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  BFH-Beschluss vom 6.5.2004 (V B 101/03) BStBl. 2004 II S. 748

1. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig und hat deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eindeutig so zu beantworten ist, wie es das FG in dem angefochtenen Urteil getan hat.

2. Die für innergemeinschaftliche Lieferungen geltende Vertrauensschutzregelung in § 6a Abs. 4 UStG ist nicht auf Ausfuhrlieferungen in Drittstaaten anwendbar.

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; UStG 1999 § 6, § 6a Abs. 4; Richtlinie 77/388/EWG Art. 21 Nr. 1 Buchst. a, Art. 28c Teil A.

Vorinstanz: FG München vom 10. April 2003 14 K 314/00

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, handelt mit elektronischen Bauteilen und Computern. Im Streitjahr (1994) erklärte sie steuerfreie Ausfuhrlieferungen. Zugrunde lagen Lieferungen der Klägerin an verschiedene polnische Kunden, die die Waren bei ihr abholten. Die Klägerin stellte den Kunden keine Umsatzsteuer in Rechnung und bat sie, die Ausfuhrbescheinigungen umgehend zu übersenden, was auch regelmäßig geschah.

Bei einer später durchgeführten Umsatzsteuerprüfung ergab sich, dass die von der Klägerin vorgelegten Ausfuhrbelege teilweise gefälschte Zollstempel trugen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) erkannte deshalb im Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1994 vom 22. März 1999 Ausfuhrlieferungen in Höhe von 87.686 DM (netto) nicht mehr als steuerfrei an.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung u.a. aus, die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der streitigen Lieferungen seien nicht gegeben, da der dafür erforderliche Ausfuhrnachweis (§ 6 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1993 - UStG - i.V.m. §§ 8 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1993) nicht erbracht worden sei. Die Klägerin habe die Ausfuhr der streitigen Lieferungen weder durch eine Bestätigung der Grenzzollstelle noch durch andere Belege nachgewiesen, da die Stempel der Zollstelle gefälscht gewesen seien und andere Ausfuhrbelege nicht hätten vorgelegt werden können. Die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG sei im Streitfall nicht anwendbar.

Die Klägerin beantragt, die Revision gegen dieses Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen. Sie ist der Auffassung, die Rechtsfrage, ob die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG ausschließlich bei innergemeinschaftlichen Lieferungen und nicht auch - wie vorliegend - bei Ausfuhrlieferungen anwendbar sei, habe grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärbar sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Dezember 2002 V B 179/01, BFH/NV 2003, 520, m.w.N.; vom 24. Februar 2003 V B 84/01, BFH/NV 2003, 949).

2. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beschwerdebegründung den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt, was das FA verneint. Denn eine Rechtsfrage - wie die von der Klägerin hervorgehobene Frage - ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie - wie hier - eindeutig so zu beantworten ist, wie es das FG in dem angefochtenen Urteil getan hat; sie muss nicht (erst) in einem Revisionsverfahren geklärt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231, unter II. 1.; vom 30. Juni 1999 V B 14/99, BFH/NV 1999, 1651; vom 25. Januar 2002 III B 127/01, BFH/NV 2002, 645).

§ 6a Abs. 4 UStG ist - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht auf Ausfuhrlieferungen anwendbar.

a) Nach § 4 Nr. 1 UStG sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen u.a. steuerfrei die Ausfuhrlieferungen (§ 6 UStG) und die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a UStG). Eine steuerfreie Ausfuhrlieferung kommt bei Lieferungen in das Drittlandsgebiet (§ 1 Abs. 2 a Satz 3 UStG), eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung bei Lieferungen in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 1 Abs. 2 a Satz 1 UStG) in Betracht.

Hat der Unternehmer eine innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, so ist gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer (§ 6a Abs. 4 Satz 2 UStG).

Für Ausfuhrlieferungen hat der Gesetzgeber keine § 6a Abs. 4 UStG entsprechende Regelung getroffen.

b) Die von der Klägerin befürwortete analoge Anwendung des § 6a Abs. 4 UStG auf Ausfuhrlieferungen kommt nicht in Betracht. Eine Analogie setzt eine planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechts voraus. Eine Lücke des Gesetzes liegt (nur) vor, wo das Gesetz ergänzungsbedürftig ist und eine Ergänzung nicht etwa einer dem Gesetz gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1997 IX R 29/95, BFHE 184, 466, BStBl II 1998, 142, unter II. 3. a). Danach scheidet vorliegend eine Analogie aus.

§ 6a UStG ist durch Art. 1 Nr. 12 des Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetzes vom 25. August 1992 (BGBl I 1992, 1548, BStBl I 1992, 552) in das Umsatzsteuergesetz eingefügt worden. Die Vertrauensschutzregelung in § 6a Abs. 4 UStG beruht nach der Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks 12/2463, S. 31) auf Art. 21 Nr. 1 Buchst. a und Art. 28c Teil A der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG).

Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG betrifft (lediglich) die Befreiung der Lieferung von Gegenständen im Handel zwischen den Mitgliedstaaten. Die diese Bestimmung umsetzende Vorschrift des § 6a Abs. 4 UStG kann deshalb nicht auf andere Sachverhalte angewendet werden.

Zudem hat der Gesetzgeber im Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz gleichzeitig mit der Einführung des § 6a UStG auch die für Ausfuhrlieferungen geltende Vorschrift des § 6 UStG geändert, ohne dabei eine § 6a Abs. 4 UStG entsprechende Regelung auch für Ausfuhrlieferungen vorzusehen. Daraus kann nur geschlossen werden, dass der Gesetzgeber die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG auf innergemeinschaftliche Lieferungen beschränken wollte. Für die von der Klägerin befürwortete Ausdehnung des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG auf Ausfuhrlieferungen (vgl. auch Dietlein/Mehrbrey, Betriebs-Berater 2001, 446) ist deshalb kein Raum.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2, 2. Alternative FGO ab.