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  BFH-Urteil vom 5.5.2004 (XI R 7/02) BStBl. 2004 II S. 738

Zum notwendigen Betriebsvermögen eines durch Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze entstandenen gewerblichen Grundstückshandels gehören nicht nur die Objekte, deren Veräußerung zur Annahme des gewerblichen Grundstückshandels geführt hat, sondern auch nicht in zeitlichem Zusammenhang mit ihnen veräußerte Objekte, die jedoch von vornherein eindeutig zur Veräußerung bestimmt waren.

EStG § 15 Abs. 2.

Vorinstanz: Hessisches FG vom 21. Februar 2002 8 K 6095/98 (EFG 2002, 1231)

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger war bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahr 1991 Beamter bei der B. Er hatte im Jahr 1978 ein Grundstück erworben, das er mit einem gemischt genutzten Gebäude bebauen wollte. Nachdem er für dieses Projekt keine Baugenehmigung erhalten hatte, ließ er ab 1981 in drei Bauabschnitten fünfzehn Eigentumswohnungen auf dem Grundstück errichten, von denen er acht in den Jahren 1983 und 1984 jeweils vor Bezugsfertigkeit an verschiedene Erwerber veräußerte. Die restlichen sieben Wohnungen vermietete er. Nach einer in den Jahren 1987 bis 1989 durchgeführten Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 1983 bis 1985 erfasste der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Verkauf der acht Eigentumswohnungen als gewerblichen Grundstückshandel. Zu den nicht verkauften Wohnungen wurde im Betriebsprüfungsbericht ausgeführt: "Die nicht verkauften Wohnungen wurden im Prüfungszeitraum vermietet bzw. es bestand Vermietungsabsicht." Die Einkünfte aus diesen Wohnungen wurden von den Klägern und vom FA als solche aus Vermietung und Verpachtung behandelt.

In den Streitjahren 1992 bis 1994 veräußerte der Kläger drei weitere Eigentumswohnungen, und zwar am 19. Februar 1992 eine im Jahr 1986 bezugsfertig gewordene und ab 1. November 1986 vermietete Wohnung, am 28. Dezember 1993 eine im Juli 1984 bezugsfertig gewordene und ab 15. August 1984 vermietete Wohnung und am 13. September 1994 eine im Dezember 1986 bezugsfertig gewordene und ab 1. Februar 1987 vermietete Wohnung.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen vertrat das FA die Auffassung, die drei in den Streitjahren veräußerten Eigentumswohnungen seien von Beginn an Umlaufvermögen des gewerblichen Grundstückshandels und die durch die Veräußerung erzielten Gewinne als Einkünfte aus Gewerbebetrieb steuerbar.

Die Klage, mit der die Kläger u.a. vortrugen, der Kläger habe von Anbeginn nur die zur Finanzierung des gesamten Objekts notwendigen Verkäufe tätigen wollen, hatte keinen Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2002, 1231).

Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Der Kläger habe das ursprünglich geplante gemischt genutzte Gebäude wie auch die nach Versagung der hierfür benötigten Baugenehmigung errichteten Eigentumswohnungen vermieten wollen. Erst in den Jahren 1983 und 1984 habe er aus finanziellen Gründen acht Wohnungen verkaufen müssen. Der gewerbliche Grundstückshandel habe, wovon auch der Betriebsprüfungsbericht vom 18. August 1989 ausgegangen sei, nur die seinerzeit veräußerten acht Objekte umfasst. Der einheitliche Betätigungswille beziehe sich nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) nur auf Grundstücksverkäufe, die in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang stünden. Aus diesem Grund habe der zudem branchenfremde und steuerlich nicht beratene Kläger auch keinen Anlass gesehen, eine Betriebsaufgabe zu erklären. Bezogen auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Baugrundes habe der Kläger die in den Streitjahren veräußerten drei Wohnungen vierzehn bis sechzehn Jahre in seinem Besitz gehabt und mehr als fünf, sieben bzw. neun Jahre vermietet. Mietverträge mit Verlängerungsoption seien allgemein üblich.

Seit dem letzten Verkauf im Jahr 1984 sei der Kläger auch nicht mehr nachhaltig gewerblich tätig gewesen. Die Rechtsprechung des BFH zur Betriebsunterbrechung gelte nur für typische Gewerbebetriebe, nicht für solche branchenfremde Steuerpflichtige, die lediglich aufgrund der sog. Drei-Objekt-Grenze gewerbliche Grundstückshändler geworden seien. Aufgrund der differenzierten Betrachtung des Großen Senats im Beschluss vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98 (BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291) seien auch persönliche Veränderungen, wie hier die vorzeitige Pensionierung des Klägers aus gesundheitlichen Gründen, zu berücksichtigen.

Die Kläger beantragen, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die streitigen Gewinne aus der Veräußerung der Eigentumswohnungen als nicht steuerbar zu behandeln, hilfsweise die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt im Wesentlichen unter Hinweis auf die Ausführungen des FG, die Revision zurückzuweisen. Mangels eindeutiger Erklärung der Betriebsaufgabe liege eine bloße Betriebsunterbrechung vor. Auf die veränderten persönlichen Lebensumstände komme es nicht an. Die Wohnungen seien trotz Vermietung veräußerbar geblieben.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Kläger ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben. Zu Unrecht hat das FG die in den Streitjahren veräußerten Eigentumswohnungen dem notwendigen Betriebsvermögen des gewerblichen Grundstückshandels zugerechnet, ohne zu prüfen, ob die Veräußerung dieser Objekte bereits in 1983/1984 beabsichtigt war. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen. Die vorliegenden Feststellungen reichen für eine abschließende Entscheidung nicht aus (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des BFH kommt ein gewerblicher Grundstückshandel in der Regel dadurch zustande, dass der Veräußerer eine Anzahl bestimmter Objekte (Ein- und Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen) zuvor gekauft oder bebaut hat und sie in engem zeitlichen Zusammenhang hiermit veräußert. Werden in einem Zeitraum von in der Regel fünf Jahren zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf mindestens vier Objekte veräußert, kann nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden, weil die äußeren Umstände den Schluss zulassen, dass es dem Steuerpflichtigen zu Beginn seiner Tätigkeiten weniger um die Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten als um die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt (Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617; in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291).

Der bezeichnete zeitliche Zusammenhang zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Veräußerung begründet nicht nur einen gewerblichen Grundstückshandel, sondern ist regelmäßig zugleich für den Umfang des gewerblichen Grundstückshandels maßgebend.

2. Notwendiges Betriebsvermögen eines Gewerbebetriebes sind die Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dergestalt unmittelbar dienen, dass sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26. April 2001 IV R 14/00, BFHE 195, 290, BStBl II 2001, 798; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 4 Rdnr. 104). Für einen gewerblichen Grundstückshandel gilt im Prinzip nichts anderes (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23. Februar 1994 X R 98/91, BFH/NV 1994, 627, m.w.N.).

Zur Veräußerung im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels sind die Objekte "bestimmt", auf die sich die Veräußerungsabsicht des Steuerpflichtigen bezieht. Steht diese nicht fest, so sind das Objekte, die aufgrund des sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen ihrer Anschaffung bzw. Errichtung und ihrer Veräußerung die Veräußerungsabsicht indizieren. Es sind allerdings nur diejenigen Grundstücksgeschäfte als gewerblich zu beurteilen, die in einem solchen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, dass dieser auf einen einheitlichen Betätigungswillen schließen lässt (vgl. z.B. BFH, Großer Senat in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C.II.2. a.E.; BFH-Urteile vom 25. Juni 1985 VIII R 14/84, BFH/NV 1985, 73; vom 6. August 1998 III R 227/94, BFH/NV 1999, 302; vgl. auch BFH-Beschluss vom 23. November 1994 IV B 28/94, BFH/NV 1995, 295). Der zeitliche Zusammenhang von nicht mehr als fünf Jahren muss sowohl zwischen der Anschaffung bzw. Errichtung und der Veräußerung der Objekte als auch zwischen den Veräußerungen bestehen (zum Verwertungszusammenhang vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. September 1991 XI R 23/90, BFHE 165, 521, BStBl II 1992, 135; vom 16. Oktober 2002 X R 74/99, BFHE 200, 380, BStBl II 2003, 245; vom 20. Februar 2003 III R 10/01, BFHE 201, 515, BStBl II 2003, 510; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 15 Rdnr. 49).

Allerdings können auch die erst nach Ablauf von fünf, aber innerhalb von zehn Jahren nach Erwerb oder Errichtung veräußerten Immobilien in den gewerblichen Grundstückshandel mit einzubeziehen sein (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 2003 IX R 77/99, BFH/NV 2003, 911, m.w.N.). Der Fünf-Jahres-Zeitraum hat nur indizielle Bedeutung (z.B. BFH, Großer Senat in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.III.3.). Bei Hinzutreten besonderer Umstände verlängert sich der Fünf-Jahres-Zeitraum, so beispielsweise bei einer nur geringfügigen zeitlichen Überschreitung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. Juni 2001 III R 27/98, BFHE 196, 59, BStBl II 2002, 537), einer größeren Anzahl von Objekten (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. Mai 2001 XI R 34/99, BFH/NV 2001, 1545), der Ausübung eines branchennahen Hauptberufs (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2001 X B 91/01, BFH/NV 2002, 775) oder kontinuierlich fortlaufenden Grundstücksan- und -verkäufen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14. November 1995 VIII R 16/93, BFH/NV 1996, 466; vom 17. Februar 1993 X R 108/90, BFH/NV 1994, 84). Je größer der zeitliche Abstand zwischen Erwerb bzw. Errichtung und Veräußerung bzw. je länger der Verwertungszeitraum ist, umso gewichtiger müssen diese besonderen Umstände sein, damit auf einen einheitlichen Betätigungswillen geschlossen werden kann (vgl. z.B. BFH in BFH/NV 1996, 466; BFH-Beschluss vom 21. Juni 1996 VIII B 87/95, BFH/NV 1996, 897).

Fehlt der bezeichnete zeitliche Zusammenhang und treten keine besonderen Umstände hinzu, so ist davon auszugehen, dass die außerhalb des genannten zeitlichen Rahmens veräußerten Objekte nicht zum Einsatz im Rahmen des gewerblichen Grundstückshandels "bestimmt" waren. Etwas anderes gilt allerdings für Objekte, bei denen von vornherein feststeht, dass sie veräußert werden sollen. Dies ist anzunehmen, wenn sich der Steuerpflichtige bereits während der Bauzeit um den Verkauf bemüht hat, indem er entsprechende Anzeigen aufgegeben hat oder seine Verkaufsabsicht in anderer Weise dokumentiert hat. Diese Objekte sind notwendiges Betriebsvermögen des gewerblichen Grundstückshandels und bleiben es bis sie veräußert oder entnommen werden oder der Betrieb aufgegeben wird (vgl. BFH in BFH/NV 2003, 911, m.w.N.).

Der Rechtsprechung zur sog. Betriebsunterbrechung lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Diese betrifft die Frage, ob bei zeitweiliger Betriebseinstellung noch von einer "nachhaltigen" Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auszugehen ist. Von der Frage, ob das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit erfüllt ist, ist die Frage zu unterscheiden, ob - als ungeschriebenes negatives Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebes - die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung überschritten sind (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 2002 VIII R 40/01, BFHE 201, 180, BStBl II 2003, 294). Das BFH-Urteil vom 28. September 1995 IV R 39/94 (BFHE 179, 75, BStBl II 1996, 276) betraf Immobilien einer Kommanditgesellschaft, die schon deswegen zum notwendigen Betriebsvermögen gehörten, weil sie zum Einsatz in einem gewerblichen Holzbearbeitungs- und Baubetrieb bestimmt gewesen waren (vgl. auch BFH-Urteil vom 20. Juni 2000 VIII R 18/99, BFH/NV 2001, 31, unter 2.d).

3. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben.

a) Im Streitfall verkaufte der Kläger in der Zeit von April 1983 bis April 1984 jeweils vor Bezugsfertigkeit acht Eigentumswohnungen und begründete damit zweifelsfrei einen gewerblichen Grundstückshandel. Entgegen der Auffassung des FG kann aus einer nicht widerlegten bedingten Veräußerungsabsicht allein noch nicht auf die Absicht zur alsbaldigen Veräußerung sämtlicher Wohnungen geschlossen werden. Eine bedingte Veräußerungsabsicht besteht im Grunde stets (BFH, Großer Senat in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.III.5.).

b) Die Sache ist nicht spruchreif.

Gegen die Annahme, sämtliche Eigentumswohnungen seien von Beginn an zum Einsatz in einem gewerblichen Grundstückshandel bestimmt gewesen und damit gegen einen einheitlichen gewerblichen Betätigungswillen spricht, dass die streitigen Wohnungen jeweils tatsächlich mehr als fünf Jahre vermietet waren. Eine tatsächlich längerfristige Vermietung indiziert im Allgemeinen die Absicht zur Fruchtziehung. Längerfristig ist eine Vermietung, wenn sie fünf Jahre überschreitet (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 201, 515, BStBl II 2003, 510; vom 23. April 1996 VIII R 27/94, BFH/NV 1997, 170). Der Verwertungszeitraum, d.h. der Zeitraum zwischen der letzten Veräußerung im Jahr 1984 und den Veräußerungen in den Streitjahren 1992, 1993 und 1994 betrug mehr als sieben, neun bzw. zehn Jahre. Besondere Umstände, die den Fünf-Jahres-Zeitraum verlängern, sind nicht gegeben.

Ungeklärt und daher vom FG noch festzustellen ist jedoch, ob der Kläger im Zusammenhang mit den Veräußerungen 1983/1984 auch die hier streitigen Eigentumswohnungen zum Kauf angeboten hat. Der Kläger hat zwar vorgetragen, er habe 1983/1984 nur in dem Umfang Eigentumswohnungen zum Verkauf bestimmt wie dies zur Finanzierung des Gesamtobjekts notwendig gewesen sei. Die übrigen Wohnungen seien von vornherein zur Vermietung bestimmt gewesen. Das FG hat hierzu jedoch bisher keine Feststellungen getroffen. Sollte eines der in den Streitjahren veräußerten Objekte bereits 1983/1984 zum Verkauf angeboten worden sein, so wäre es eindeutig zur Veräußerung bestimmt gewesen, damit notwendiges Betriebsvermögen des gewerblichen Grundstückshandels geworden (vgl. BFH in BFH/NV 2003, 911) und mangels Entnahme oder Betriebsaufgabe bis zum Verkauf in den Streitjahren geblieben. Auf den Anlass, der letztlich zu den Verkäufen in den Streitjahren geführt hat, käme es nicht an. Da ein gewerblicher Grundstückshandel besteht, ist die längerfristige Unterbrechung der Veräußerungstätigkeit für seinen Fortbestand unschädlich.