| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Beschluss vom 24.1.2001 (I R 81/99) BStBl. 2001 II S. 290

Ausländischen juristischen Personen stehen die den natürlichen Personen eingeräumten Grundrechte nicht zu.

EStG § 49 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3; 1 ZPEMRK § 1 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1999, 1230)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Hongkong, die ein Schifffahrtsunternehmen betreibt. Eine deutsche Betriebsstätte unterhält sie nicht. Im Streitjahr erzielte sie mit ihrer zwischen europäischen und ostasiatischen Häfen betriebenen Containerlinie Frachterlöse in Höhe von 415.566.056 US$, denen Aufwendungen in Höhe von 426.881.852 US$ gegenüberstanden. Unter Berücksichtigung weiterer sonstiger Erträge und Aufwendungen erwirtschaftete sie im Streitjahr einen Verlust von 34.437.370 US$. Die von deutschen Häfen aus erzielten Frachterlöse betrugen 14.600.000 US$, die entsprechenden Aufwendungen gibt die Klägerin mit 14.998.000 US$ an. Mit ihren Einkünften aus Beförderungen von Deutschland aus wurde sie der beschränkten Steuerpflicht unterworfen, wobei die Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) mit 5 v.H. der für die Beförderungsleistungen vereinbarten Entgelte (in Höhe von 1.217.706 DM) angesetzt wurden.

Die dagegen erhobene Sprungklage blieb ohne Erfolg; das Finanzgericht (FG) wies sie mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1230 wiedergegebenen Gründen ab.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung von Art. 3 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG).

Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahin zu ändern, dass die Körperschaftsteuer 1995 auf 0,00 DM herabgesetzt wird.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA-) beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Der Senat hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Er entscheidet deshalb gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss. Die Beteiligten sind dazu vorher gehört worden.

1. Das Vorbringen der Klägerin richtet sich ausnahmslos gegen die ihrer Ansicht nach durch § 49 Abs. 3 EStG ausgelösten Verfassungsverstöße (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14, Art. 20 Abs. 3 GG). Die in § 49 Abs. 3 EStG bestimmte pauschale Besteuerung der vereinnahmten Entgelte widerspreche bei fehlenden positiven Einkünften den allgemeinen Rechtsstaatsprinzipien, insbesondere dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.

Um hiermit Erfolg haben zu können, müsste die Klägerin den Schutzbereichen der vorgenannten Grundrechte unterfallen. Daran fehlt es jedoch. Nach Art. 19 Abs. 3 GG stehen die den natürlichen Personen eingeräumten Grundrechte auch juristischen Personen zu, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Diese Erweiterung erstreckt sich jedoch kraft ausdrücklicher Verfassungsvorschrift nur auf inländische juristische Personen, auf ausländische indes nicht. Wortlaut und Sinn sind insoweit eindeutig, sie belassen keine Auslegungsmöglichkeiten (Bundesverfassungsgericht -BVerfG-, Beschlüsse vom 1. März 1967 1 BvR 46/66, BVerfGE 21, 207; vom 19. März 1968 1 BvR 554/65, BVerfGE 23, 229, 236; vom 14. November 1985 1 BvR 585/85, Die Information über Steuer und Wirtschaft 1986, 312; Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Februar 1980 III ZR 131/77, BGHZ 76, 387, 395; Dürig in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Bd. 2, Art. 19 Abs. 3 Rz. 30; Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 2. Aufl., Art. 19 Rz. 15; Huber in von Mangoldt/ Klein, Grundgesetz, 4. Aufl., Art. 19 Abs. 3 Rz. 310 ff.; von Mutius in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 19 Abs. 3, Zweitbearbeitung, Rz. 50; Rüfner in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 116 Rz. 57, und Archiv für öffentliches Recht 89 -1964-, 261, 275 f.; W.W. Schmidt, Grundrechte und Nationalität juristischer Personen, S. 43, 168 f.; Degenhardt, Europäische Grundrechte-Zeitschrift -EuGRZ- 1981, 161; Rux, Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik -ZAR- 1999, 217; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 4.12, jeweils m.w.N.; offen gelassen von Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 23. November 1999 1 C 12.98, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht -NVwZ-, Beilage 6/2000, 65 f.; vom 29. Juni 2000 1 C 25.99, NVwZ 2000, 1424). Entgegenstehende Überlegungen, die sich auf das allgemeine Rechtsstaatsprinzip berufen (vgl. insbesondere Vogel, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft, Bd. 12, 1989, 123 ff., 141), haben sich nicht durchgesetzt. Folglich kann die Klägerin, die über Sitz und Geschäftsleitung in Hongkong verfügt und Kapitalgesellschaft nach dem Recht Hongkongs ist, die erwähnten Grundrechtsverletzungen nicht geltend machen.

2. An dieser Rechtslage ändert sich im Ergebnis nichts dadurch, dass nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (1. ZPEMRK) vom 20. März 1952, ratifiziert durch Gesetz vom 20. Dezember 1956 (BGBl I 1956, 1879), jede natürliche und -auch ausländische- juristische Person ein Recht auf Achtung ihres Eigentums hat. Zwar gelten die Menschenrechtskonvention und auch das Zusatzprotokoll im Inland mit dem Rang eines -einfachen- Bundesgesetzes; sie begründen deswegen auch entsprechende individuelle Rechte (vgl. z.B. Degenhardt, EuGRZ 1981, 161, 165; Huber in von Mangoldt/Klein, a.a.O., Art. 19 Abs. 3 Rz. 344, jeweils m.w.N.). Auch vor diesem Hintergrund ist das Eigentumsrecht der Klägerin infolge der Regelung in § 49 Abs. 3 EStG jedoch nicht verletzt. Zum einen beeinträchtigt das in Art. 1 Abs. 1 1. ZPEMRK geschützte Eigentumsrecht nach dessen Abs. 2 nicht das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die für die Regelung der Benutzung des Eigentums in Übereinstimmung mit dem Allgemeininteresse oder zur Sicherung der Zahlung u.a. der Steuern für erforderlich hält. Zum anderen hat das BVerfG in ständiger Rechtsprechung, der sich der Bundesfinanzhofs angeschlossen hat, entschieden, dass Art. 14 Abs. 1 GG nicht das Vermögen als solches gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungen schütze, dass ein Schutz vielmehr nur bei einer übermäßigen, konfiskatorischen Belastung in Betracht komme (s. dazu im Einzelnen Birk/Barth in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 4 AO Rz. 584, 588, mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Eine derartige unverhältnismäßige Besteuerung droht im Streitfall indes nicht. Auch dann, wenn die Klägerin mit ihrem inländischen Geschäftsbetrieb im Streitjahr Verluste erwirtschaftet, greift die in § 49 Abs. 3 EStG angeordnete pauschale Gewinnbesteuerung nach Lage der Dinge nicht mit enteignender Wirkung in das Eigentumsrecht der Klägerin ein. Es ist nichts dafür ersichtlich oder dargetan, dass die Anwendung des § 49 Abs. 3 EStG zu einer Steuerlast führt, die für die Klägerin eine wirtschaftlich erdrosselnde Wirkung hat.

3. Soweit die Klägerin sich nunmehr darauf beruft, in Großbritannien über eine Teil-Geschäftsleitung verfügt zu haben und deswegen dem Schutzbereich eines Doppelbesteuerungsabkommens zu unterfallen, handelt es sich um neuen Tatsachenstoff, der im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden kann; ein Sachaufklärungsmangel durch das FG ist innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht geltend gemacht worden.