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  BFH-Urteil vom 16.1.2003 (V R 92/01) BStBl. 2003 II S. 732

Die in § 13 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG genannten Verbände, die die dort genannten Unterlassungsansprüche geltend machen, haben gegen die abgemahnten Unternehmen grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen gemäß § 683 BGB. Insoweit erbringen sie an die abgemahnten Unternehmer eine Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG.

UStG 1980/1991/1993 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 8; UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2 und 3.

Vorinstanz: FG Hamburg vom 17. Oktober 2001 VII 44/99 (EFG 2002, 292)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein 1925 gegründeter Verein mit dem satzungsmäßigen Zweck, für die Wahrung von Ehrbarkeit und Treu und Glauben auf allen Gebieten des Wirtschaftslebens zu sorgen. Der Verein bekämpft insbesondere den unlauteren Wettbewerb, Kreditbetrug sowie das Bestechungswesen. Der Kläger wirkt im Rahmen dieser Aufgabenstellung vorbeugend und aufklärend und gewährt seinen Mitgliedern ebenso wie Dritten Rat und Unterstützung. Bei den Mitgliedern handelt es sich um Unternehmer.

Zu den Tätigkeitsfeldern des Klägers gehört es u.a., Unternehmen wegen Verstoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) abzumahnen (§ 13 Abs. 2 und 3 UWG). Hieraus erzielt er sog. Abmahngebühren, die von den abgemahnten Unternehmen zu zahlen sind. Der mit der Unterlassungserklärung geforderte "angemessene Anteil der Aufwendungen" erfolgte unter Ausweis einer Umsatzsteuer von 7 %. Die Einnahmen aus diesem Bereich wurden von dem Kläger der Umsatzsteuer unterworfen und die entsprechenden Vorsteuern abgezogen.

Nach einer Betriebsprüfung kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zum Ergebnis, dass die Abmahnungen keine steuerbaren Umsätze und die damit im Zusammenhang stehenden Vorsteuerbeträge nicht abziehbar seien. Das FA änderte daraufhin die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1988 bis 1990. Auch in den folgenden Jahren 1991 bis 1997 erkannte das FA die Abmahnungen des Klägers nicht als eine der Umsatzsteuer unterliegende Tätigkeit an. Die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 7 % des Umsatzes aus der Abmahntätigkeit wurde gemäß § 14 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1980/1991/1993 (UStG) weiterhin gefordert.

Die Einsprüche und die Klage gegen die Umsatzsteuerbescheide hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 292 veröffentlicht ist, meinte, die Abmahnvereine erbrächten mit ihrer Abmahntätigkeit keine Leistungen gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG an die abgemahnten Unternehmer. Die notwendige innere Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung ergebe sich nicht aus der zivilrechtlichen Beurteilung der Abmahnung als einer Geschäftsführung ohne Auftrag für den abgemahnten Unternehmer, für die der abmahnende Verband nach §§ 677, 683 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) einen Ersatz seiner Aufwendungen verlangen könne. Die Kostenerstattung des abgemahnten Unternehmers habe vielmehr im Grunde den Charakter eines Schadensausgleichs und orientiere sich allein am Ersatz der angemessenen Aufwendungen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Revision, mit der er Verletzung materiellen Rechts rügt.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung die Umsatzsteuer

für 1988 auf

./. 2.223,18 DM

für 1989 auf

./. 1.730,22 DM

für 1990 auf

./. 1.891,29 DM

für 1991 auf

./. 1.229,80 DM

für 1992 auf

189,40 DM

für 1993 auf

1.489,59 DM

für 1994 auf

9,98 DM

für 1995 auf

1.046,75 DM

für 1996 auf

1.200,89 DM

für 1997 auf

./. 1.769,37 DM

festzusetzen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Der Kläger war mit seiner Abmahntätigkeit unternehmerisch tätig, da er auch insoweit Leistungen gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat.

2. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Der Umsatz wird nach dem Entgelt bemessen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG).

a) Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus.

Eine Leistung gegen Entgelt liegt regelmäßig auch dann vor, wenn ein Geschäftsführer gegen Aufwendungsersatz tätig wird (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. April 2002 V R 65/00, BFHE 198, 233, BStBl II 2002, 782, BFH/NV 2002, 1004). Dasselbe gilt auch dann, wenn ein Unternehmer für einen Anderen als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig wird, und von ihm nach § 683 BGB den Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann.

So ist es auch bei den in § 13 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG genannten Verbänden, die die dort genannten Unterlassungsansprüche geltend machen dürfen. Sie haben gegen die abgemahnten Unternehmen grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen gemäß § 683 BGB (grundlegend Bundesgerichtshof - BGH -, vom 15. Oktober 1969 I ZR 3/68, BGHZ 52, 393). Nach Ansicht des BGH ist die Abmahnung des Störers nicht allein geeignet, zur beschleunigten Beseitigung der entstandenen Unklarheit beizutragen, sondern sie liegt zugleich im Interesse des Störers, der dadurch Gelegenheit erhält, einen kostspieligen Rechtsstreit zu vermeiden. Der Abmahnverein kann deshalb nach Ansicht des BGH davon ausgehen, dass er die Aufwendungen für eine solche Abmahnung im Einklang mit dem mutmaßlichen Willen des Störers erbringt, falls er seine Aufwendungen möglichst niedrig hält. Der erkennende Senat folgt dieser Betrachtungsweise des BGH.

Demnach erbringt der Abmahnverein an den abgemahnten Unternehmer eine Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, soweit er für diesen als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig wird. Zwischen der Geschäftsführungsleistung und dem Aufwendungsersatz, der dem Abmahnverein zusteht, besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Der Aufwendungsersatz ist der Gegenwert für die Abmahnleistung des Vereins (in diesem Sinne auch Oberfinanzdirektion - OFD - Frankfurt am Main, Verfügung vom 14. Oktober 1986 S 7100 A- 9/82 -St IV 11, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1987, 89).

b) Entgegen der Ansicht der Vorinstanz erfordert eine umsatzsteuerbare Leistung gegen Entgelt nicht notwendig eine "Zielgerichtetheit des Handelns" in dem Sinne, "dass die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung um des Aufwendungsersatzes willen" erfolgen müsste. Es reicht aus, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, und zwischen der erbrachten Leistung und dem hierfür erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (vgl. Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 3. März 1994 Rs. C-16/93 - Tolsma -, Slg. 1994, 743, 753; vom 2. Juni 1994 Rs. C-33/93 - Empire Stores -, Slg. 1994, I-2329; vom 17. September 2002 Rs. C-498/99 - Town and County Factors Ltd. -, BFH/NV Beilage 2003 Seite 35; BFH-Urteile vom 30. Januar 1997 V R 133/93, BFHE 182, 413, BStBl II 1997, 335; vom 15. Oktober 1998 V R 51/96, BFH/NV 1999, 833, und vom 26. Oktober 2000 V R 12/00, BFH/NV 2001, 494, 495).

Aus dem Urteil vom 7. Mai 1981 V R 47/76 (BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495) kann nicht gefolgert werden, dass eine Leistung gegen Entgelt lediglich dann vorliegt, wenn der leistende Unternehmer um der Gegenleistung willen leistet; nach Ansicht des BFH ist dies nur der Regelfall eines Leistungsaustauschs.

Die Rechtsansicht des FG ist auch nicht mit der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG vereinbar. Danach entfällt die Steuerbarkeit nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt. So liegt z.B. bei der Enteignung eines Grundstücks eine Grundstückslieferung gegen Entgelt auch dann vor, wenn es dem Enteigneten gerade nicht auf die Entschädigung ankommt.

c) Entgegen der Ansicht des FG kann der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Leistung des Abmahnvereins und dem von ihm dafür erhaltenen Aufwendungsersatz auch nicht mit der Erwägung verneint werden, der Aufwendungsersatzanspruch habe im Grunde den Charakter eines Schadensausgleichs. Dies erscheint bereits deshalb nicht zutreffend, weil der Abmahnverein durch das Verhalten des abgemahnten Unternehmers keinen Vermögensschaden erlitten hat. Der BGH lehnt demzufolge auch ausdrücklich Schadensersatzansprüche des Abmahnvereins ab und gewährt ihm statt dessen einen auf § 683 BGB gestützten Aufwendungsersatzanspruch. Dieser Aufwendungsersatz erfüllt aber das Tatbestandsmerkmal "Entgelt" des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG.

3. Aufgrund der Feststellungen des FG kann der Senat nicht entscheiden, ob die Abmahnleistungen vom Kläger zu Recht nur mit dem ermäßigten Steuersatz versteuert worden sind.

§ 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG sieht die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes vor für Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar u.a. gemeinnützige Zwecke i.S. der §§ 51 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) verfolgen. Gemeinnützigen Zwecken dient eine Körperschaft, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Da das FG - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keinerlei Feststellungen zur Gemeinnützigkeit getroffen hat, kann der Senat nicht entscheiden, ob die Klägerin die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG erfüllt. Er verweist jedoch für den zweiten Rechtsgang auf die Verfügung der OFD Rostock vom 10. Mai 2001 S 0171- 03/01 -St 242/24a (Steuer-Eildienst 2001, 431). Die OFD unterscheidet zwischen den in § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG genannten Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen und den in § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG genannten Verbänden, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. Letztere sollen gemeinnützig sein, Erstere nicht. Diese Ansicht steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Vorschrift des § 65 Nr. 3 AO 1977, wonach ein Zweckbetrieb nur gegeben ist, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist. Es wird Aufgabe des FG sein, diesen Erwägungen weiter nachzugehen.