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  BFH-Beschluss vom 15.7.2004 (IX B 116/03) BStBl. 2004 II S. 1000

Die Rechtsfrage, ob § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) mit dem Grundgesetz insoweit vereinbar ist, als danach auch private Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach dem 31. Dezember 1998, bei denen zu diesem Stichtag die zuvor geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a.F.) noch nicht abgelaufen war, übergangslos der Einkommensbesteuerung unterworfen werden, hat keine grundsätzliche Bedeutung mehr, weil sie durch die BFH-Beschlüsse vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02 (BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284) und IX B 203/02 (BFH/NV 2004, 650) geklärt ist.

EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, § 52 Abs. 39 Satz 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Köln vom 27. Juni 2003 14 K 6718/02

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger veräußerte im Jahr 2000 (Streitjahr) ein Objekt, das er im Mai 1997 erworben hatte. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) sah hierin ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/ 2000/2002 (EStG) und berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr den von den Klägern erklärten Veräußerungsgewinn.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Kläger die Verfassungswidrigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG geltend gemacht hatten, ab. Es vertrat in seinem Urteil die Auffassung, erklärungsgemäß liege ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft vor. Die Besteuerung sei nicht verfassungswidrig; sie verstoße insbesondere nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Die Grundsätze der Beschlüsse des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. März 2001 IX B 90/00 (BFHE 195, 205, BStBl II 2001, 405) und des FG Köln vom 25. Juli 2002 13 K 460/01 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2002, 1236; Az. des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG -: 2 BvL 14/02) seien im Streitfall nicht heranzuziehen; denn der Kläger habe - anders als in den dortigen Fällen - zu keiner Zeit eine Rechtsfolgenlage im Sinne einer Steuerentstrickung vorgefunden. Er habe das Grundstück zu keiner Zeit nicht steuerbar veräußern können.

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision haben die Kläger zunächst unter Hinweis auf den BFH-Beschluss in BFHE 195, 205, BStBl II 2001, 405 und die divergierenden Entscheidungen der Finanzgerichte die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht.

Der Berichterstatter hat mit Schreiben vom 15. März 2004 die Beteiligten auf die im Laufe des Beschwerdeverfahrens ergangenen BFH-Beschlüsse vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02 (BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284; Az. des BVerfG: 2 BvL 2/04) und IX B 203/02 (BFH/NV 2004, 650) und deren mögliche Auswirkung auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Die Kläger gehen auch nach Ergehen der BFH-Beschlüsse von einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache aus und halten die Rechtsfrage weiterhin für klärungsbedürftig. Das Niedersächsische FG sei anderer Auffassung als der BFH; in der Literatur würden beachtliche Argumente gegen die Beschlüsse des BFH vorgebracht. Im Streitfall überwiege das Vertrauen der Kläger und es bestünden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift. Sie beantragen außerdem, das Verfahren auszusetzen.

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.

a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; denn die von den Klägern sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) mit dem Grundgesetz insoweit vereinbar ist, als danach auch private Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach dem 31. Dezember 1998, bei denen zu diesem Stichtag die zuvor geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a.F.) noch nicht abgelaufen war, übergangslos der Einkommensbesteuerung unterworfen werden, ist - worauf das FA zutreffend hingewiesen hat - nicht mehr klärungsbedürftig. Sie ist durch die BFH-Beschlüsse in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 (unter B. III. 4. c bb (2) der Gründe) und in BFH/NV 2004, 650 (unter II. 3. der Gründe), auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, geklärt. Der Senat hat hierin ausgesprochen, dass er die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre insoweit für verfassungsgemäß erachtet.

b) Aufgrund des Vorbringens der Kläger ist eine erneute Entscheidung des BFH zu dieser Frage nicht erforderlich.

Die Kläger haben keine neuen Argumente vorgetragen, die gegen die Auffassung des Senats sprechen und die eine erneute Entscheidung der Rechtsfrage erforderlich erscheinen lassen (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 30. März 2004 XI B 209/03, juris-Dokument Nr. STRE200450477). Soweit die Kläger dartun, die Rechtsfrage sei auch nach Ergehen der vorbezeichneten BFH-Beschlüsse umstritten, verweisen sie lediglich auf den im BFH-Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 (unter B. II. 2. c) zitierten Beschluss des Niedersächsischen FG vom 26. September 2002 1 V 165/02 (nicht veröffentlicht), den der Senat aufgehoben hat (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 650), und auf eine nicht näher bezeichnete Kritik in der Literatur, die der Senat bereits berücksichtigt hat (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 unter B. II. 3. zum Streitstand).

Sonstige offenkundige Gründe, die eine erneute Entscheidung des BFH aus Gründen der Rechtsklarheit, Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung als notwendig erscheinen lassen, sind derzeit nicht ersichtlich. Daher kommt auch eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO nicht in Betracht.

2. Das Verfahren ist auch nicht auszusetzen.

a) Gemäß § 74 FGO, der in entsprechender Anwendung des § 121 Satz 1 FGO auch im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision anwendbar ist (vgl. BFH-Beschluss vom 30. April 1987 V B 86/86, BFHE 149, 437, BStBl II 1987, 502), kann das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits aussetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand des anderen Rechtsstreits bildet. Davon kann auch dann auszugehen sein, wenn beim BVerfG bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist (ständige Rechtsprechung, BFH-Beschluss vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408). Die Entscheidung in dem anderen Rechtsstreit muss nicht bindend für das auszusetzende Verfahren sein; es genügt, wenn die in dem anderen Verfahren zu erwartende Entscheidung einen rechtlich erheblichen Einfluss auf die Entscheidung in dem auszusetzenden Verfahren hat, z.B. weil dasselbe Rechtsverhältnis betroffen ist und die Entscheidung in dem auszusetzenden Verfahren kraft Gesetzes oder rechtslogisch vom Bestehen oder Nichtbestehen des in dem anderen Verfahren anhängigen Rechtsverhältnisses abhängt (BFH-Urteil vom 18. Juli 1990 I R 12/90, BFHE 161, 409, BStBl II 1990, 986; BFH-Beschluss vom 21. November 1996 IX B 86/96, BFH/NV 1997, 365). Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Aussetzungsantrag (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. Februar 2003 IX B 58/02, BFH/NV 2003, 810; vom 4. September 2000 III B 41/00, BFH/NV 2001, 321).

b) Gemessen daran ist das Verfahren nicht auszusetzen. Beim BVerfG ist derzeit kein Musterverfahren anhängig, von dem die Entscheidung im Streitfall abhängt. Die Frage, ob die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre verfassungswidrig ist, ist zwar Gegenstand zweier Verfahren beim BVerfG (Az.: 2 BvL 14/02 und 2 BvL 2/04). Diese sind jedoch anders gelagert und für den Streitfall nicht entscheidungserheblich; denn sie betreffen nicht die Verfassungswidrigkeit der § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG insgesamt, sondern lediglich ihre Verfassungswidrigkeit in Fallkonstellationen, in denen - anders als im Streitfall - das Grundstück zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung entweder bereits veräußert oder "steuerentstrickt" war. Die vorlegenden Gerichte haben ihre Vorlagefragen (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284; Beschluss des FG Köln in EFG 2002, 1236) ausdrücklich auf die von ihnen vorgelegten Fallkonstellationen beschränkt. Deshalb ist davon auszugehen, dass auch die Entscheidungen des BVerfG über die Vorlagefragen keinen rechtlichen Einfluss auf den vorliegenden Rechtsstreit haben; denn das BVerfG hat bei Verstößen gegen das Rückwirkungsverbot den Rechtsfolgenausspruch auf die als verfassungswidrig beurteilten Fälle begrenzt (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 201, 257 ff., 264 f.; vom 14. November 1961 2 BvL 15/59, BVerfGE 13, 206, 214).

Der von den Klägern vorgetragene Umstand, das BVerfG könne die in den Verfahren 2 BvL 14/02 und 2 BvL 2/04 gestellten Vorlagefragen später erweitern oder ausdehnen (zu den Voraussetzungen hierfür vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 15. Oktober 1997 2 BvN 1/95, BVerfGE 96, 345, m.w.N.) hat schon deshalb keinen Einfluss auf diese Beurteilung, da eine Erweiterung nicht erfolgt ist.