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  BFH-Urteil vom 14.5.2002 (IX R 33/00) BStBl. 2003 II S. 236

Eine Kinderzulage ist auch dann zu gewähren, wenn im ersten Jahr des Förderzeitraums nur für einzelne Monate vor Beginn der Nutzung der geförderten Wohnung ein Anspruch auf Kinderfreibeträge oder Kindergeld besteht.

EigZulG § 9 Abs. 5 Sätze 1 und 2, § 11 Abs. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG Berlin vom 11. Oktober 1999 8 K 8373/99 (EFG 2000, 611)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bezog zusammen mit ihrem Ehemann und den drei gemeinsamen Kindern am 10. Dezember 1998 ein Einfamilienhaus in Berlin. Sie erhielt im Kalenderjahr 1998 für ihre Kinder J und B ohne Unterbrechung Kindergeld. Für den Sohn M bezog sie nur bis einschließlich September 1998 Kindergeld, da dieser ab dem 7. September 1998 Zivildienst leistete. Der Sohn M wohnte während der gesamten Zivildienstzeit mit der Klägerin in häuslicher Gemeinschaft.

Die Klägerin beantragte für das Einfamilienhaus in Berlin Eigenheimzulage ab 1998 sowie Kinderzulage für ihre drei Kinder, die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) antragsgemäß neben der Grundförderung gewährte. Im Änderungsbescheid vom 22. April 1999 setzte das FA neben der Grundförderung nur noch Kinderzulage für zwei Kinder fest. Zur Begründung führte das FA aus, dass zum Zeitpunkt des Nutzungsbeginns am 10. Dezember 1998 nur noch für zwei Kinder Kindergeld gezahlt worden sei. Eine Berücksichtigung des Sohnes M, für den lediglich bis einschließlich September 1998 Kindergeld bezogen worden sei, sei nicht möglich.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinen in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 611 veröffentlichten Urteil vom 11. Oktober 1999 8 K 8373/99 die Ansicht, § 9 Abs. 5 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) sei nicht einschränkend dahin auszulegen, dass eine Kinderzulage nur für solche Kinder zu gewähren sei, für die im Monat des Einzugs Kindergeld gewährt werde.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG ist zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin Kinderzulage für drei Kinder beanspruchen kann.

1. Nach § 9 Abs. 5 Sätze 1 und 2 EigZulG setzt die Gewährung einer Kinderzulage u.a. voraus, dass der Anspruchsberechtigte oder sein Ehegatte im jeweiligen Kalenderjahr des Förderzeitraums einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält. Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben, da nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG die Klägerin für ihren Sohn M im Zeitraum von Januar bis September 1998 Kindergeld bezogen hat.

a) Nach dem Wortlaut der Regelung in § 9 Abs. 5 Satz 1 EigZulG ist die Kinderzulage bereits dann in voller Höhe zu gewähren, wenn der Anspruchsberechtigte oder sein Ehegatte für zumindest einen Monat des in Frage stehenden Jahres des Förderzeitraums einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält. Dies gilt auch dann, wenn dem Anspruchsberechtigten im Erstjahr der Förderung nur für einen oder einzelne Monate vor Beginn der Nutzung der geförderten Wohnung ein Anspruch auf Kinderfreibeträge oder Kindergeld zusteht (ebenso Wacker, Eigenheimzulagengesetz, 3. Aufl. 2001, § 9 Rz. 129; a.A. Blümich/Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 9 EigZulG Rz. 52; Boeker in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 9 EigZulG Anm. 57; Stuhrmann in Bordewin/Brandt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 9 EigZulG Rz. 14).

b) Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung des FA nicht aus der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 EigZulG, nach der für die Zahl der Kinder nach § 9 Abs. 5 Satz 1 und 2 EigZulG die Verhältnisse bei Beginn der Nutzung der geförderten Wohnung zu eigenen Wohnzwecken maßgeblich sind. Wie der Senat in seinem Urteil vom 13. September 2001 IX R 15/99 (BFHE 197, 35) entschieden hat, fordert § 11 Abs. 1 Satz 2 EigZulG, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Nutzung der Eigentumswohnung beginnt, die Bedingungen für die Inanspruchnahme der Kinderzulage gegeben sein müssen. Da der Förderzeitraum nach § 3 EigZulG das gesamte Jahr der Anschaffung oder Herstellung des Förderobjekts umfasst, lässt es der Wortlaut der Regelung in § 9 Abs. 5 Satz 1 EigZulG, wie aus der Formulierung "im jeweiligen Kalenderjahr" zu entnehmen ist, für den Anspruch auf Kinderzulage aber genügen, dass der Anspruchsberechtigte (oder sein Ehegatte) zu irgendeinem Zeitpunkt in dem betreffenden Jahr des Förderzeitraums - auch vor Beginn der Selbstnutzung - einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält.

c) Dieser Auslegung steht auch nicht der Wille des Gesetzgebers entgegen; wie den Materialien zum Gesetzentwurf des Eigenheimzulagengesetzes zu entnehmen ist, hat der Gesetzgeber - über den Wortlaut der gesetzlichen Regelung hinaus - die Inanspruchnahme einer Kinderzulage selbst dann für möglich gehalten, wenn der Anspruchsberechtigte wegen des länger als ein Jahr dauernden Zivildienstes für das Kind ausnahmsweise in einem Jahr überhaupt keinen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält (BTDrucks 13/2235, S. 16).

2. Die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung der Kinderzulage sind, wie das FG festgestellt hat, ebenfalls erfüllt. Insbesondere ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass das Kind M für die Dauer des Zivildienstes zum Haushalt der Klägerin gehört hat.