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  BFH-Beschluss vom 7.2.2001 (II B 11/00) BStBl. 2001 II S. 245

Haben die Parteien eines Kaufvertrages vereinbart, dass der Käufer den Kaufpreis in Form einer an den Verkäufer und einen Dritten (als Gesamtgläubiger) bis zum Tode des Längstlebenden zu zahlenden Leibrente zu entrichten hat, so ist ernstlich zweifelhaft, ob der mit dem Tode eines der Gesamtgläubiger der Leibrentenforderung eintretende Wegfall der Ausgleichspflicht nach § 430 BGB beim anderen (überlebenden) Gesamtgläubiger zu einem Erwerb von Todes wegen auf Grund eines vom verstorbenen Gesamtgläubiger abgeschlossenen Vertrages mit dem Schuldner führt (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Es ist auch ernstlich zweifelhaft, ob in einem solchen Fall der überlebende Gesamtgläubiger durch den Wegfall der Ausgleichspflicht nach § 430 BGB vom verstorbenen Gesamtgläubiger i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG "auf den Todesfall" beschenkt wird.

ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nrn. 2 und 4; BGB § 430, § 428.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Die am 26. Januar 1914 geborene Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist die Alleinerbin ihrer am 3. Juni 1995 verstorbenen Schwester. Diese hatte als Hoferbin i.S. der §§ 4 ff. der Höfeordnung (HöfeO) durch Vertrag vom 8. Januar 1980 an eine Kirchengemeinde Hofgrundstücke veräußert. Die Kirchengemeinde verpflichtete sich, an die Erblasserin, die Antragstellerin sowie eine weitere vorverstorbene Schwester der Antragstellerin als "Gesamtgläubiger gemäß § 428 BGB" eine monatliche, währungsgesicherte Leibrente zu entrichten, die "in voller Höhe bis zum Tode des Letztlebenden der Bezugsberechtigten" gezahlt werden sollte. Der Höhe nach betrug die Rente, die nach dem Tode der Erblasserin der Antragstellerin als Letztlebende der Bezugsberechtigten allein zustand, am 3. Juni 1995 monatlich insgesamt 11.678 DM.

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -FA-) setzte durch Erbschaftsteuerbescheid vom 16. Dezember 1998 für den Erwerb der Antragstellerin von Todes wegen nach der Erblasserin Erbschaftsteuer in Höhe von 369.138 DM fest. Hierbei berücksichtigte es u.a. als der Antragstellerin zugeflossenen Vermögensvorteil eine "Rentenforderung" mit einem Betrag von 438.823 DM. Es vertrat insoweit die Auffassung, der Antragstellerin sei der der Erblasserin zustehende Rentenanteil aufgrund eines Vertrages zu Gunsten Dritter i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) "angewachsen".

Mit der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Steuer auf 334.550 DM fest. Es ging nunmehr vom Erwerb einer "Rentenforderung" von monatlich 5.839 DM im Kapitalwert von 372.551 DM (70.068 DM x 5,317) aus.

Über die Klage hiergegen hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.

Die Antragstellerin hat beim FG beantragt, die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheides vom 16. Dezember 1998 in Höhe der auf den Ansatz des Rentenforderungsrechts entfallenden Erbschaftsteuer auszusetzen.

Das FG hat den Antrag durch Beschluss vom 21. Dezember 1999 als unbegründet zurückgewiesen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestünden nicht. Der Vertrag vom 8. Januar 1980 beinhalte beim Eintritt des Todesfalles für die noch lebenden Geschwister eine Begünstigungsregelung und zwar in der Weise, dass der im Innenverhältnis bestehende anteilige Rentenanspruch mit dem Tode eines Gesamtgläubigers nicht untergehe, sondern auf die anderen Gesamtgläubiger übergehe und ihnen zuwachse. Darin liege eine aufschiebend bedingte Übertragung des jeweils Verstorbenen auf die noch lebenden Geschwister. Hierin liege ein Vermögensvorteil, der gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben werde. Im Übrigen könne der Vertrag vom 8. Januar 1980 auch als Schenkung auf den Todesfall gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG gewertet werden.

Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Aussetzungsbegehren weiter.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Beschlusses des FG Münster vom 21. Dezember 1999 3 V 5220/99 Erb die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheides vom 16. Dezember 1998 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 5. Juli 1999 in Höhe der auf den Ansatz des Rentenforderungsrechts entfallenden Erbschaftsteuer auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das FG ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheides vom 16. Dezember 1998 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 5. Juli 1999 verneint.

1. Ob ein steuerpflichtiger Erwerb der Antragstellerin von Todes wegen nach ihrer Schwester (Erblasserin) hinsichtlich des dieser bis zu ihrem Tod gemäß § 430 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zustehenden Anteils an Rente vorliegt, der aufgrund des Vertrages vom 8. Januar 1980 nach dem Tode der Erblasserin von der Kirchengemeinde weiterhin zu zahlen war, ist rechtlich zweifelhaft.

a) An der Auffassung des FG, der mit dem Tode der Erblasserin als einer der beiden Gesamtgläubigerinnen der Leibrentenforderung eingetretene Wegfall der Ausgleichspflicht nach § 430 BGB führe beim anderen (überlebenden) Gesamtgläubiger (Antragstellerin) zu einem Vermögensvorteil, der aufgrund eines von der Erblasserin abgeschlossenen Vertrages bei ihrem Tode von der Kirchengemeinde erworben worden sei (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG), bestehen ernstliche Zweifel. Denn gegenüber dem Dritten (der Kirchengemeinde) hat sich die Rechtsposition der Antragstellerin als Gesamtgläubigerin der Rentenforderung mit dem Eintritt des Erbfalles nicht verändert. Vielmehr war sie nach § 428 BGB bereits mit dem Abschluss des Vertrages vom 8. Januar 1980 gegenüber der Kirchengemeinde berechtigt, die gesamte Rente zu fordern. Einen "zusätzlichen", über diesen bereits bestehenden Anspruch hinausgehenden Vermögensvorteil hat die Klägerin beim Tod der Erblasserin von der Kirchengemeinde nicht erworben.

Dabei kann dahinstehen, ob die Antragstellerin beim Abschluss des Vertrages vom 8. Januar 1980 aus dem Vermögen der Erblasserin bereichert worden ist oder ob die Verschaffung dieses Rentenanspruchs mit Ansprüchen der Antragstellerin nach den §§ 12 und 13 HöfeO im Zusammenhang gestanden hat. Denn eine vom Erben bereits vor dem Todesfall in vollem Umfang erworbene Rechtsposition kann nicht Gegenstand eines Erwerbs von Todes wegen, sondern allenfalls eine (vom angefochtenen Bescheid nicht erfasste) Schenkung zu dem früheren Zeitpunkt sein.

b) Erhebliche Zweifel bestehen auch, ob -wie das FG hilfsweise angenommen hat- der mit dem Tode der Erblasserin bei der Antragstellerin durch den Wegfall der Ausgleichspflicht nach § 430 BGB eingetretene Vermögensvorteil eine steuerpflichtige Schenkung der Erblasserin an die Antragstellerin auf den Todesfall i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG darstellt. Voraussetzung für eine Schenkung auf den Todesfall ist -wie bei jeder freigebigen Zuwendung i.S. von § 7 ErbStG- u.a., dass der Empfänger durch diese objektiv auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 5. Dezember 1990 II R 109/86, BFHE 163, 223, BStBl II 1991, 181; hierzu auch: Moench, Erbschaftsteuergesetz, Kommentar, § 3 Rdnr. 131). An dieser Voraussetzung kann es hier fehlen, weil die Rechtsposition der Erblasserin als Gesamtgläubigerin der von der Kirchengemeinde zu zahlenden Leibrente mit ihrem Tod ersatzlos untergegangen und demnach nicht -wie das FG unter Nichtbeachtung dieser zivilrechtlichen Vorgaben aber angenommen hat- auf die Antragstellerin übergegangen ist. Die Kirchengemeinde war nämlich gegenüber der Erblasserin zur Entrichtung der Rente nur für deren Lebensdauer verpflichtet (§ 759 Abs. 1 BGB). Demnach verlor die Erblasserin ihre Stellung als Gesamtgläubigerin der Rente mit ihrem Tode. Ein Vermögensvorteil, der insoweit "aufschiebend bedingt durch den Eintritt des Todes der Erblasserin" auf die Antragstellerin aus dem Vermögen der Erblasserin hätte übergehen können, bestand nicht mehr.