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  BFH-Urteil vom 25.1.2001 (II R 52/98) BStBl. 2001 II S. 414

1. Ein Erwerb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge i.S. von § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 ErbStG liegt in der ab 1. Januar 1994 geltenden Fassung des StandOG nur vor, wenn er dem Übergang von Betriebsvermögen durch Erbanfall vergleichbar ist.

2. Die schenkweise erfolgende Einräumung einer Unterbeteiligung an einer Kommanditbeteiligung in Form einer atypisch stillen Beteiligung, die unter dem Vorbehalt von aufschiebenden Bedingungen und von Kündigungsrechten steht, ist kein nach § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 ErbStG begünstigter Erwerb.

ErbStG in der ab 1. Januar 1994 geltenden Fassung des StandOG § 13 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2; AO 1977 § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1999, 205)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist als Kommanditistin an der A-KG beteiligt. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 24. August 1994 räumte sie ihrer 1994 geborenen Tochter B mit Wirkung vom 1. Mai 1994 schenkweise eine "mitunternehmerische (atypische)" Unterbeteiligung von nominal 100.000 DM an der Kommanditbeteiligung ein und verpflichtete sich, die anfallende Schenkungsteuer zu tragen.

Die Klägerin gab eine Schenkungsteuererklärung auf amtlichem Vordruck ab, der ihr vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) übersandt worden war. Der Vordruck entsprach dem Stand 06/84. In dem Vordruck wurde zwar nach zugewendetem Betriebsvermögen gefragt, er enthielt jedoch keinen Hinweis auf abziehbare Freibeträge. In der Erklärung wurde kein Freibetrag geltend gemacht.

Durch Bescheid vom 27. Januar 1995 setzte das FA gegen die Klägerin Schenkungsteuer fest. Der Bescheid erging wegen der Einheitswerte der KG zum 1. Januar 1994/1995 vorläufig nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).

Am 6. März 1995 stellte die Klägerin den Antrag, den Freibetrag für Betriebsvermögen von 500.000 DM nach § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes in der ab 1. Januar 1994 geltenden Fassung des Art. 13 des Standortsicherungsgesetzes vom 13. September 1993 (BGBl I, 1969) - ErbStG - abzuziehen. Dies wurde vom FA unter Hinweis auf die abgelaufene Einspruchsfrist abgelehnt. Am 23. März 1995 machte die Klägerin nunmehr geltend, den Freibetrag übersehen zu haben und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie hilfsweise Änderung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977. Die Änderung des Bescheids wurde vom FA abgelehnt. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA zurück.

Mit der Klage wurde begehrt, unter Aufhebung der Ablehnungsverfügung vom 29. März 1995 und der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 1996 das FA zu verpflichten, den Schenkungsteuerbescheid vom 3. September 1997 zu ändern und dabei den Freibetrag von 500.000 DM zu berücksichtigen. Während des Klageverfahrens wurde der Steuerbescheid gemäß § 165 Abs. 2 AO 1977 geändert und die Schenkungsteuer herabgesetzt. Die Klägerin machte diesen Bescheid zum Gegenstand des Klageverfahrens.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Das FA sei nach § 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu verpflichten, den Schenkungsteuerbescheid unter Berücksichtigung des Freibetrags zu ändern. Dies folge aus § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977. Wenn die Gewährung einer Steuervergünstigung nicht nur vom Vorliegen objektiver Tatbestandsmerkmale, sondern außerdem von einer subjektiven Willensentscheidung des Steuerpflichtigen abhänge, dann sei auch diese eine - innere - Tatsache im Sinne dieser Vorschrift. Im Streitfall habe die Klägerin ursprünglich von der Existenz des Freibetrags nichts gewusst. Diese Tatsache sei dem FA erst nachträglich bekannt geworden. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 205 abgedruckt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 und materiellen Rechts.

Es beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Das Urteil des FG ist aufzuheben, weil es § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 verletzt. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Tatsache im Sinne dieser Vorschrift ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands oder einer Steuervergünstigung sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. September 1984 VI R 48/82, BFHE 141, 532, BStBl II 1985, 117, m.w.N.). Die Unkenntnis der Klägerin über die Existenz des Freibetrages nach § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 ErbStG und über das Antragserfordernis stellt entgegen der Auffassung des FG jedoch keine Tatsache i.S. von § 173 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 dar, denn die zutreffende Rechtskenntnis als solche ist kein (subjektives) Merkmal oder Teilstück der hier in Betracht kommenden Steuervergünstigung nach § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 ErbStG. Zu Unrecht beruft sich das FG daher auf das BFH-Urteil vom 9. Dezember 1987 II R 186/85 (BFH/NV 1989, 256), weil in dieser Entscheidung das subjektive Tatbestandsmerkmal einer Steuerbefreiungsvorschrift, nämlich die Widmungsabsicht, zu beurteilen war.

2. Die Klage ist abzuweisen.

Der Senat kann offen lassen, ob im Streitfall eine Anwendung des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 sich aus anderen Gründen als vom FG angenommen rechtfertigen ließe oder ob verwaltungsverfahrensrechtlich eine Änderung des Schenkungsteuerbescheids nach anderen Vorschriften (z.B. nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977) in Betracht käme, da bereits die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung des begehrten Freibetrags nicht vorliegen.

Nach § 13 Abs. 2 a Satz 1 ErbStG (in der Fassung des Standortsicherungsgesetzes) bleibt Betriebsvermögen bis zu einem Betrag von 500.000 DM sowohl beim Erwerb durch Erbanfall als auch beim Erwerb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge außer Ansatz. Der Senat braucht keine Stellung dazu zu beziehen, ob oder inwieweit diese Regelung dem Grunde nach einer Überprüfung standhält (vgl. z.B. Meincke, Erbschaftsteuergesetz, 10. Aufl., § 13 Rz. 59), denn sie ist im Streitfall deshalb nicht anzuwenden, weil kein Erwerb im Wege vorweggenommener Erbfolge im Sinne dieser Vorschrift gegeben ist.

Zwar ist materiell-rechtlich die vorweggenommene Erbfolge Schenkung unter Lebenden (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. Januar 1991 IV ZR 299/89, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1991, 1345, und BFH-Urteil vom 8. November 1993 II R 61/89, BFH/NV 1994, 373). Der nach § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 ErbStG begünstigte Erwerb erfasst jedoch nicht jede Schenkung unter Lebenden i.S. von § 7 ErbStG, denn nach dem Wortlaut der Vorschrift ist die Anwendung des Freibetrags auf besonders qualifizierte, den Begriff vorweggenommene Erbfolge erfüllende Schenkungen beschränkt. Der in § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 ErbStG als Tatbestandsmerkmal verwendete Begriff der vorweggenommenen Erbfolge ist allerdings weder im Erbschaftsteuergesetz noch im Bürgerlichen Gesetzbuch näher bestimmt. Die Bedeutung der Einschränkung auf Erwerbe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge in § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 ErbStG ist daher nach allgemeinen Auslegungskriterien zu ermitteln. Dabei ist insbesondere auf Sinn und Zweck der Begünstigungsnorm des § 13 Abs. 2 a ErbStG abzustellen.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Standortsicherungsgesetz sah den Freibetrag zunächst nur für die Unternehmensnachfolge durch Erbanfall vor, um sie vor einer zu hohen Steuerlast zu schützen. Erst im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens erfolgte die Erweiterung auf Erwerbe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge (vgl. Moench, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge - ZEV - 1995, 50, 53 f.). Damit hat der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung getragen, dass aus vielfältigen Zwängen und Überlegungen heraus Betriebsvermögen auch bereits zu Lebzeiten des Unternehmers übertragen wird, und ein allgemeiner Ausschluss dieser Übertragungsart von der Vergünstigung deswegen nicht zu rechtfertigen sei. Da § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 ErbStG lediglich eine Gleichstellung der Erwerbe unter Lebenden bewirken soll, können Erwerbe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge nur solche sein, die einem Übergang von Betriebsvermögen durch Erbanfall materiell vergleichbar sind (zum Erwerb durch Vermächtnis siehe BFH-Urteil vom 10. Dezember 1997 II R 22/96, BFHE 184, 121, BStBl II 1998, 117). Ein Übergang von Betriebsvermögen durch Erbanfall wird im Wesentlichen dadurch charakterisiert, dass die Rechtsstellung des Unternehmers hinsichtlich des Betriebsvermögens als solche auf einen oder mehrere Erben übergeht und dass die Übertragung endgültig erfolgt (a.A. 3.1. der gleichlautenden Ländererlasse vom 29. November 1994, BStBl I, 905).

Hiervon kann im Streitfall nicht die Rede sein. Die Klägerin hat ihre Rechtsstellung (Kommanditistin) nicht als solche übertragen, sondern der Beschenkten nur eine Unterbeteiligung in Form einer atypisch stillen Beteiligung eingeräumt. Damit hat die Beschenkte in Bezug auf das Betriebsvermögen nicht die Rechtsstellung der Schenkerin erhalten, sondern nur einen Ausschnitt daraus. Sie ist künftig lediglich an einem Teil der Rechte und Pflichten der Hauptbeteiligten als Kommanditistin aus dem Hauptgesellschaftsverhältnis im Wege einer Innengesellschaft beteiligt. Darauf, ob möglicherweise im ertragsteuerrechtlichen Sinn eine Mitunternehmerschaft besteht, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Auch die Regelung des § 13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG widerspricht nicht dem Entscheidungsergebnis. Die dort genannten Veräußerungsfälle sollen eine Aushöhlung der fünfjährigen Behaltenspflicht auch durch nur teilweise Weiterübertragung des begünstigt erworbenen Betriebsvermögens verhindern. Der Regelung lässt sich mithin nicht im Umkehrschluss entnehmen, dass der Erwerb aller der aufgezählten Rechtspositionen nach Satz 1 begünstigungsfähig ist. Die Übertragung der Unterbeteiligung steht im Streitfall auch unter dem Vorbehalt der Rückgängigmachung durch Eintritt aufschiebender Bedingungen bzw. durch Kündigung. Sie ist daher nicht endgültig. Insgesamt liegt danach eine Schenkung unter Lebenden vor, die einer Unternehmensnachfolge durch Übergang von Betriebsvermögen durch Erbanfall nicht vergleichbar ist und deshalb keinen Erwerb von Betriebsvermögen im Wege vorweggenommener Erbfolge i.S. von § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 ErbStG darstellt.

Die Sache ist spruchreif, da die Feststellungen des FG ausreichen, um ausgehend von der Rechtsauffassung des Senats das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung des Freibetrags nach § 13 Abs. 2 a ErbStG zu verneinen.