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  BFH-Urteil vom 8.8.2001 (I R 106/99) BStBl. 2003 II S. 487

Tätigt eine Kapitalgesellschaft Risikogeschäfte (Devisentermingeschäfte), so rechtfertigt dies im Allgemeinen nicht die Annahme, die Geschäfte würden im privaten Interesse des (beherrschenden) Gesellschafters ausgeübt. Die Gesellschaft ist grundsätzlich darin frei, solche Geschäfte und die damit verbundenen Chancen, zugleich aber auch Verlustgefahren wahrzunehmen (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 8. Juli 1998 I R 123/97, BFHE 186, 540, und vom BMF-Schreiben vom 19. Dezember 1996, BStBl I 1997, 112)

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 2000, 36)

Sachverhalt

I.

Die 1976 gegründete Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt einen Handel mit Werkzeugmaschinen nebst allen damit zusammenhängenden sonstigen Tätigkeiten, im Wesentlichen auch mit ausländischen Kunden. Ihr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer (K) ist von Beruf Werkzeugmacher. In den von der Klägerin erklärten Steuerbilanzgewinnen und -verlusten sind Verluste aus Devisentermingeschäften enthalten, im Einzelnen: 2.417.034,12 DM in 1990 (Streitjahr), 304.525,62 DM in 1991, 1.036.804,77 DM in 1992 und 1.391.651,86 DM in 1993.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte die aus den Devisentermingeschäften erlittenen Verluste nicht als Betriebsausgaben an. K habe die Geschäfte in seinem privaten Interesse durchgeführt, weshalb die jeweiligen Verlustübernahmen durch die Klägerin als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu behandeln seien. Dementsprechend wurde der Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr geändert.

Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 36 veröffentlicht.

Dagegen richtet sich die Revision, mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1990 unter Änderung der angefochtenen Bescheide dahin zu ändern, dass die Verluste aus den Devisentermingeschäften mit 2.417.034,12 DM anerkannt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweitigen Steuerfestsetzung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat die Verluste aus den in Rede stehenden Devisentermingeschäften zu Unrecht als vGA behandelt.

1. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteile vom 4. Dezember 1996 I R 54/95, BFHE 182, 123; vom 8. Juli 1998 I R 123/97, BFHE 186, 540) verfügen Kapitalgesellschaften steuerlich gesehen über keine außerbetriebliche Sphäre. Aufgrund dessen gehören die von der Klägerin ausgeübten Devisentermingeschäfte zum Betriebsvermögen und stellen die von ihr hieraus erlittenen Verluste ebenso wie die Kursverluste Betriebsausgaben dar; bei den Kursgewinnen handelt es sich um Betriebseinnahmen. Dass der Veranlassungszusammenhang zwischen den Aufwendungen und den Einnahmen einerseits und dem eigentlichen Unternehmensgegenstand der Klägerin andererseits nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ein entfernter ist, steht dem ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass K als "gelernter" Werkzeugmacher zur Durchführung von Devisentermingeschäften nicht hinreichend befähigt gewesen sein soll. Die insoweit vom FG herangezogene Rechtsprechung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhof - BFH - vom 20. April 1999 VIII R 63/96, BFHE 188, 358, BStBl II 1999, 466) zur Zuordnung solcher Devisentermingeschäfte zum gewillkürten Betriebsvermögen einer Personengesellschaft ist nicht einschlägig.

2. Das schließt allerdings nicht aus, dass die Übernahme der Verluste aus den geschilderten Geschäften durch die Klägerin als vGA (§ 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -) angesehen werden könnte.

Unterhält eine Kapitalgesellschaft nur im Interesse eines oder mehrerer Gesellschafter ein Wirtschaftsgut, tätigt sie aus diesem Grunde Geschäfte und entstehen ihr nur aus diesem Anlass Verluste, ohne dass sich der oder die Gesellschafter zu einem Verlustausgleich zuzüglich der Zahlung eines angemessenen Gewinnaufschlags verpflichtet haben, so ist in dem Verzicht auf die Vereinbarung eines Aufwendungsersatzanspruchs in Höhe des im jeweiligen Veranlagungszeitraum angefallenen Verlustes zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags eine vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und eine andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG anzunehmen. Gleichermaßen ist im Grundsatz zu verfahren, wenn sich die getätigten Geschäfte nicht nur auf einzelne Vorfälle beziehen, sondern den gesamten Betrieb oder einzelne selbständige Tätigkeitsbereiche des Betriebs betreffen (z.B. BFH-Urteil vom 25. Juni 1996 VIII R 28/94, BFHE 181, 133, BStBl II 1997, 202; Senatsurteil in BFHE 186, 540). Unter Berücksichtigung des Verhaltens eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters liegt dann regelmäßig eine verhinderte Vermögensmehrung vor. Ein solcher würde für die Kapitalgesellschaft eine Verlusttätigkeit nicht ohne Verlustausgleich und ohne die Vereinbarung eines Aufwendungsersatzes zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags übernehmen (vgl. Senatsurteile vom 19. März 1975 I R 137/73, BFHE 116, 12, BStBl II 1975, 722; vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479; in BFHE 182, 123; in BFHE 186, 540). Evtl. Einnahmen oder sonstige Vorteile, die die Kapitalgesellschaft aus der Verlusttätigkeit erzielt, können die vGA mindern.

3. Von diesen Grundsätzen ist aber nicht von vornherein auszugehen, wenn die Kapitalgesellschaft sich entschließt, risikobehaftete Termingeschäfte zu tätigen. Es ist Sache der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung, solche Geschäfte und die damit verbundenen Chancen, zugleich aber auch Verlustgefahren wahrzunehmen (Senatsurteile in BFHE 186, 540, und vom 14. September 1994 I R 6/94, BFHE 175, 412, BStBl II 1997, 89; vgl. auch BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 IV R 67/95, BFH/NV 1997, 114; vom 5. März 1981 IV R 94/78, BFHE 133, 379, BStBl II 1981, 658, jeweils m.w.N.; Wassermeyer, Finanz-Rundschau - FR - 1997, 563; Paus, FR 1997, 565; Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, Anhang vGA zu § 8 Rz. 179 und Rz. 302 Stichwort Risikogeschäfte; insoweit auch die Finanzverwaltung, vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 19. Dezember 1996, BStBl I 1997, 112). Selbst wenn sich eine entsprechende Risiko- und Spekulationsbereitschaft mit den Absichten des Gesellschafter-Geschäftsführers decken sollte, so ändert sich daran prinzipiell nichts. Es kommt gleichermaßen nicht darauf an, ob die Durchführung der Geschäfte "nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft völlig unüblich" oder "mit hohen Risiken verbunden" ist (so aber BMF-Schreiben in BStBl I 1997, 112, unter 2.).

Ziel des Tatbestandes der vGA ist die Abgrenzung zur Gesellschaftersphäre, nicht die Vermeidung betrieblicher Risiken (so zutreffend Frotscher, a.a.O.). Die Übernahme der Risiken wird sich deswegen allenfalls bei ersichtlich privater Veranlassung als Verlustverlagerung zuungunsten der Gesellschaft darstellen, beispielsweise dann, wenn die Gesellschaft sich verpflichtet, Spekulationsverluste zu tragen, Spekulationsgewinne aber an den Gesellschafter abzuführen, oder wenn sie sich erst zu einem Zeitpunkt zur Übernahme der in Rede stehenden Geschäfte entschließt, in dem sich die dauerhafte Verlustsituation bereits konkret abzeichnet. Entsprechendes mag gelten, wenn die Gesellschaft nur aus Gründen der Verlustübernahme oder ausschließlich zur Befriedigung einer Spielleidenschaft des Gesellschafters errichtet wird (vgl. Senatsurteile in BFHE 186, 540; in BFH/NV 1997, 114, m.w.N.; Wassermeyer, FR 1997, 563; Frotscher, a.a.O.). Die Abgrenzung kann unter Umständen schwierig sein, weil die Kapitalgesellschaft als juristische Person keine eigenen Interessen verfolgt, sondern "ihre" Interessen von den hinter ihr stehenden Gesellschaftern vorgegeben erhält. Dennoch ist es in den genannten Fällen grundsätzlich möglich, steuerrechtlich das Entstehen von Gesellschaftsverlusten im persönlichen Interesse eines Gesellschafters diesem als vGA zuzuordnen.

4. Eine solche Zuordnung wird im Streitfall von den festgestellten tatsächlichen Geschehensabläufen, die den Senat binden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO), nicht getragen. Der entgegenstehenden Beurteilung des FG kann nicht beigepflichtet werden.

a) Zwar sind Termingeschäfte spekulative Geschäfte, die vorwiegend im privaten Bereich getätigt werden (Senatsurteil in BFHE 186, 540; BFH-Urteil in 188, 358, BStBl II 1999, 466, m.w.N.). Tätigt eine Kapitalgesellschaft derartige Geschäfte, muss festgestellt werden, ob dadurch in erster Linie private Neigungen und Interessen der Gesellschafter befriedigt werden. Die dazu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen decken sich weitgehend mit jenen, die im Rahmen der Prüfung zu treffen sind, ob der Steuerpflichtige mit Gewinnerzielungsabsicht oder aber im Rahmen einer sog. Liebhaberei tätig wird (Senatsurteil in BFHE 186, 540).

Im Streitfall ist die Vorinstanz zu der Überzeugung gelangt, dass K die in Rede stehenden Geschäfte im rein privaten Eigeninteresse auf die Klägerin übertragen habe, um auf diese Weise die erlittenen Verluste auf diese zu verlagern. So, wie K die Geschäfte betrieben habe, wären sie bei einer Privatperson "zweifelsfrei als Liebhaberei zu werten", was Rückschlüsse auf die private Veranlassung zugunsten des K und damit auf eine vGA erlaube.

b) Diese Folgerung ist indes im Streitfall nicht gerechtfertigt.

aa) Die Devisentermingeschäfte wurden zunächst von 1990 bis 1993 und sodann - nach einer zweijährigen Unterbrechung - für weitere 21/2 Jahre durchgeführt. Die ersten vier und die letzten beiden Jahre der Geschäftstätigkeit schlossen zwar mit Gesamtverlusten ab, im fünften Jahr wurden indes Gewinne erzielt und auch innerhalb der anderen Jahre wechselten sich die Verluste mit Gewinnen aus diesen Geschäften ab. In Anbetracht dessen besteht für den Rückschluss darauf, dass kein Totalgewinn, vielmehr unabhängig von Gewinn oder Verlust die Befriedigung der persönlichen Neigungen von K angestrebt worden wäre, kein Grund. Andernfalls ließe sich bei Risikogeschäften eine Gewinnerzielungsabsicht und eine gewerbliche Tätigkeit immer nur dann annehmen, wenn die Geschäfte durchweg erfolgreich sind; Verluste dürften - dem Charakter der Risikogeschäfte zuwiderlaufend - so gut wie niemals erzielt werden.

bb) Für eine vornehmlich private Veranlassung der Geschäfte lässt sich ebenso wenig die Art und Weise anführen, in denen sie getätigt und verbucht worden sind.

Dabei versteht der Senat die tatrichterlichen Feststellungen (insbesondere jene auf den Seiten 4 bis 6 des angefochtenen Urteils) so, dass die Aufträge zur Durchführung der Geschäfte gegenüber den Kreditinstituten durch K durchweg in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Klägerin und in deren Namen erteilt wurden. Sie sind sonach der Klägerin, nicht aber K persönlich steuerlich zuzurechnen (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Soweit es abweichend hiervon bis Mitte 1990 zu Aufträgen unter dem Namen des K kam, ist dessen - von dem seinerzeit beauftragten Kreditinstitut, der Bezirkssparkasse, bestätigte - Darstellung, gleichwohl für die Klägerin gehandelt zu haben, nicht widerlegt worden; auch das FG hat diese Darstellung nicht als unglaubhaft oder unrichtig bezeichnet.

Dementsprechend kann auch dem Umstand, dass die ersten drei im Streitjahr vorgenommenen Geschäftsvorfälle, die sämtlich zu Gewinnen von insgesamt rund 104.100 DM geführt haben, zunächst auf dem Privatkonto des K verbucht worden sind, keine Bedeutung beigemessen werden: Nach dem - in den Akten befindlichen, im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegebenen und ebenfalls nicht widerlegten - Schreiben der Bezirkssparkasse ist dies unbeeinflusst von K aufgrund einer unrichtigen Annahme der Sparkasse geschehen. Dafür spricht, dass K diese Verbuchungen von sich aus im Laufe des Jahres richtiggestellt hat und dass die Kontrakte, soweit sie über andere Geschäftsbanken abgewickelt wurden, unter dem Namen der Klägerin getätigt worden sind. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Richtigstellungen erst erfolgt wären, nachdem sich (Gesamt-)Verluste abzeichneten. Im Laufe des Streitjahres sind zwischenzeitlich noch andere Gewinne aus den Termingeschäften erzielt worden; zu saldierten Gesamtverlusten kam es erst in der zweiten Jahreshälfte vom August an. Aber selbst, wenn man unterstellt, dass K die Verlustrisiken auf die Klägerin habe übertragen wollen, so hätte er jedenfalls auch die damit verbundenen Gewinnchancen an diese weitergegeben. Unabhängig davon wären irrtümliche Fehlbuchungen ohnehin nicht geeignet, eine vGA nach sich zu ziehen (vgl. Senatsurteil vom 24. März 1998 I R 88/97, BFH/NV 1998, 1374). Infolgedessen ist es auch unbeachtlich, dass eine Gewinnbuchung - jene vom 8. Mai 1990 über 138.500 DM - nicht unmittelbar und zeitnah, sondern erst am Jahresende erfolgt ist.

cc) Für die Annahme einer privat betriebenen "Liebhaberei" des K spricht schließlich auch nicht die Größenordnung der getätigten Geschäfte. In welchem Umfang eine Kapitalgesellschaft sich - gemessen an ihrem eigentlichen Unternehmensgegenstand und den daraus erwirtschafteten Erlösen - zur Durchführung von Devisentermingeschäften entschließt, ist allein dieser und den für sie handelnden Personen zu überlassen. Es ist nicht Aufgabe der steuerrechtlichen Beurteilung, die Qualität unternehmerischer Entscheidungen abzuschätzen und ggf. im Ergebnis als unrichtig einzuschätzende Entscheidungen als private Liebhabereigeschäfte zu behandeln.

5. Die Vorinstanz hat eine abweichende Auffassung vertreten. Ihr Urteil war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid ist antragsgemäß zu ändern. Die Ermittlung und Berechnung des festzusetzenden Steuerbetrages wird dem FA nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung überlassen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).