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  BFH-Urteil vom 17.12.2003 (I R 22/03) BStBl. 2004 II S. 524

Verspricht eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Gewinntantieme, so muss ein bei ihr bestehender Verlustvortrag jedenfalls dann in die Bemessungsgrundlage der Tantieme einbezogen werden, wenn der tantiemeberechtigte Geschäftsführer für den Verlust verantwortlich oder zumindest mitverantwortlich ist. Anderenfalls liegt in Höhe des Differenzbetrags zwischen der tatsächlich zu zahlenden Tantieme und derjenigen, die sich bei Berücksichtigung des Verlustvortrags ergeben hätte, eine vGA vor.

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2.

Vorinstanz: FG des Saarlandes vom 5. Februar 2003 1 K 118/01 (EFG 2003, 565)

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten über die steuerlichen Folgen einer Tantiemevereinbarung.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde 1982 von L und zwei weiteren Gesellschaftern gegründet. Nachdem die Mitgesellschafter aus der Klägerin ausgeschieden waren, war L seit 1986 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin. Nach einem Anstellungsvertrag aus dem Jahr 1986 hatte er Anspruch auf ein Festgehalt sowie auf die Übernahme von Versicherungsbeiträgen durch die Klägerin und die Benutzung eines betrieblichen Fahrzeugs.

Nachdem das Festgehalt des L zwischenzeitlich wiederholt erhöht worden war, wurde der Anstellungsvertrag des L im Januar 1992 erneut geändert, wobei die Klägerin dem L nunmehr erstmals eine Gewinntantieme zusagte. Diese sollte sich auf "35 v.H. des Jahresüberschusses vor Verrechnung mit Verlustvorträgen und vor Abzug der Körperschaft- und Gewerbesteuer, vor Sonderabschreibungen und ausgezahlte Investitionszuschüsse" belaufen. In ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1992 (Streitjahr) bildete die Klägerin eine entsprechende Tantiemerückstellung.

In der Bilanz auf den 31. Dezember 1991 hatte die Klägerin einen Verlustvortrag in Höhe von ca. 233.000 DM ausgewiesen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) war der Ansicht, dass dieser Verlustvortrag bei der Bemessung der Tantieme hätte berücksichtigt werden müssen, und behandelte deshalb die Zuführung zu der Tantiemerückstellung als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Die u.a. hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg; das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 565 abgedruckt.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und das Verfahren zur anderweitigen Verhandlung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und war deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Zuführung zu der von der Klägerin gebildeten Tantiemerückstellung steuerrechtlich als vGA zu würdigen ist, die nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) das Einkommen der Klägerin nicht mindern darf.

1. Nach den Feststellungen des FG ist davon auszugehen, dass die Klägerin ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer L wirksam eine Gewinntantieme zugesagt hat, bei deren Bemessung von dem - in der Vereinbarung näher beschriebenen - Gewinn vor Abzug von Verlustvorträgen ausgegangen werden sollte. Für die sich daraus ergebende Verpflichtung musste die Klägerin in ihrer Bilanz des Streitjahres eine Rückstellung bilden. Die Zuführung zu dieser Rückstellung ist jedoch vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, soweit sie auf einer Abrede beruht, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder zumindest mitveranlasst ist. Um die in § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG angeordnete Rechtsfolge herbeizuführen, ist deshalb in diesem Umfang der in der Bilanz der Klägerin ausgewiesene Gewinn für Zwecke der Besteuerung außerhalb der Bilanz um den Betrag der vGA zu erhöhen.

2. Im Streitfall hat das FG die Zuführung zu der Tantiemerückstellung insgesamt als vGA angesehen und zur Begründung ausgeführt, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der Klägerin unter ansonsten vergleichbaren Umständen einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer keine Gewinntantieme zugesagt hätte, bei deren Bemessung der aus den Vorjahren bestehende Verlustvortrag der Klägerin außer Betracht bleiben sollte. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand:

a) Das FG ist davon ausgegangen, dass ein bestehender Verlustvortrag im Allgemeinen jedenfalls dann in die Bemessungsgrundlage einer Gewinntantieme einzubeziehen ist, wenn der tantiemeberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer für den Verlust verantwortlich oder zumindest mitverantwortlich ist. Diese Situation liege im Streitfall vor, da L von Anfang an Geschäftsführer der Klägerin gewesen sei. Dem ist beizupflichten.

Denn zum einen dient die Gewinntantieme der Beteiligung des Geschäftsführers an dem von ihm herbeigeführten besonderen Erfolg der Gesellschaft. Diesen Erfolg wird die Gesellschaft in der Regel an einer langfristigen Betrachtung und nicht an dem Ergebnis eines einzelnen Jahres oder Wirtschaftsjahres messen. Deshalb wird, wenn unter der Leitung des betreffenden Geschäftsführers in einzelnen Zeiträumen ein Verlust erwirtschaftet worden ist, aus ihrer Sicht dieser Verlust die von dem Geschäftsführer verdiente Erfolgsprämie mindern (ebenso Hessisches FG, Urteil vom 16. Mai 2000 4 K 4128/97, EFG 2000, 1147, 1148). Angesichts dessen wird sich ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter im Allgemeinen nicht darauf einlassen, dass der Geschäftsführer an in einzelnen Jahren erzielten Gewinnen teil hat, in anderen Jahren erzielte Verluste aber vollständig von der Gesellschaft allein getragen werden müssen. Insofern entspricht es der inneren Logik einer Gewinntantieme, den Geschäftsführer wie an den positiven, so auch an den negativen Folgen seiner Tätigkeit zu beteiligen (ebenso FG des Saarlandes, Urteil vom 2. April 1998 1 K 157/97, EFG 1998, 1284, 1285; FG Köln, Urteil vom 14. September 2000 13 K 3037/00, EFG 2001, 309, 310). Das geschieht durch die Einbeziehung von Verlustvorträgen in die Bemessungsgrundlage einer Gewinntantieme, die deshalb im Regelfall sachgerecht ist (vgl. auch § 86 Abs. 2 des Aktiengesetzes a.F.)

Hinzu kommt, dass anderenfalls der Geschäftsführer versucht sein könnte, die zeitliche Verteilung von Aufwendungen und Erträgen der Gesellschaft mit dem Ziel einer Maximierung der eigenen Tantiemeforderung zu steuern. So könnte er z.B. in Zukunft notwendige Aufwendungen in ein ohnehin mit Verlust abschließendes Jahr oder Wirtschaftsjahr vorziehen, hierdurch den Aufwand nachfolgender Jahre oder Wirtschaftsjahre um die entsprechenden Beträge entlasten und den in jenen Jahren auszuweisenden Gewinn der Gesellschaft erhöhen. Die Gefahr, dass durch eine solche zeitliche Gewinnverlagerung die Tantiemeverpflichtung der Gesellschaft ausgeweitet wird, würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nach Möglichkeit ausschließen (ebenso FG Köln, Urteil in EFG 2001, 309, 310). Auch unter diesem Gesichtspunkt würde er darauf dringen, dass ein Tantiemeanspruch des Geschäftsführers erst entstehen kann, nachdem in der Vergangenheit erzielte Verluste der Gesellschaft ausgeglichen worden sind. Hiernach ist eine Tantiemeverpflichtung ebenso wie eine Tantiemezahlung insoweit, als sie durch die Nichtberücksichtigung von Verlustvorträgen ausgelöst worden ist, steuerrechtlich im Regelfall als vGA zu werten.

b) Es kann dahingestellt bleiben, ob eine andere Beurteilung angezeigt ist, wenn der tantiemeberechtigte Geschäftsführer an der Entstehung der Verluste unbeteiligt war und erst im Nachhinein die Leitung der Gesellschaft übernommen hat (so FG des Saarlandes, Urteil in EFG 1998, 1284, 1285). Denn eine solche Gestaltung liegt nach den Feststellungen des FG im Streitfall nicht vor. Vielmehr war danach L seit der Gründung der Klägerin deren Geschäftsführer, so dass er für die seither angefallenen Verluste zumindest mitverantwortlich ist. Ebenso kann die getroffene Vereinbarung entgegen der Ansicht der Klägerin nicht deshalb steuerlich anerkannt werden, weil die bis 1991 aufgelaufenen Verluste auf hohen Forschungs- und Entwicklungskosten beruhen und folglich Anlaufverluste darstellen; im Gegenteil führt gerade die Nichtberücksichtigung solcher Anlaufverluste dazu, dass die Gesellschaft die zunächst anfallenden Aufwendungen allein trägt, während sie den hiermit korrespondierenden späteren Gewinn mit ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer teilt. Das widerspricht einem gerechten Interessenausgleich, auf den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der Klägerin bedacht wäre, und hält mithin einem Fremdvergleich nicht stand.

c) Im Streitfall war der am 31. Dezember 1991 bestehende Verlustvortrag der Klägerin am Ende des Streitjahres nicht ausgeglichen worden. Das ergibt sich aus der Bilanz der Klägerin, auf die das FG Bezug genommen hat und deren Inhalt deshalb als vom FG festgestellt gilt. Angesichts des fortbestehenden Verlustvortrags hätte eine Tantiemevereinbarung, nach der dieser Verlustvortrag zu berücksichtigen gewesen wäre, für das Streitjahr nicht zu einer Tantiemeverpflichtung der Klägerin geführt. Das Entstehen einer solchen Verpflichtung beruht mithin auf einer durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Ausgestaltung des Anstellungsvertrags, so dass der sich hieraus ergebende Aufwand der Klägerin steuerrechtlich zu einer vGA führt. Dem entspricht der angefochtene Bescheid, den das FG deshalb zu Recht bestätigt hat.