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  BFH-Beschluss vom 13.11.2002 (I B 147/02) BStBl. 2003 II S. 716

1. Wird Bauabzugsteuer an das FA abgeführt, nachdem über das Vermögen des leistenden Bauunternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, so kann das FA den abgeführten Betrag nicht außerhalb des Insolvenzverfahrens vereinnahmen. Vielmehr steht dem Steuergläubiger auch in diesem Fall für seinen Steueranspruch gegenüber dem Bauunternehmer nur die nach Insolvenzrecht zu ermittelnde Verteilungsquote zu.

2. Ist über das Vermögen eines Bauunternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet worden, so darf dem Insolvenzverwalter eine Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b EStG regelmäßig nicht versagt werden.

3. Eine Regelungsanordnung i.S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann erlassen werden, wenn zwar nicht die Existenz des Antragstellers von der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abhängt, aber die Rechtslage klar und eindeutig für die begehrte Regelung spricht und eine abweichende Beurteilung in einem etwa durchzuführenden Hauptverfahren zweifelsfrei auszuschließen ist. In diesem Fall steht auch der Gesichtspunkt einer Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entgegen.

EStG § 48, § 48a, § 48b; FGO § 114 Abs. 1 Satz 2; InsO § 81, § 91, §§ 129 ff.

Vorinstanz: FG Berlin vom 19. Juli 2002 3 B 4195/02 (EFG 2002, 1066)

Sachverhalt

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der R-GmbH. Das Insolvenzverfahren wurde am 1. Januar 2002 eröffnet, nachdem die R-GmbH am 1. September 2001 ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hatte. Die R-GmbH hat nach Aktenlage Steuerschulden in Höhe von ca. 655.000 €, wovon 61.846 € auf Lohnsteuer entfallen.

Der Antragsteller realisiert im Rahmen des Insolvenzverfahrens u.a. rückständige Forderungen der R-GmbH aus früheren Aufträgen. In diesem Zusammenhang beantragte er die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) lehnte den Antrag unter Hinweis auf die Einstellung des Geschäftsbetriebs der R-GmbH ab. Ein beim Finanzgericht (FG) gestellter Antrag, dem FA im Wege der einstweiligen Anordnung die Erteilung der Freistellungsbescheinigung aufzugeben, hatte keinen Erfolg.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das FA durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin unverzüglich eine auf zwölf Monate befristete Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b EStG zu erteilen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist begründet. Der Antragsgegner hat einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Freistellungsbescheinigung. Die Verwirklichung dieses Anspruchs ist eilbedürftig, so dass es im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten ist, das FA im Wege der einstweiligen Anordnung zur Erteilung der Freistellungsbescheinigung zu verpflichten.

1. Nach § 114 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Um eine solche Regelungsanordnung geht es, wenn der Antragsteller auf dem Weg über eine einstweilige Anordnung die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung erreichen will (Senatsbeschluss vom 27. Juli 1994 I B 246/93, BFHE 175, 205, BStBl II 1994, 899, 900). So liegen die Dinge im Streitfall.

2. Der für eine Eilentscheidung notwendige Anordnungsanspruch des Antragstellers ergibt sich aus § 48b Abs. 1 EStG. Hiernach hat das FA eine Bescheinigung über die Befreiung vom Steuerabzug gemäß § 48 EStG (Freistellungsbescheinigung) zu erteilen, wenn ein Leistender i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG dies beantragt, der durch den Steuerabzug zu sichernde Steueranspruch nicht gefährdet erscheint und für den Leistenden ein inländischer Empfangsbevollmächtigter bestellt ist. Im Streitfall sind die nach dieser Vorschrift bestehenden Voraussetzungen für die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung erfüllt.

a) Die R-GmbH hat bis zur Einstellung ihres Geschäftsbetriebs im Inland Bauleistungen (§ 48 Abs. 1 Satz 3 EStG) erbracht. Ihre Kunden sind, soweit es sich nicht um Nichtunternehmer oder um Vermieter von bis zu zwei Wohnungen handelte, zur Durchführung des Steuerabzugs i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG verpflichtet. Sie sind jedoch von dieser Verpflichtung befreit, sobald ihnen eine der R-GmbH erteilte Freistellungsbescheinigung nach § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG vorgelegt worden ist (§ 48 Abs. 2 EStG). In diesem Fall müssen sie nicht einen Teil des der Antragstellerin geschuldeten Entgelts einbehalten und an das FA abführen (§ 48a Abs. 1 Satz 2 EStG); ihre Verpflichtungen aus dem Bauleistungsvertrag bestimmen sich vielmehr dann ausschließlich nach den im Einzelfall maßgeblichen Regeln des Zivilrechts. Das wird in der Regel zur Folge haben, dass sie die gesamte geschuldete Gegenleistung an die R-GmbH erbringen müssen.

b) Die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG kann nur auf Antrag des Leistenden erfolgen. Leistender in diesem Sinne ist derjenige, der entweder eine Bauleistung erbringt (§ 48 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder über sie abrechnet (§ 48 Abs. 1 Satz 4 EStG). Soweit hiernach im Streitfall die R-GmbH als Leistende anzusehen ist, konnte der Antrag auf Erteilung der Freistellungsbescheinigung jedoch vom Antragsteller wirksam gestellt werden. Denn gemäß § 80 der Insolvenzordnung (InsO) ist das Recht der R-GmbH, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Antragsteller übergegangen. Der Antragsteller kann nunmehr die der R-GmbH zustehenden Rechte im eigenen Namen geltend machen. Das gilt auch für das Antragsrecht nach § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG.

c) Eine Freistellungsbescheinigung kann nach dem Wortlaut des § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG nur dann erteilt werden, wenn für den Leistenden ein inländischer Empfangsbevollmächtigter bestellt worden ist. Das ist im Streitfall zwar nicht geschehen. Jedoch ist die Bestellung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten nach Sinn und Zweck dieser Voraussetzung nur in denjenigen Fällen erforderlich, in denen der Leistende im Ausland ansässig ist (ebenso Gosch in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 2. Aufl., § 48b Rz. 5). Denn sie soll lediglich gewährleisten, dass es der Behörde ohne Schwierigkeiten möglich ist, die Freistellungsbescheinigung sowie ggf. deren Aufhebung wirksam bekannt- zugeben (Fuhrmann in Korn, Einkommensteuergesetz, § 48b Rz. 5; Drenseck in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 48b Rz. 2). Ist aber der Leistende selbst im Inland ansässig, so kann die Bekanntgabe ihm gegenüber genau so leicht und sicher wie gegenüber einem inländischen Empfangsbevollmächtigten erfolgen. Für die Einschaltung eines solchen besteht deshalb dann keine Notwendigkeit (vgl. Ebling in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 48b EStG Rz. 41).

d) Ferner setzt die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG voraus, dass der durch den Steuerabzug zu sichernde Steueranspruch nicht gefährdet erscheint. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.

aa) Die Gefährdung des Steueranspruchs i.S. des § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG ist im Gesetz nicht definiert. § 48b Abs. 1 Satz 2 EStG enthält lediglich eine beispielhafte Aufzählung von Fallgestaltungen, in denen eine solche Gefährdung in Betracht kommt. Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend; über die im Gesetz selbst genannten Gestaltungen hinaus können auch andere Anzeichen auf eine Gefährdung des zu sichernden Steueranspruchs hindeuten (Bundesministerium der Finanzen - BMF -, Schreiben vom 1. November 2001, BStBl I 2001, 804, Tz. 27; Fuhrmann, a.a.O., § 48b Rz. 7; Ebling, a.a.O., § 48b EStG Rz. 32; Gosch, a.a.O., § 48b Rz. 6). Entscheidend ist, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die Befürchtung gerechtfertigt erscheint, dass die rechtzeitige und vollständige Erfüllung des durch das Abzugsverfahren gesicherten Steueranspruchs durch die Erteilung der Freistellungsbescheinigung gefährdet werden könnte. Besteht eine solche Gefährdung nicht, so ist das FA nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes ("hat ... zu erteilen") zur Erteilung der Freistellungsbescheinigung verpflichtet.

bb) Im Streitfall würde nach Ansicht des FA die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung deshalb zu einer Gefährdung des Steueranspruchs i.S. des § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG führen, weil anschließend die Schuldner der R-GmbH Zahlungen nur noch an den Antragsteller leisten und die von diesem vereinnahmten Beträge sodann vollständig im Insolvenzverfahren verbraucht würden. Diese Sicht entspricht der Annahme der Finanzverwaltung, der zu sichernde Steueranspruch sei immer dann i.S. des § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG gefährdet, wenn über das Vermögen des Steuerschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet worden und in diesem Verfahren eine vollständige Befriedigung der Steuerforderungen nicht zu erwarten ist (vgl. Ministerium für Finanzen und Bundesangelegenheiten Saarland, Erlass vom 3. Juli 2002, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 2002, 653). Die Verwaltung geht hiernach ersichtlich davon aus, dass die Finanzbehörde einen an sie abgeführten Abzugsbetrag ungeachtet des Insolvenzverfahrens in vollem Umfang behalten dürfte, dass also der Steuerabzug zu einer - ggf. teilweisen - Befriedigung des Steuergläubigers außerhalb des Insolvenzverfahrens führen kann. Dem schließt sich der Senat nicht an:

aaa) In welchem Umfang Steuerforderungen gegen einen insolvent gewordenen Steuerschuldner befriedigt werden müssen, wird allein durch die Regelungen des Insolvenzrechts bestimmt. Danach ist der Steuergläubiger mit Forderungen, die schon bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden haben, in der Regel Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO). Seine Steuerforderungen sind zur Insolvenztabelle anzumelden (§ 174 Abs. 1 InsO) und werden nach Maßgabe der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger aus der Insolvenzmasse getilgt (§§ 187 ff. InsO). Die Befriedigung des Steuergläubigers wird hierdurch auf die Verteilungsquote beschränkt, die sich aus dem Verhältnis zwischen dem Umfang des verteilbaren Vermögens einerseits und der Gesamthöhe aller Insolvenzforderungen andererseits ergibt.

bbb) Diese insolvenzrechtlichen Vorgaben gelten auch für Steuerforderungen, die durch den Bausteuerabzug abgesichert werden. Das steuerrechtliche Abzugsverfahren dient ausschließlich dem Ziel, Steuerausfälle zu vermeiden oder zu vermindern, die durch ein pflichtwidriges Verhalten des Steuerschuldners verursacht werden können (vgl. hierzu Gosch, a.a.O., § 48 Rz. 1; Ebling, a.a.O., § 48 EStG Rz. 15 f.; Diebold, DStZ 2002, 252, 253). Dass durch ihn darüber hinaus die insolvenzrechtliche Stellung des Steuergläubigers verbessert werden soll, lässt sich weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung entnehmen. Deshalb steht dem Steuergläubiger auch für Forderungen, die im Wege des Abzugsverfahrens beglichen werden, insolvenzrechtlich nur die allgemeine Verteilungsquote zu.

ccc) Aus insolvenzrechtlicher Sicht folgt hieraus, dass eine gemäß § 48a Abs. 1 Satz 2 EStG geleistete Abführung entweder unwirksam ist (§ 81 Abs. 1 Satz 1, § 91 Abs. 1 InsO) oder vom Insolvenzverwalter angefochten werden kann (§§ 129 ff. InsO). Der vorliegende Rechtsstreit erfordert keine abschließende Stellungnahme dazu, in welcher Konstellation welche der genannten insolvenzrechtlichen Vorschriften eingreift. Jedenfalls handelt es sich bei Abführung des Steuerbetrags durch den Leistungsempfänger um eine Leistung für Rechnung des Steuerschuldners (§ 48 Abs. 1 Satz 1 EStG), die insolvenzrechtlich genau so zu behandeln ist wie eine entsprechende Leistung des Schuldners selbst (vgl. hierzu Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 16. September 1999 IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht - ZIP - 1999, 1764; Lüke, ZIP 2001, 1 ff.). Hätte aber der Insolvenzschuldner selbst den betreffenden Steuerbetrag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an das FA gezahlt, so müsste dieses den so erlangten Betrag an die Insolvenzmasse auskehren und sich seinerseits auf die Verteilungsquote verweisen lassen. Bei der Zahlung durch einen Abzugsverpflichteten kann deshalb nichts anderes gelten.

ddd) Vor diesem Hintergrund ist die Annahme, dass in Insolvenzfällen (erst) die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b EStG zur Gefährdung der im Abzugsverfahren zu erhebenden Steuer führt, schon im Ansatz verfehlt. Richtig ist vielmehr, dass die Freistellung des Leistungsempfängers von der Abzugsverpflichtung die Sicherheit der Steuerforderung nicht beeinflusst: Sowohl wenn eine Freistellungsbescheinigung erteilt wird (und daraufhin der Leistungsempfänger an den Insolvenzverwalter zahlt) als auch wenn sie versagt wird (und der Leistungsempfänger den Steuerbetrag an das FA abführt), hat das FA nur den Rang eines Insolvenzgläubigers und ist es auf die Verteilungsquote beschränkt. Eine Auswirkung auf die Realisierbarkeit der Steuerforderung könnte die Erteilung oder Versagung einer Freistellungsbescheinigung nur in Fällen haben, in denen ein pflichtwidriges Verhalten des Insolvenzverwalters hinzutritt; eine solche Gefahr kann jedoch nicht allgemein angenommen werden und ist auch im Streitfall nicht geltend gemacht worden.

cc) Im Ergebnis sind mithin keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die vom Antragsteller begehrte Freistellungsbescheinigung zu einer Gefährdung des Steueranspruchs i.S. des § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG führen könnte. Der Antragsteller hat deshalb einen Anspruch darauf, dass ihm das FA eine solche Bescheinigung erteilt. Damit ist der für eine Entscheidung nach § 114 Abs. 2 FGO erforderliche Anordnungsanspruch im Streitfall gegeben.

3. Der hierfür ferner notwendige Anordnungsgrund liegt im Streitfall ebenfalls vor. Er ergibt sich daraus, dass ohne den Erlass einer Eilentscheidung das in Rede stehende Insolvenzverfahren unter Umständen erheblich verzögert werden könnte. In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob zur Darlegung einer Verzögerungsgefahr schon der Hinweis des Antragstellers ausreicht, dass einzelne Leistungsempfänger unter Hinweis auf das Fehlen einer Freistellungsbescheinigung angeforderte Restzahlungen verweigern. Denn jedenfalls muss der Antragsteller damit rechnen, dass die Leistungsempfänger zwecks Vermeidung einer Haftung (§ 48a Abs. 3 Satz 1 EStG) etwaige Restzahlungen nur unter Einbehaltung der Abzugsteuer leisten und die Steuer an das FA abführen. Der Antragsteller müsste sodann die abgeführte Steuer vom FA herausverlangen und, da das FA von einem Vorrang des Steuerabzugsverfahrens vor dem Insolvenzrecht ausgeht, in diesem Zusammenhang einen unter Umständen langwierigen Rechtsstreit führen. Dies wäre mit der Notwendigkeit, Insolvenzverfahren im Interesse aller Gläubiger zügig abzuwickeln, nicht vereinbar.

4. Unter diesen Umständen steht schließlich auch der Grundsatz, dass im Eilverfahren nur in besonderen Ausnahmefällen die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen werden darf (Senatsbeschlüsse in BFHE 175, 205, BStBl II 1994, 899; vom 23. September 1998 I B 82/98, BFHE 186, 433, BStBl II 2000, 320; Gosch in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 114 FGO Rz. 18 und 81), dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entgegen. Dieser Grundsatz gilt zwar auch im Hinblick auf die Erteilung von Freistellungsbescheinigungen nach § 48b EStG (ebenso Ebling, a.a.O., § 48b EStG Rz. 66). Er soll jedoch nur verhindern, dass es zu Eilentscheidungen kommt, die sich in einem später geführten Hauptsacheverfahren als fehlerhaft erweisen und deren Wirkung dann nicht mehr effektiv rückgängig gemacht werden kann. Einstweilige Anordnungen, die nicht zu einem in diesem Sinne irreparablen Zustand führen, werden von ihm deshalb nicht erfasst (Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 21. Februar 1984 VII B 78/83, BFHE 140, 163, BStBl II 1984, 449, 450; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 114 FGO Rz. 122). Aus demselben Grund kann er einer Eilentscheidung nicht entgegenstehen, wenn die Rechtslage klar und eindeutig ist und daher die Gefahr einer Fehlentscheidung zu Gunsten des Antragstellers nicht besteht.

Zumindest die zuletzt genannte Konstellation liegt im Streitfall vor. Der Senat hält den Vorrang des Insolvenzrechts vor dem steuerrechtlichen Abzugsverfahren für so zweifelsfrei, dass in einem ggf. durchzuführenden Hauptverfahren letztlich nicht abweichend entschieden werden könnte. Die Gefahr, dass das Ergebnis eines solchen Verfahrens nicht mehr effektiv umgesetzt werden könnte, besteht deshalb nicht. Dies ermöglicht den Erlass der vom Antragsteller begehrten einstweiligen Anordnung. Ob und ggf. auf welcher Grundlage das FA von den Leistungsempfängern an den Antragsteller gezahlte Beträge von diesem herausverlangen könnte, nachdem es in einem Hauptverfahren obsiegt hätte, muss angesichts dessen nicht abschließend erörtert werden.