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BFH-Urteil vom 31.5.2005 (I R 74, 88/04) BStBl. 2006 II S. 118

Einer niederländischen Kapitalgesellschaft, die innerhalb eines ebenfalls in den Niederlanden ansässigen aktiv tätigen Konzerns auf Dauer als Holdinggesellschaft ausgegliedert wird, ist die Steuerentlastung gemäß § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 1990/1994 auch dann nicht nach § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 zu versagen, wenn an ihr Personen beteiligt sind, denen die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten (Abweichung vom Senatsurteil vom 20. März 2002 I R 38/00, BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819).

EStG 1990/1994 § 44d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, § 50d Abs. 1 Satz 1, Abs. 1a; AO 1977 § 42.

Vorinstanz: FG Köln vom 11. Dezember 2003 2 K 5657/99 (EFG 2004, 1540) und 2 K 5703/99 (EFG 2004, 1848)

Sachverhalt

I.

Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) sind Kapitalgesellschaften (B.V.) niederländischen Rechts. Sie gehören zur G-Gruppe, einem Konzern der Fernseh-Unterhaltungsbranche, und wurden im Zuge der wirtschaftlichen Expansion dieser Gruppe im Jahre 1981 (Klägerin zu 1) und im Jahre 1987 (Klägerin zu 2) gegründet. Ihre Sitze befanden sich in den streitgegenständlichen Zeiträumen April 1994 (Klägerin zu 1) bzw. Mai 1994 sowie Juni und Oktober 1995 (Klägerin zu 2) in den Niederlanden in den Geschäftsräumen der pp-B.V., einer Tochtergesellschaft der Klägerin zu 1 und zugleich einer Schwestergesellschaft der Klägerin zu 2, deren Telefon- und Telefaxanschlüsse sie nutzten. Sämtliche Gesellschaften wie auch weitere Schwester- und Tochterunternehmen in den Niederlanden wurden von dort ansässigen Geschäftsführern geleitet. Über weiteres Personal verfügten die Klägerinnen nicht.

Die Anteile der Klägerinnen wurden von einer auf den Niederländischen Antillen ansässigen Holdinggesellschaft, der G-N.V., gehalten, deren Gesellschafterin in den streitgegenständlichen Zeiträumen wiederum die auf den Bermudas residierende Muttergesellschaft, die G-Ltd., war. An letzterer waren zu 85 v.H. G, Bermudas, und zu jeweils 7,5 v.H. H, Australien, und B, USA, beteiligt. Die G-Ltd. war an weiteren niederländischen Tochtergesellschaften und an zahlreichen Enkelgesellschaften in verschiedenen europäischen und außereuropäischen Ländern beteiligt. Mit Wirkung vom 5. Mai 1995 wurden die Beteiligungen an der G-Ltd. an eine britische Kapitalgesellschaft veräußert.

Innerhalb der G-Gruppe, die auf dem Unterhaltungssektor Fernsehshows produzierte, Filme und Filmrechte kaufte und verkaufte und lizenzierte, hatten die Klägerinnen die Aufgabe, Beteiligungen an anderen europäischen und außereuropäischen Tochtergesellschaften zu halten:

Die Klägerin zu 1 war Alleingesellschafterin der G-GmbH I in Deutschland sowie zweier weiterer Tochtergesellschaften in Frankreich und in den Niederlanden. Die G-GmbH I schüttete im April 1994 Gewinne von ... DM aus. Die Klägerin zu 1 beantragte daraufhin am 17. Dezember 1997 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Bundesamt für Finanzen - BfF -), die auf die Ausschüttung für den Anmeldezeitraum 4/1994 einbehaltene Kapitalertragsteuer von 25 v.H. gemäß § 44d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1990 (EStG 1990) in der für die Streitfälle maßgeblichen Fassung auf 5 v.H. der Ausschüttung zu ermäßigen und ihr den Unterschiedsbetrag gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 1990 zu erstatten.

Die Klägerin zu 2 war ebenfalls Alleingesellschafterin einer deutschen GmbH, der G-GmbH II, sowie von sechs weiteren Tochtergesellschaften in Schweden, Singapur, Japan, Chile, Spanien und den Vereinigten Staaten. Die G-GmbH II schüttete im Mai 1994 Gewinne von ... DM sowie im Juni und Oktober 1995 Gewinne von ... DM bzw. ... DM an die Klägerin zu 2 aus. Auch die Klägerin zu 2 beantragte daraufhin - am 14. April 1998 - beim BfF, die auf die Ausschüttung für die Anmeldezeiträume 5/1994 sowie 6 und 10/1995 einbehaltenen Kapitalertragsteuern von jeweils 25 v.H. gemäß § 44d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 EStG 1990 auf 5 v.H. der Ausschüttung zu ermäßigen und ihr die Unterschiedsbeträge gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 1990 zu erstatten.

Das BfF gewährte zunächst - unter Hinweis auf § 50d Abs. 1a EStG 1990 in Gestalt des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (StMBG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2310, BStBl I 1994, 50) - EStG 1990/1994 - lediglich Teilerstattungen für jene 15 v.H., mit denen H und B - zu jeweils 7,5 v.H. - an der G-Ltd. beteiligt waren, und begrenzte diese Teilerstattungen auf die verbleibenden Höchststeuersätze von 10 v.H. und 15 v.H. nach Maßgabe der für H und B einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen - DBA - (Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b, Abs. 3 Satz 1 Buchst. a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 - DBA-USA -, BGBl II 1991, 355; Art. 10 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Australischen Bund zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie bei einigen anderen Steuern vom 24. November 1972 - DBA-Australien -, BGBl II 1974, 338). Die beantragten weiter gehenden Erstattungen versagte das BfF, weil G als Mehrheitsgesellschafter der G-Ltd. auf den Bermudas ansässig war und ihm deshalb keine abkommensrechtliche Entlastung zustehe. Während der dagegen eingeleiteten Einspruchsverfahren wurden die Erstattungen jedoch vollen Umfanges abgelehnt: Entgegen ursprünglicher Auffassung komme es für § 50d Abs. 1a EStG 1990 nicht auf die lediglich mittelbar an den Klägerinnen beteiligten H und B an, sondern nur auf die G-N.V. als unmittelbar Beteiligte. Diese residiere indes auf den Niederländischen Antillen.

Das Finanzgericht (FG) Köln wies die dagegen gerichteten Klagen ab. Es bezog sich dabei auf das in einer Parallelsache ergangene Senatsurteil vom 20. März 2002 I R 38/00 (BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819) gegen eine Schwestergesellschaft der Klägerinnen. Die Urteile des FG vom 11. Dezember 2003 2 K 5657/99 und 2 K 5703/99 sind in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1540 sowie 1848 abgedruckt.

Ihre Revisionen stützen die Klägerinnen beiderseits auf Verletzung materiellen, die Klägerin zu 1 zusätzlich auf Verletzung formellen Rechts.

Sie beantragen sinngemäß,

1. die FG-Urteile und die angefochtenen Bescheide aufzuheben,

2. die Erstattungen wie folgt festzusetzen:

Klägerin zu 1: für 4/1994 auf ... DM,

Klägerin zu 2: für 5/1994 auf ... DM, für 6/1995 auf ... DM und für 10/1995 auf ... DM,

hilfsweise,

Klägerin zu 1: für 4/1994 auf ... DM,

Klägerin zu 2: für 5/1994 auf ... DM, für 6/1995 auf ... DM und für 10/1995 auf ... DM,

3. weiterhin hilfsweise, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

a) Erlaubt der Missbrauchstatbestand nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie Nr. 435/90/EWG des Rates über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Mutter/Tochter-Richtlinie - MTR -) vom 23. Juli 1990 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L 225, 6) Gesellschaften, die keine aktive wirtschaftliche Tätigkeit ausüben und lediglich Beteiligungen an Gesellschaften in anderen Mitglied- und Drittstaaten halten, von der Anwendung der MTR auszuschließen?

b) Erlaubt die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte - EG - (ABlEG Nr. C-340/1997, 1) Gesellschaften, die keine aktive wirtschaftliche Tätigkeit ausüben und lediglich Beteiligungen an Gesellschaften in anderen Mitglied- und Drittstaaten halten, von der Anwendung der MTR auszuschließen?

c) Erlaubt Art. 10 EG Gesellschaften, die keine aktive wirtschaftliche Tätigkeit ausüben und lediglich Beteiligungen an Gesellschaften in anderen Mitglied- und Drittstaaten halten, von der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Mitgliedstaaten auszuschließen?

d) Falls die ersten drei Fragen zu bejahen sind: Erlaubt der Missbrauchstatbestand nach Art. 1 Abs. 2 der MTR, solche Gesellschaften von der Anwendung der MTR auch dann auszuschließen, wenn eine im gleichen Mitgliedstaat ansässige Schwestergesellschaft eine aktive wirtschaftliche Tätigkeit ausübt?

Das BfF beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die - gemäß § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen - Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der FG-Urteile und zur Zurückverweisung der Sachen an das FG. Die von diesem getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen für abschließende Entscheidungen durch den Senat nicht aus.

1. Nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 1990 kann der Gläubiger von Kapitalerträgen die völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer verlangen, wenn diese Einkünfte gemäß § 44d EStG 1990/1994 nicht oder nur nach einem unter 25 v.H. liegenden Steuersatz besteuert werden dürfen. So verhält es sich im Grundsatz in den Streitfällen: Die Klägerinnen waren Muttergesellschaften i.S. von § 44d Abs. 2 EStG 1990/1994 ohne Sitz und Geschäftsleitung im Inland; sie waren unter den zeitlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift Alleingesellschafterinnen der beiden inländischen GmbH I und II und erfüllten damit die gesetzliche Mindestbeteiligungsquote gemäß § 44d Abs. 2 Satz 1 EStG 1990/1994 von mindestens 25 v.H.

2. Der erkennende Senat war in seinem Urteil in BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819 allerdings der Rechtsauffassung, die seinerzeit beantragte Ermäßigung des Steuerabzugs auf 5 v.H. (§ 44d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990/1994) scheitere daran, dass es sich bei der dortigen Klägerin um eine funktionslose sog. Basisgesellschaft handele. Als solche könne sie die Steuererstattung sowohl wegen § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) als auch wegen § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 nicht beanspruchen. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung nach erneuter Befassung unter den tatsächlichen Gegebenheiten der Streitfälle nicht länger fest.

a) Nach § 42 Satz 1 AO 1977 i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2001 - StÄndG 2001 -) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794, BStBl I 2002, 4) - AO 1977 a.F. - kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Sinne liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. z.B. Senatsurteil vom 19. August 1999 I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43, m.w.N.). § 42 AO 1977 erfasst auch beschränkt Steuerpflichtige. Im Einzelnen wird insoweit auf das Senatsurteil vom 29. Oktober 1997 I R 35/96 (BFHE 184, 476, BStBl II 1998, 235) verwiesen.

Unter vergleichbaren Voraussetzungen und mit im Ergebnis vergleichbarer Zielsetzung schließt § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 den Anspruch einer ausländischen Gesellschaft auf Steuerbefreiung oder -ermäßigung nach § 44d EStG 1990/1994 oder nach einem DBA aus, soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und - erstens - für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen sowie - zweitens - sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet. Die beiden letzteren Erfordernisse müssen kumulativ vorliegen, um die Steuerentlastung zu versagen (vgl. Gosch in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., § 50d Rn. 43). Die Vorschrift dient, wie der Gesetzesbegründung (BTDrucks 12/5764, S. 26) zu entnehmen ist, der sondergesetzlichen Konkretisierung des Grundsatzes, dass bilaterale Abkommen unter einem Umgehungsvorbehalt stehen. Sie bezweckt, durch ergänzende tatbestandliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer möglichen Unvollständigkeit von § 42 AO 1977 zu begegnen, und zwar vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich aufgegebenen Rechtsprechung des Senats, wonach beschränkt Steuerpflichtige von § 42 AO 1977 nicht erfasst werden sollten.

b) Anknüpfend an die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Zwischenschaltung von Basisgesellschaften in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft im Ausland hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819 die Voraussetzungen beider Vorschriften für die in den Streitfällen in Rede stehenden Sachverhaltskonstellationen als erfüllt angesehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das vorgenannte Urteil Bezug genommen (s. auch das Senatsurteil vom 23. Oktober 2002 I R 39/01, BFH/NV 2003, 289).

c) Diese Einschätzung der Sachlage wird indes nicht aufrechterhalten (vgl. auch z.B. Roser, GmbH-Rundschau - GmbHR - 2002, 869, 871; Jacob/Klein, Internationales Steuerrecht - IStR - 2002, 600; Stoschek, IStR 2002, 656; Niedrig, IStR 2003, 474; Lieber, Internationale Wirtschaftsbriefe - IWB - Fach 3a Gruppe 1, 1036; Lampe, Recht der Internationalen Wirtschaft - RIW - 2002, 864; Schnitger, IWB, Fach 11 Gruppe 2, 599, 601 f.).

aa) Wie der Senat in seinem Urteil vom 17. November 2004 I R 55/03 (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst - DStRE - 2005, 580) in Abgrenzung vom Senatsurteil vom 27. August 1997 I R 8/97 (BFHE 184, 329, BStBl II 1998, 163) entschieden hat, ist die Zwischenschaltung konzernabhängiger niederländischer Kapitalgesellschaften, die im Inland Grundbesitz vermieten und in diesem Zusammenhang eine eigenwirtschaftliche Funktion innehaben, auch dann, wenn sie von ihrer niederländischen Gesellschafterin, einer Stiftung, fast ausschließlich mit Fremdkapital ausgestattet werden, nicht ohne weiteres rechtsmissbräuchlich (s. auch Senatsurteil vom 25. Februar 2004 I R 42/02, BFHE 206, 5, BStBl II 2005, 14). Tragende Erwägung war in jenem Urteil namentlich, dass die zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften innerhalb eines ansonsten wirtschaftlich aktiv tätigen Konzerns aus organisatorischen sowie haftungsrechtlichen Gründen als selbständige Projektgesellschaften ausgegliedert worden waren. Dieses Struktur- und Strategiekonzept war konzernintern durchgängig bezogen auf sämtliche Auslandsengagements im Immobilienbereich und nicht nur einzelfallbezogen verwirklicht worden; die Auslagerung der Vermietungsaktivitäten in die Kapitalgesellschaften erfolgte auf Dauer, nicht lediglich vorübergehend. In Anbetracht dessen trat der Umstand, dass die Gesellschaften abgesehen von ihrer Geschäftsführung über kein Personal und auch über keine Büroräume verfügten, zurück.

bb) In den Streitfällen stellt sich die Situation nach der vom FG in Bezug genommenen Aktenlage und dem Vorbringen der Klägerinnen in vergleichbarer Weise dar: Danach sind die - als solche passiven - Beteiligungsaktivitäten konzernintern durchgängig in selbständige Kapitalgesellschaften - u.a. die Klägerinnen - ausgegliedert worden und erfolgten die konzernstrategischen Ausgliederungen langfristig und nicht etwa nur zu dem Zweck, abkommensrechtliche Erstattungsvorteile nach Maßgabe des § 50d Abs. 1 EStG 1990/1994 zu erlangen: Die Klägerinnen wurden 1981 (Klägerin zu 1) bzw. 1987 (Klägerin zu 2) gegründet; sie domizilierten in den Niederlanden und damit in jenem Staat, in dem die Konzerngesellschaften der G-Gruppe ihr aktives europäisches Kerngeschäft konzentriert hatten, nicht aber in einem Drittstaat, so dass die Ansässigkeit der Klägerinnen in den Niederlanden die Erlangung von Abkommensvorteilen ermöglichen würde. Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass die ausgegliederten Kapitalgesellschaften ihre jeweiligen Unternehmenszwecke - das Halten der Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften - auf eigene Rechnung und funktional eigenwirtschaftlich erfüllten. Für die Einschaltung der niederländischen Zwischengesellschaften bestanden also wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe i.S. von § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994. Das Fehlen solcher Gründe ist aber unerlässliche Voraussetzung, um die Steuerentlastung nach § 50d Abs. 1 EStG 1990/1994 ausscheiden zu lassen. Denn indem § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 ausdrücklich auf das (alternative) Erfordernis wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Gründe abstellt, gibt er als gegenüber § 42 AO 1977 spezieller Vorschrift zur Vermeidung von Gestaltungsmissbräuchen den tatbestandlichen Rahmen auch für den ggf. daneben anzuwendenden § 42 AO 1977 abschließend vor. Sollen Wertungswidersprüche ausgeschlossen werden, muss die tatbestandlich enger gefasste Spezialvorschrift auf die allgemeinere Vorschrift durchschlagen (vgl. ähnlich zum Verhältnis von § 42 Abs. 1 AO 1977 zu §§ 7 ff. des Außensteuergesetzes, z.B. Senatsurteil vom 20. März 2002 I R 63/99, BFHE 198, 506, BStBl II 2003, 50, m.w.N.; s. auch Senatsurteil in BFHE 206, 5, BStBl II 2005, 14).

Abweichend von der Situation der Klägerin im Urteilsfall in BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819 hielten die beiden Klägerinnen in den Streitfällen als Holdinggesellschaften auch nicht nur eine einzige Beteiligung, sondern jeweils mehrere Beteiligungen. Auch der zweite Versagensgrund des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 könnte damit, ohne dass dem im Einzelnen weiter nachzugehen wäre, nicht erfüllt sein.

3. Diese tatsächlichen Gegebenheiten unterstellt, handelte es sich bei den Klägerinnen nicht um funktionslose "Briefkästen", auf die die Rechtsprechung zu den sog. Basisgesellschaften vorbehaltlos anzuwenden wäre. Der Vorwurf des Gestaltungsmissbrauchs wäre nicht gerechtfertigt; die Klägerinnen könnten die beantragten Steuererstattungen unbeschadet der Regelungen in § 42 Abs. 1 AO 1977 sowie in § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 beanspruchen.

4. Die Vorinstanz, die dem Senatsurteil in BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819 gefolgt ist und die Klagen abgewiesen hat, hat dazu indes keine weiteren tatrichterlichen Feststellungen getroffen. Das aber wäre infolge der geläuterten Erkenntnisse des Senats erforderlich gewesen. Die angefochtenen Urteile waren deswegen aufzuheben, damit das FG den Sachverhalt aufklären und die Richtigkeit des Klägerinnenvorbringens überprüfen kann.