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BFH-Urteil vom 14.6.2005 (VIII R 3/03) BStBl. 2005 II S. 778

Bei einer Betriebsverpachtung ist § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG grundsätzlich nicht anzuwenden.

GewStG § 2 Abs. 1, § 9 Nr. 1 Satz 2; EStG § 15 Abs. 2, 3 Nr. 1 und 2.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 17. Oktober 2002 1 K 2373/00 (EFG 2003, 408)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, verpachtete lt. Vertrag vom 27. Dezember 1991 mit Wirkung ab 1. Januar 1992 Betriebsgrundstücke und -gebäude, spezifizierte Maschinen, Betriebs-, Lager- und Büroeinrichtungen sowie Betriebsvorrichtungen und darüber hinaus alle übrigen in ihrem Eigentum befindlichen Vermögensgegenstände an die S-GmbH. Das Pachtverhältnis endete am 31. Dezember 1997. Nach § 3 des Pachtvertrages übernahm die GmbH das gesamte bei der KG bisher angestellte Personal. Die GmbH verpflichtete sich, für die pachtweise überlassenen Vermögensgegenstände eine jährliche Zinszahlung in Höhe von 90 % des Reinertrags aus dem Immobilienanteil, den Gerätschaften und den Dienstleistungen des Personals zu entrichten. Die KG ihrerseits verpflichtete sich, "im Rahmen der geschäftlichen und persönlichen Gegebenheiten Darlehensleistungen in etwa von Neubaumaßnahmen der GmbH als Gesellschafterdarlehen zu überlassen" (§ 4 des Pachtvertrages). Beteiligt waren an der Klägerin in 1992 neben der D-GmbH als Komplementärin (0 %) D als Komplementär (34 %) sowie die Kommanditisten PL und AL (je 33 %). Ab 13. Januar 1993 war Komplementär nur noch die D-GmbH, Kommanditisten PL mit 67 % und AL mit 33 %. Beteiligte der GmbH waren D, T-D, H und PL zu je 25 %.

Ab dem Erhebungszeitraum 1992 wurde der Klägerin die beantragte erweiterte Kürzung vom Gewerbeertrag gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) nicht mehr gewährt.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrte die Klägerin, die Gewerbesteuermessbescheide für 1992 bis 1996 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 10. August 2000 aufzuheben.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 408 veröffentlichten Urteil statt, soweit sie das Jahr 1992 betraf. Für die Jahre 1993 bis 1996 wies es die Klage ab und entschied, der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) habe zu Recht die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG versagt.

Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG). Es macht im Wesentlichen geltend, § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sei angesichts seines Wortlauts ("ausschließlich") im Hinblick auf die gebotene Regelungsbestimmtheit nicht einschränkend auslegbar. Die ratio legis verlange nichts anderes. Auch sei das Ausschließlichkeitsgebot nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG keiner Abwägung nach der Verhältnismäßigkeit zugänglich. Die vorgreifliche Gewerbesteuerpflicht der Klägerin ergebe sich aus § 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Insbesondere habe die Klägerin unstreitig auch neben der Betriebsverpachtung noch weitere Tätigkeiten ausgeübt, die zur Fortsetzung der Gewerbesteuerpflicht geführt hätten, so insbesondere die Verwaltung von mehreren (ca. 200) fremden Wohnungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WoEigG) im eigenen Namen, für die sie die Verwalterstellung innegehabt habe.

Die Klägerin rügt die Verletzung von § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG, hilfsweise § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG und macht im Wesentlichen geltend, mit der Verpachtung des gesamten Gewerbebetriebs der Klägerin sei die Gewerbesteuerpflicht gemäß § 2 Abs. 1 GewStG entfallen. Die Mitverpachtung von Mobiliar sei, da von äußerst geringem Umfang, zu vernachlässigen. Der Buchwert bzw. Verkehrswert des Grundbesitzes habe 29.086.446 DM bzw. 50.000.000 DM (der Geschäftsausstattung 119.351 DM bzw. 120.000 DM) betragen, was einer Relation von 99,59 % zu 0,41 % bzw. 99,76 % zu 0,24 % entspreche.

Das FA beantragt, das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als der Klage stattgegeben wurde und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen, das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen wurde, und der Klage insgesamt stattzugeben.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG war insoweit aufzuheben, als das Gericht der Klage stattgegeben hat; die Klage war insgesamt abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

Die Entscheidung des FG, dass das FA die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG für das Streitjahr 1992 zu Unrecht versagt habe, verstößt gegen materielles Recht. Im Übrigen ist die Entscheidung des FG im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Die Klägerin war in den Streitjahren gewerbesteuerpflichtig (§ 2 Abs. 1 GewStG).

a) 1992 war die Klägerin gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1, 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2, 3 Nr. 1 EStG gewerbesteuerpflichtig. Sie hat auch nach Einstellung ihrer werbenden Tätigkeit mit der Verpachtung ihres Betriebs an die S-GmbH ab Januar 1992 (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Juni 1998 IV R 56/97, BFHE 186, 356, BStBl II 1998, 735, m.w.N.; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 5. Aufl., § 2 Anm. 217, S. 247) weiterhin die Verwaltung fremder Eigentumswohnungen betrieben - mindestens ca. 200 Wohnungen -. Dabei handelt es sich um eine gewerbliche Betätigung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG. Dies führt gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG zur Gewerbesteuerpflicht der gesamten Tätigkeit der Klägerin. Der Ausnahmefall, dass die fortgeführte Wohnungsverwaltung nur einen zu vernachlässigenden "äußerst geringen Anteil" - vergleichbar etwa 1,25 % des Umsatzes - (BFH-Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229) ausmachte, ist nicht ersichtlich.

b) 1993 bis 1996 war die Klägerin jedenfalls gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1, 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerbesteuerpflichtig, da dann nur noch die GmbH persönlich haftende Gesellschafterin der KG war (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Oktober 1995 IV B 9/95, BFH/NV 1996, 213). Die Grundsätze, nach denen der BFH die gewerbliche Betriebsverpachtung nicht als gewerbesteuerpflichtig angesehen hat (BFH-Urteil vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124), sind auf eine gewerblich geprägte Personengesellschaft nicht anzuwenden (BFH-Beschluss in BFH/NV 1996, 213, 214).

2. Die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG war nicht zu gewähren. Denn eine Betriebsverpachtung stellt grundsätzlich keine begünstigte Vermögensverwaltung dar.

a) Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG können Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Kaufeigenheime, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen errichten und veräußern, auf Antrag den Gewerbeertrag statt um einen bestimmten Prozentsatz des Einheitswerts des Grundbesitzes um den Teil des Gewerbeertrags kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (dazu grundlegend BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2002 I R 24/01, BFHE 200, 54, BStBl II 2003, 355). Begünstigt ist nur die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes (Vermögensverwaltung). Zweck der erweiterten Kürzung ist es, die Erträge aus der bloßen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes von der Gewerbesteuer aus Gründen der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen freizustellen, die nur Grundstücksverwaltung betreiben (dazu grundlegend BFH-Urteil vom 18. April 2000 VIII R 68/98, BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359, m.w.N.). Danach ist § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Verwaltung oder Nutzung des eigenen Grundbesitzes die Grenze zur Gewerblichkeit überschreitet (BFH-Urteil in BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359, zu II.3.b, m.w.N.). Eine gewerbliche Betätigung, die nicht zu den in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten unschädlichen Nebentätigkeiten zählt, schließt grundsätzlich die erweiterte Kürzung aus, auch wenn sie von sog. untergeordneter Bedeutung ist (BFH-Urteil in BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359, zu II.3.a, m.w.N.).

Begünstigt sind u.a. auch gewerblich geprägte Personengesellschaften i.S. von § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG und andere Personengesellschaften, wenn sie neben der Vermögensverwaltung ihres Grundbesitzes sonstige gewerbliche Aktivitäten entwickeln, die unter den Katalog der zwar erlaubten, aber nicht begünstigten Tätigkeiten fallen und damit ohne die Kürzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG wegen der einheitlichen Zuordnung in vollem Umfang gewerbesteuerpflichtig wären. Die erlaubten, aber nicht begünstigten Tätigkeiten sind in § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG abschließend aufgezählt. Unschädlich ist insoweit die von der Klägerin nach der Betriebsverpachtung weiterhin betriebene Wohnungsverwaltung (vgl. BFH-Urteil vom 17. September 2003 I R 8/02, BFHE 203, 504, BStBl II 2004, 243).

Die genannte Ausschließlichkeit der begünstigten Tätigkeit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes bedeutet insbesondere, dass grundsätzlich nur die begünstigte Tätigkeit ausgeübt werden darf und es sich ausnahmslos um eigenen Grundbesitz handeln muss. Nebentätigkeiten liegen unstreitig innerhalb des von diesem Ausschließlichkeitsgebot gezogenen Rahmens und sind - ausnahmsweise - nicht begünstigungsschädlich, wenn sie der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im engeren Sinne dienen und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden können (vgl. u.a. Gosch in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz und Gewerbesteuergesetz, § 9 GewStG Rz. 71, m.w.N.). Hierzu zählt insbesondere der Betrieb notwendiger Sondereinrichtungen für die Mieter und von notwendigen Sondereinrichtungen im Rahmen der allgemeinen Wohnungsbewirtschaftung, etwa die Unterhaltung von zentralen Heizungsanlagen, Gartenanlagen und Ähnlichem. Eine darüber hinausgehende Mitvermietung von (nicht fest mit dem Grundstück verbundenen) Betriebsvorrichtungen schließt die Kürzung regelmäßig aus.

b) Im Streitfall stellt die Nutzung des Grundbesitzes im Rahmen der Betriebsverpachtung der Klägerin keine durch § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG begünstigte Vermögensverwaltung dar.

Dass eine Betriebsverpachtung vorliegt, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Lt. § 1 des Pachtvertrages waren alle im Eigentum der KG befindlichen Vermögensgegenstände und damit alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen (BFH-Urteil vom 17. April 1997 VIII R 2/95, BFHE 183, 385, BStBl II 1998, 388, unter II.2.b zu § 16 Abs. 3 EStG) mitverpachtet.

Nach der Zwecksetzung von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist eine derartige Betriebsverpachtung grundsätzlich deshalb nicht begünstigt, weil dabei nicht nur im Sinne einer typischen Vermögensverwaltung Grundbesitz, sondern der lebende Organismus des Betriebs, d.h. typischerweise gerade auch Vermögen anderer Art verwaltet und genutzt wird (vgl. Gosch in Blümich, a.a.O., § 9 GewStG Rz. 60). Das wäre nur dann anders, wenn es sich bei dieser zusätzlichen Nutzung um eine Nebentätigkeit handeln würde, die als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung anzusehen ist (s. oben a). So liegt der Fall hier jedoch nicht.

Im Rahmen der Betriebsverpachtung ist § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auch dann nicht anzuwenden, wenn mit der Mitverpachtung von Mobiliar zur Grundstücksnutzung lediglich eine als äußerst geringfügig zu betrachtende und insoweit als wirtschaftlich vernachlässigbar erscheinende gewerbliche Tätigkeit hinzuträte. Die Vorschrift belässt insoweit keinen Auslegungsspielraum (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 27. Februar 2002 IV S 7-10/01, BFH/NV 2002, 1052; BFH-Urteile vom 26. August 1993 IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338; in BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359, zu II.3.c; BFH-Beschluss in BFHE 200, 54, BStBl II 2003, 355; Wendt, Finanz-Rundschau 2000, 1038; Gosch, Steuerliche Betriebsprüfung 2000, 57 und 341).