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  BFH-Urteil vom 16.1.2003 (V R 16/02) BStBl. 2003 II S. 445

1. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

2. Die sog. Garantieleistung eines Autoverkäufers, durch die

- der Käufer eines Neuwagens gegen Zahlung eines Aufpreises nach Ablauf der Werksgarantie zwei Jahre lang Reparaturansprüche gegenüber dem Verkäufer und Reparaturkostenersatzansprüche gegenüber einem Versicherer hat,

oder

- der Käufer eines Gebrauchtwagens zusätzlich zu eventuellen Gewährleistungsansprüchen aus dem Kauf gegen Zahlung eines Aufpreises weitere Reparaturansprüche gegenüber dem Verkäufer und Reparaturkostenersatzansprüche gegenüber einem Versicherer erhält,

ist keine unselbständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung; sie ist eine eigenständige, nach § 4 Nr. 8 Buchst. g und/oder nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG steuerfreie Leistung.

UStG 1993 § 4 Nr. 8 Buchst. g, § 4 Nr. 10 Buchst. b.

Vorinstanz: FG des Landes Brandenburg vom 25. Februar 2002 1 K 767/00 (EFG 2002, 642)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt ein Autohaus. Er veräußert sowohl Neu- als auch Gebrauchtwagen. Die Gebrauchtwagenverkäufe versteuerte der Kläger im Streitjahr 1997 nach § 25a des Umsatzsteuergesetzes 1993 - UStG - (Differenzbesteuerung). Beim Abschluss eines Kaufvertrages bot er den Käufern eine mit ihm abzuschließende Garantievereinbarung an, die durch einen zwischen ihm, dem Kläger, und der CG Car-Garantie Versicherungs-AG (CG) abgeschlossenen Versicherungsvertrag versichert und 24 Monate gültig war. Die Garantievereinbarung begann beim Erwerb eines Gebrauchtwagens sofort und beim Kauf eines Neuwagens nach Ablauf der einjährigen Werksgarantie. Nach § 1 der der Garantievereinbarung zugrunde liegenden Garantiebedingungen B 196 gibt der Verkäufer (Garantiegeber) dem Käufer (Garantienehmer) eine Garantie, die die Funktionsfähigkeit der in § 2 der Garantiebedingungen genannten Bauteile für die vereinbarte Laufzeit umfasst. Sofern eines der genannten Bauteile innerhalb der Garantielaufzeit unmittelbar und nicht in Folge eines Fehlers nicht garantierter Bauteile seine Funktionsfähigkeit verliert, hat der Käufer (Garantienehmer) nach § 1 Abs. 2 der Garantiebedingungen einen Anspruch auf eine dadurch erforderliche fachgerechte Reparatur durch Ersatz oder Instandsetzung des Bauteils. Aus § 6 Abs. 1 der Garantiebedingungen ergibt sich, dass der Käufer (Garantienehmer) die Reparatur sowohl beim Verkäufer (Garantiegeber) als auch bei einer anderen vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen lassen kann. Lässt der Käufer die Arbeiten in der Werkstatt des Verkäufers, hier des Klägers, ausführen, so rechnet dieser nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) die Reparatur nicht gegenüber dem Kunden ab, sondern gegenüber der CG. Lässt der Käufer die Arbeiten in einer sonstigen, nicht in die Garantievereinbarung einbezogenen Vertragswerkstatt durchführen, so rechnet diese ihre Arbeiten regelmäßig ebenfalls unmittelbar mit der CG ab, ohne dazu jedoch verpflichtet zu sein. Sofern die Abrechnung - wie etwa bei Reparaturleistungen im Ausland - unmittelbar gegenüber dem Kunden erfolgt, steht diesem ein Ausgleichsanspruch gegenüber der CG zu (vgl. § 4 Abs. 3 der Garantiebedingungen). Beim Abschluss einer Garantievereinbarung übermittelte der Verkäufer, hier der Kläger, die Daten des jeweiligen Kunden an die CG. Die Prämien für die abgeschlossenen Garantievereinbarungen berechnet er den Kunden mit den jeweiligen Fahrzeugrechnungen gesondert und ohne Umsatzsteuer.

Im Oktober 1999 reichte der Kläger eine korrigierte Umsatzsteuererklärung 1997 ein, in der er eine festzusetzende Umsatzsteuer in Höhe von 156.942,42 DM errechnete. Er gab an, dass die ursprünglich eingereichte Umsatzsteuererklärung 1997 deswegen zu korrigieren sei, weil die Prämien für die Abschlüsse der Garantievereinbarungen nach einer Entscheidung des FG Nürnberg vom 30. März 1998 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1998, 1292) umsatzsteuerfrei seien.

Durch Bescheid vom 26. Oktober 1999 verweigerte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Zustimmung zu der korrigierten Umsatzsteuererklärung und verwies darauf, dass die abgeschlossenen Garantievereinbarungen unselbständige Nebenleistungen zu den Hauptleistungen der Kfz-Verkäufe darstellten und demnach deren Schicksal teilten. Eine Steuerfreiheit scheide damit aus.

Das FG gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Es meinte, im Streitfall setze sich die Garantievereinbarung zum einen aus der Gewährung einer Eigengarantie und zum anderen aus der Verschaffung von Versicherungsschutz zusammen. Die Garantieleistung sei demnach nach § 4 Nr. 10 Buchst. b und § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei. Sie sei keine bloße Nebenleistung zur steuerpflichtigen Lieferung der Gebraucht- und Neuwagen (vgl. EFG 2002, 642).

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts; es hält die Garantieleistung des Klägers nach wie vor für eine steuerpflichtige Nebenleistung zum Verkauf der Kraftfahrzeuge.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG ist die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze steuerfrei. Nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG sind die Leistungen, die darin bestehen, dass anderen Personen Versicherungsschutz verschafft wird, steuerfrei.

Ein steuerfreier Umsatz durch Übernahme einer Sicherheit i.S. von § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG ist gegeben, wenn eine Garantie dafür übernommen wird, dass ein bestimmter, tatsächlich oder rechtlich möglicher Erfolg eintritt oder dass sich die Gefahr eines künftigen Schadens nicht verwirklicht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Dezember 1989 V R 125/84, BFHE 159, 277, BStBl II 1990, 401; vom 22. Oktober 1992 V R 53/89, BFHE 169, 551, BStBl II 1993, 318).

Die Verschaffung von Versicherungsschutz i.S. von § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG liegt vor, wenn der Unternehmer mit einem Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag zugunsten eines Dritten abschließt (BFH-Urteil vom 9. Oktober 2002 V R 67/01, BFH/NV 2003, 130, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2002, 2169).

Das FG hat den Sachverhalt dahin gewürdigt, dass der Kläger den Käufern der Autos einen unmittelbaren Anspruch gegen die CG auf Ersatz der in einer Fremdwerkstatt angefallenen Reparaturkosten und insoweit Versicherungsschutz i.S. von § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG verschafft hat, und dass eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfreie Übernahme einer Sicherheit vorliegt, soweit der Kläger sich verpflichtet hat, die von den Garantiebedingungen erfassten Reparaturen selbst vorzunehmen. Diese Sachverhaltswürdigung steht nicht im Widerspruch zum Urteil des Senats in DStR 2002, 2169, in dem der Senat die Steuerfreiheit der "Car-Garantie" für die Jahre 1991 bis 1995 ausschließlich auf die Vorschrift des § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG gestützt hat. Die im vorliegenden Streitjahr 1997 geltenden Garantiebedingungen sehen nämlich nicht mehr vor, dass die "Ansprüche aus der geleisteten Garantie ... vom Käufer (Garantienehmer) ausschließlich und unmittelbar gegenüber der CG geltend zu machen" sind. Nach den im Streitjahr geltenden Garantiebedingungen war die CG nur noch wegen der Fremdreparaturkosten "vorrangig" in Anspruch zu nehmen (§ 6 Abs. 3 der Garantiebedingungen). Der Senat braucht der Sache aber nicht weiter nachzugehen, da die Garantieleistungen des Klägers jedenfalls nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG und/oder nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG steuerfrei waren.

2. Das FG hat auch zu Recht keine unselbständige Nebenleistung zur Veräußerung der Neu- und Gebrauchtwagen angenommen.

Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen; entscheidend ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96, CPP, Slg. 1999, I-973; BFH-Urteile vom 31. Mai 2001 V R 97/98, BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658, und in DStR 2002, 2169).

Die Garantieleistung des Verkäufers hat neben der Fahrzeuglieferung einen eigenen Zweck; sie hat ähnlich wie eine Kaskoversicherung den Zweck, das erworbene Fahrzeug gegen Schäden zu versichern. Sie stellt nicht (lediglich) das Mittel dar, um die Hauptleistung des Leistenden - die Fahrzeuglieferung - unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

Dem entspricht auch die Sicht des Durchschnittsverbrauchers. Beim Kauf eines Neuwagens macht es für ihn einen Unterschied, ob er lediglich einen Neuwagen mit einjähriger Werksgarantie kauft, oder ob er gegen Zahlung eines Aufpreises noch nach Ablauf der Werksgarantie zwei Jahre lang Reparaturansprüche gegenüber dem Verkäufer und Reparaturkostenersatzansprüche gegenüber einem Versicherer erhält. Beim Kauf eines Gebrauchtwagens macht es für den Durchschnittsverbraucher einen Unterschied, ob er lediglich einen Gebrauchtwagen kauft und dabei allenfalls Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Verkäufer erhält, oder ob er zusätzlich zum Kaufpreis noch eine Zahlung für weitere Reparaturansprüche gegenüber dem Verkäufer und den Erwerb von Reparaturkostenersatzansprüchen gegenüber einem Versicherer leistet.

Das unterstreichen auch die Feststellungen des FG. Das Garantieentgelt war so hoch, dass weniger als 10 % der Fahrzeugkäufer die Garantieleistung in Anspruch genommen haben. Der bloße Umstand, dass die Garantieleistung den Verkauf eines Fahrzeugs voraussetzte, reicht für die Annahme einer unselbständigen Nebenleistung nicht aus.