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  BFH-Urteil vom 8.6.2000 (IV R 37/99) BStBl. 2001 II S. 162

1. Bei der Auslegung des Schreibens, mit dem der Steuerpflichtige einen Einspruch zurücknimmt, sind auch Umstände in Betracht zu ziehen, die sich nicht aus dem Rücknahmeschreiben selbst ergeben, die jedoch dem FA bekannt sind.

2. Eine selbst originär gewerblich tätige Personengesellschaft kann eine nur eigenes Vermögen verwaltende GbR, an der sie beteiligt ist, gewerblich prägen; dies gilt auch für Feststellungszeiträume vor 1986.

AO 1977 § 362; EStG § 15 Abs. 3 Nr. 2.

Vorinstanz: FG München (EFG 1999, 654)

Sachverhalt

Im Jahre 1983 schloss sich die A Kapitalbeteiligungs- und Investitions GmbH & Co. "A" KG (KG) mit der Klägerin und Revisionsklägerin zu 2 (Klägerin zu 2) durch formlose Vereinbarung zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammen. Die KG übte nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) eine gewerbliche Tätigkeit aus. Bei der Klägerin zu 2 handelte es sich um eine GmbH. Die GbR erwarb entsprechend dem Zweck des Unternehmens mit Vertrag vom 21. Juni 1983 ein Anwesen in M, das sie in der Folgezeit vermietete. Zum 9. Juni 1986 veräußerte die Klägerin zu 2 ihren hälftigen Gesellschaftsanteil. 45 v.H. übertrug sie auf ihre Mitgesellschafterin, die KG, die restlichen 5 v.H. auf eine andere GmbH, die neu eintretende Klägerin und Revisionsklägerin zu 3 (Klägerin zu 3). 1987 wurde das bisher vermietete Grundstück mit einem Gewinn veräußert. Die GbR wurde anschließend aufgelöst (Endabrechnung zum 31. Dezember 1987). 1992 wurde die KG auf ihre bisherige Komplementärin - die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin zu 1) - umgewandelt.

Die GbR erstellte für alle Streitjahre Bilanzen sowie darauf fußende Gewerbesteuererklärungen und Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte. Allerdings gab sie in ihrer ersten Gewinnfeststellungserklärung (1983) als Einkunftsart "Vermietung und Verpachtung" an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte in den unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Feststellungsbescheiden den Erklärungen, wobei er für 1983 wie in den anderen Jahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb ansetzte. Nach einer Außenprüfung hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) für alle Streitjahre auf. Der damalige steuerliche Berater der Klägerin zu 1 legte namens der GbR mit Schreiben vom 9. November 1990 Einspruch gegen diese Bescheide ein. Ein weiterer Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 1983 datiert vom 9. Januar 1991. Mit Schreiben vom 13. Dezember 1993 nahm der steuerliche Berater den "Einspruch vom 9. November 1990 gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1983" wieder zurück; auf dem Schreiben vermerkte ein Beamter des FA "Gewerbesteuer-Messbescheid lt. fernm. Ankündigung am 13.12.93". Das FA wies die Einsprüche, die sich ausschließlich gegen die Feststellung der Einkunftsart "Einkünfte aus Gewerbebetrieb" richteten, als unbegründet zurück.

Die vom FG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen hatten keinen Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1999, 654).

Hiergegen richtet sich die Revision, die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt wird.

Die Klägerinnen beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1983, 1984 und 1985 der GbR A Kapitalbeteiligungs- und Investitions GmbH & Co. A KG und B Vermietungs GmbH vom 16. Januar 1985, 12. Juni 1986 und 8. Oktober 1988 sowie vom 10. Oktober 1990 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 1994 sowie den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte für 1987 der GbR A Beteiligungs- und Investitions GmbH & Co. A KG und C Gesellschaft für Kapitalvermittlung, Garantieübernahme und Baubetreuung mbH vom 5. April 1989 sowie vom 10. Oktober 1990 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 1994 in der Weise zu ändern, dass die Einkünfte der GbR für die Jahre 1983 bis 1985 und 1987 als solche aus Vermietung und Verpachtung festgestellt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das vorinstanzliche Urteil ist revisionsrechtlich im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung nicht zu beanstanden.

I.

Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG eine gerichtliche Überprüfung des Gewinnfeststellungsbescheids 1983 noch möglich. Der gegen diesen Bescheid eingelegte Einspruch ist nicht zurückgenommen worden.

Die Rücknahme eines Einspruchs (§ 362 AO 1977) besteht in der Erklärung, dass das Ersuchen um Überprüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes oder um Erlass eines unterlassenen Verwaltungsaktes nicht weiter verfolgt werden soll (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 362 AO 1977 Tz. 6, m.w.N.). Es handelt sich wie beim Einspruch selbst um eine empfangsbedürftige, bedingungsfeindliche Willenserklärung des Verfahrensrechts (Tipke/Kruse, a.a.O., § 357 AO 1977 Tz. 1). Sie unterliegt den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. September 1988 V R 139/83, BFH/NV 1989, 206).

Entscheidend ist, wie das FA als Erklärungsempfänger den objektiven Erklärungswert des Rücknahmeschreibens verstehen musste (vgl. auch Senatsurteil vom 19. Juni 1997 IV R 51/96, BFH/NV 1998, 6, zum Verständnis eines Einspruchs). Dabei sind auch Umstände in Betracht zu ziehen, die sich nicht aus dem Rücknahmeschreiben selbst ergeben, die jedoch der entscheidenden Behörde und ggf. den anderen Verfahrensbeteiligten bekannt sind. Dementsprechend hat das Reichsgericht entschieden, dass die Rücknahme einer Berufung im Wege der Auslegung als auf den Betrag beschränkt anzusehen sein kann, für den zuvor Armenrecht nicht gewährt worden ist, obwohl sie ihrem Inhalt nach weiter ging (Urteil vom 24. Oktober 1931 IX 228/31, RGZ 134, 130).

Im Streitfall war dem FA (repräsentiert durch den für die Bearbeitung der Einsprüche zuständigen Beamten) aufgrund des vorangegangenen Telefongesprächs bekannt, dass der Steuerberater der Kläger den Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid 1983 zurücknehmen wollte. Für eine Rücknahme des gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1983 gerichteten Rechtsbehelfs bestand kein Anlass. Entsprechend hat das FA - wie aus dem Vermerk auf dem Rücknahmeschreiben ersichtlich - das Schreiben des Steuerberaters auch gewürdigt. Hat das FA unter derartigen Umständen das Rücknahmeschreiben so verstanden, wie es vom Urheber gemeint war, spricht eine Vermutung dafür, dass dieses Verständnis dem objektiven Erklärungsinhalt unter Beachtung des Empfängerhorizonts entsprach.

II.

In der Sache selbst folgt der Senat der Auffassung der Kläger nicht.

1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) die Veräußerung von Wirtschaftsgütern durch die Personengesellschaft anteilig bei den betrieblich beteiligten Gesellschaftern zu erfassen sind - unter C. III. 3. b (3) -. Im Streitfall waren sämtliche Gesellschafterinnen der GbR Gewerbetreibende, nämlich zum einen (nacheinander) die Klägerinnen zu 2 und 3 als Kapitalgesellschaften und zum anderen die KG als gewerblich tätige GmbH & Co. KG. Sie alle hielten die Beteiligung an der vermögensverwaltenden GbR in ihrem Betriebsvermögen. Deshalb wäre der im Jahre 1987 erzielte Gewinn aus der Veräußerung des von der GbR vermieteten Grundstücks spätestens bei der Veranlagung der Klägerinnen steuerwirksam zu erfassen (einhellige Auffassung, vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 15 Rdnr. 200 ff., m.w.N.). Nach der Auffassung des III. sowie des erkennenden Senats wäre der Veräußerungsgewinn bereits auf der Ebene der GbR einheitlich und gesondert festzustellen (Urteile vom 11. Juli 1996 IV R 103/94, BFHE 181, 45, BStBl II 1997, 39; vom 11. Dezember 1997 III R 14/96, BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401). Das entspräche im Ergebnis der Behandlung des Streitfalls seitens des FA. Allerdings wendet die Finanzverwaltung die beiden BFH-Urteile über die entschiedenen Fälle hinaus nicht an (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 8. Juni 1999, BStBl I 1999, 592), wobei unter den besonderen Voraussetzungen des Streitfalls etwas anderes gelten könnte (BMF-Schreiben vom 29. April 1994, BStBl I 1994, 282 Tz. 2 a. E.). Der Streitfall bietet indessen keinen Anlass erneut auf diese - auf Praktikabilitätserwägungen beruhende - Problematik einzugehen.

2. Das FG hat nämlich aus § 15 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 - EStG - (BGBl I 1985, 2436) zutreffend hergeleitet, dass die GbR in den Streitjahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat.

Bei der GbR handelte es sich um eine Personengesellschaft, die keine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübte. Sie betätigte sich auf dem Gebiet der Vermietung und Verpachtung. Sie war allerdings gewerblich geprägt i.S. des § 15 Abs. 3 EStG. Ihre persönlich haftenden Gesellschafter waren zum einen (wie unter 1. dargestellt) jeweils eine Kapitalgesellschaft und zum anderen die KG. Die KG war ihrerseits eine gewerblich geprägte Personengesellschaft. Sie stand somit für die Beurteilung der Frage, ob die Tätigkeit der Untergesellschaft (hier GbR) als Gewerbebetrieb gilt, einer Kapitalgesellschaft gleich (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG). Die GbR hatte nur persönlich haftende Gesellschafter. Diese waren zur Geschäftsführung der GbR befugt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 22. November 1994 VIII R 63/93, BFHE 177, 28, BStBl II 1996, 93).

Die von den Klägerinnen hiergegen erhobenen Einwände greifen nicht durch.

a) Allerdings weisen die Klägerinnen zutreffend darauf hin, dass die KG nicht alle Voraussetzungen der in § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG definierten gewerblich geprägten Personengesellschaft erfüllte. Zwar war ihr einziger persönlich haftender und zur Geschäftsführung berufener Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft, sie war jedoch nach den Feststellungen des FG und der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten originär gewerblich tätig. Demgegenüber setzt die Definition der gewerblich geprägten Personengesellschaft nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG voraus, dass die Gesellschaft keine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt.

Steuergesetze können jedoch ausnahmsweise auch gegen ihren Wortlaut ausgelegt werden. Das ist dann geboten, wenn die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 1. August 1974 IV R 120/70, BFHE 113, 357, BStBl II 1975, 12, und vom 2. August 1983 VIII R 190/80, BFHE 139, 123, BStBl II 1984, 4).

Sinn der Einfügung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 war es, die sog. Geprägerechtsprechung gesetzlich zu verankern (Begründung zum Gesetzentwurf, BTDrucks 10/3663, S. 6). Gleichzeitig sollte die gewerbliche Prägung auf diejenigen Personengesellschaften ausgedehnt werden, bei denen einer der persönlich haftenden, allein geschäftsführungsbefugten, Gesellschafter zwar keine Kapitalgesellschaft, aber ebenfalls eine gewerblich geprägte Personengesellschaft war. Die Frage, ob es irgendeinen Sinn haben kann, dass nur eine nicht gewerblich tätige Obergesellschaft die gewerbliche Prägung der Untergesellschaft herbeizuführen vermag, ist demnach gemäß dem Sinn und Zweck der Geprägerechtsprechung zu beantworten.

Der erkennende Senat hat die Geprägetheorie in seinem Urteil vom 17. März 1966 IV 233, 234/65 (BFHE 84, 471, BStBl III 1966, 171) aus dem wirtschaftlichen Gewicht hergeleitet, das die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Personengesellschaft entfaltet. Bezieht man, wie der Gesetzgeber des Steuerbereinigungsgesetzes 1986, die doppelstöckige Personengesellschaft in die Geprägeregelung mit ein, so ist auch insofern der Gesichtspunkt maßgebend, dass letztlich eine GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der Obergesellschaft zugleich die Tätigkeit der Untergesellschaft prägt. Vor diesem Hintergrund wäre es nicht erklärbar, warum eine GmbH & Co. KG als einzige persönlich haftende Gesellschafterin der Untergesellschaft diese gewerblich prägen kann, wenn sie ihrerseits nicht gewerblich tätig ist, wohingegen dies nicht der Fall sein soll, wenn sie originär Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Eine ausschließlich am Gesetzeswortlaut orientierte Auslegung würde dazu führen, dass ein "Mehr" an Gewerblichkeit bei der Obergesellschaft der gewerblichen Prägung der Untergesellschaft entgegenstünde. Die Widersinnigkeit einer solchen Regelung wäre offenkundig. Zutreffend weist das FG darauf hin, dass unter dem Gesichtspunkt des "argumentum a majore ad minus" die in § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG angeordnete Gleichstellung der lediglich gewerblich geprägten Obergesellschaft mit einer GmbH als persönlich haftender Gesellschafterin die Gleichstellung einer tatsächlich gewerblich tätigen GmbH & Co. KG mit umfasst. Die Formulierung der Verweisung in § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG auf Satz 1 der Vorschrift beruht mithin erkennbar auf einem Redaktionsversehen (h.M., z.B. Schmidt, a.a.O., § 15 Rdnr. 217; Autenrieth, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1987, 121; Groh, Der Betrieb - DB - 1987, 1006, 1009; Uelner in Festschrift für Döllerer, 1988, 661, 669; Felix, Kölner Steuerdialog - KÖSDI - 1996, 10680; a. A.: Herzig/Kessler, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1986, 451, 456; Christoffel/Danckmeyer, DB 1986, 347, 352). Redaktionsversehen sind zu korrigieren (Urteil vom 16. Januar 1980 II R 83/74, BFHE 130, 70, BStBl II 1980, 359; Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO 1977 Tz. 92; Fischer in Festschrift für Tipke, 1995, 203). Die Frage der Zulässigkeit einer analogen Anwendung belastender Steuergesetze stellt sich nicht.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG auch auf Veranlagungszeiträume vor 1986 anzuwenden. Diese Rechtsfolge ergibt sich aus § 52 Abs. 20 b EStG. Eine Ausnahme, die hier nicht in Betracht kommt und deshalb nur grob skizziert werden soll, gilt gemäß § 52 Abs. 20 b Satz 2 EStG lediglich für Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern in der Zeit zwischen dem 30. Oktober 1984 (Bekanntwerden des Beschlusses des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, durch den die Geprägerechtsprechung aufgegeben wurde) und dem 10. April 1985 (Bekanntwerden der Gesetzespläne zur Wiederherstellung der Geprägeregelung). § 52 Abs. 20 b EStG beinhaltet keine verfassungswidrige Rückwirkung.

aa) Das hat der Senat bereits entschieden, soweit § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG - also die "einstöckige" gewerblich geprägte Personengesellschaft - betroffen ist (Senatsurteile vom 10. Juli 1986 IV R 12/81, BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811, und vom 4. September 1997 IV R 27/96, BFHE 184, 393, BStBl II 1998, 286).

bb) Auch die im Streitfall bedeutsame Anwendung der Geprägeregelung auf die Fälle des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG (doppelstöckige gewerblich geprägte Personengesellschaft) für Veranlagungszeiträume vor 1986 begegnet keinen Bedenken.

Dem Grundgesetz (GG) lässt sich ein generelles Rückwirkungsverbot für Gesetze nicht entnehmen (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 24. April 1953 1 BvR 102/51, BVerfGE 2, 237, 264 ff.; vom 17. Dezember 1953 1 BvR 147/52, BVerfGE 3, 58, 150). Abgesehen vom Bereich des Strafrechts (Art. 103 Abs. 2 GG) wird der Erlass rückwirkender belastender Gesetze aber durch das Rechtsstaatsprinzip begrenzt, zu dessen wesentlichen Elementen die Rechtssicherheit und der daraus resultierende Vertrauensschutz gehören. Der Bürger wird in seinem Vertrauen enttäuscht, wenn der Gesetzgeber an bereits abgeschlossene Tatbestände nachträglich ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte (vgl. Senatsurteil in BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG). Eine Enttäuschung dieses Vertrauens ist nach der Rechtsprechung des BVerfG gleichwohl gerechtfertigt, wenn das Vertrauen nicht schutzwürdig war, weil mit der Neuregelung gerechnet werden musste, wenn das geltende Recht unklar und verworren war, wenn das Vertrauen einer ungültigen Rechtsnorm galt oder wenn zwingende Gründe des gemeinen Wohls die Rückwirkung rechtfertigen (BVerfG-Entscheidung vom 19. Dezember 1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261, 271).

Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung, ob das Vertrauen der Klägerinnen schutzwürdig war. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie überhaupt darauf vertrauen konnten oder tatsächlich darauf vertraut haben, dass die GbR nicht gewerblich geprägt war. Wie bereits angedeutet (s. o. unter II. 2. a) legten es die Erwägungen, mit denen der Senat die Geprägerechtsprechung in seiner Entscheidung in BFHE 84, 471, BStBl III 1966, 171 begründet hat, durchaus nahe, dass bei Bestehen einer doppelstöckigen Personengesellschaft eine GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der Obergesellschaft zugleich die Tätigkeit der Untergesellschaft prägt. Diese Auffassung wurde - worauf das FG zutreffend hinweist - auch in der Literatur vertreten (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 15 EStG, Lfg. 108 -Februar 1974-, Anm. 13 c (2)). Zwar gab es auch Gegenstimmen ("gg" in Finanz-Rundschau - FR - 1973, 137). Es war jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass der BFH die doppelstöckige GmbH & Co. KG in die Geprägerechtsprechung mit einbeziehen würde. Daher hat der erkennende Senat diese Frage dem Großen Senat in seinem Beschluss vom 26. August 1982 IV R 207/79 (BFHE 136, 405, BStBl II 1982, 771) ausdrücklich vorgelegt (Vorlagefrage 1).

Hätte der Gesetzgeber im Steuerbereinigungsgesetz 1986 die Geprägerechtsprechung wiederhergestellt, ohne die "gewerblich geprägte Personengesellschaft" zu definieren, wäre es ebenfalls möglich und verfassungsrechtlich zulässig gewesen, dass der BFH in künftigen Urteilen auch für die Jahre vor 1986 die doppelstöckige GmbH & Co. KG in die wiederhergestellte Rechtsprechung mit einbezogen hätte. Demgemäss sind gegen eine rückwirkende Anwendung der Geprägeregelung auf die doppelstöckige GmbH & Co. KG auch lediglich insoweit verfassungsrechtliche Bedenken erhoben worden, als den betroffenen Gesellschaften die Chance genommen wurde, dass der BFH die mehrstöckige GmbH & Co. KG anders behandeln werde als die einstöckige (Schmidt, a.a.O., 4. Aufl. 1985, Nachtrag zu § 15 Anm. 7; Hennerkes/Binz, Betriebs-Berater - BB - 1985, 2168). Diese Überlegung schlägt jedoch unter dem hier maßgeblichen Aspekt des Vertrauensschutzes nicht durch. Wenn die Klägerinnen nicht darauf vertrauen konnten, dass der BFH eine Personengesellschaft, an der - wie im vorliegenden Fall - als persönlich haftende und geschäftsführende Gesellschafter ausschließlich eine GmbH und eine GmbH & Co. KG beteiligt waren, nicht in die Geprägeregelung einbeziehen werde, so konnten sie auch nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber dies nicht tun werde.

Tatsächlich haben die Klägerinnen in den Jahren vor 1986 auch keineswegs darauf vertraut, dass die Einkünfte der GbR nicht als gewerblich angesehen würden. Sie haben für alle Jahre den Gewinn der GbR durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt und Gewerbesteuererklärungen abgegeben. Lediglich für das Jahr 1983 haben sie die Einkünfte der GbR als solche aus Vermietung und Verpachtung bezeichnet - sich insoweit jedoch in Widerspruch zur Abgabe der Gewerbesteuererklärungen gesetzt. Den Veranlagungen, in denen das FA von gewerblichen Einkünften ausgegangen ist, haben sie nicht widersprochen. Erstmalig im November 1990 - lange nach Erlöschen der GbR - haben sich die Klägerinnen der bisherigen Behandlung durch das FA widersetzt.

Ein anderes Ergebnis kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die GbR im Vertrauen darauf, dass es bei der Aufgabe der Geprägerechtsprechung bleiben werde, Vermögensdispositionen getroffen, insbesondere Vermögensgegenstände veräußert hätte (vgl. § 52 Abs. 20 b Satz 2 EStG). Sie hat ihren Grundbesitz erst im Jahre 1987 und damit lange nach Verkündung des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 veräußert. Mithin findet auch die im BMF-Schreiben vom 17. März 1986 (BStBl I 1986, 129) enthaltene Übergangsregelung keine Anwendung.