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BFH-Urteil vom 22.9.2005 (V R 28/03) BStBl. 2006 II S. 280

1. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts wird mit der Verpachtung ihrer Eigenjagd im Rahmen ihres land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gemäß § 2 Abs. 3 UStG gewerblich oder beruflich tätig.

2. § 24 UStG ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass er nur die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und landwirtschaftliche Dienstleistungen i.S. des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG erfasst.

UStG 1993/1999 § 2 Abs. 3 Satz 1, § 24 Abs. 1; Richtlinie 77/388/EWG Art. 4 Abs. 5, Art. 25

 (Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 26. Mai 2005 Rs. C-43/04, Stadt Sundern)

Vorinstanz: FG Münster vom 11. Februar 2003 5 K 3018/01 U (EFG 2003, 1127)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Stadtgemeinde. In den Streitjahren 1994 bis 1999 hatte sie Einnahmen aus Holzverkäufen und Forstbenutzung sowie aus der Verpachtung von Eigenjagdbezirken. Die Einnahmen aus der Eigenjagdverpachtung beliefen sich dabei in 1994 auf 32.601,59 DM, in den Jahren 1995 bis 1997 jeweils auf 33.461,05 DM, in 1998 auf 34.571,72 DM und in 1999 auf 34.810 DM.

Die Klägerin behandelte die Jagdverpachtungen zunächst als Umsätze i.S. des § 24 des Umsatzsteuergesetzes 1993 und 1999 (UStG).

Bei der Festsetzung der Umsatzsteuer für die Streitjahre 1994 bis 1999 vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) im Anschluss an eine Außenprüfung die Auffassung, dass diese Jagdverpachtungen nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Februar 1999 V R 27/97 (BFHE 187, 359, BStBl II 1999, 378) nicht zu den land- und forstwirtschaftlichen Umsätzen i.S. des § 24 UStG zu rechnen seien, sondern nach den allgemeinen Vorschriften mit dem Regelsteuersatz zu versteuern seien.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gegen die Umsatzsteuerbescheide statt. Es sah in der Jagdverpachtung keine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit der Klägerin gemäß § 2 Abs. 3 UStG; die Jagdverpachtung erfolge weder im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs noch im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art; sie übersteige nicht den Betrieb einer bloßen Vermögensverwaltung (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2003, 1127).

Hiergegen wendet sich das FA mit der vorliegenden Revision. Es meint, der Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs i.S. des § 2 Abs. 3 UStG richte sich nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen. Die Jagdverpachtung sei deshalb im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs der Klägerin erfolgt. Das Urteil des BFH in BFHE 187, 359, BStBl II 1999, 378, wonach die Jagdverpachtung nicht der Durchschnittsbesteuerung gemäß § 24 UStG, sondern der Regelbesteuerung unterliege, hindere nicht, sie dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin i.S. des § 2 Abs. 3 UStG zuzuordnen.

Mit Beschluss vom 27. November 2003 V R 28/03 (BFHE 204, 340, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2004, 208) setzte der Senat das Verfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aus und legte dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) folgende Fragen zur Auslegung der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) vor:

"1. Dürfen oder müssen die Mitgliedstaaten, die die in Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger in ihr innerstaatliches Recht übernommen haben, die Pauschallandwirte im Ergebnis von der Zahlung von Umsatzsteuer freistellen?

2. Falls Frage 1 bejaht wird: Gilt dies nur für die Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und für landwirtschaftliche Dienstleistungen oder auch für sonstige Umsätze des Pauschallandwirts oder unterliegen die sonstigen Umsätze der allgemeinen Regelung der Richtlinie 77/388/EWG?

Was folgt daraus für die Verpachtung einer Jagd durch einen Pauschallandwirt?"

Der EuGH beantwortete die Fragen mit Urteil vom 26. Mai 2005 Rs. C-43/04, Stadt Sundern (UR 2005, 397, BFH/NV Beilage 2005, 320):

"1. Artikel 25 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen, wie sie in Absatz 2 dieses Artikels definiert sind, gilt und dass die sonstigen Umsätze der Pauschallandwirte der allgemeinen Regelung dieser Richtlinie unterliegen.

2. Artikel 25 Absatz 2 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388 in Verbindung mit Anhang B der Richtlinie ist dahin auszulegen, dass die Verpachtung von Jagdbezirken durch einen Pauschallandwirt keine landwirtschaftliche Dienstleistung im Sinne dieser Richtlinie darstellt."

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten; sie meint, das Urteil des EuGH stehe der Vorentscheidung nicht entgegen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Das FG hat zu Unrecht entschieden, die Klägerin sei mit der Jagdverpachtung nicht gemäß § 2 Abs. 3 UStG im Rahmen ihres land- und forstwirtschaftlichen Betriebs tätig gewesen. Die Pachtumsätze unterliegen nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG; sie sind vielmehr nach den allgemeinen Vorschriften des UStG zu besteuern.

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -) und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig (§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG).

2. Die Verpachtung eines Eigenjagdbezirks erfolgt im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, wenn - wie im Streitfall - der Grund und Boden, der den Eigenjagdbezirk bildet, zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehört.

Nach § 3 Abs. 1 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) steht das Jagdrecht dem Eigentümer auf seinem Grund und Boden zu. Es ist untrennbar mit dem Eigentum am Grund und Boden verbunden und darf nach § 3 Abs. 3, § 4 BJagdG nur in Eigenjagdbezirken oder gemeinschaftlichen Jagdbezirken ausgeübt werden. Gemäß § 11 BJagdG kann die Ausübung des Jagdrechts verpachtet werden.

Gehört der Grund und Boden, der einen Eigenjagdbezirk bildet, zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, erfolgt auch die Verpachtung der Eigenjagd im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Da das Jagdrecht mit dem Grund und Boden untrennbar verbunden ist, kann es nicht selbständig aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb entnommen werden; deshalb kann auch die Verpachtung des Jagdausübungsrechts nicht außerhalb des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs erfolgen.

Dies entspricht auch der einhelligen Auffassung im Ertragsteuerrecht (vgl. Leingärtner/Stalbold, Besteuerung der Landwirte, Kap. 10 Rz. 12; Frhr. v. Schönberg, Anmerkung zum BFH-Urteil vom 16. Mai 2002 IV R 19/00, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2003, 27).

Der Senat hat zwar zu § 24 UStG die Ansicht vertreten, die Verpachtung eines Eigenjagdbezirks durch einen Land- und Forstwirt sei kein im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführter Umsatz (BFH-Urteil vom 11. Februar 1999 V R 27/97, BFHE 187, 359, BStBl II 1999, 378). Diese Aussage ist aber ausweislich der Entscheidungsgründe dahin zu verstehen, dass die Verpachtung eines Eigenjagdbezirks durch einen Land- und Forstwirt kein der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG unterliegender Umsatz ist (vgl. unten unter 3.). Für die Auslegung des § 2 Abs. 3 UStG ist sie ohne Bedeutung.

Die Besteuerung der Eigenjagdverpachtung durch Gebietskörperschaften öffentlichen Rechts ist auch gemeinschaftsrechtlich geboten. Nach Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben (Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Diese Bestimmung ist dahin auszulegen, dass es sich bei den Tätigkeiten "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" um solche Tätigkeiten handelt, die die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung ausüben; ausgenommen sind die Tätigkeiten, die sie unter den gleichen rechtlichen Bedingungen ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer (EuGH-Urteile vom 17. Oktober 1989 Rs. 231/87 und 129/88, Comune di Carpaneto Piacentino u.a., Slg. 1989, 3233, UR 1991, 77, und vom 12. September 2000 Rs. C-276/97, Kommission/Frankreich, Slg. 2000, I-6251, Internationales Steuerrecht - IStR - 2000, 620). Die Verpachtung eines Eigenjagdbezirks ist eine derartige Tätigkeit, die die Gemeinde unter denselben rechtlichen Bedingungen ausübt wie ein privater Wirtschaftsteilnehmer. Die Auffassung, dass die Eigenjagdverpachtung nach § 2 Abs. 3 UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegt, verstößt deshalb gegen das Gebot richtlinienkonformer Auslegung des nationalen Rechts.

3. Die Pachtumsätze unterliegen nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG.

§ 24 UStG gilt zwar seinem Wortlaut nach für "die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze". Dies ist aber in richtlinienkonformer Auslegung dahin zu verstehen, dass damit nur die Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und landwirtschaftliche Dienstleistungen gemeint sind, auf die die Pauschalregelung des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG Anwendung findet.

§ 24 UStG "beruht" nach der Gesetzesbegründung (so BTDrucks 8/1779, S. 49) auf Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG. § 24 UStG ist deshalb richtlinienkonform auszulegen (so auch BFH-Urteil vom 25. November 2004 V R 8/01, BFHE 208, 73).

Nach Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG finden die in dieser Bestimmung vorgesehenen Pauschalausgleichprozentsätze lediglich auf den Preis der dort näher bezeichneten landwirtschaftlichen Erzeugnisse und landwirtschaftlicher Dienstleistungen Anwendung; die gemeinsame Pauschalreglung für landwirtschaftliche Erzeuger gemäß Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG gilt deshalb nur für die dort genannten Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und landwirtschaftlicher Dienstleistungen. Andere Umsätze, "die der Pauschallandwirt im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs tätigt," unterliegen nach der Rechtsprechung des EuGH der allgemeinen Regelung (vgl. für Verpachtungsumsätze EuGH-Urteil vom 15. Juli 2004 Rs. C-321/02, Harbs, HFR 2004, 935, BFH/NV 2004, Beilage 4, 371, UR 2004, 543, und für die Jagdverpachtung das EuGH-Urteil in der vorliegenden Sache; vgl. insbesondere Randnr. 20).

Dementsprechend ist auch § 24 UStG richtlinienkonform dahin auszulegen, dass er nur die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und landwirtschaftliche Dienstleistungen i.S. des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG erfasst.

Wie der EuGH in der vorliegenden Rechtssache entschieden hat, ist die Verpachtung von Jagdbezirken durch einen Pauschallandwirt keine derartige landwirtschaftliche Dienstleistung. Sie unterliegt deshalb der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften.