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  BFH-Urteil vom 15.9.2004 (I R 102-104/03) BStBl. 2005 II S. 255

Passive niedrig besteuerte Einkünfte ausländischer Zwischengesellschaften i.S. des § 8 AStG sind grundsätzlich auch dann gemäß §§ 7 ff. AStG hinzu- und gemäß § 14 AStG zuzurechnen, wenn sie weniger als 10 v.H. der gesamten Bruttoerträge der ausländischen Zwischengesellschaft betragen. Die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung enthalten keine allgemeine "Bagatellgrenze".

AStG § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1 und 2, § 9, § 14, § 18.

Vorinstanz: FG München vom 27. Oktober 2003 7 K 1385/00 (EFG 2004, 317), 7 K 1387/00 und 7 K 1744/03

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger zu 1.) war bis zum 22. Dezember 1991 zu 100 v.H. an einer in der Schweiz ansässigen Aktiengesellschaft (AG) schweizerischen Rechts, der Y-AG, beteiligt. Ab 23. Dezember 1991 wurde die Beteiligung von der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin zu 2.) übernommen. Gegenstand der Y-AG war die Entwicklung, Herausgabe und der Vertrieb von Fachliteratur. Sie hielt alle Anteile an einer weiteren in der Schweiz ansässigen AG schweizerischen Rechts, der X-AG, deren Gegenstand u.a. der Betrieb eines ...-Verlags war.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat die Auffassung, dass die Y-AG in den Streitjahren 1990 bis 1992 neben Einkünften aus aktiver Tätigkeit auch Einkünfte aus passivem Erwerb (Zinserträge aus umlaufenden Finanzmitteln und Erträge aus Darlehensausreichungen) erzielt habe, die nach §§ 7 ff. des Außensteuergesetzes in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung (AStG) der Hinzurechnungsbesteuerung unterlägen und gemäß § 18 AStG gesondert festzustellen seien. Im Einzelnen handelte es sich für die Streitjahre um Beträge von 196.844 DM (1990), 476.037 DM (1991) und 577.263 DM (1992), die jeweils weniger als 10 v.H. der gesamten Bruttoerträge der Y-AG ausmachten. Ferner habe auch die X-AG als Untergesellschaft der Y-AG entsprechende niedrig besteuerte Zwischeneinkünfte erzielt, die der Schweizer Obergesellschaft in den Streitjahren 1991 und 1992 gemäß § 14 AStG zuzurechnen seien. Diese Beträge beliefen sich auf 63.595 DM (1991) und 97.459 DM (1992). Sie waren gegenüber den Klägern ihrerseits gesondert festgestellt worden.

Das FA erließ auf dieser Basis Feststellungsbescheide, die das Finanzgericht (FG) München durch inhaltlich weitgehend übereinstimmende Urteile vom 27. Oktober 2003 7 K 1385/00, 7 K 1387/00 und 7 K 1744/03 aufhob. Das Urteil 7 K 1385/00 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 317 abgedruckt.

Seine Revisionen begründet das FA mit Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, die FG-Urteile aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die - zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen (§ 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) - Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sachen an das FG. Dieses hat zu Unrecht angenommen, dass die streitgegenständlichen Zinserträge einer im Gesetz angelegten "Unschädlichkeitsgrenze" unterworfen und deswegen nicht gemäß §§ 7 ff. AStG hinzu- bzw. gemäß § 14 AStG zuzurechnen seien. Die tatrichterlichen Feststellungen reichen für eine abschließende Entscheidung aber nicht aus.

1. Sind unbeschränkt Steuerpflichtige an einer Körperschaft, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland hat, zu mehr als der Hälfte beteiligt, so sind die Einkünfte, für die die Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, bei jedem von ihnen mit dem Teil steuerpflichtig, der auf die ihm zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft entfällt (§ 7 Abs. 1 AStG). Eine ausländische Gesellschaft ist Zwischengesellschaft für Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen und nicht aus in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 AStG bezeichneten Tätigkeiten stammen (§ 8 Abs. 1 AStG). Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG (a.F.) ist eine ausländische Gesellschaft (hier: Y-AG) allerdings keine Zwischengesellschaft für Einkünfte aus einer Beteiligung an einer anderen ausländischen Gesellschaft (hier: X-AG), an deren Nennkapital sie mindestens zu einem Viertel unmittelbar beteiligt ist, wenn die Beteiligung ununterbrochen seit mindestens zwölf Monaten vor dem für die Ermittlung des Gewinns maßgebenden Abschlussstichtag besteht und wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass diese Gesellschaft Sitz und Geschäftsleitung in demselben Staat wie die ausländische Gesellschaft hat und ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten bezieht. Ist eine solche Gesellschaft ihrerseits an einer anderen ausländischen Gesellschaft (Untergesellschaft) beteiligt und erzielt auch diese Untergesellschaft niedrig besteuerte Zwischeneinkünfte, die nicht aus in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG bezeichneten Tätigkeiten stammen, so sind diese Einkünfte der ausländischen Obergesellschaft nach § 14 AStG zuzurechnen.

2. Vor dem Hintergrund dieser Regelungslage streiten die Beteiligten darüber, ob die Zinseinnahmen der Y-AG und der X-AG hinzurechnungspflichtige Einkünfte aus passivem Erwerb darstellen, insbesondere, ob sich die zugrunde liegenden Kapitalanlagen den aktiv verwirklichten Tätigkeiten funktional zuordnen lassen. Das FG hat dies dahinstehen lassen, den Klägern aber im Ergebnis aus einem anderen Grunde Recht gegeben: Da die betreffenden Einnahmen in den Streitjahren jeweils weniger als 10 v.H. der gesamten Bruttoerträge der AG betrügen und diese Bruttoerträge aus Tätigkeiten i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG resultierten, scheide eine Hinzurechnung der Zinseinnahmen aus. Der Gesetzgeber habe in § 8 Abs. 1 Nr. 7, in § 8 Abs. 2 und in § 9 AStG zu erkennen gegeben, dass Erträge, die für sich genommen den "klassischen Bereich des passiven Erwerbs" bildeten, im Rahmen einer Unschädlichkeitsgrenze ohne weitere Prüfung als betriebliche Nebenerträge aktiver Tätigkeiten anzusehen sein sollten.

Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Eine solche durchgängige Bagatellgrenze mag in rechtspolitischer Hinsicht wünschenswert und vom Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Außensteuergesetz zunächst auch in Betracht gezogen worden sein (vgl. die Begründung zum 3. Gesetzesleitsatz der Bundesregierung vom 17. Dezember 1970 zum Außensteuergesetz vom 8. September 1972, BGBl I 1972, 1713, abgedruckt bei Flick/ Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8 S. 27). Die erwähnten Regelungen in § 8 Abs. 1 Nr. 7, in § 8 Abs. 2 und in § 9 AStG zeigen indes, dass sich dem Gesetz kein allgemein verwirklichtes gesetzgeberisches "Bagatellprinzip" entnehmen lässt. Eine Unschädlichkeitsgrenze ist lediglich für wenige positiv bestimmte Sachverhalte vorgesehen; die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelungen sind in den Streitfällen nicht erfüllt. Angesichts des klaren Regelungswortlauts lässt sich ein darüber hinausgehendes "Regulativ" entgegen der Annahme der Kläger nicht im Wege richterlicher Lückenfüllung schaffen.

3. In Anbetracht dessen kommt es für die Streitfälle darauf an, ob sich die betreffenden Einkünfte aus passiven Tätigkeiten nach Maßgabe einer funktionalen Betrachtungsweise anderweitigen aktiven Tätigkeiten zuordnen lassen (vgl. im Einzelnen Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., § 8 Rz. 31 ff.). Das FG hat diese Frage nicht geprüft. Es hat lediglich festgestellt, dass jene Zinserträge aus umlaufenden Finanzmitteln und aus Darlehensausreichungen resultieren. Das FA bezieht sich dazu im Rahmen seiner Revision zwar auf die zugrunde liegenden Feststellungen des Betriebsprüfers und gelangt auf dieser Basis zu dem Ergebnis, dass die Zinserträge eigenständiger Natur seien und nicht mit den aktiven Tätigkeiten gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG zusammenhingen. Die Kläger haben darauf jedoch kontrovers erwidert. Tatrichterliche Feststellungen dazu fehlen. Der Senat kann deswegen nicht abschließend über die Zuordnung der Kapitalausleihung zu den aktiven Tätigkeiten befinden. Es ist Sache des FG, den Sachverhalt weiter aufzuklären, ihn an den gesetzlichen Vorgaben zu messen und in diesem Zusammenhang ggf. auch den fortbestehenden Streit über die Höhe der Hinzurechnungsbeträge zu entscheiden. Das FG erhält im 2. Rechtsgang auch Gelegenheit zur Prüfung, ob insbesondere der am 19. März 2003 ergangene Feststellungsbescheid gegenüber der Klägerin zu 2. noch in nicht verjährter Zeit erlassen worden ist.