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BFH-Urteil vom 2.3.2006 (V R 35/04) BStBl. 2006 II S. 675

1. Veräußert eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform der GbR einen PKW, dessen Erwerb sie nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt und den sie ihrem Unternehmen zugeordnet hatte, so ist diese Veräußerung - anders als eine Entnahme - steuerbar, auch wenn die GbR ausdrücklich erklärt, diesen Umsatz nicht versteuern zu wollen (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 31. Januar 2002 V R 61/96, BFHE 197, 372, BStBl II 2003, 813).

2. Die Veräußerung des PKW unterliegt nicht der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG, sondern ist nach den allgemeinen Vorschriften des UStG zu besteuern.

UStG 1993 § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 25; Richtlinie 77/388/EWG Art. 26a Teil A Buchst. e.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 22. April 2004 3 K 174/02 (EFG 2004, 1553)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), betreibt eine Steuerberatungsgesellschaft. Im Jahr 1995 erwarb sie von einem Händler einen gebrauchten PKW Mercedes C 220 D zum Preis von 43.880 DM. Die Klägerin nahm aus der Anschaffung des PKW keinen Vorsteuerabzug in Anspruch, da der Verkäufer die Differenzbesteuerung nach § 25a des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) angewandt und Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen hatte.

In den Jahren 1995 bis 1998 überließ die Klägerin den PKW teilweise einem ihrer Gesellschafter unentgeltlich zur privaten Nutzung und versteuerte diese Verwendung für unternehmensfremde Zwecke gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG.

Im Jahr 1998 (Streitjahr) gab die Klägerin den PKW im Rahmen des Erwerbs eines anderen Fahrzeugs für 23.500 DM in Zahlung. Der Händler rechnete hierüber mit einer an die Klägerin gerichteten Gutschrift vom 9. November 1998 wie folgt ab:

"Für nachfolgend aufgeführtes Fahrzeug schreiben wir Ihnen gut:

1

Mercedes-Benz

C 220 D

Fahrzeug-Ident-Nr. ........

 

 

 

DM 23.500

Dieser Betrag wird bei Lieferung des uns in Auftrag gegebenen Fahrzeugs zum Nennwert und zinslos angerechnet."

Die Klägerin vermerkte in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr:

"Im Jahr 1998 wurde der PKW ... zum Preis von DM 23.500 veräußert. Da beim Erwerb (§ 25a UStG) kein Vorsteuerabzug in Anspruch genommen wurde, wird der Umsatz nicht der Besteuerung unterworfen.

Hinweis auf die Vorlage an den EuGH gemäß Beschluss des BFH vom 24.9.1998 V R 61/96."

Durch den bezeichneten Beschluss hatte der Bundesfinanzhof (BFH) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (vgl. Urteil vom 24. September 1998 V R 61/96, BFHE 187, 70, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1999, 64):

"1. Kann ein Unternehmer einen gemischt (unternehmerisch und nichtunternehmerisch) genutzten Gegenstand unabhängig von dem Umfang der unternehmerischen Nutzung insgesamt seinem Privatvermögen zuordnen?

2. Unterliegt die Veräußerung eines Gegenstands, den der Veräußerer ohne das Recht auf Vorsteuerabzug von einem Privaten für Zwecke seines Unternehmens erworben hatte, gemäß Art. 2 Nr. 1, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in vollem Umfang der Umsatzsteuer?".

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte den Verkauf des PKW im Umsatzsteuerbescheid für 1998 vom 26. Mai 2000 i.d.F. des Änderungsbescheids vom 10. Juni 2002 als steuerbar und steuerpflichtig.

Das Finanzgericht (FG) gab der von der Klägerin nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt.

Es führte zur Begründung aus, die Klägerin habe den PKW vor der Veräußerung ihrem Unternehmen entnommen, so dass eine Besteuerung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ausscheide. Indem der Erwerber des PKW mit Einverständnis der Klägerin in der Gutschrift vom 9. November 1998 keine Umsatzsteuer ausgewiesen habe und die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr den bezeichneten Vermerk angebracht habe, habe sie klar zum Ausdruck gebracht, dass sie den PKW nicht habe steuerpflichtig veräußern wollen. Deshalb liege - entsprechend den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 31. Januar 2002 V R 61/96 (BFHE 197, 372, BStBl II 2003, 813) - eine Entnahme vor Veräußerung vor.

Einer Übertragung der Grundsätze dieses Urteils auf den vorliegenden Fall stehe nicht entgegen, dass die Klägerin als Unternehmerin in der Rechtsform einer GbR und nicht - wie in dem vom BFH entschiedenen Fall - als Einzelunternehmerin gehandelt habe. Auch eine Personengesellschaft könne einen nichtunternehmerischen Bereich haben.

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2004, 1553 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG und macht im Wesentlichen geltend: Ein nichtunternehmerischer Bereich der Klägerin, der über die bloße Nutzungsüberlassung des PKW an einen Gesellschafter hinausgehe, sei nicht vorhanden gewesen. Jedenfalls sei das Fahrzeug mangels eindeutiger Entnahmehandlung nicht aus dem unternehmerischen Bereich ausgeschieden. Auch die Voraussetzungen für eine Differenzbesteuerung nach § 25a UStG seien nicht gegeben.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Klägerin tritt dem Vorbringen des FA entgegen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Veräußerung des PKW durch die Klägerin ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbar. Entgegen der Auffassung des FG hat die Klägerin den PKW nicht vor der Veräußerung entnommen. Eine Differenzbesteuerung nach § 25a UStG scheidet aus.

1. Der Umsatzsteuer unterliegen u.a. Lieferungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG). Die Veräußerung eines Gegenstandes geschieht nur dann im Rahmen des Unternehmens, wenn der betreffende Gegenstand vorher dem Unternehmensbereich zugeordnet und nicht vor der Veräußerung aus dem Unternehmen entnommen worden ist.

a) Das FG hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin den PKW ursprünglich in vollem Umfang ihrem Unternehmen zugeordnet hatte.

Diese Zuordnung folgt daraus, dass die Klägerin in den Jahren 1996 bis 1998 die private Nutzung des PKW durch einen ihrer Gesellschafter gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG versteuert hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 197, 372, BStBl II 2003, 813, unter II. 2. c). Dies ist zu Recht unter den Beteiligten nicht umstritten.

b) Der Senat vermag dem FG aber insoweit nicht zu folgen, als dieses angenommen hat, die Klägerin habe den PKW vor der Veräußerung ihrem Unternehmen entnommen.

aa) Der BFH hat zwar in seinem Urteil in BFHE 197, 372, BStBl II 2003, 813 eine solche Entnahme mit folgender Begründung angenommen (vgl. unter II. 3. der Gründe):

"Der Kläger konnte also den PKW vor der Veräußerung seinem Unternehmen mit der Folge entnehmen, dass die nachfolgende Veräußerung nicht mehr gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 im Rahmen seines Unternehmens erfolgte.

Er hat dies auch getan. Indem er dem Erwerber des PKW keine Umsatzsteuer in Rechnung stellte und hierzu in der Steuererklärung vermerkte: 'steuerfreier Umsatz (PKW wurde gebraucht von einer Privatperson gekauft)', hat er klar zum Ausdruck gebracht, dass er den PKW nicht steuerpflichtig veräußern wollte. Ein derartiges Verhalten mag zwar grundsätzlich nicht den Schluss rechtfertigen, der PKW sei vor der Veräußerung entnommen worden. Im Streitfall ist aber zu berücksichtigen, dass der Kläger vor der Vorabentscheidung des EuGH noch keine klaren Vorstellungen davon haben konnte, wie er die Veräußerung des PKW der Steuerpflicht - zulässigerweise - entziehen konnte. Es muss deshalb genügen, dass er eindeutig erklärt hatte, die Veräußerung nicht versteuern zu wollen."

bb) Entgegen der Auffassung des FG sind diese - im Fall eines Einzelunternehmers aufgestellten - Grundsätze aber nicht auf den vorliegenden Streitfall anwendbar.

Die als Steuerberatungsgesellschaft unternehmerisch tätige Klägerin hat den PKW nicht aus ihrem Unternehmen für Zwecke entnommen, die außerhalb des Unternehmens liegen. Sie hat den PKW an einen Dritten veräußert und nicht etwa ihrem Gesellschafter geschenkt. Eine Entnahme des PKW kommt deshalb nicht in Betracht.

2. Die Lieferung des PKW unterliegt - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG. Denn die Klägerin ist nicht Wiederverkäufer im Sinne dieser Vorschrift.

a) Die Differenzbesteuerung für Lieferungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG von bestimmten beweglichen körperlichen Gegenständen setzt nach § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 u.a. voraus, dass der liefernde Unternehmer ein "Wiederverkäufer" ist. Als Wiederverkäufer gilt nach § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert.

Die Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft handelt nicht gewerbsmäßig mit PKW. Die einmalige Veräußerung eines zum Anlagevermögen gehörenden PKW begründet nicht die Eigenschaft als Wiederverkäufer i.S. des § 25a UStG (vgl. FG Köln, Urteil vom 15. April 2004  11 K 2507/03, EFG 2004, 1333, m.w.N.).

b) Diese Auslegung des § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG steht im Einklang mit Art. 26a Teil A Buchst. e der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG.

Nach dieser Bestimmung ist "steuerpflichtiger Wiederverkäufer" jeder Steuerpflichtige, der im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit Gebrauchsgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten kauft oder zur Deckung seines unternehmerischen Bedarfs verwendet oder zum Zwecke des Wiederverkaufs einführt, gleich, ob er auf eigene Rechnung oder aufgrund eines Einkaufs- oder Verkaufskommissionsvertrags auf fremde Rechnung handelt.

Nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil vom 8. Dezember 2005 C-280/04 - Jyske Finans - (Internationales Steuerrecht 2006, 58) kann zwar als steuerpflichtiger Wiederverkäufer im Sinne dieser Bestimmung (auch) ein Unternehmen angesehen werden, das im Rahmen seiner normalen Tätigkeit Fahrzeuge wiederverkauft, die es für seine Leasingtätigkeit als Gebrauchtwagen erworben hatte, und für das der Wiederverkauf im Augenblick der Anschaffung des Gebrauchsgegenstandes nicht das Hauptziel, sondern nur sein zweitrangiges und dem der Vermietung untergeordnetes Ziel darstellt.

Der Wiederverkauf von PKW gehört aber nicht zum normalen Tätigkeitsfeld der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft.