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  BFH-Urteil vom 13.9.2000 (I R 61/99) BStBl. 2001 II S. 67

1. Die für die Nutzungsüberlassung eines partiarischen Darlehens gezahlte erfolgsabhängige Vergütung kann gewinn-, aber auch umsatzabhängig sein.

2. Diese Vergütung unterfällt dem Begriff "Zinsen" i.S. des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG und damit auch der Kapitalertragsteuer (Bestätigung des Senatsurteils vom 25. März 1992 I R 41/91, BFHE 168, 239, BStBl II 1992, 889).

3. Gibt der Steuerpflichtige keine Anmeldung zur Kapitalertragsteuer ab, kann das FA anstelle eines Haftungsbescheides einen Nachforderungsbescheid gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 erlassen. Das ändert aber nichts daran, dass es sich materiell um die Geltendmachung eines Haftungsanspruchs handelt, so dass die Voraussetzungen gemäß § 44 Abs. 5 EStG erfüllt sein müssen (Abgrenzung vom Senatsurteil vom 24. März 1998 I R 120/97, BFHE 186, 98, BStBl II 1999, 3).

EStG § 20 Abs. 1 Nrn. 4 und 7, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2, § 44 Abs. 1 und 5; AO 1977 § 155, § 167 Abs. 1 Satz 1, § 191.

Vorinstanz: FG Bremen (EFG 1998, 1136)

Sachverhalt

I.

Der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war durch einen in der Schweiz Ansässigen ein Darlehen in Höhe von 630.000 DM zum Kauf einer Rollenrichtmaschine gewährt worden. Dieses Darlehen hatte ausweislich des getroffenen Vertrages vom 9. April 1991 eine Laufzeit von 14 Jahren und war mit mindestens 45.000 DM p.a. zu tilgen (Ziff. 3 der Vertrages). Der Zins betrug 6 v.H. p.a., so Ziff. 4 des Vertrages. Gemäß dessen Ziff. 5 erhält "der Darlehensgeber ... zusätzlich zum Zins eine Vergütung von 5 DM pro Tonne als Entschädigung für die Darlehensgewährung für die nächsten 14 Jahre", wobei "diese Zusatzentschädigung ... einerseits für die günstige Finanzierung und andererseits für die Vermittlung der 5-Rollen-Richtmaschine zu verstehen" sein sollte (Ziff. 7 des Vertrages).

Kapitalertragsteuer wurde nicht einbehalten, weswegen der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA-) die Klägerin für 1991 bis 1995 gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mittels Nachforderungsbescheiden (§ 155 i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung -AO 1977-) in Anspruch nahm. Die Steuernachforderungen berechneten sich nach § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG mit 33 1/3 v.H. der - gesamten (= Zins zuzüglich Tonnagezins) - Kapitalerträge und nach § 51a EStG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 und § 4 des Solidaritätszuschlaggesetzes (SolZG).

Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1136 abgedruckt.

Ihre Revision begründet die Klägerin mit Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt, das FG-Urteil und die angefochtenen Bescheide aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nur im Hinblick auf die Streitjahre 1993 bis 1995 begründet. Insoweit führt sie zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

1. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG unterliegen Zinsen aus partiarischen Darlehen der Kapitalertragsteuer.

Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines partiarischen Darlehens sind im Streitfall erfüllt. Die Umsatzabhängigkeit der vereinbarten Tonnagevergütung ändert daran nichts.

a) Allerdings ist der Klägerin einzuräumen, dass im Zusammenhang mit derartigen partiarischen Darlehen (und ähnlichen Rechtsverhältnissen) überwiegend - nur - von dem Erfordernis einer gewinnabhängigen Vergütung die Rede ist (vgl. insoweit z.B. Ulmer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch -MünchKomm-, Vor § 705 Rz. 83 ff.; Häuser in Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., Band 4/1, Vor § 607 Rz. 48; Hopt/Mülbert in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., § 607 Rz. 93 ff.; Ballhaus in Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofs -BGB-RGRK-, vor § 607 Rz. 67; Zutt in Staub, Handelsgesetzbuch, Großkommentar, 4. Aufl., § 230 Rz. 20 ff.; Heinicke in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., § 20 Rz. 130 i.V.m. 136; s.a. Bundesgerichtshof -BGH-, Urteile vom 29. Juni 1992 II ZR 284/91, Der Betrieb -DB- 1992, 1974; vom 27. September 1982 II ZR 16/82, BGHZ 85, 61, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 1983, 111). Diese Einschränkung erfolgt indes durchgängig, um solche Rechtsverhältnisse von stillen Gesellschaften (§§ 230 bis 237 des Handelsgesetzbuchs -HGB-) abzugrenzen; eine - abschließende - Begriffsdeutung des partiarischen Darlehens ist damit ersichtlich nicht verbunden. Vielmehr wird insoweit regelmäßig allein auf die erfolgsbezogene Ausgestaltung der Vergütung abgestellt, gleichviel, ob diese Erfolgsbezogenheit sich in einer Gewinn- oder in einer Umsatzabhängigkeit niederschlägt (vgl. z.B. BGH-Urteile vom 22. Oktober 1997 XII ZR 142/95, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht -WM- 1998, 609, 611 f.; in DB 1992, 1974; in BGHZ 85, 61, NJW 1983, 111; ferner Urteil vom 28. Oktober 1987 VIII ZR 383/86, Betriebs-Berater -BB- 1988, 12; Häuser in Soergel, a.a.O., § 608 Rz. 5; Hopt/Mülbert in Staudinger, a.a.O., § 608 Rz. 3). Dieses Verständnis erachtet der Senat als zutreffend (vgl. ebenso bereits im Urteil vom 11. Januar 1966 I 53/63, BFHE 85, 13, BStBl III 1966, 218 im Hinblick auf eine Beteiligung am "Erlös"). Ausschlaggebend für Begriff und Wesen eines partiarischen Rechtsverhältnisses ist, dass die Vergütung nicht - oder nicht nur - in einem festen periodischen Betrag besteht, sondern in einem Anteil an dem vom Darlehensempfänger erwirtschafteten Erfolg (vgl. z.B. BGH in WM 1998, 609, 611 f.; Ulmer in MünchKomm, vor § 705 Rz. 83; Werner in Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 9. Aufl., vor § 607 Rz. 42; Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 20 EStG Rz. 582). - Soweit sich aus dem Senatsurteil vom 25. März 1992 I R 41/91 (BFHE 168, 239, BStBl II 1992, 889) Gegenteiliges entnehmen ließe, wird dies hiermit korrigierend klargestellt.

b) Der Klägerin kann gleichermaßen nicht darin beigepflichtet werden, dass es sich bei der im Streitfall in Rede stehenden tonnageabhängigen Zusatzvergütung nicht um Entgelt für die Kapitalüberlassung, sondern für die günstige Finanzierung und für die Vermittlung der Maschine gehandelt habe, wodurch sich Einkünfte aus sonstigen Leistungen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ergäben. Eine derartige Abrede lässt sich dem vom FG - für den Senat bindend (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) - festgestellten Vertrag vom 9. April 1991 nicht entnehmen, insbesondere nicht dessen Ziff. 7. Denn auch wenn danach mittels der Zusatzvergütung weitere Leistungen des Schweizer Vertragspartners hätten abgegolten werden sollen, so bleibt es dennoch dabei, dass hierfür gerade eine "Entschädigung für die Darlehensgewährung für die nächsten 14 Jahre" gesehen wurde; Ziff. 5 des Vertrages bringt dies klar zum Ausdruck.

2. Hiervon ausgehend unterfielen nicht nur die Festzinsen, vielmehr auch die tonnageabhängigen Vergütungen der Kapitalertragsteuer.

Der erkennende Senat hat den in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG verwendeten Zinsbegriff in seinem Urteil in BFHE 168, 239, BStBl II 1992, 889 weit verstanden. Einzubeziehen seien nicht nur nach der Laufzeit bemessene, erfolgsunabhängige Vergütungen für den Gebrauch eines auf Zeit überlassenen Kapitals (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG), vielmehr alle irgendwie durch die Nutzung von Kapitalvermögen veranlassten geldwerten Vorteile (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG).

An dieser Entscheidung, auf deren weitere Einzelheiten verwiesen wird, ist im Schrifttum Kritik geübt worden. Angemerkt wird, angesichts der eindeutigen gesetzlichen Beschränkung auf den Begriff der Zinsen in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG verbiete sich eine Ausdehnung auf anderweitige Vorteile und Vergütungen (so z.B. Lindberg in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 16. Aufl., § 43 EStG Rz. 47; Gersch in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 43 Rdnr. E 10; zweifelnd auch Heinicke in Schmidt, a.a.O., § 43 Rz. 24). Die Einbeziehung anderer Vergütungsteile als "Zinsen" im engeren Sinne verstoße gegen den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung. Für eine tatbestandliche Ausdehnung fehle die Gesetzesgrundlage. § 20 Abs. 2 (Satz 1) Nr. 1 EStG, auf den § 43 Abs. 1 Satz 2 EStG verweise, spreche von besonderen Vorteilen oder Entgelten, die neben den in Abs. 1 der Vorschrift bezeichneten Einnahmen oder an deren Stelle gewährt werden. Bei besonderen Vorteilen oder Entgelten seien sonach andere oder zusätzliche Leistungen zu den in § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 8 EStG aufgeführten zu gewähren. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG zähle aber die Einnahmen und damit die Gewinnanteile aus partiarischen Darlehen ausdrücklich auf, so dass es sich bei ihnen eben nicht um besondere Vorteile oder Entgelte handeln könne. Dies werde durch das zur Gewerbesteuer ergangene Urteil des Senats vom 8. März 1984 I R 31/80 (BFHE 141, 158, BStBl II 1984, 623) bestätigt. Gerade weil der Text des § 43 EStG eindeutig von jenem der Bezugsnorm in § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG abweiche, sei diesem Unterschied Rechnung zu tragen. Mit der Annahme eines allgemeinen Rechtsgedankens und einer teleologischen Extension lasse sich die Gesetzeslage zu Lasten des Steuerpflichtigen nicht umgehen.

Der Senat hält diese Kritik für unbegründet. Auch wenn nach dem Gesetzeswortlaut die Kapitalertragsteuer-Abzugspflicht lediglich für "Zinsen" aus partiarischen Darlehen ausgelöst wird, so wird durch den Klammerzusatz doch klargestellt, dass hiervon sämtliche Einnahmen aus partiarischen Darlehen erfasst werden. Andernfalls liefe die Abzugspflicht gleichsam leer, wenn man berücksichtigt, dass solche Darlehen sich in der Praxis häufig dadurch auszeichnen, dass nicht eine Kombination aus festem und erfolgsabhängigem Zins, sondern nur letzterer vereinbart wird. Vor allem aber verdeutlicht § 43 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 (Satz 1) Nr. 1 EStG, dass grundsätzlich alle besonderen Entgelte und Vorteile dem Steuerabzug unterliegen, die neben den u.a. in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG oder an deren Stelle gewährt werden. Es wäre ein Wertungswiderspruch, würden bei partiarischen Darlehen gerade jene Beträge hiervon ausgenommen, die den Charakter des Darlehens als eines partiarischen ausmachen. Die im Urteil in BFHE 168, 239, BStBl II 1992, 889 aufgestellten Grundsätze, die im Übrigen von der Klägerin im Streitfall auch nicht angegriffen worden sind, werden deswegen aufrechterhalten.

3. a) Die Klägerin ist ihrer danach bestehenden Steuerabzugspflicht nicht nachgekommen. Sie konnte deswegen für die nicht einbehaltene und nicht abgeführte Kapitalertragsteuer in Anspruch genommen werden, und zwar - wie sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 in der seit 1990 geltenden Fassung des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, 1127) sowie im Umkehrschluss aus § 44 Abs. 5 Satz 3 EStG ergibt - auf zweierlei Weise: zum einen durch Erlass eines Haftungsbescheides gemäß § 191 AO 1977, zum anderen mittels eines Nachforderungsbescheides gemäß § 155 i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 (vgl. Heinicke in Schmidt, a.a.O., § 44 Rz. 10; zur parallelen Rechtslage gemäß § 42d Abs. 4 Satz 1 EStG zutreffend Heuermann in Blümich, a.a.O., § 42d Rz. 167, sowie derselbe, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugsverfahren, 1999, S. 362 ff., S. 414 ff.; Herrmann in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 42d Rz. 94; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 167 AO Tz. 5; R 133 Abs. 4 Satz 3 der Lohnsteuer-Richtlinien -LStR- 1999; vgl. auch die Gesetzesbegründung zu § 167 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, BTDrucks 11/2157, S. 194). Das FA hat sich im Streitfall für den letzteren Weg entschieden.

b) Das ist nicht zu beanstanden. Insbesondere werden durch dieses Wahlrecht nicht die Unterschiede zwischen Haftungs- und Steuerschuld in "rechtsstaatlich bedenklicher Weise vermischt" (so aber Niedersächsisches FG, Urteil vom 29. Juni 1999 VI 177/96, EFG 2000, 468; im Ergebnis Trzaskalik in Kirchhof/ Söhn, a.a.O., § 41a Rdnr. A 17 ff. und § 42d Rdnr. E 2, und in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 167 AO Rz. 5; FG Münster, Urteil vom 2. Februar 1998 15 V 7148/97 L, EFG 1998, 823, allerdings unter Berufung auf das noch nach Maßgabe von § 167 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 a.F. ergangene und damit zwischenzeitlich überholte Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 14. November 1986 VI R 214/83, BFHE 148, 316, BStBl II 1987, 198). Denn der Vergütungsschuldner wird bei Inanspruchnahme durch Nachforderungsbescheid formal nicht in seiner Funktion als Haftungsschuldner in Anspruch genommen. Vielmehr geht es um die Geltendmachung der durch § 44 Abs. 1 EStG bestimmten und durch die Steueranmeldung gemäß § 45a EStG i.V.m. § 150 Abs. 1 AO 1977 ausgelösten - eigenen - Entrichtungssteuerschuld des Vergütungsschuldners (vgl. Senatsurteil vom 24. März 1998 I R 120/97, BFHE 186, 98, BStBl II 1999, 3; Senatsbeschluss vom 14. Juli 1999 I B 151/98, BFHE 190, 1; Drenseck in Schmidt, a.a.O., § 41a Rz. 6; Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 167 AO Tz. 5 und § 168 AO Tz. 2 und 6; R 133 Abs. 4 Satz 3 LStR 1999). Es besteht deshalb auch keine Veranlassung, die Inanspruchnahme durch Nachforderungsbescheid gemäß § 167 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 44 Abs. 5 EStG auf jene Fälle zu beschränken, in denen eine "zeitraumbezogene" Vollschätzung der in Rede stehenden Besteuerungsmerkmale zugrunde liegt, das FA bei "sachverhaltsbezogenen" Nachforderungen jedoch ausschließlich auf den Erlass eines Haftungsbescheides zu verweisen (vgl. zu einer derartigen Differenzierung Krabbe, DB 1988, 1719; Rüsken in Klein, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 167 Anm. 5).

c) Dieses Vorgehen über den Erlass von Nachforderungsbescheiden ändert jedoch nichts daran, dass es sich in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht nur um die Geltendmachung der durch § 44 Abs. 1 EStG bestimmten Entrichtungssteuerschuld des Vergütungsschuldners handelt, sondern um die Geltendmachung eines Haftungsanspruchs; die Steuerfestsetzung nach § 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 155 AO 1977 erfasst denjenigen, der die Steueranmeldung als Entrichtungssteuerschuldner nicht abgibt, gerade auch in seiner Funktion als Haftungsschuldner. Das aber hat zur Folge, dass die tatbestandlichen Erfordernisse des § 44 Abs. 5 EStG zu beachten sind (vgl. Heuermann in Blümich, a.a.O., S. 414 ff.; anders Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 167 AO Tz. 5; Drenseck in Schmidt, a.a.O., § 41a Rz. 6). Dazu gehört zwar - ebenso wie bei der Abgabe (und ggf. der behördlichen Änderung) der entsprechenden Steueranmeldung, bei der es sich gemäß § 168 Satz 1 i.V.m. § 155 Abs. 1 AO 1977 gleichermaßen um eine Steuerfestsetzung handelt - nicht das Entschließungs- und das Auswahlermessen (§ 44 Abs. 5 Satz 2 EStG), jedoch die Exkulpationsmöglichkeit des Steuerpflichtigen gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 letzter Halbsatz EStG i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung der Zinsbesteuerung (Zinsabschlaggesetz -ZinsAbschlG-) vom 9. November 1992 (BGBl I 1992, 1853, BStBl I 1992, 682). Hiernach entfällt - mit erstmaliger Wirkung für Kapitalerträge, die nach dem 31. Dezember 1992 zufließen (vgl. § 52 Abs. 28 EStG i.d.F. des Zinsabschlaggesetzes) - die Haftung des Schuldners der Kapitalerträge, wenn dieser nachweist, dass er die ihm auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. - Soweit der Senat dies bezogen auf das Verschuldenserfordernis in seinem Urteil in BFHE 186, 98, BStBl II 1999, 3 noch anders gesehen hat, hält er daran nicht länger fest.

aa) Die Inanspruchnahme der Klägerin für die Kapitalertragsteuer für 1993 bis 1995 könnte an fehlendem Verschulden scheitern. Dafür könnten die - wie der Streitfall zeigt: erheblichen - Ungewissheiten über die begrifflichen Voraussetzungen und damit das Vorliegen eines partiarischen Darlehens bei umsatzabhängigen Vergütungen sprechen. Zumindest bis zur Veröffentlichung des Senatsurteils in BFHE 168, 239, BStBl II 1992, 889 kam die Ungewissheit darüber hinzu, ob die entsprechende Einbehaltungs- und Abführungspflichten für nicht in Zins bestehende Darlehensvergütungen überhaupt einschlägig waren. Im Einzelnen ist das FG diesem Gesichtspunkt allerdings nicht weiter nachgegangen. Es hat nicht geprüft, ob der Klägerin dieser Nachweis gelungen ist. Folglich war die Klägerin nicht gehindert, entsprechende Einwände im Revisionsverfahren vorzubringen. Deren bislang unterbliebene Prüfung wird im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein.

bb) Für die in die Haftung einbezogenen Besteuerungszeiträume 1991 und 1992 gelten diese Einschränkungen jedoch nicht. Für diese Zeiträume stand die Inanspruchnahme gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG noch nicht unter dem Vorbehalt eines Verschuldens. Ausreichend war ein objektiver Pflichtenverstoß (allgemeine Meinung, vgl. z.B. Senatsurteile vom 27. Januar 1982 I R 5/78, BFHE 135, 289, BStBl II 1982, 374; vom 4. Juli 1984 I R 195/81, BFHE 142, 38, BStBl II 1984, 842; vom 22. Oktober 1986 I R 107/82, BFHE 148, 507, BStBl II 1987, 293; Lindberg in Blümich, a.a.O., § 44 EStG Rz. 25, m.w.N.; ferner die amtliche Begründung zum Zinsabschlaggesetz, vgl. BTDrucks 12/2501, S. 18 zu § 44 EStG). Daran ist für die Vergangenheit festzuhalten. Es bleibt also dabei, dass die Klägerin die betreffende Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen hatte. Ob ihr dabei ein - ggf. entschuldbarer - Rechtsirrtum unterlaufen ist, der bei Erlass eines Haftungsbescheides zur ermessensfehlerhaften Inanspruchnahme führen könnte (vgl. Heinicke in Schmidt, a.a.O., § 44 Rz. 15; Drenseck in Schmidt, a.a.O., § 42d Rz. 6, 26, dort m.w.N. zur Rechtsprechung des BFH), braucht nicht beantwortet zu werden; das FA hat bei Inanspruchnahme durch Steuerbescheid gemäß § 155 i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, wie aufgezeigt, keine Ermessensentscheidung zu treffen.

4. Aus den unter 3. b aa dargelegten Erwägungen waren das Urteil der Vorinstanz betreffend die Streitjahre 1993 bis 1995 aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. Auch bei nur teilweiser Zurückverweisung muss dem FG die Entscheidung über die gesamten Kosten des Verfahrens übertragen werden (Senatsbeschluss vom 14. Juni 1972 I B 16/72, BFHE 106, 19, BStBl II 1972, 707; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 143 Rz. 8, m.w.N.).