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BFH-Urteil vom 5.4.2006 (IX R 109/00) BStBl. 2006 II S. 541

1. Aufwendungen des Kreditinstituts (Arbeitgeber) für Sicherheitsmaßnahmen am Wohnhaus seines leitenden Angestellten (Vorstandsmitglied) sind bei allenfalls abstrakter berufsbedingter Gefährdung von dessen Leben, Gesundheit und Vermögen, also nicht unerheblichem Eigeninteresse des Vorstandsmitglieds, Arbeitslohn.

2. Kein steuerfreier Auslagenersatz ist gegeben, wenn die Aufwendungen nicht im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse des Kreditinstituts liegen und - angesichts der sich ratierlich mindernden Rückzahlungsverpflichtung - nach Ablauf von fünf Jahren zu einer dauerhaften und nicht unerheblichen Bereicherung des Steuerpflichtigen führen.

EStG § 19 Abs. 1, § 3 Nr. 50, § 12 Nr. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG München vom 5. November 1997 5 K 2905/94 (EFG 2000, 413)

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger ist seit Februar 1990 Vorstandsmitglied eines Kreditinstituts, die Klägerin Hausfrau. Er bewohnte mit seiner Familie ein 1966/1967 erbautes Einfamilienhaus.

Anlässlich einer 1993 durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung wurde festgestellt, dass der Arbeitgeber - wie bereits zuvor bei den anderen Vorstandsmitgliedern - aufgrund eines Vorstandsbeschlusses den Einbau verschiedener Sicherheitsmaßnahmen im Haus des Klägers mit 33.894,50 DM bezuschusst hatte. Dieser Betrag wurde dem Kläger im Streitjahr 1992 überwiesen und nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn behandelt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte dagegen den Zuschuss mit Einkommensteuerbescheid 1992 beim Kläger als steuerpflichtigen Arbeitslohn an. Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2000, 413 veröffentlichten Urteil ab.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -, § 2 Abs. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV -): Die Übernahme der Kosten für die Sicherheitsmaßnahmen führe nicht zu lohnsteuerpflichtigem Arbeitslohn, weil der vom Arbeitgeber zugewendete Vorteil nicht "für" Dienste des Klägers gewährt worden sei; die Sicherheitsaufwendungen seien nämlich im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse des Arbeitgebers getätigt worden, die eventuelle eigene Interessen des Arbeitnehmers überlagerten.

Das FG lasse im Gegensatz zum Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 30. Juni 1997 (BStBl I 1997, 696) auch eine abstrakte Gefährdung nicht ausreichen und stelle die Vorteile für den Arbeitnehmer und seine Familie in den Vordergrund, ohne zu berücksichtigen, dass die Gefahr von Übergriffen bei Vorstandsmitgliedern von Kreditinstituten bei weitem höher als in anderen Branchen, stets gegenwärtig und deshalb berufsbedingt sei.

Zudem habe anlässlich der Veranlagung des Vorjahres eine tatsächliche Verständigung über den steuerlich relevanten Sachverhalt der "konkreten Gefährdung" stattgefunden und binde das FG nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH); der gleiche Sachverhalt könne nicht anders (wiederum belastend) als im Vorjahr behandelt werden.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 28. Juli 1999 die Einkommensteuer 1992 unter Minderung der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um 33.894,58 DM entsprechend herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Recht den Zuschuss für die Sicherheitsmaßnahmen als steuerpflichtigen Arbeitslohn des Klägers beurteilt.

1. Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG und § 2 Abs. 1 LStDV sind Arbeitslohn alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Dazu gehören nach ständiger Rechtsprechung u.a. Vorteile, die für eine Beschäftigung gewährt werden. Ein Vorteil wird "für" eine Beschäftigung gewährt, wenn er durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist, der einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendete Vorteil also Entlohnungscharakter hat. Das ist der Fall, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 VI R 29/00, BFHE 208, 104, BStBl II 2005, 367, m.w.N.).

Demgegenüber sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall, wenn sich im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, daher vernachlässigt werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile in BFHE 208, 104, BStBl II 2005, 367; vom 30. Mai 2001 VI R 177/99, BFHE 195, 373, BStBl II 2001, 671; vom 25. Mai 2000 VI R 195/98, BFHE 192, 299, BStBl II 2000, 690).

Ebenso sind Zahlungen des Arbeitgebers dann kein Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn dadurch Auslagen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ersetzt werden (§ 3 Nr. 50, 2. Alternative EStG). Ein solcher Auslagenersatz ist dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer im ganz überwiegenden Interesse des Arbeitgebers Aufwendungen tätigt, die der Arbeitsausführung dienen und die nicht zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers führen.

2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht den gewährten Zuschuss als Arbeitslohn des Klägers angesehen; entsprechend liegt auch kein steuerfreier Auslagenersatz vor.

a) Das FG hat im Streitfall die betrieblichen Ziele des Kreditinstituts als Arbeitgeber an den Sicherheitsmaßnahmen einerseits und andererseits das individuelle Interesse des Klägers als Arbeitnehmer gegeneinander abgewogen. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass kein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Kreditinstituts an den Sicherheitsmaßnahmen vorlag, weil jedenfalls auch ein nicht unerhebliches Interesse des Klägers vorhanden war. Diese Würdigung hat das FG unter anderem auf folgende Umstände gestützt: Der Kläger war aufgrund seiner beruflichen Position allenfalls abstrakt gefährdet, allein Vorstandsmitglieder des Kreditinstituts konnten einen solchen Zuschuss erhalten, dem Kläger verblieb dadurch ein erheblicher und dauerhafter finanzieller Vorteil, und das Kreditinstitut war selbst von einem nicht unerheblichen Eigeninteresse des Klägers ausgegangen und hatte den Zuschuss entsprechend niedriger bemessen. Diese Gesamtwürdigung des FG ist nach Maßgabe seiner mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) möglich; sie verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze und ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

b) Nach den Ausführungen unter 1. (am Ende) ist auch - so das FG zu Recht - kein steuerfreier Auslagenersatz i.S. des § 3 Nr. 50 EStG gegeben. Denn die Aufwendungen lagen nach den tatsächlichen Feststellungen des FG (s. unter a) nicht im ganz überwiegenden Interesse des Kreditinstituts und haben - angesichts der sich ratierlich mindernden Rückzahlungsverpflichtung - nach Ablauf von fünf Jahren zu einer dauerhaften und nicht unerheblichen Bereicherung des Klägers geführt.

3. Der Kläger kann für die Sicherheitsmaßnahmen an seinem Haus auch keine Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen. Da die Aufwendungen für Sicherheitsmaßnahmen eines Steuerpflichtigen zum Schutz von Leben, Gesundheit, Freiheit und Vermögen seiner Person und seiner Familienangehörigen nicht unwesentlich auch die private Lebensführung berühren und es im Streitfall nicht um eine konkrete, mit dem Beruf zusammenhängende Gefährdung geht, hat das FG die Aufwendungen des Klägers zutreffend als gemischte Aufwendungen beurteilt, die insgesamt vom Abzug als Werbungskosten nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ausgeschlossen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 9. August 1999 VIII B 38/99, BFH/NV 2000, 76, m.w.N.).

4. Zu Recht hat das FG das Vorliegen einer sog. tatsächlichen Verständigung (zu deren Voraussetzungen vgl. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1984 VIII R 131/76, BFHE 142, 549, BStBl II 1985, 354; vom 31. Juli 1996 XI R 78/95, BFHE 181, 103, BStBl II 1996, 625, m.w.N.) zwischen Kläger und FA verneint. Sie lässt sich aus der Behandlung des Kreditinstitut-Zuschusses bei der Veranlagung des Vorjahres 1991 (als Minderung der Arbeitszimmer-Aufwendungen des Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit) jedenfalls nicht herleiten.

Auch hat das FG eine Bindung des FA nach dem Grundsatz von Treu und Glauben schon mangels entsprechender Disposition des Klägers zutreffend abgelehnt.

Im Übrigen gilt der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung. Widerstreitende Steuerfestsetzungen sind - worauf das FA im Einspruchsverfahren und Einspruchsbescheid hingewiesen hat - nach § 174 der Abgabenordnung (AO 1977) zu behandeln.

5. Soweit sich die Kläger auf gleichlautende Ländererlasse (FMS vom 14. Juli 1992, Karte 11 zu § 8 EStG Fach 3 der Lohnsteuer-Kartei der Oberfinanzdirektionen München und Nürnberg; Erlass des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 18. Juni 1992, Finanz-Rundschau 1992, 529) sowie das BMF-Schreiben in BStBl I 1997, 696 berufen, die sämtlich Billigkeitsregelungen enthalten, bedarf es dazu im vorliegenden Steuerfestsetzungsverfahren keiner Entscheidung, zumal die Kläger ausdrücklich einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO 1977) weder im Veranlagungs- noch im Einspruchs- noch im Klageverfahren gestellt haben. Daher kommt auch eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO nicht in Betracht.