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BFH-Urteil vom 7.7.2005 (V R 4/03) BStBl. 2005 II S. 903

Die Aufhebung von § 36 UStDV 1993 durch Art. 8 Nr. 1 StEntlG 1999/2000/2002 mit Wirkung ab 1. April 1999 und die damit verbundene Abschaffung des pauschalen Vorsteuerabzugs aus Reisekosten steht nicht in Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht.

UStG 1999 § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; UStG 1993 § 15 Abs. 5 Nr. 4; Richtlinie 77/388/EWG Art. 27 Abs. 5; UStDV 1993 § 36, § 38.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 16. Dezember 2002 5 K 2545/00 (EFG 2003, 813)

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) über den 31. März 1999 hinaus den Vorsteuerabzug aus Reisekosten nach Pauschbeträgen entsprechend den seit 1. April 1999 aufgehobenen Vorschriften des § 36 Abs. 1 und Abs. 3 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV 1993) in Anspruch nehmen kann.

Der Kläger betrieb im Streitjahr (1999) selbständig ein Ingenieurbüro. Mit seiner Umsatzsteuer-Erklärung für 1999 machte er Vorsteuerbeträge in Höhe von 4.367,11 DM geltend. Diese entfielen in Höhe von insgesamt 1.876,85 DM auf nach dem 1. April 1999 entstandene Reisekosten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) kürzte die Vorsteuerbeträge um diesen Betrag und setzte die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 1. August 2000 entsprechend fest.

Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 813 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, die Einführung des § 15 Abs. 1a Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1999) und die ersatzlose Aufhebung der §§ 36 bis 39 UStDV 1993 verstoße gegen Art. 17 Abs. 2 und Abs. 6 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Aus Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG ergebe sich, dass eine Beschränkung des Vorsteuerabzugs nach In-Kraft-Treten der Richtlinie nicht zulässig sei. Durch die Neuregelung aber habe der Gesetzgeber den Vorsteuerabzug bei Reisekosten erheblich beschränkt. Ob die Beschränkung des Vorsteuerabzugs dabei durch eine Neuregelung wie § 15 Abs. 1a UStG 1999 oder durch die Streichung einer bestehenden Vorsteuerabzugsmöglichkeit wie §§ 36 ff. UStDV bewirkt werde, sei unerheblich. Der Bundesrepublik Deutschland sei auch keine Ermächtigung des Rates nach Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG erteilt worden. Er, der Kläger, könne sich unmittelbar auf Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG berufen. Weiterhin anzuwenden seien im vorliegenden Verfahren insbesondere § 15 Abs. 5 Nr. 4 UStG 1993 i.V.m. §§ 36 bis 39 UStDV 1993. Danach sei der geltend gemachte Vorsteuerabzug aus den pauschalierten Reisekosten zulässig.

Für den Bereich der Fahrtkosten bestehe noch die Besonderheit, dass aus § 15 Abs. 1a Nr. 2 UStG 1999 unmittelbar nur folge, dass aus Fahrtkosten des Personals keine Vorsteuer mehr abgezogen werden dürfe. Durch Streichung der Ermächtigungsvorschrift des § 15 Abs. 5 Nr. 4 UStG 1993 und der §§ 36 bis 39 UStDV 1993 sei diese Abzugsbeschränkung auf die Unternehmer ausgeweitet worden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die abziehbaren Vorsteuerbeträge um 1.876,85 DM zu erhöhen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger ein pauschaler Vorsteuerabzug aus Reisekosten ab 1. April 1999 nicht zusteht.

1. Der vom Kläger geltend gemachte Vorsteuerabzug ergibt sich nicht aus § 15 Abs. 1 UStG 1999.

Nach § 15 Abs. 1 UStG in der im Streitjahr 1999 geltenden Fassung kann der Unternehmer u.a. die in Rechnungen gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Diese Voraussetzungen sind schon deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger keine Rechnungen anderer Unternehmer vorgelegt hat.

2. Der Vorsteuerabzug lässt sich auch nicht - abweichend von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG 1999 - auf § 15 Abs. 5 Nr. 4 UStG 1993 i.V.m. §§ 36, 38 UStDV 1993 stützen.

Nach § 15 Abs. 5 Nr. 4 UStG 1993 konnte das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen, auf welcher Grundlage und in welcher Höhe der Unternehmer den Vorsteuerabzug aus Gründen gleicher Wettbewerbsverhältnisse abweichend von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 aus Kosten in Anspruch nehmen kann, die er aus Anlass einer Dienstreise aufgewendet hat. Aufgrund dieser Ermächtigung konnte der Unternehmer bis zum 31. März 1999 nach § 36 UStDV 1993 unter den dort genannten Voraussetzungen bei Reisekosten Pauschbeträge als Vorsteuer abziehen. § 15 Abs. 5 Nr. 4 UStG 1993 und §§ 36 ff. UStDV 1993 sind aber durch Art. 7 Nr. 11, Art. 8 Nr. 1 des Steuerentlastungsgesetzes - StEntlG - 1999/2000/2002 (BGBl I 1999, 402, BGBl I 1999, 304) mit Wirkung ab 1. April 1999 aufgehoben worden.

3. Die Aufhebung von § 36 UStDV 1993 und die damit verbundene Abschaffung des pauschalen Vorsteuerabzugs aus Reisekosten steht nicht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht.

Durch § 15 Abs. 5 Nr. 4 UStG 1980/1993 hatte der Gesetzgeber von einer nach Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG für den Vorsteuerabzug aus Reisekosten (ab 1. Januar 1978) genehmigten Sondermaßnahme Gebrauch gemacht (vgl. Anhang I des Ersten Berichts der Kommission an den Rat über das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems - vorgelegt gemäß Art. 34 der Richtlinie 77/388/EWG - KOM (83) 426 endg.-). Ein abweichend von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 (Art. 17 Abs. 1, 2 der Richtlinie 77/388/EWG) zugelassener Vorsteuerabzug darf nachträglich eingeschränkt werden, um den Zielen der Richtlinie 77/388/EWG näher zu kommen (vgl. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 14. Juni 2001 Rs. C-345/99, Kommission/Französische Republik, Slg. 2001, I-4493, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2001, 405, Rz. 22); er darf aber nicht erweitert werden (vgl. EuGH-Urteile vom 14. Juni 2001 Rs. C-40/00, Kommission/Französische Republik, Slg. 2002, I-4539, UR 2001, 407 Rz. 17 ff., und vom 8. Januar 2002 Rs. C-409/99, Metropol, UR 2002, 220 Rz. 49).

Die Einschränkungen des Vorsteuerabzugs durch Aufhebung der §§ 36 bis 38 UStDV 1993 (Art. 8 Nr. 1 StEntlG 1999/2000/2002) durch den Gesetzgeber sind richtliniengemäß, weil das Gemeinschaftsrecht einen Vorsteuerabzug ohne Rechnung nicht zulässt. Gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG muss der Steuerpflichtige zur Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug eine nach Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG ausgestellte Rechnung besitzen.

Die Aufhebung der Sondermaßnahme durch das StEntlG 1999/2000/ 2002 verstößt deshalb auch nicht gegen die sog. Stillhalteklausel des Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach können die Mitgliedstaaten bis zur Festlegung des Rates, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist, alle Ausschlüsse vom Vorsteuerabzug beibehalten, die in den in ihrem zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen gewesen sind.

Hinsichtlich des pauschalen Vorsteuerabzugs aus Kosten, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ersetzt, hat der Senat bereits im Urteil vom 3. April 2003 V R 88/01 (BFHE 201, 565, BStBl II 2003, 677) ausgeführt, dass die Einschränkung des Vorsteuerabzugs durch die Aufhebung der §§ 36 bis 38 UStDV richtliniengemäß ist, weil das Gemeinschaftsrecht einen derartigen Vorsteuerabzug nicht kennt. Entsprechendes gilt für den pauschalen Vorsteuerabzug aus den dem Unternehmer selbst entstandenen Reisekosten.