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  BFH-Urteil vom 5.9.2002 (III R 8/99) BStBl. 2002 II S. 877

1. Eine Wärmerückgewinnungsanlage ist nicht schon deshalb als Betriebsvorrichtung zu beurteilen, weil es sich bei den Kühlzellen, deren abgegebene Wärme durch die Anlage aufbereitet wird, um Betriebsvorrichtungen handelt.

2. Eine Betriebsvorrichtung kann jedoch dann vorliegen, wenn die Anlage dem in einem Gebäude ausgeübten Gewerbebetrieb unmittelbar dient und der Zweck, das Gebäude zu beheizen und mit Warmwasser zu versorgen, demgegenüber in den Hintergrund tritt.

InvZulG 1991 § 2; BewG § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2.

Vorinstanz: Thüringer FG (EFG 1996, 1235)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Inhaber eines Fleischerhandwerksbetriebs.

Für das Streitjahr 1992 beantragte er die Gewährung einer Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz 1991 (InvZulG 1991) in Höhe von 8 v.H. u.a. für die Anschaffung einer Wärmerückgewinnungsanlage. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte dies ab.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage, der das Finanzgericht (FG) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 1235 veröffentlichtem Urteil stattgab. Es war der Auffassung, der Wärmerückgewinnungsanlage komme in Bezug auf den Betrieb eine ähnliche Funktion wie einer Maschine zu, da die Anlage dazu diene, die von den Kühlaggregaten abgegebene Wärme für die Warmwasseraufbereitung im Produktionsbereich zu nutzen. Sie bilde zwar keine zulagenrechtliche Einheit mit den Kühlzellen. Da sie aber technisch auf die Kühlzellen abgestimmt sei, teile sie deren zulagenrechtliche Qualifikation als Betriebsvorrichtung.

Die Revision stützt das FA auf die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des FG sei die Wärmerückgewinnungsanlage kein bewegliches Wirtschaftsgut, sondern ein Gebäudebestandteil. Das FG habe nur auf die technisch-funktionelle Einheit mit den Kühlzellen und der Warmwasseraufbereitung für den Produktionsprozess abgestellt. Die Anlage sei aber sowohl mit den Kühlzellen des Fleischereibetriebs als auch mit der Heizungs- und Warmwasseranlage des Gebäudes durch Rohrleitungen und Steuerungssysteme verbunden. Sie habe die Funktion, der Warmwasserversorgung des gesamten Gebäudes zusätzlich Wärme zuzuführen. Das FG habe daher eine einseitige Abgrenzung in Bezug auf den Produktionsbereich nicht treffen dürfen, sondern hätte prüfen müssen, ob die Wärmerückgewinnungsanlage der Nutzung des Gebäudes diene oder ob sie in einem von der Gebäudenutzung verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehe.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Wärmerückgewinnungsanlage diene der Produktion, da sie die von den Kühlaggregaten abgegebene Wärme zur Warmwasseraufbereitung im Produktionsbereich nutze. Bei der Produktion sei der Einsatz warmen Wassers zwingend erforderlich. Dies gelte auch für die erforderliche gründliche Reinigung der Arbeitsgeräte, die durch den Einsatz von warmem Wasser besser gesäubert werden könnten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Meinung des FG, die Wärmerückgewinnungsanlage sei schon deshalb eine Betriebsvorrichtung, weil sie eine technisch-funktionale Einheit mit den Kühlzellen bilde, die ihrerseits Betriebsvorrichtungen seien, ist unzutreffend.

1. Begünstigte Investitionen sind nach § 2 Satz 1 InvZulG 1991 unter den dort genannten näheren Voraussetzungen die Anschaffung und Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern.

a) Zulagenrechtliches Kriterium für die Beurteilung eines Gegenstands als selbständiges Wirtschaftsgut ist dessen selbständige Bewertbarkeit (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. August 1989 III R 17/84, BFHE 158, 283, BStBl II 1990, 79, und vom 28. September 1990 III R 178/86, BFHE 162, 177, BStBl II 1991, 187). Ein im Wirtschaftsleben selbständig bewertbares Gut liegt vor, wenn es in seiner Einzelheit von Bedeutung und bei einer Veräußerung greifbar ist. Dies ist nach der allgemeinen Verkehrsanschauung zu entscheiden. Ausschlaggebend ist neben dem Zweck und dem Grad der Festigkeit einer Verbindung der Zeitraum, auf den eine Verbindung oder die gemeinsame Nutzung angelegt ist, sowie das äußere Erscheinungsbild der miteinander verbundenen Gegenstände vor und nach der Verbindung (BFH-Urteile in BFHE 162, 177, BStBl II 1991, 187, und vom 28. September 1990 III R 77/89, BFHE 164, 156, BStBl II 1991, 361). Ein Gegenstand verliert seine selbständige Bewertbarkeit regelmäßig dann, wenn die Sache, mit der er verbunden wird, ohne die Verbindung unvollständig erscheint oder gar ein negatives Gepräge erhält (BFH-Urteil in BFHE 162, 177, BStBl II 1991, 187).

In Übereinstimmung mit den genannten Grundsätzen hat das FG die Wärmerückgewinnungsanlage und die Kühlzellen nicht als zulagenrechtliche Einheit angesehen. Die Kühlzellen erscheinen ohne die Verbindung mit der Wärmerückgewinnungsanlage weder unvollständig noch erhalten sie ein negatives Gepräge. Sie erfüllen ihre Funktion unabhängig davon, ob die beim Betriebsvorgang entstehende Abwärme in die Atmosphäre abgegeben oder durch eine nachgeschaltete Anlage für weitere betriebliche Vorgänge nutzbar gemacht wird. Entsprechend sind sie auch ohne die Wärmerückgewinnungsanlage veräußerbar. Sie werden durch die Anlage lediglich in der Weise ergänzt, dass diese die von den Kühlaggregaten abgegebene Wärme aufbereitet. Ebenso wenig hat die Wärmerückgewinnungsanlage durch die Verbindung mit den Kühlzellen ihre Eigenschaft als selbständiges Wirtschaftsgut verloren. Denn eine aufeinander abgestimmte Nutzung zweier Gegenstände steht der selbständigen Bewertbarkeit des hinzugefügten Gegenstands nicht entgegen. Unerheblich ist, dass die Wärmerückgewinnungsanlage ohne die Kühlzellen oder andere Vorrichtungen, die Wärme abgeben, nicht genutzt werden könnte. Denn die selbständige Nutzbarkeit eines Gegenstandes ist nicht Voraussetzung für dessen selbständige Bewertbarkeit (BFH-Urteil vom 3. Juli 1987 III R 147/86, BFHE 150, 490, BStBl II 1987, 787).

b) Die Anlage kann jedoch nicht schon deshalb als Betriebsvorrichtung und daher als zulagebegünstigtes Wirtschaftsgut angesehen werden, weil sie der Aufbereitung der von den Kühlaggregaten abgegebenen Abwärme dient.

Der - in § 2 Abs. 1 InvZulG 1991 nicht erläuterte - Begriff des beweglichen Wirtschaftsguts bestimmt sich in Anlehnung an das Einkommensteuerrecht, das die beweglichen von den unbeweglichen Wirtschaftsgütern auf der Grundlage des bürgerlichen Rechts über die wesentlichen Gebäudebestandteile und Scheinbestandteile (§§ 93 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) und des Bewertungsrechts abgrenzt. Danach bleiben in oder an einem Gebäude angebrachte Gegenstände bewegliche Wirtschaftsgüter, wenn sie zivilrechtlich keine wesentlichen Gebäudebestandteile geworden sind (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1999 III R 55/97, BFHE 190, 539, BStBl II 2000, 150).

Nicht in das Grundvermögen einbezogen und damit als bewegliche Wirtschaftsgüter zu qualifizieren sind Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, auch wenn sie wesentliche Bestandteile sind (§ 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes - BewG -; sog. Betriebsvorrichtungen). Aus dem Tatbestandsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer Betriebsanlage folgert die ständige Rechtsprechung, dass der Begriff der Betriebsvorrichtung Gegenstände voraussetzt, durch die das Gewerbe unmittelbar betrieben wird. Zwischen der Betriebsvorrichtung und dem Betriebsablauf muss ein ähnlicher Zusammenhang bestehen, wie er üblicherweise bei Maschinen gegeben ist. Dagegen genügt es nicht, wenn eine Anlage für den Betrieb lediglich nützlich, notwendig oder gewerbepolizeilich vorgeschrieben ist. Entscheidend ist, ob die Gegenstände von ihrer Funktion her unmittelbar zur Ausübung des Gewerbes genutzt werden; es genügt, wenn die Anlage dem Betrieb des Gewerbes als Hauptzweck dient (BFH-Urteil vom 9. August 2001 III R 43/98, BFHE 196, 429, BStBl II 2002, 100; BFH-Beschlüsse vom 5. Dezember 1996 III B 26/94, BFH/NV 1997, 518, und vom 8. November 1999 III B 53/99, BFH/NV 2000, 485). Liegt der eigentliche Zweck einer Anlage hingegen darin, das Gebäude besser nutzen zu können, fehlt es an einer unmittelbaren gewerblichen Nutzung (BFH-Urteil vom 7. September 2000 III R 48/97, BFHE 194, 289, BStBl II 2001, 253). Entsprechend werden Heizungsanlagen, die zwar auch gewerblichen Zwecken dienen, deren eigentlicher Zweck jedoch in der Beheizung des betrieblich genutzten Gebäudes liegt, nicht als Betriebsvorrichtungen angesehen (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 194, 289, BStBl II 2001, 253). Allein der Umstand, dass eine Anlage eine Betriebsvorrichtung - hier die Kühlzellen - ergänzt, vermag ihre Eigenschaft als Betriebsvorrichtung auch dann nicht zu begründen, wenn sie ohne diese nicht funktionieren würde.

2. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um die Qualifikation der Anlage als Betriebsvorrichtung zu beurteilen.

Zwar führt das FG aus, die Anlage habe die Aufgabe, die von den Kühlaggregaten abgegebene Wärme für die Warmwasseraufbereitung im Produktionsbereich zu nutzen; dies weist darauf hin, dass die Wärmerückgewinnungsanlage zumindest auch dem Produktionsbetrieb gedient hat. Daraus ergibt sich aber noch nicht, dass sie dem Betrieb des Gewerbes im Sinne der angeführten Grundsätze unmittelbar gedient hat.

Eine unmittelbare Beziehung zum ausgeübten Gewerbe kommt in Betracht, wenn das von der Anlage aufbereitete Wasser - wie in der Revisionserwiderung vorgebracht - im Wesentlichen zum Reinigen der Produkte und der Maschinen genutzt worden ist und eine mögliche zusätzliche, der Beheizung des Gebäudes dienende Nutzung demgegenüber in den Hintergrund tritt. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die durch die Anlage gewonnene Wärme in die Heizungsanlage, die der Beheizung des Gebäudes dient, eingespeist wird, oder primär für die allgemeine Versorgung des Gebäudes mit Warmwasser verwendet wird.

3. Kommt das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis, dass eine Betriebsvorrichtung nicht vorliegt, kann eine Investitionszulage nur gewährt werden, wenn die Anlage zivilrechtlich nicht wesentlicher Bestandteil des Gebäudes nach §§ 93, 94 Abs. 2 BGB geworden ist. Das FG wird dann auch insoweit die notwendigen Feststellungen nachzuholen haben.