigen, wenn der Erbe die vom Erblasser gebildeten stillen Reserven aufdecke; hierzu sei er aber nicht verpflichtet (Strnad, FR 1998, 935, 936). Im Ergebnis werde der Erbe durch die Möglichkeit, nicht von ihm selbst erlittene Verluste steuermindernd geltend zu machen, in einer dem Leistungsfähigkeitsprinzip und dem Gleichheitssatz widersprechenden Weise privilegiert (Strnad, FR 1998, 935, 936).

2. Der Senat hält die genannte Kritik für berechtigt. Die von der bisherigen Rechtsprechung konzedierte Verlustübertragung in Erbfällen lässt sich weder auf erbrechtliche noch auf steuerrechtliche Vorschriften stützen (unten a). Sie widerspricht dem Charakter des Verlustabzugs als die persönliche Leistungsfähigkeit berücksichtigende Regelung (unten b) und kann auch nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen, insbesondere nicht aus der Verpflichtung des Erben zur Buchwertfortführung abgeleitet werden (unten c). An ihr sollte deshalb nicht festgehalten werden. Soweit im Einzelfall das Zusammenspiel von Buchwertfortführung und Versagung des Verlustabzugs zu einer effektiven Überbesteuerung des Erben führt, kann dem allenfalls durch Billigkeitsmaßnahmen Rechnung getragen werden (unten d):

a) Nach § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geht mit dem Tode einer Person (Erbfall) deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über. Im Anschluss hieran bestimmt § 45 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977), dass im Fall der Gesamtrechtsnachfolge die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger übergehen. Ein Übergang der Möglichkeit des steuerlichen Verlustausgleichs lässt sich indessen aus beiden Regelungen nicht ableiten.

Denn bei dieser Möglichkeit handelt es sich weder um einen Vermögenswert i.S. des § 1922 BGB noch um eine "Forderung aus dem Steuerschuldverhältnis" i.S. des § 45 AO 1977. Sowohl bei dem "horizontalen" Verlustausgleich (§ 2 EStG) als auch bei demjenigen nach § 10d EStG geht es vielmehr allein um die Frage, wie sich ein in einem Veranlagungszeitraum erzielter Verlust auf die Bemessung des Einkommens dieses Veranlagungszeitraums sowie anderer (vorangegangener und nachfolgender) Veranlagungszeiträume auswirkt. Es handelt sich um in diesem Sinne "besteuerungstechnische" Regelungen, die lediglich besagen, welche Einkünfte einer bestimmten Person in deren Besteuerung eingehen und welche nicht (Keuk, StuW 1973, 74, 84). Derartige Regelungen sind nicht geeignet, eine vererbliche Rechtsposition zu vermitteln.

Hinsichtlich des vom Erblasser "nicht ausgenutzten" Verlustabzugs, um den es hier geht, kommt eine weitere Überlegung hinzu: Der Erblasser selbst hätte einen bei ihm entstandenen und noch nicht abgezogenen Verlust nur dann steuermindernd nutzen können, wenn er in der Folgezeit positive steuerpflichtige Einkünfte erzielt hätte. Die Verwertbarkeit des bei ihm verbliebenen Verlustabzugspotentials hing mithin maßgeblich von seinem weiteren wirtschaftlichen Erfolg ab, der im Todeszeitpunkt naturgemäß ungewiss war. Eine in diesem Sinne unwägbare Aussicht auf einen zukünftigen steuerlichen Vorteil kann nicht einem (vererblichen) Anwartschaftsrecht gleichgestellt werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass in der Person des Erblassers eine zum "Vermögen" zählende Rechtsposition "Verlustabzugsmöglichkeit" noch nicht entstanden war, sondern allenfalls hätte entstehen können. Das schließt die Annahme aus, dass eine solche Position nach § 1922 Abs. 1 BGB auf den Erben übergehen könnte (ebenso Keuk, StuW 1973, 74, 85).

b) Allerdings entspricht es der gefestigten Rechtsprechung des BFH, dass der Erbe nicht nur die Forderungen und Schulden des Erblassers erwirbt, sondern darüber hinaus in dessen gesamte materiell- und verfahrensrechtliche Stellung eintritt (BFH-Beschluss vom 9. Februar 1977 I R 60 - 68/73, BFHE 121, 381, BStBl II 1977, 428; BFH-Urteile vom 21. März 1969 VI R 208/67, BFHE 96, 19, BStBl II 1969, 520, 521; vom 13. Januar 1993 X R 53/91, BFHE 170, 186, BStBl II 1993, 346, 348). Dieser Grundsatz gilt jedoch nur insoweit, als es nicht um Positionen geht, die unlösbar mit der Person des Erblassers verbunden und in diesem Sinne höchstpersönlich sind (BFH-Urteil vom 11. November 1971 V R 111/68, BFHE 103, 453, BStBl II 1972, 80; Boeker, a.a.O., § 45 AO Rz. 8). Das aber ist bei der Möglichkeit des Verlustabzugs der Fall (a. A. BFH in HFR 1963, 8).

Denn bei ihr geht es letztlich darum, die durch den Verlust bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Erblassers zur Geltung zu bringen (Tipke, Die Steuerrechtsordnung, S. 671). Diese manifestiert sich aus ertragsteuerrechtlicher Sicht darin, dass dem Erblasser ein geringerer Vermögenszuwachs zur Verfügung steht als ohne die Verluste. Die so beschriebene Leistungsfähigkeit ist jedoch kein Element, das vom Erblasser auf den Erben übergeht; dessen Leistungsfähigkeit wird vielmehr in erster Linie durch seine eigenen Einkünfte bestimmt. Sie wird auch nicht etwa durch die beim Erblasser entstandenen Verluste, sondern allenfalls durch die daraus resultierenden Nachlassverbindlichkeiten gemindert; diese sind aber nicht bei der Ertragsbesteuerung, sondern lediglich im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuer zu berücksichtigen (ähnlich Strnad, FR 1998, 935, 936). In diesem Sinne ist mithin die steuerrechtliche Leistungsfähigkeit des Erblassers ein "höchstpersönlicher" Umstand, in den der Erbe nicht einrücken kann. Dann aber können auch die Regelungen zum Verlustausgleich, die speziell diesem Umstand Rechnung tragen, nicht von dem Erben als Rechtsnachfolger in Anspruch genommen werden.

c) Eine abweichende Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass der Erbe unter Umständen an die Buchwerte des Erblassers gebunden ist (§ 7 Abs. 1 EStDV und § 11d Satz 1 EStDV in der im Streitjahr geltenden Fassung; nunmehr § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG). Zwar trifft es zu, dass die Anwendung der genannten Vorschriften im Einzelfall zu einer überhöhten Gesamtbesteuerung führen kann, wenn beim Erblasser ein nicht abgezogener Verlust verblieben ist und der Erbe diesen nicht verwerten kann. Doch kann diese Erkenntnis nicht dazu führen, dass dem Erben gestattet wird, den vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzug bei seiner eigenen Besteuerung geltend zu machen (a. A. BFH in HFR 1963, 8).

Insofern ist nämlich vor allem zu bedenken, dass die Möglichkeit des Verlustausgleichs nicht an Einkünfte aus einer bestimmten Quelle anknüpft, sondern sich unterschiedslos auf sämtliche Einkünfte des betreffenden Steuersubjekts bezieht. Deshalb kann, wenn dem Erben ein vom Erblasser abgeleiteter Verlustabzug zustehen sollte, dieser nicht auf Verluste aus einem fortgeführten Betrieb oder aus einer anderen geerbten Einkunftsquelle beschränkt werden. Vielmehr ist vom System der Verlustausgleichsregelungen her in diesem Fall die zwingende Folge, dass der Erbe auch dann die Verluste des Erblassers geltend machen kann, wenn die den Verlust verursachende Einkunftsquelle nicht auf ihn übergegangen ist. So ist die Rechtsprechung denn auch in der Vergangenheit verfahren (BFH in BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386, und in BFHE 129, 262, BStBl II 1980, 188). Damit werden aber nicht nur Ungereimtheiten in denjenigen Fällen hervorgerufen, in denen mehrere Miterben vorhanden sind und nur einer von ihnen den Betrieb des Erblassers fortführt (Trzaskalik, StuW 1979, 97, 104). Vielmehr wird hierdurch der Zusammenhang des Verlustabzugs mit dem Übergang einer Einkunftsquelle und damit auch mit der Buchwertverknüpfung gänzlich gelöst: Der Erbe kann auf dieser Basis unabhängig davon den Verlustabzug des Erblassers geltend machen, ob diese Vergünstigung durch eine erhöhte Besteuerung bei ihm anfallender Erträge kompensiert wird; er profitiert sogar dann von der "geerbten" Abzugsmöglichkeit, wenn er die verlustbringende Einkunftsquelle selbst nicht übernimmt. Eine solche Handhabung kann aus denjenigen Vorschriften, die für den Fall des Übergangs einer Einkunftsquelle die Buchwertfortführung anordnen, nicht abgeleitet werden.

Diese Bewertung wird zusätzlich gestützt durch einen Blick auf die Behandlung der Problematik im Gewerbesteuerrecht: Die Gewerbesteuer ist als Objektsteuer (BFH-Beschluss vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, 620) stärker als die Einkommensteuer auf den einzelnen Betrieb bezogen, was an sich in besonderem Maße dafür sprechen würde, dass dort ein einmal entstandener Verlustabzug dem Betrieb als solchem anhaftet und also auf einen den Betrieb fortführenden Erben übergehen kann. Dennoch ist wohl einhellig anerkannt, dass wegen § 10a Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 5 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) der Erbe seinen Gewerbeertrag nicht um Fehlbeträge kürzen kann, die zu Lebzeiten des Erblassers entstanden sind (BFH-Urteil vom 14. Januar 1965 IV 173/64 S, BFHE 81, 318, BStBl III 1965, 115; BFH-Beschluss vom 26. Juni 1997 VIII B 70/96, BFH/NV 1997, 897; Blümich/von Twickel, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 10a GewStG Rz. 90; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 4. Aufl., § 10a Rz. 12, m.w.N.). Das gilt ungeachtet dessen, dass die Verpflichtung zur Buchwertfortführung auch auf das Gewerbesteuerrecht durchschlägt (§ 7 Abs. 1 GewStG), in diesem Bereich das ersatzlose Entfallen der Verlustabzugsmöglichkeit also ebenfalls - und sogar erst recht - zu einer effektiven Überbesteuerung führen kann. Ist aber selbst bei der "betriebsorientierten" Gewerbesteuer die Buchwertverknüpfung nicht geeignet, einen Übergang des Verlustabzugs auf den Erben zu begründen, dann muss dasselbe erst recht für die Einkommen- und die Körperschaftsteuer gelten. Anderenfalls hätte die Pflicht zur Buchwertfortführung bei der Einkommensteuer weitergehende Folgen als bei der Gewerbesteuer, obwohl sie sich bei letzterer unmittelbarer auswirkt.

d) Vor diesem Hintergrund kann der Gefahr der übermäßigen Gesamtbesteuerung nach Ansicht des Senats allenfalls im Billigkeitswege Rechnung getragen werden. So mag eine abweichende Steuerfestsetzung (§ 163 AO 1977) oder ein Steuererlass (§ 227 AO 1977) in Betracht kommen, wenn sich im Einzelfall herausstellt, dass ein beim Erben angefallener steuerpflichtiger Gewinn unmittelbar mit einem vom Erblasser erlittenen und bei ihm nicht mehr ausgeglichenen Verlust korrespondiert. Auf diese Weise ist es insbesondere möglich, eine Begünstigung des Erben auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen dieser durch die beim Erblasser "verlorenen" Verluste selbst in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Das wäre eine nach Ansicht des Senats sowohl systematisch zutreffende als auch sachgerechte Handhabung. Die generelle Zulassung eines Verlustabzugs des Erben schießt hingegen über das Ziel hinaus und sollte deshalb nicht beibehalten werden.

IV.

Mit der vorstehend skizzierten Lösung würde der Senat von den eingangs zitierten Entscheidungen des IV., des VI. und des VIII. Senats abweichen. Er fragt deshalb gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim IV. und beim VIII. Senat an, ob sie an ihrer seinerzeit vertretenen Ansicht festhalten. Eine entsprechende Anfrage beim VI. Senat ist nicht erforderlich, da dieser aufgrund der zwischenzeitlichen Änderungen des Geschäftsverteilungsplans nicht mehr mit der hier maßgeblichen Rechtsfrage befasst werden kann. Statt dessen ist die Anfrage zusätzlich an den XI. Senat zu richten, der inzwischen für Streitigkeiten über den Verlustabzug zuständig geworden ist (§ 11 Abs. 3 Satz 2 FGO).