| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 5.3.1998 (IV R 8/95) BStBl. 2003 II S. 54

Zur Ermittlung des Gewinns aus der Aufgabe eines Grünlandbetriebs sind die gemeinen Werte des Grund und Bodens und der Milchreferenzmenge dem nach § 55 Abs. 1 EStG pauschalierten Wert des Grund und Bodens gegenüberzustellen; in diesem Fall ist die Verlustklausel des § 55 Abs. 6 EStG nicht isoliert auf den Grund und Boden anzuwenden (Einheitsbetrachtung).

EStG §§ 14, 16, 55 Abs. 1 bis 6, 55 Abs. 1; MGV § 7.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) bewirtschafteten in Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen landwirtschaftlichen Betrieb (Milchvieh-Grünlandbetrieb). Ihren Gewinn ermitteln sie seit dem 1. Mai 1982 nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Zum 31. März 1989 erklärten sie die Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes. Der Grund und Boden entnahmen sie zum Buchwert. Die eigenen landwirtschaftlichen Flächen (rund 15 ha) wurden ebenso wie die Milchreferenzmenge verpachtet. Bei der Ermittlung des Aufgabegewinns berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Entnahme einer Milchreferenzmenge von 118.580 kg zu je 1,30 DM pro kg und erhöhte den Gewinn entsprechend um 154.154 DM. Der Einspruch blieb erfolglos.

Mit der Klage brachten die Kläger vor, die Milchreferenzmenge sei bei ihrer Einführung durch die Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) am 2. April 1984 als ein Bestandteil des Grund und Bodens angesehen worden. Tatsächlich sei ein Ansatz mit 0 DM in der Bilanz nicht richtig, weil ein Anteil des Buchwertes von Grund und Boden auf die festgeschriebene Milchquote entfalle. Das zeige sich daran, dass der Kaufpreis für Flächen mit Milchquote deutlich höher liege als für Flächen ohne Quote. Zumindest müsse eine Übergangsregelung geschaffen werden, nach der der Wert der Milchreferenzmenge außer Ansatz bleibe.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) kam zu dem Ergebnis, dass die Anlieferungsreferenzmenge nach der MGV ein eigenständiges, immaterielles Wirtschaftsgut sei ( Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. August 1993 IV B 20/93, BFH/NV 1994, 172). Dieses Wirtschaftsgut könne, wie aus Art. 1 der 29. Verordnung zur Änderung der MGV vom 24. September 1993 (BGBl. I 1993, 1659) folge, auch ohne Übertragung der Flächen veräußert werden. Bei der Betriebsaufgabe sei das Milchproduktionsrecht mit dem gemeinen Wert in das Privatvermögen zu überführen (vgl. Erlass Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern vom 15. Dezember 1992 IV 310 - S 2230 - 27/92, Deutsches Steuerrecht 1993, 948). Da ein Buchwert für die Milchreferenzmenge nicht vorhanden gewesen sei, habe das FA den Entnahmewert der Milchreferenzmenge zutreffend berechnet. Ob eine Übertragungsregelung hätte geschaffen werden müssen, sei in diesem Verfahren nicht zu prüfen.

Mit der - vom erkennenden Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung - zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil und den angefochtenen Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben und en Gewinn auf 129.776 DM, davon 112.432 DM Veräußerungsgewinn festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. Es macht im Wesentlichen geltend, der Grund und Boden sowie die Milchreferenzmenge seien unterschiedliche Wirtschaftsgüter. Die pauschale Bewertung des Grund und Bodens zum 1. Juli 1970 (§ 55 Abs. 1 bis 4 EStG) erfasse nur den nackten Grund und Boden. Für die nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 EStG maßgebenden Ertragsmesszahlen blieben Ertragsunterschiede, die auf wirtschaftliche Ertragsbedingungen zurückzuführen seien, außer Betracht (§ 2 Nr. 2 Satz 2 des Bodenschätzungsgesetzes). Die Ertragsfähigkeit landwirtschaftlich genutzter Flächen werde durch Wertzahlen ausgedrückt (§ 4 der Durchführungsbestimmungen zum Bodenschätzungsgesetz). Die Möglichkeit, unbeschränkt und abgabenfrei Milch produzieren und absetzen zu können, sei in diese Wertzahl nicht eingeflossen.

Für die Einschränkung der Verlustausschlussklausel (§ 55 Abs. 6 Satz 2 EStG) sei kein Raum. Das selbständig anzusetzende und zu bewertende immaterielle Wirtschaftsgut Milchreferenzmenge führe nicht zu einer Teilwertabschreibung; jedenfalls stünde einer solchen § 55 Abs. 6 Satz 2 EStG entgegen. Die im Einzelfall entstehenden Härten müssten als Folgen der zulässigen Typisierung hingenommen werden (BFH-Urteil vom 10. August 1978 IV R 181/77, BFHE 126, 191 BStBl II 1979, 103). Andernfalls würde das für die Ermittlung des Teilwerts vorgesehene Verfahren (§ 55 Abs. 5 EStG) unterlaufen.

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache. Das vom FG gefundene Ergebnis kann nicht rechtens sein.

1. Die Kläger haben ihren land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zum 31. März 1989 aufgegeben. Dieser Vorgang ist nach § 16 Abs. 3 Sätze 1 und 4 EStG so zu werten, als seinen die in das Privatvermögen übernommenen Wirtschaftsgüter zu ihrem gemeinen Wert veräußert worden. Zu den in das Privatvermögen übernommenen Wirtschaftsgütern gehört neben dem verpachteten Grund und Boden auch die ebenfalls verpachtete Milchreferenzmenge. Dabei handelt es sich um ein durch die Verordnung vom 25. Mai 1984 (BGBl I 1984, 720) geschaffenes Milchanlieferungsrecht, das dem Berechtigten Vorteile gewährt, weil er für weitergehende Anlieferungen Abgaben zu zahlen hat. Der Sache nach handelt es sich also um eine Produktionseinschränkung. Der BFH hat mehrfach entschieden, dass es sich bei diesem Anlieferungsrecht um ein eigenständiges immaterielles Wirtschaftsgut handelt (Beschluss in BFH/N 1994, 172; Urteile vom 17. März 1994 V R 39/92, BFHE 174, 268, BStBl II 1994, 538, m.w.N.; vom 31. Juli 1996 XI R 44/96, BFH/NV 1997, 313, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1997, 418). Der Senatsbeschluss in BFH/NV 1994, 172 betrifft zwar ein Anlieferungsrecht aufgrund der geänderten MGV vom 30. August 1989 (BGBl I 1989, 1654). Doch gilt für Anlieferungsrechte aufgrund der früheren Gesetzeslage, die für den Streitfall maßgeblich ist, nichts anderes. Zwar konnte die Milchreferenzmenge seinerzeit grundsätzlich nur gemeinsam mit dem Grund und Boden übertragen werden. Doch sah § 7 der Verordnung auch Übertragungsmöglichkeiten vor; zudem konnte das Anlieferungsrecht auch dem Pächter eines landwirtschaftlichen Betriebes zustehen (BFH-Urteile vom 12. März 1991 VII R 116/88, BFH/NV 1992, 141; vom 7. September 1993 VII R 110/92, BFH/NV 1995, 173; in BFHE 174, 268, BStBl II 1994, 538). Unabhängig davon genügt für die Anerkennung als selbständiges Wirtschaftsgut, dass dieses zusammen mit dem Betrieb übertragen werden kann, sofern es nur einer selbständigen Bewertung zugänglich ist (vgl. nur Senatsurteil vom 6. Dezember 1990 IV R 3/89, BFHE 163, 126, BStBl II 1991, 346, m.w.N.).

Die Einführung gesondert zu bewertender Milchreferenzmengen hatte einen Wertverlust gerade bei Grünlandflächen zur Folge, weil diese ohne Hinzutreten einer Milchreferenzmenge nicht mehr gewinnbringend für die Milcherzeugung genutzt werden konnten (vgl. Köhne, Landwirtschaftliche Taxationslehre, 1986, 232, 238; Völker, Die Information über Steuer und Wirtschaft - Inf - 1986, 129 ff.; Gehrke, Die Milchquotenregelung, 1996, 276 ff.; Fischer-Tobies/Schmitz, Inf 1994, 73 ff.). Dies blieb nicht ohne steuerliche Folgen. Wird nunmehr ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb veräußert, so wird im Kaufpreis der - geminderte - Wert des Grund und Bodens und zusätzlich der - früher nicht vorhandene - Wert der Milchreferenzmenge vergütet. Zur Berechnung des Veräußerungsergebnisses ist vom erhaltenen Kaufpreis der Buchwert der abgegebenen Wirtschaftsgüter, also auch des Grund und Bodens und der Milchreferenzmenge, abzusetzen. Auf das Ergebnis hat keinen Einfluss, ob der Grund und Boden auch nach Einführung der Milchreferenzmenge mit unveränderten Anschaffungskosten bilanziert wird oder ob diese teilweise auf das neu entstandene immaterielle Wirtschaftsgut Milchreferenzmenge übertragen wurden.

2. Nach Meinung des FG ist dies aber anders, wenn der Grund und Boden nicht mit effektiven Anschaffungskosten, sondern entsprechend § 55 Abs. 1 EStG mit dem Doppelten des sich aus § 55 Abs. 2 bis 4 EStG ergebenden Ausgangswerts angesetzt war. Alsdann sei der Kaufpreis auf die Wirtschaftsgüter Grund und Boden sowie Milchreferenzmenge aufzuteilen. Wenn der auf Grund und Boden entfallende Kaufpreisanteil unter dem Buchwert liege, müsse dieser Verlust nach § 55 Abs. 6 Satz 1 EStG außer Betracht bleiben; andererseits sei der auf die Referenzmenge entfallende Kaufpreisanteil in voller Höhe zu erfassen, weil ihm keine Anschaffungskosten des immateriellen Wirtschaftsguts gegenüberständen.

Dieses Ergebnis kann nicht zutreffen; die Einführung der Milchreferenzmenge würde dann nämlich zu einer steuerlichen Benachteiligung der Land- und Forstwirte geführt haben, die sich vorliegend im Veräußerungs- oder Aufgabefall zeigt. Wäre ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb vor Einführung der Referenzmenge zu Buchwerten der Wirtschaftsgüter veräußert worden, hätte sich kein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn ergeben. Das Inkrafttreten der Verordnung vom 25. Mai 1984 kann nicht dazu führen, dass unter sonst gleichen Umständen ein Veräußerungsgewinn entsteht, weil der Kaufpreis nunmehr auf Grund und Boden sowie die Milchreferenzmenge verteilt werden muss und der jetzt beim Grund und Boden entstehende Verlust außer Betracht bleibt, der in gleicher Höhe bei der Milchreferenzmenge entstehende Gewinn aber steuerlich erfasst wird. Ein solches Ergebnis ist mit Sinn und Zweck des § 55 Abs. 6 EStG nicht vereinbar.

3. Der nach § 55 Abs. 1 EStG maßgebende doppelte Ausgangswert ist, wie sich insbesondere aus § 55 Abs. 2 Nr. 1 EStG ergibt, unter Berücksichtigung der Ertragsbedingungen der landwirtschaftlichen Flächen ermittelt worden; insbesondere für Grünlandflächen hatte die Möglichkeit der Milcherzeugung Einfluss auf die Höhe des Ausgangswerts. In § 55 EStG ist keine Vorsorge dafür getroffen, dass der Wert des Grund und Bodens vom Gesetzgeber nachträglich durch Einführung der Milchreferenzmenge gemindert wurde und sich danach auch ein geringerer Ausgangsbetrag ergeben hätte. Bei der Einführung des in § 55 Abs. 6 EStG vorgesehenen Verlustabzugsverbots ist der Gesetzgeber notwendig noch davon ausgegangen, dass sich die Möglichkeit der Milcherzeugung wie im Ausgangswert, so auch im Kaufpreis für den Grund und Boden niederschlägt.

Da dies nach Einführung der Milchreferenzmenge nicht mehr gewährleistet ist, enthält § 55 Abs. 6 EStG nunmehr eine (verdeckte) Regelungslücke. Es handelt sich nicht um eine Härte, die der Gesetzgeber bei Einführung der Pauschalierung im Jahre 1971 in Kauf genommen hätte; seinerzeit war die Einführung eines Milchanlieferungsrechts nicht vorauszusehen. Die Regelungslücke muss im Sinne des Gesetzgebers entsprechend dem Zweck des § 55 Abs. 6 EStG geschlossen werden. Danach kann, wer Grund und Boden samt der zugehörigen Milchreferenzmenge veräußert, steuerlich nicht schlechter gestellt sein als vor Einführung der Milchreferenzmenge. Dies gebietet im Streitfall, die auf den Grund und Boden und die Referenzmenge entfallenden Werte zusammenzuzählen und den gewonnenen Betrag dem doppelten Ausgangswert des § 55 Abs. 1 EStG gegenüberzustellen. Ergibt sich dabei ein Verlust, muss er nach § 55 Abs. 6 EStG bei der Ermittlung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns außer Betracht bleiben.

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, wie bei der gesonderten Veräußerung von Grund und Boden bzw. der Milchreferenzmenge außerhalb einer Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung zu verfahren wäre. Hierbei bietet sich an, die bisher angesetzten Anschaffungskosten des Grund und Bodens, auch des doppelten Ausgangswerts, nach Einführung der Milchreferenzmenge im Verhältnis der nunmehr bestehenden Teilwerte beider Wirtschaftsgüter aufzuteilen und das Verlustabzugsverbot nicht nur hinsichtlich des verbleibenden Ansatzes beim Grund und Boden, sondern auch hinsichtlich des auf die Milchreferenzmenge übertragenen Betrages wirksam werden zu lassen. Im Interesse einer umfassenden Regelung erscheinen insoweit Maßnahmen des Steuergesetzgebers angezeigt, weil bei einer unveränderten Anwendung von § 55 Abs. 6 EStG die Maßnahmen des Verordnungsgebers zur Milchreferenzmenge unbemerkt zu einer steuerlichen Mehrbelastung der landwirtschaftlichen Betriebe führen würden. Dem ist im Streitfall nicht vorzugreifen.

4. Die Sache ist nicht spruchreif und wird an das FG zurückverwiesen, damit dieses den Umfang und den gemeinen Wert des entnommenen Grund und Bodens und den gemeinen Wert der Milchreferenzmenge endgültig feststellt und die Summe beider Werte mit dem doppelten Ausgangswert des Grund und Bodens vergleicht. Ein sich danach ergebender Verlust müsste außer Betracht bleiben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 143 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung.